Unfreie Wähler: Eine Wahlalternative sieht anders aus

blu-news schreibt:

Wolfgang Hübner ist Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Frankfurter Römer. Vielen Lesern dieser Seite [blu-news.org] ist er wohlbekannt, seine Kommentare erscheinen regelmäßig als Gastbeiträge auf blu-News. So auch sein „Zwischenruf aus aktuellem Anlass“, in dem sich Hübner kritisch über die Berichterstattung zu den NSU-Morden äußerte. Gleich zu Beginn des Textes stellte Hübner klar: „Die Mordserie an zehn Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland ist eine schändliche Tat, die mit allen Konsequenzen aufgeklärt und mit aller Härte bestraft werden muss.“

„Politik mit gesundem Menschenverstand“

In der Folge kritisierte Hübner die ARD-Tagesschau und andere Massenmedien aufgrund ihrer einseitigen Berichterstattung zu dem Fall. Hübner fragte, wie es sein könne, dass „die hetzerischen Transparente linksextremer Organisationen, die in der Angelegenheit längst einträglichen politischen Profit wittern, zur besten Sendezeit in der Tagesschau und anderen Sendungen groß ins Bild gerückt“ werden. Er beklagte, dass in den Medien so getan wird, als sei „in der Mordserie längst alles aufgeklärt“, als hätten „die Sicherheitsorgane der Bundesrepublik, also Polizei und Verfassungsschutz, die Taten geradezu begünstigen, auf jeden Fall aber gar nicht aufklären wollen“. Und Hübner kritisierte, dass es die Intention verschiedener Einwandererlobbyisten sei, die Situation „in unverschämter Weise“ auszunutzen, „um vom Staat zusätzliche materielle und ideelle Zuwendungen zu fordern“. Fragen, Anmerkungen und Einschätzungen also, die viele Bundesbürger mit dem Frankfurter Freien Wähler teilen dürften (stellvertretend für zahlreiche Beispiele sei hier darauf verwiesen, dass in Deutschland pro Jahr mehr Menschen Opfer so genannter Ehrenmorde werden, als die NSU-Mordserie insgesamt gefordert hat, ohne dass es dazu eine nur annähernd vergleichbar umfangreiche Berichterstattung in deutschen Medien gäbe, von ähnlichem politischem Aktionismus ganz zu schweigen).

Auf wenig Zustimmung stieß Hübners kritischer Zwischenruf indes bei seinen – im weitesten Sinne – Parteifreunden in Bayern. Die dortige Landtagsfraktion der Freien Wähler übte scharfe Kritik an Hübners Zwischenruf und kündigte sogar Sanktionen an. So teilte der Vorsitzende, Hubert Aiwanger, mit: „Hier wird der gute Name unserer Partei missbraucht. Soweit dies möglich ist, werden wir ordnungsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Ausschluss der Urheber des ‚Zwischenrufs‘ ergreifen.“ Und Michael Piazolo, Landtagsabgeordneter und Mitglied im „NSU“-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags, sagte: „Die Freien Wähler stehen für eine rückhaltlose Aufklärung dieser im Nachkriegsdeutschland einmaligen Terrorserie. Im ‚NSU‘-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags setze ich mich dafür ein, die Opfer der Mordserie zu würdigen, deren Angehörige sich in der Vergangenheit teils auch noch verunglimpfenden Beschimpfungen gegenübersahen. Wir wollen außerdem klären, warum es in der Zusammenarbeit zwischen den Diensten zu solch häufigen Ermittlungspannen kommen konnte. Und drittens muss von diesem Untersuchungsausschuss das klare Signal ausgehen, dass Extremismus in unserer Gesellschaft jeden Tag aufs Neue bekämpft werden muss – wenn unsere Demokratie wehrhaft bleiben soll.“ Mit Blick auf Hübners Kritik an Einwandererlobbyisten fügte Piazolo noch hinzu: „Diese Behauptung ist unerträglich, und ich weise sie entschieden zurück.“ Absurderweise endet die Pressemitteilung, die vom Ton her auch aus Reihen der Grünen hätte stammen können, mit dem Slogan: „Freie Wähler – Politik mit gesundem Menschenverstand“.

Widersprüchliches Gebaren der Freien Wähler in Bayern

Mit „gesundem Menschenverstand“ hat die Pressemitteilung angesichts Hübners Originaltext freilich nur wenig gemein, viel mehr hingegen mit vorauseilendem Gehorsam gegenüber der in Deutschland allgegenwärtigen politischen Korrektheit. Der Fall steht zudem in einer Reihe mit dem bis dato ohnehin höchst widersprüchlichem Gebaren der Freien Wähler in Bayern. So gibt man dort einerseits vor, mit kritischen Positionen gegenüber der Euro-Rettungspolitik in die anstehende Bundestagswahl ziehen zu wollen, hat sich aber andererseits offenbar zum Ziele gesetzt, auf Landesebene gemeinsam mit SPD und Grünen die CSU von der Regierungsbank zu jagen. Und damit ausgerechnet jene Partei, deren Führung in der Vergangenheit als einzige unter den etablierten auch kritische Positionen zur der Euro-Rettungspolitik zum Ausdruck brachte. Und ohnehin: Wie passt es zu dem jüngst beworbenen bürgerlich-liberalen Profil der Bundespartei der Freien Wähler, gemeinsam mit SPD und Grünen Bayerns bürgerliche Regierungspartei stürzen zu wollen?

Die Antwort lautet: Es passt nicht, wie so vieles bei den Freien Wählern nicht zu passen scheint. So groß das Potenzial dieser in den Kommunen bundesweit stark aufgestellten Wählervereinigung ist, so heterogen ist sie doch zugleich, wenn es um bundespolitische Themen geht. Da finden sich plötzlich zahlreiche eher sozialdemokratisch orientierte Gruppierungen mit den bürgerlich-liberalen Frankfurter Freien Wählern in einem Boot wieder. Da will die Parteiführung links mit Rot-Grün koalieren und rechts mit Euro-Kritik die CSU überholen. Und da soll als Gallionsfigur mit Hans-Olaf Henkel ausgerechnet ein erklärtes Feindbild der deutschen Linken herhalten; jemand, der noch im Jahr 2010 so frei, so „politically incorrect“ war, Thilo Sarrazin in der Integrationsdebatte Rückendeckung zu geben (und nach aktuellem Stand wohl froh sein muss, dafür von den Herren Aiwanger und Piazolo noch nicht öffentlich abgemahnt worden zu sein). […]

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