Ein leider nicht gegebenes Interview

Unter dem Titel

„FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Rosenkranz läßt sich treudoof verhören“

hat Kewil heute uns Allen aus der Seele gesprochen. Damit es auch unter meinen Lesern wirklich keiner verpasst, gibt es den vollständigen Text – mit Genehmigung des Autors – hier:

„In Österreich sind bald Bundespräsidentenwahlen, und die FPÖ hat eine eigene, chancenlose Kandidatin zu Testzwecken aufgestellt, die trotz ihres Namens Rosenkranz keiner Kirche angehört. Da sie irgendetwas zu Holocaustleugnung versus Meinungsfreiheit gesagt hatte, wurde sie nun vom Soziblatt PRESSE inquisitorisch verhört. Auch andere Zeitungen heulen auf! Zu einem Verhör gehören aber zwei. Rosenkranz gab ziemlich naiv und treudoof die gewünschten Antworten, siehe da! Lassen Sie mich deshalb an ihrer Stelle antworten, vorausgesetzt, ich hätte die Interviewerin nicht nach der dritten Frage die Treppe runtergeschmissen und das Tonband hinterher:

Haben Sie mit einer so großen Empörungswelle gerechnet? Sie werden als Kellernazi bezeichnet, und ein Anwalt hat Strafanzeige wegen Wiederbetätigung eingebracht.

Könnten Sie mir erst den Unterschied zwischen Keller-, Schlafzimmer- und Dachnazi erklären, bitte?

Das heißt, man soll ohne rechtliche Folgen sagen können: „Hitler war gut“ oder „Es gab keine Gaskammern“.

Das ist in den meisten Ländern der Welt problemlos möglich. In Deutschland wurde letztes Jahr der berüchtigte RA Horst Mahler mit 73 Jahren wegen Holocaustleugnung zu sechs Jahren Haft verurteilt, während man Intensivtätern, die andere mit Messern abstechen, ausrauben und zu Krüppeln schlagen, unermüdlich Bewährung gibt. Finden Sie das normal?

Der Vorwurf lautet, dass Sie die NS-Zeit verharmlosen.

Der Vorwurf von wem? Von linken Vögeln, die keine FPÖ wollen? Die interessieren mich nicht.

Aber Sie haben sich nicht klar genug davon distanziert. Sie könnten ja sagen: In der Nazizeit sind schwerste Verbrechen geschehen, und es gab natürlich Gaskammern.

Geht es hier um einen Gaskammer-Test oder um die Wahl zum Bundespräsidenten. Ich muß doch nicht nachplappern, was mir eine linke Pressetussi wie Sie vorbetet!

Sie wirken manchmal so, als würden Sie geheime rechtsextreme Codes verwenden – indem Sie zum Beispiel sagen, dass Ihr Geschichtsbild aus Ihrem Schulunterricht zwischen 1964 und 1976 stammt. Damals wurde vermieden, über Gaskammern zu reden.

Sie lesen zuviele schlechte Romane. Ist das aus dem Da-Vinci-Code? Woher wollen Sie wissen, wie früher der Geschichtsunterricht war? Das ist doch nur achtundsechziger Bullshit. Der Geschichtsunterricht war damals im Gegensatz zu heute vorbildlich neutral und nicht linksversifft!

Stimmen Sie zu, dass in den Gaskammern Millionen Juden ermordet wurden?

So langsam glaube ich, Sie haben eine Gaskammer in Ihrem Hirn. Ihre Fragen klingen so gasig. Wenn Ihnen nichts anderes mehr einfällt, hier ist die Tür. Oder ich hole jetzt die Feuerwehr, vor es zu einer Gasexplosion kommt!

Glauben Sie, dass es eine österreichische Nation gibt?

Nein, ich will unseren Kaiser Franz Joseph und Ungarn wieder haben!

Was halten Sie vom Begriff „Genderwahnsinn“, den ein Ex-Blauer verwendet hat?

Der stimmt haarscharf. Ich muß ja nur Sie angucken!

Wären Sie für ein Abtreibungsverbot?

Also ich will ja nicht schon wieder sagen, wenn ich Sie angucke…!

Warum haben Ihre Kinder alle germanische Vornamen?

Meine Kinder gehen Sie einen Scheißdreck an. Sonst noch was?

Glauben Sie an Gott?

Nein, seit ich Sie kennengelernt habe, nicht mehr! Wotan, fass!“

(Wotan, benannt nach dem germanischen Gott Wotan, eine Mischung zwischen Schäferhund und Lindwurm, beißt der Interviewerin Martina Salomon in den roten Tanga! Das Interview ist beendet!)

Fact – Fiction: FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Rosenkranz läßt sich treudoof verhören.

Die Büchse der Pandora

Als die Leugnung des Holocaust als Volksverhetzung in Deutschland strafbar wurde (§ 130 Abs.3 StGB), fehlte es nicht an Kritikern, die zu Recht fanden, es sei mit dem Selbstverständnis eines freiheitlichen Rechtsstaates unvereinbar, ein bestimmtes Geschichtsbild unter Strafe zu stellen. Heute wird man besagten Kritikern bescheinigen müssen, die Gefahren, die von dieser Norm für eine freiheitliche Rechtskultur ausgehen, sogar noch unterschätzt zu haben.

Das stärkste Argument für die Strafbarkeit stützt sich auf den verfassungsrechtlichen Grundgedanken der wehrhaften Demokratie: Die Väter des Grundgesetzes wollten nicht noch einmal eine Verfassung schaffen, die ihren Feinden die Waffen zu ihrer eigenen Beseitigung liefert. Es ist nachvollziehbar, dass die Meinungsfreiheit nicht dazu dienen soll, genau diejenige Ordnung zu beseitigen, die diese Meinungsfreiheit gewährleistet. Es ist deshalb (aber eben nur deshalb!) auch nachvollziehbar, dass eine offensichtlich unwahre Tatsachenbehauptung (nämlich die, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe), die gleichwohl oder eben deswegen ein zentrales Thema in der Propaganda rechtstotalitärer Organisationen darstellt, unter Strafandrohung verboten wird. Zumal das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass es nur um diese eine konkrete Tatsachenbehauptung geht, und dass ein Verbot komplexerer Geschichtsbilder sehr wohl gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verstoßen würde: Als konkretes Beispiel diente das mögliche Bestreiten der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg, das der Gesetzgeber nicht verbieten könnte. Selbst unter dieser Einschränkung ist das Verbot der Holocaustleugnung das Äußerste, aber wirklich das Alleräußerste, was ein demokratischer Rechtsstaat gerade noch zur Selbstverteidigung tun kann, ohne genau jene Freiheit zu zerstören, die er angeblich verteidigen will.

Was in den neunziger Jahren vielleicht nicht für jedermann vorhersehbar war, heute aber vor Aller Augen liegt, ist die wahrscheinlich irreparable Beschädigung des bürgerlichen Rechtsbewusstseins. Das Verbot der Holocaustleugnung wird nicht mehr als die krasse – und vor allem begründungsbedürftige! – Ausnahme von der Regel gesehen, dass eine Zensur nicht stattfindet. Vielmehr verbreitet sich ein Rechtsverständnis, wonach historische Wahrheit etwas ist, das von Staats wegen dekretiert werden kann, darf und muss, und das man (unabhängig von Tatsachen) nicht bezweifeln darf, weil die bloße Äußerung eines Zweifels bereits strafwürdiges „Unrecht“ darstellt.

Dass dies tatsächlich so gesehen wird, erkennt man daran, dass sowohl der sachliche als auch der räumliche Anwendungsbereich von „Leugnungs-“Verboten seit Jahren immer weiter ausgedehnt wird. So wurde in Frankreich die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe gestellt, obwohl das Thema nicht den geringsten innerfranzösischen Bezug aufweist. So konnte erst vor kurzem in Deutschland gefordert werden, die Leugnung von Stasi-Verbrechen zu verbieten; und dies nicht, weil es öffentlichen Bedarf an einer solchen Regelung gäbe. Nein, es hat sich offenkundig ein totalitäres Rechtsverständnis verbreitet, wonach eine „staatsbürgerliche“ ideologische Konformität ein legitimes Staatsziel sei: ein Rechtsverständnis, das nur deshalb mit Akzeptanz rechnen kann, weil der Präzedenzfall des § 130 Abs. 3 StGB eine gewissermaßen volkspädagogische Wirkung gezeitigt und die Bürger dazu konditioniert hat, ihre eigene politische Entmündigung zu tolerieren.

Mit dieser, aus ihrer Sicht positiven Erfahrung im Hinterkopf verfügten die EU-Justizminister, dass die Leugnung des Holocausts europaweit verboten werden soll, obwohl sie durchaus nicht in allen europäischen Ländern zentrales Kampfmittel antidemokratischer Rechtsextremisten ist. Man hält es schon nicht mehr für nötig zu fragen, ob der Sachverhalt, der in Deutschland einen so schwerwiegenden Eingriff in die Meinungsfreiheit als Ausnahme rechtfertigen kann, in anderen europäischen Ländern überhaupt gegeben ist.
Mehr noch: Um kein Opferkollektiv zu bevorzugen (die Osteuropäer etwa wollten auch die Verbrechen des Stalinismus berücksichtigt wissen), wurde verfügt, dass die Mitgliedsstaaten der EU die Leugnung jeglichen Völkermordes und jedes Verbrechens gegen die Menschlichkeit unter Strafe zu stellen hatten, d.h. die an sich schon bis hart an den Rand der verfassungsrechtlichen Legalität gehende deutsche Norm wird noch verschärft und erweitert weden müssen.

Dass ein solcher Vorgang möglich ist und keinen Aufschrei verursacht, zeigt, wie weit die massenhafte Gehirnwäsche bei den Völkern Europas bereits gediehen ist. Es zeigt aber vor allem, dass der, der einmal „A“ gesagt und ein staatliches „Meinungsmanagement“ akzeptiert hat, unweigerlich auch „B“, „C“, „D“ und so weiter sagen muss, bis er bei einem „Z“ ankommt, das man in Russland „gelenkte Demokratie“ nennt. Und das ist noch der günstigste Fall.