Lorenz Jägers Selbstentblößung

Kaum jemand dürfte sich Illusionen darüber machen, dass die wenigen Konservativen (Jürgen Liminski, Michael Klonovsky, Matthias Mattussek) und eigenwilligen Rechtsliberalen (Jan Fleischauer, Henryk M. Broder) unter den deutschen Journalisten, denen gestattet wird, in den Massenmedien die herrschende Ideologie zu kritisieren, damit eine ganz bestimmte Funktion erfüllen: nämlich die Ausnahme zu sein, die die Regel bestätigt, und einen „Pluralismus“ zu fingieren, dessen tatsächliche Absenz dem Publikum sonst allzu schmerzlich auffiele. Das wissen sie, und sie hüten sich daher, ihre Rolle als die von Türöffnern misszuverstehen, die wichtigen Themen, Personen und Ideen den Weg in die vielzitierte „Mitte der Gesellschaft“ ebnen. Sie übernehmen innerhalb des Mediensystems eine Funktion, die sonst aus besagtem System auswandern würde, und üben eine Art virtueller Opposition, damit es nicht zur Entstehung einer realen kommt. Sie sind so etwas wie das moderne Äquivalent des mittelalterlichen Hofnarren, dessen Funktion und Privileg es war, dem Herrscher als Einziger die Wahrheit sagen zu dürfen.

Lorenz Jäger, der sich zehn Jahre lang als „Rechtsaußen“ der FAZ profilieren durfte und sich nun in deren Mittwochsausgabe spektakulär von der Rechten – oder dem, was er dafür hält – losgesagt hat, ist kein solcher Hofnarr.

Der Figur des Hofnarren kommt nämlich eine gewisse Dignität zu: Wenn er sich auch hütet, der Herrschaft, die er kritisiert, wirklich gefährlich zu werden, so ist er doch persönlich aufrichtig. Wenn er auch weiß, dass er ein Privileg ausübt, indem er die Wahrheit sagt, und darüber wacht, dass dieses Privileg als solches erhalten bleibt, so versucht er doch, dieser Wahrheit wenigstens ein Nischenplätzchen in der veröffentlichten Meinung zu sichern; er weiß, wovon er redet, er schreibt gemäß seinen Überzeugungen, und vor allem hat er überhaupt welche – Überzeugungen nämlich. Alles Eigenschaften, die wir Herrn Jäger schon deshalb nicht mehr zugestehen können, weil er selbst ihr Vorhandensein mit eigener Feder dementiert hat.

Er gibt uns ja offenherzig Auskunft darüber, was ihn bewogen hat, zehn Jahre lang den „Rechtsaußen“ zu spielen:

Es war eine schöne Zeit, diese vergangenen zehn Jahre unter Rechten, ich gestehe es. Vor allem aber war sie bequem. Allein schon gegen den Stachel der „Political Correctness“ zu löcken konnte für einen Journalisten die halbe Miete bedeuten. … Aus diesem Biotop gab es ja fast an jedem Tag etwas anderes zu glossieren, ob staatliches Gender-Training auf dem Programm stand oder das offiziöse Herunterreden von Migranten-Kriminalität – lachen konnte man immer.

Fassen wir zusammen: Er hat aus Bequemlichkeit, und weil es „die halbe Miete“ war, und weil die Linken es einem so schön leicht machen, ihre Marotten durch den Kakao zu ziehen, und damit die Leser etwas zu lachen haben (d.h. zu ihrer Unterhaltung, nicht etwa Information), also aus Beweggründen, die mit journalistischem Ethos denkbar wenig zu tun haben, eine Rolle gespielt, die man – eben dieser Beweggründe wegen – nicht mit der ehrwürdigen des Hofnarren verwechseln darf. Er hat den rechten Pausenclown gemacht.

Aber nicht nur, dass solche Pointen irgendwann schal werden:

… was aus der Sicht eines professionellen Pausenclowns zweifellos eine Katastrophe ist…

Mir leuchtet die ganze Richtung nicht mehr ein:

Ich verstehe nicht, warum der Konservative, zum Beispiel, den menschengemachten Klimawandel für Panikmache von Gutmenschen und die Umweltauflagen gegenüber der Industrie für eine sozialistische Erfindung halten muss.

Das könnte zum Beispiel damit zusammenhängen, dass es Menschen gibt, die über „staatliches Gender-Training … oder das offiziöse Herunterreden von Migranten-Kriminalität“ durchaus nicht „immer lachen“ können, weil sie dergleichen eben nicht als unfreiwillige Vorlagen für gehobene Gagschreiber missverstehen, sondern sie als das durchschauen, was sie sind: als Teil einer ideologischen Agenda, die die Grundlagen der Gesellschaft zu zerstören sucht, weil sie der Verwirklichung einer Utopie im Wege stehen. Genau in diese Agenda passt auch die Legende vom „menschengemachten Klimawandel“. Herr Jäger versteht das nicht? Nun, vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der etwas davon versteht.

Dass eine bestimmte Behauptung, etwa die vom „menschengemachten Klimawandel“ zu einer bestimmten Agenda passt, heißt freilich noch nicht, dass sie deshalb schon falsch sein muss. Bestimmt hätte Herr Jäger, wenn er sich in die Materie vertieft hätte – was er vermutlich nicht getan hat -, eine solche These mit Argumenten stützen können, und dann eben eine Ansicht vertreten, die von den meisten Menschen rechts der Mitte abgelehnt wird. Wie auch im folgenden Punkt:

[Ich verstehe nicht,] warum das Bekenntnis zu Atomkraftwerken den rechten Rechten ausmachen soll.

Dies, Herr Jäger, muss sich schon deshalb Ihrem Verständnis entziehen, weil es nicht so ist. Ich selbst bekenne mich keineswegs zu Atomkraftwerken und verstehe mich dennoch als rechter Rechter. Man muss, um konservativ zu sein, weder den „menschengemachten Klimawandel“ anzweifeln noch für Atomkraftwerke sein; man muss nicht einmal Islamkritiker sein (dazu kommen wir gleich). Wohl aber muss man ernsthaft und aufrichtig sein und Wahrheit nicht für eine Frage der Opportunität halten. Was unter anderem bedeutet, dass man sich einen Dreck darum schert, ob Andere einen für einen „rechten Rechten“ halten. Mich hat man auch schon einen Linken und sogar einen Kommunisten genannt. Na und? Ein Konservatismus, der nicht eine Frage der Überzeugung, sondern der Pose ist, ist keiner.

Zum zweiten muss man, wenn überhaupt irgendetwas, von der Bewahrung der Grundlagen der Zivilisation her denken und nicht von einer Utopie her – ganz gleich, ob diese Utopie nun darin besteht, den Sozialismus zu verwirklichen, oder darin, die Welt, ohne sie zu fragen, „safe for democracy“ zu machen. Wer Letzteres anstrebt, kann ein Liberaler, gerne auch ein Rechtsliberaler sein, aber gewiss kein Konservativer oder Rechter.

Es muss ja auch keiner ein Konservativer oder Rechter sein. Wer aber darüber schreibt, und das noch dazu in der FAZ, sollte wenigstens den Unterschied kennen.

Vor allem will …

will!

… ich nicht verstehen, dass „Islamkritik“ in allen Spielarten, bis hinunter zur offenen Demagogie, fast das einzige Prunk- und Ehrenzeichen konservativer Politik geworden ist.

Dass die von ihm in diesem Zusammenhang ausdrücklich genannten Instanzen, „Die Freiheit“ und PI, liberal sind, entgeht ihm ebenso wie die Tatsache, dass es Konservative gibt, die keine Islamkritiker sind, weil sie den Islam als erfrischenden Kontrapunkt zur westlichen Dekadenz betrachten.

Natürlich verstehe ich es doch.

Natürlich versteht er es eben nicht:

Denn es scheint die einzige Chance neuer rechter, populistischer Parteien und Bewegungen in Europa zu sein, mit diesem Thema einen Wahlerfolg zu landen.

Islamkritik ist also ein taktisches Mittel? Wenn Jäger nicht versteht, warum der Islam kritisiert wird, hätte er vielleicht ein gutes Buch lesen sollen. Zum Beispiel mein „Dschihadsystem“ oder Rainer Glagows „Allahs Weltordnung“ oder Robert Spencers „Religion of Peace“. Oder die gesammelten Werke von Bernard Lewis oder Tilman Nagel. (Im Grunde reicht aber schon der Koran. Wer den liest und nicht zum Islamkritiker wird, dem ist nicht zu helfen.) Wer es freilich nicht verstehen „will“, wird sich der Mühe solcher Lektüre entziehen.

Wer sich mit dem Thema, um das es geht, nicht beschäftigen will, dem bleibt nur: zu schweigen (wenn er redlich ist), oder anderer Leute Redlichkeit anzuzweifeln, wenn er selbst unredlich ist. Lorenz Jäger hat sich für Letzteres entschieden. Wie könnte er auch anders? Einem Herrn Jäger, der sein eigenes instrumentelles Verhältnis zur Wahrheit in so dankenswerter, wenn auch unfreiwilliger Offenheit kundtut, muss es geradezu unvorstellbar sein, dass es Menschen geben könnte, die das, was sie sagen, tatsächlich glauben, weil sie auf dem betreffenden Gebiet kompetent sind.

Im Folgenden, das ich nicht mehr ausführlich zu zitieren brauche, wirft Jäger den Neokonservatismus amerikanischer Prägung (FrontPage Magazine, Fox News), dem in Deutschland die liberale Islamkritik entspricht (PI, Achse des Guten), mit dem Konservatismus und sogar der Rechten in einen Topf und unterstellt dem Konservatismus, der damit gar nichts zu tun hat, kriegstreiberisch zu sein, weil er proisraelisch sei. (Den Nachweis, dass es um seine Kompetenz beim Thema „Israel“ ungefähr so bestellt ist wie um seine Islam-, Klima-, Atom- und politischen Theoriekenntnisse, spare ich mir an dieser Stelle.)

Die Verwechslung von Liberalismus und Konservatismus gehört zu der Sorte Dummheit, die ich einem Linken, der es nicht besser weiß und deshalb die CDU für konservativ hält, ohne Weiteres nachsehe. Ich kann sie aber nicht einem Journalisten nachsehen, der die Junge Freiheit schon deshalb gelesen haben muss, weil er sich ausführlich auf ihre Inhalte bezieht (und weil einer, der die JF nicht kennt, wie besagte Linke, über Konservatismus in Deutschland nichts Sinnvolles aussagen kann), und der sie trotzdem mit dem globalistischen amerikanischen Neo-„konservatismus“ oder der Achse des Guten in einen Topf wirft, und dies unter anderem, weil sie auch René Stadtkewitz interviewt und damit das getan hat, was die etablierten Medien einschließlich der FAZ ängstlich unterlassen: darüber zu berichten, dass es politische Kräfte außerhalb des autistischen etablierten Politzirkus‘ gibt. Um zu sehen, dass dies guter Journalismus ist, müsste man allerdings einen Begriff davon haben, was guter Journalismus eigentlich ist.

Man wird mir gewiss nicht nachsagen, den etablierten Medien unkritisch gegenüberzustehen. Trotzdem kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Artikel von solch peinlicher Dummheit gelesen habe. Vielleicht hätte irgendein Freund dem Verfasser den Tipp geben sollen, dass der Selbstentblößung tunlichst ein kritischer Blick in den Spiegel vorausgehen sollte.

Der kleine Unterschied

„Auch die Katholiken missionieren, aber sie bestrafen niemand mit dem Tode, der sich vom Katholizismus abwendet. Es gibt keine katholischen Fatwas und keine Selbstmordattentäter. Man kann als Christ die Unfehlbarkeit des Papstes anzweifeln und als Jude Jesus für den Erlöser halten. Man riskiert den Zorn der Schwiegereltern, aber nicht das eigene Leben. Aber ein Moslem, der nur die Frage stellt, ob der Koran von Gott geschrieben oder nur inspiriert wurde, hört auf ein echter Moslem zu sein.“

Henryk M. Broder

Deutschland schafft sich ab. Broder: „Na und?“

Aus der heutigen Feuilleton-Presseschau von Spiegel.de:

Drei Seiten sind dem radikalen Islamismus gewidmet. Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samed begutachten im Interview die deutsche Angst. Sagt Abdel-Samed: „Die deutsche Angst ist eine Angst vor Veränderung.  Hier ist so lange nichts passiert, dass die Menschen die statische Gesellschaft für das Maß aller Dinge halten. Broder: Da geh ich mit. Das ist auch meine einzige Kritik an Thilo Sarrazin, dass er auf dieser Panikwelle mitschwimmt. Deutschland schafft sich ab. Na und? Gesellschaften schaffen sich öfter mal ab und nicht zwangsläufig zu ihrem Nachteil.

(Quelle: Heute in den Feuilletons – SPIEGEL ONLINE )

Ach so? Nun, Herr Broder, wenn das so ist, dann kann ich mit der perfekten Lösung für den Nahostkonflikt aufwarten, nämlich der Ein-Staat-Lösung: Israel annektiert den Gazastreifen und das Westjordanland und gewährt all dessen Bewohnern das volle israelische Bürgerrecht, selbstverständlich einschließlich des Wahlrechts und des Rechts auf freie Niederlassung im gesamten Staatsgebiet. Wetten, dass die Palästinenser begeistert wären?

Damit würde Israel sich zwar abschaffen, jedenfalls als jüdischer Staat.

Na und? Gesellschaften schaffen sich öfter mal ab. Nicht wahr?

Deutsch als Zweitsprache

Henryk M. Broder berichtet über Erdogans Auftritt in Düsseldorf:

An diesem Heimatabend sind die Migranten aus der Türkei nicht nur unter sich, sie müssen sich auch für nichts rechtfertigen. Hier sind sie Türken, hier dürfen sie’s sein. In solchen Momenten ahnt man, wie wenig hilfreich die Integrationsdebatten sind, weil sie einen Zustand problematisieren, den die Menschen, über die geredet wird, für selbstverständlich halten.

Erdogan spricht zu ihnen, nicht zu den Deutschen da draußen, und deswegen muss seine Rede nicht ins Deutsche übertragen werden. “Warum gibt es keine deutsche Übersetzung?”, frage ich einen türkischen Kollegen auf der Pressetribüne. “Integration ist keine Einbahnstraße”, antwortet der Kollege. “Heißt das, ich soll Türkisch lernen?” Der Kollege nickt und lacht. “Sie haben mich verstanden!”

[Quelle: Auftritt in Düsseldorf: Türken und andere Deutsche – Erdogans Heimatabend  WELT ONLINE.]

Und noch eine hat verstanden:

Die Regierung sei der Überzeugung, „dass das Deutschlernen in der Bedeutung dem Türkischlernen zumindest gleichgestellt“ werden müsse, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag durch ihren Sprecher Steffen Seibert in Berlin erklären.

[Quelle: Reuters, Hervorhebung von mir, M.K.-H.]

So weit ist es also gekommen: Die Bundeskanzlerin bettelt darum, dass die deutsche Sprache in Deutschland dem Türkischen wenigstens gleichgestellt sein soll.

Broder: Vor dem Islam Angst zu haben ist eine Tugend

Henryk M. Broder über Patrick Bahners:

In seiner Welt ist es nicht der militante Islam beziehungsweise der Islamismus, der das friedliche Zusammenleben der Menschen bedroht, es ist die Spezies der „Islamkritiker“ – lauter Panikmacher, Paranoiker und Politkasper, die sich aufgemacht haben, um eine so friedliche, harmlose und tolerante Weltanschauung wie den Islam in Verruf zu bringen. Er nennt viele Namen und zitiert viele Beispiele, nur eine Information verkneift er sich: wie die „Islamkritik“ als Diskursgegenstand in die Welt gekommen ist.

(…)

Ich war öfter versucht, zum Telefon zu greifen, den Kollegen anzurufen und zu fragen: „Haben Sie wirklich nichts von London, Madrid, Bali und Djerba gehört? Waren Sie gerade beim Kritikerempfang, als Daniel Pearl vor laufender Kamera geköpft wurde? Wurde Theo van Gogh von einem herabfallenden Dachziegel erschlagen? Hat ein frustrierter Konkurrent versucht, Kurt Westergaard zu ermorden? War es ein katholischer Kardinal, der die Fatwa gegen Salman Rushdie unterschrieben hat? Und glauben Sie wirklich, das alles hat nichts mit dem Islam zu tun?“ Ich habe natürlich nicht angerufen. Wenn man über 60 ist, ist es nicht klug, seine Zeit damit zu vergeuden, Behauptungen richtigzustellen, die so falsch sind, dass nicht einmal das Gegenteil wahr ist

Vollständiger Artikel: Bahners vs. Broder: Vor dem Islam Angst zu haben ist eine Tugend – Nachrichten Kultur – WELT ONLINE.

Der Hofnarr

Die gestrige Debatte im DLF unter dem Titel “Man wird doch wohl noch sagen dürfen – Meinungsfreiheit zwischen Tabubruch und politischer Korrektheit”, unter anderem mit Norbert Bolz und Henryk M. Broder war durchaus hörenswert, nicht zuletzt wegen Broders Ausfällen gegen den geistlosen und denunziatorischen Konformismus der veröffentlichten Meinung.

Während aber Bolz die Meinungsfreiheit durchaus gefährdet sah, und zwar wegen der vielen offiziellen wie inoffiziellen Repressalien gegen Menschen, die tabuisierte Positionen vertreten, scheint Broder hier kein Problem zu sehen. Er selbst hat ja auch keines, denn seine Texte werden gedruckt, seine Bücher verkaufen sich, seine Honorare fließen und er wird nicht als Rechtsradikaler oder Rassist abgestempelt. Auch Bolz‘ Hinweis, dass Broder als arrivierter Journalist sich Manches leisten kann, was einen Anderen die Karriere kosten würde, scheint ihn nicht besonders beeindruckt zu haben.

Möglicherweise ist Broder sich der Einzigartigkeit seiner Rolle im etablierten Mediensystem nicht bewusst: Er ist so etwas wie der offizielle Hofnarr der Bundesrepublik. Ich sage das in aller Hochachtung; denn der Hofnarr war im Mittelalter der Einzige, der dem Herrscher die Wahrheiten sagen durfte, für die Andere mit dem Henker Bekanntschaft gemacht hätten. Freilich nur unter dem Schutz der Narrenkappe: Was der Hofnarr sagte, konnte immer so aufgefasst werden, als habe er es nicht so gemeint. Broders pointierter, ironischer, sarkastischer Stil ist das moderne Äquivalent zur Narrenkappe: „Der Broder provoziert schon mal gerne, nicht wahr?“ Was so daherkommt, muss man nicht auf die Goldwaage legen. Genau deshalb wird es toleriert. Deshalb, und weil es sich um ein Privileg handelt, das nur einem einzigen Mann gewährt wird. Die Kehrseite seiner Meinungsfreiheit ist, dass alle Anderen sie nicht haben, und dass auch er selbst sie nur unter der Narrenkappe ausüben kann. Die Existenz eines solchen Privilegs festzustellen, das es in einer freien Gesellschaft nicht geben könnte, ist keine Kritik an dem der es genießt, sondern an denen, die es verleihen.

Gerade weil er ein Privileg ausübt, ist der Hofnarr kein Oppositioneller. Broder und seine Texte wären zweifellos auch in einer freien Gesellschaft populär, aber der gewisse lustvolle Kitzel, der sich beim Publikum angesichts von Broders Provokationen einstellt, lebt davon, dass dieses Publikum selbst unfrei und die Gesellschaft von Konformitätszwängen gelähmt ist.

Ich unterstelle nicht, dass es seine Absicht oder dass es ihm auch nur recht wäre, aber Broder ist das anarchistische Alibi eines konformistischen Medienzirkusses. Indem sie ihn – aber eben nur ihn – reden lässt, täuscht die Meinungsoligarchie eine Toleranz vor, von der in Wahrheit nicht die Rede sein kann.

Zentralrat der Juden lobt Verfassungsfeind Thierse für Sitzblockade

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Sitzblockade von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) gegen Neonazis in Berlin als Akt der Zivilcourage verteidigt.
„Wenn jemand Gesicht zeigt gegen die Fratze des Faschismus, dann verdient er Respekt“, sagte Zentralrats-Vizepräsident Dieter Graumann der Nachrichtenagentur. „Jenseits aller juristischen Überlegungen, sollten wir Thierse Bewunderung zollen, dass er sich engagiert hat gegen den braunen Mob“, sagte Graumann.

aus: Welt online: 1. Mai: Zentralrat der Juden lobt Thierse für Sitzblockade

Wer ehrlich ist, hat vom Zentralrat nichts anderes erwartet, insbesondere keinen Gedanken daran, wohin es führen muss, wenn der Staat zum Rechtsbruch aufruft.

Graumann gilt als designierter Nachfolger von Charlotte Knobloch als Vorsitzender des Zentralrats. Es wäre ja auch wahrlich zu schön gewesen, um wahr zu sein, wenn es wirklich Henryk M. Broder geworden wäre. Stattdessen bekommt der Zentralrat nun offenkundig einen Vorsitzenden, dem man ob seiner Fehlleistungen nicht einmal – wie seiner Vorgängerin – altersbedingt mildernde Umstände zubilligen kann.

Wir werden also damit leben müssen, vom Zentralrat der Juden  auch weiterhin Stellungnahmen von so atemberaubender Dummheit, paranoider Deutschfeindlichkeit und primitivster Lobbyistenborniertheit auf Kosten der Demokratie zu hören, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob dieser Zentralrat  nicht in Wahrheit eine antisemitische Verschwörung zur Diskreditierung der deutschen Juden ist.

[Siehe auch: Thierse, der Verfassungsfeind]

 

Henryk M. Broder: „Meine Kippa liegt im Ring“

Henryk M. Broder kann die permanenten Fehlleistungen des Zentralrats der Juden in Deutschland und speziell von dessen Generalsekretär nicht mehr mit ansehen und zieht die Notbremse: Er kandidiert für das Amt des Präsidenten und will in dieser Eigenschaft die offenkundig überforderte Charlotte Knobloch ablösen. Einige Kernsätze aus seiner Begründung:

„(…) Was der Zentralrat tut oder unterlässt, das entscheidet dessen Generalsekretär, der die schwindende Bedeutung der Organisation durch taktische Allianzen und sinnfreien Aktionismus auszugleichen versucht. Zuletzt hat er den ehemaligen Berliner Finanzsenator, Thilo Sarrazin, wegen dessen kritischen Äußerungen über integrationsunwillige Migranten in eine Reihe mit Hitler und Goebbels gestellt und sich bald darauf für diese Entgleisung auf eine Weise entschuldigt, die vor allem eines demonstrierte: dass er keine Ahnung hat, wovon er redet.

(…)

Es kann nicht die Aufgabe des Zentralrates sein, sich als das gute Gewissen Deutschlands aufzuführen. (…)  Ebenso ist es nicht die Aufgabe des Zentralrates, den übrigen 79,9 Millionen Deutschen vorzuschreiben, wie sie mit ihrer Geschichte umgehen sollten. Liebesbeweise, die erzwungen werden, sind keine.

Der Zentralrat tritt als Reue-Entgegennahme-Instanz auf und stellt Unbedenklichkeitserklärungen aus, wobei es weder nach oben noch nach unten eine Schamgrenze gibt. (…)

Als Präsident des Zentralrates werde ich für ein Ende des kleinkarierten Größenwahns sorgen, der sich immer mehr zumutet, als er zu leisten in der Lage ist. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren.“

Einen Text von Broder auf wenige Kernsätze zu reduzieren heißt stets: eine Entscheidung treffen, ob man sich lieber die linke Hand oder rechten Fuß abhackt. Ich empfehle, auch den Rest des Textes zu lesen. Man muss nicht mit jeder von Broders Positionen übereinstimmen, um seine Kandidatur mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis zu nehmen. Ich hoffe nur dass er es jetzt auch schafft. Und dass er, wenn er es geschafft hat, kein staatstragend-präsidialer Langweiler wird.