Faschismus
Der Faschismus Kaum ein Begriff ist so belastet und so umstritten wie der des Faschismus. Gleichwohl muß der Versuch unternommen werden, ihn zu erhellen, wenn der geplante Blick auf die europäische Geschichte der Neuzeit unter dem Gesichtspunkt eines Weltbürgerkrieges gelingen soll. Dazu frage ich nach dem Wesenskern des Faschismus – wohl bewußt, daß dieser Begriff schon für alles mögliche benutzt worden ist, vor allem zur Abqualifizierung von politischen Gegnern. Vom Wesen einer Sache zu sprechen macht nur Sinn, wenn die Welt nicht aus lauter individuellen Dingen besteht, wie der Nominalismus meint. Wenn es verschiedene Vertreter einer Art gibt, seien es Fasane, Flüsse oder Faschismen, dann kann nach dem gesucht werden, was sie zu dem macht, das sie sind; dies muß etwas sein, das den Vertretern einer Art gemeinsam ist, doch muß ihr Wesen nicht mit dem deckungsgleich sein, was wir als Gemeinsames wahrnehmen, denn es mögen auch nicht-wesentliche Züge in den Blick geraten, oder es mag etwas Wesentliches bei einem der Vertreter fehlen, ohne daß er deshalb nicht zu der Art gehört: So läuft ein Fasan auf zwei Beinen, doch bleibt er ein solcher, zumindest für geraume Zeit, auch wenn ihm eines abhanden kommt.
Der Zufall wollte es, dass ich vor kurzem im Kontext einer Diskussion über den Nahostkonflikt wieder auf die „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gestoßen wurde, einen Basistext des linken Nachkriegsdiskurses, gerade passend zu meiner Beschäftigung mit den Grundlagen linken Denkens. Es stellte sich als eine ungemein fesselnde Lektüre heraus, viel spannender als vor 20 Jahren, als ich sie das erstemal gelesen hatte. Fesselnd und spannend deshalb, weil sie das dialektische Umschlagen von Aufklärung in Herrschaft, das sie an der bürgerlichen Gesellschaft kritisieren zu müssen glaubt, tatsächlich selbst enthält, ja sogar ein Musterbeispiel dafür ist, wie emanzipatorisches in totalitäres Denken umschlägt!