Amerikas Verrat und wie man darauf antworten sollte

Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass mit Obama ein waschechter Appeaser ins Weiße Haus eingezogen ist, also ein Ideologe, der glaubt, Frieden durch Unterwerfung unter den Willen gewaltbereiter Feinde erkaufen zu können, und der den Verbündeten der Vereinigten Staaten diesen Kurs aufzwingen zu dürfen glaubt, allen voran natürlich dem Staat Israel.

Offenbar will Obama „forceful(ly)“ mit Israel umgehen, eine Formulierung, die von „energisch“ bis „zwingend“ alles Mögliche bedeuten kann, hier aber darauf hinauslaufen dürfte, Israel zu einer Reihe von Konzessionen zu nötigen, die kein anderes Land der Welt, und am allerwenigsten die USA, in vergleichbarer Lage eingehen würden, z.B. die Aufhebung etlicher Kontrollpunkte im Westjordanland, die Rückgabe der Golanhöhen an Syrien und die Unterwerfung unter den Atomwaffensperrvertrag, sprich der Verzicht auf eigene Atomwaffen.

Dass die Vereinigten Staaten überhaupt nicht daran denken, ähnlich „forcefully“ mit dem Iran umzuspringen, dass sie ihn also nicht an der Fertigstellung seiner Atomstreitmacht hindern werden, wohl aber Israel daran, dieses Problem selbst zu lösen, dürfte sich unter den gegebenen Umständen von selbst verstehen.

Wenn man bedenkt, welche Konsequenzen die nukleare Bewaffnung des Iran auch für den Westen haben müsste, ist es wahrscheinlich sogar irreführend, in Hussein Obama bloß einen Appeaser und irregeleiteten Ideologen zu sehen, wie Jimmy Carter einer gewesen sein mag. Carter hatte wenigstens noch einen Brzezinski, während Obama es systematisch vermieden hat, irgendeinen Hardliner, oder auch nur einen erfahrenen pro-israelischen Politiker in irgendeine strategisch bedeutsame Position zu hieven. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Obama ein Verräter an seinem eigenen Land ist, und dass er deswegen eine Politik des Verrats an Amerikas Verbündeten betreibt.

Da die amerikanische Verfassung dem Präsidenten eine starke, aber nicht allmächtige Stellung einräumt, ist es jetzt an der Zeit, den übrigen Akteuren in Washington klarzumachen, dass die USA bei einer Fortsetzung der jetzigen Politik ihren Status als Hegemonialmacht auch in Europa aufs Spiel setzen.

Wenn wir eine Regierung hätten, die nicht selbst aus Appeasern bestünde, dann würde diese Regierung den Amerikanern sagen:

Liebe Amerikaner, wir müssen davon ausgehen, dass die Prinzipien, die Eurer Nahostpolitik zugrundeliegen, auch Euer Verhältnis zu Freund und Feind in anderen Teilen der Welt bestimmen. In Europa zum Beispiel. Der bisherige Deal lautet: Ihr schützt Eure Verbündeten, also zum Beispiel uns, und im Gegenzug akzeptieren wir Eure Hegemonie.

Wenn Ihr aber einen hochgradig gefährdeten Verbündeten wie Israel zwingt, existenzielle Risiken einzugehen, dann heißt das, dass Ihr die Sicherheit Eurer Alliierten nicht mehr garantiert. Unter diesen Umständen habt Ihr bestimmt Verständnis dafür, dass wir den Deal kündigen und unsere Sicherheit nunmehr in die eigenen Hände nehmen. Wir haben kein Interesse an einem Hegemon, der nur Rechte, aber keine Pflichten zu haben glaubt.

Wenn die Vereinigten Staaten es richtig finden, dass der Iran Atomwaffen besitzt, dann haben sie bestimmt nichts dagegen, dass auch Deutschland welche hat. Natürlich würde Amerika damit aufhören, Vormacht in Europa zu sein – aber warum auch sollte es das sein wollen, wo es doch seine Vormachtstellung im Nahen Osten leichter Hand an den Iran abtritt?

Liebe Amerikaner, würde eine solche Regierung sagen, wenn Ihr verhindern wollt, dass wir den Atomwaffensperrvertrag kündigen, dann bringt Euren Präsidenten zur Vernunft!

Europäische „Grundrechtecharta“: der Etikettenschwindel

Die Grundrechtecharta gibt den Bürgern bestenfalls Rechte, die ihnen ohnehin zustehen, aber sie nimmt den Nationen die Souveränität.

Noch vor einem Jahr habe ich die EU-Grundrechtecharta, die Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist, für einen bedeutenden Fortschritt gehalten: Bisher klafft ja eine riesige Rechtslücke dort, wo es um den Schutz der Grundrechte von EU-Bürgern geht. Da nämlich das völkerrechtliche Prinzip gilt, dass kein Staat sich unter Berufung auf seine Verfassung seinen Pflichten aus internationalen Verträgen entziehen darf, konnten die Staaten Europas die Rechte ihrer Bürger dadurch umgehen, dass sie deren Verletzung in europäischen Verträgen festschrieben. Waren die erst einmal unter Dach und Fach, standen die Grundrechte nur noch auf dem geduldigen Papier von Verfassungen, die gegenüber den EU-Verträgen niederrangiges Recht darstellten.

Überlegungen dieser Art führten dazu, dass in den neunziger Jahren die Forderung nach einer europäischen Grundrechtecharta laut wurden. In der Tat: Mit der Grundrechtecharta hätten wir Bürger erstmals Abwehrrechte, die wir auch direkt gegen die Union geltend machen könnten. Vor lauter Freude darüber, dass man uns endlich die Rechte zurückgibt, die man uns nie hätte nehmen dürfen, habe ich zwei wichtige Aspekte übersehen:

Erstens bedürfte es dazu überhaupt keiner „europäischen Grundrechte“. Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn die EU-Staaten sich auf eine Regelung geeinigt hätten,

wonach kein Einzelstaat durch EU-Recht gezwungen werden kann, auf seinem Territorium Grundrechtseingriffe der Union zu vollstrecken oder zu dulden, die ihm selbst nach Maßgabe der nationalen Verfassung nicht erlaubt sind.

Das wäre eine Art grundrechtsbezogener Meistbegünstigungsklausel gewesen: Jedes Abwehrrecht, dass den Bürgern irgendeines EU-Staates gegen ihren Staat zusteht, stünde dann automatisch allen EU-Bürgern gegen die Union zu. Eine solche Regelung hätte die verfassungsrechtlichen Widersprüche des bisherigen Rechts elegant aus der Welt geschafft, die Verfassungen der Nationalstaaten nicht tangiert, im Gegenteil die Zuständigkeit für den Grundrechtsschutz eindeutig den Einzelstaaten zugewiesen, ohne die EU an der Verfolgung sinnvoller politischer Projekte, sofern es denn solche sind, zu hindern.

Die Charta wäre also im besten Fall ein umständlicher Weg, Gutes zu tun. Leider ist dieser beste Fall nicht eingetreten.

Es ist öffentlich wenig thematisiert worden, leider auch von EU-Skeptikern, dass die Charta Regelungen enthält, die in keiner einzigen einzelstaatlichen Verfassung stehen. Artikel 19 Absatz 1 enthält nämlich die denkwürdige Regelung:

Kollektivausweisungen sind unzulässig.“

Das ist eine Regelung, von der ausschließlich Nicht-EU-Bürger profitieren, und sie ist keine objektivrechtliche Norm, sondern ein subjektivrechtlicher Anspruch. Sie geht damit deutlich über den bisherigen Abschiebeschutz hinaus:

Es ist auch bisher schon so, dass (nach deutschem Recht) bereits das Rechtsstaatsprinzip – Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot, Verbot rückwirkender Benachteiligung etc. -, aber auch das Prinzip der Menschenwürde es verbieten, jemanden nur deshalb abzuschieben, weil er einer bestimmten Gruppe angehört. Er muss die Abschiebungsgründe schon durch sein Verhalten selber gesetzt haben.

Wenn aber die Kollektivausweisung als solche bereits ein Verstoß gegen Grundrechte sein soll, dann bedeutet dies, dass, anders als bisher, das Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen Religion oder Ideologie keine ausreichende Voraussetzung für eine Abschiebung mehr darstellt. Jedenfalls müsste der Nationalstaat die Verfassungswidrigkeit politischer oder religiöser Organisationen von Nicht-EU-Bürgern genauso akribisch beweisen wie die von Inländern. In einem Staat wie Deutschland, der nicht einmal in der Lage ist, die NPD zu verbieten, ein aussichtsloses Unterfangen!

Aber selbst, wenn er sie beweisen könnte, müsste er außerdem noch beweisen, dass er keine Kollektivausweisung vornimmt; dass der konkret Auszuweisende also individuell ein aktiver Verfassungsfeind ist. Die bloße Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Gruppe würde dann nicht reichen.

Das aus seiner Souveränität folgende Recht des Staates zu bestimmen, welche Nicht-Staatsbürger er auf seinem Territorium dulden will, würde nicht, wie bisher, durch die Verpflichtung auf elementare rechtsstaatliche Regeln gebändigt, sondern im Kern vernichtet!

Rein theoretisch binden solche Regelungen nur die Union selbst – was der Grund ist, warum ich sie bis vor einiger Zeit nicht weiter beachtet habe. Warum sollte es mich interessieren, wenn die EU sich selber etwas verbietet, was sie sowieso nicht tut?

Tja – aber warum steht es dann überhaupt in der Charta?

Weil die Grundrechtecharta für die nationalen Gerichte zwar keine unmittelbare, wohl aber eine auslegungsleitende Wirkung hat. Das Verbot der Kollektivausweisung wird dann nachträglich in nationale Regelungen hineininterpretiert, die man bisher ganz anders interpretiert hat und ohne EU-Charta auch weiterhin anders interpretieren würde.

Ich gebe nicht gerne zu, wenn ich meine Meinung geändert habe, aber diese „Grundrechtscharta“ ist in jeder Hinsicht ein Etikettenschwindel. Ihre Existenz ist nicht nur kein Grund, für Lissabon zu sein, sondern ein erstklassiger Grund dagegen!

James Sheehan: „Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden“

(Kurzrezension)

James Sheehan beschreibt „Europas langen Weg zum Frieden“ als einen Umweg: Der Zustand eines nach innen und außen weitgehend befriedeten Europa, den wir heute genießen, war nämlich vor 1914 schon einmal erreicht gewesen. Man ist sich heute dessen gar nicht mehr so bewusst, weil man ja weiß, was danach kam. Stefan Zweig hat in seinen Lebenserinnerungen („Die Welt von Gestern“) die Zeit vor 1914 „das Zeitalter der Sicherheit“ genannt.

 

Ich fasse Sheehans Argumentation zusammen:

 

Das Jahrhundert vom Wiener Kongress 1815 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das friedlichste in der Geschichte Europas gewesen; seit 1871 hatte es überhaupt keinen Krieg der Großmächte mehr gegeben, und die Abschaffung des Krieges überhaupt schien erstmals eine reale Möglichkeit zu sein.

 

Freilich war sie auch eine Notwendigkeit: Die hochtechnisierten Massenheere der europäischen Großmächte, das sahen hellsichtige Analytiker schon im 19. Jahrhundert, konnten den Krieg gegeneinander nur als totalen Krieg führen, der eine entsprechend umfassende Zerstörung hinterlassen würde.

 

Genau so kam es. Der Erste Weltkrieg vernichtete nicht nur Menschenleben, Staaten und Kapital. Er zerstörte die friedfertige Zivilität, die bis dahin die Völker Europas ausgezeichnet hatte. Die Gewaltideologien des Faschismus und des Kommunismus verhinderten die Rückkehr Europas zu einer rationalen und friedlichen Politik, die zumindest in den westlichen Staaten angestrebt wurde.

 

Dort erwuchs aus der apokalyptischen Erfahrung des Weltkriegs ein leidenschaftlicher Pazifismus, der die speziell vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr bagatellisieren zu können glaubte. Die daraus resultierende Appeasement-Politik ermöglichte Hitler erst die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs und die Zerstörung Europas.

 

Paradoxerweise war es gerade der Kalte Krieg, der zur Entmilitarisierung der europäischen Politik führte. Unter dem eisernen Panzer der Supermächte verloren die europäischen Staaten de facto die Fähigkeit zur autonomen Kriegführung und zugleich jedes Interesse daran.

 

Die westeuropäischen Staaten der Nachkriegszeit waren und sind zivile Staaten in dem Sinne, dass sie das Ziel maximalen Wohlstands für ihre Völker verfolgen und in Institutionen wie der EU in einem Maße zusammenarbeiten, das vor 1914 unvorstellbar gewesen wäre.

 

Sogar im Ostblock war das Maß an Repression in der Ära nach Stalin bei weitem nicht vergleichbar mit den Gewaltexzessen der Revolution und des Stalinismus, und so erscheint es wie der folgerichtige Abschluss dieser Entwicklung, dass Gorbatschow den sowjetischen Imperialismus kassierte, Osteuropa freigab und auf friedliche innere Reform setzte.

 

Wer freilich die zivile, ja pazifistische Disposition des heutigen Europa zum Modell machen und als solches dem amerikanischen „Militarismus“ polemisch entgegensetzen will, verkennt, dass Europa nach wie vor in einer hochgradig gefährlichen Welt existiert und auf eigene Gewaltanwendung nur deshalb verzichten kann, weil die USA nach wie vor zur Kriegführung fähig und gegebenenfalls auch bereit sind.

 

Europa, das hat sich spätestens beim Zerfall Jugoslawiens gezeigt, ist ein amerikanisches Protektorat, das unfähig ist, seine eigenen vitalen Interessen zu wahren, zumindest dann, wenn dazu die Anwendung militärischer Gewalt erforderlich ist.

 

Dies wird auch so bleiben, sofern Europa sich nicht zu einem Bundesstaat mit eigenem Militär und eigener Außenpolitik mausert. Ein solcher Staat wäre eine Supermacht; aber er wird nicht entstehen, weil es für die Europäer wesentlich bequemer ist, den Schutz Amerikas in Anspruch zu nehmen, an dem festzuhalten, was von der nationalen Souveränität noch übrig ist, und die Abhängigkeit von den USA als notwendiges Übel in Kauf zu nehmen.

 

Soweit Sheehan. Ich kann nicht behaupten, dass mir seine Schlussfolgerung gefällt, aber wenn ich einen größeren Betrag wetten müsste, würde ich seiner Prognose realistischerweise eine größere Chance auf Verwirklichung einräumen als meiner eigenen Hoffnung, dass Europa wieder lernt, seine eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und seine eigenen Interessen selbst zu vertreten.

 

Es ist nun einmal einfacher, auch bequemer, auch billiger, die eigene Sicherheit einem Anderen anzuvertrauen, und den Preis in Gestalt von Abhängigkeit zu bezahlen. Solange dieser Andere ein freundlicher Hegemon ist wie Amerika, der Europa seine Abhängigkeit nur gelegentlich und nur mäßig spüren lässt, mag das alles angehen.

 

Was aber, wenn Amerika sich zurückzieht? Was, wenn es zum unfreundlichen Hegemon wird? Was, wenn es den Preis erhöht? Was, wenn es nicht mehr stark genug ist, seine Protektorenrolle zu spielen?

Babylon II – Semantische Lügen

„Nationalsozialistische Gewaltherrschaft“: Stammt aus dem kanonischen Vokabular der deutschen Gedenkkultur, wird aber auch von Journalisten immer gerne genommen. Eine semantische Lüge ist es nicht deshalb, weil es die Nazis als gewalttätig beschreibt; natürlich haben die Nazis Gewalt in einem bis dahin in Europa unvorstellbaren Ausmaß angewendet. Die Lüge aber besteht darin, dass der Begriff der „Gewaltherrschaft“ suggeriert, ihre Herrschaft habe im Wesentlichen auf Gewaltanwendung beruht; so kann man sich daran vorbeimogeln, dass Hitler durch Wahlen an die Macht gekommen ist und Neuwahlen, wenn er sie denn zugelassen hätte, noch bis ins Jahr 1945 hinein spielend gewonnen hätte. Die Rede von der „nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ ist die Ausrede einer Gesellschaft, die bis heute nicht wahrhaben will, dass sie selbst den Nationalsozialismus hervorgebracht und Hitler vorbehaltlos unterstützt hat.

„Unrechtsstaat“ (Unrechtssystem, Unrechtsregime) DDR: Sagt nicht einfach aus, dass die DDR kein Rechtsstaat war – das war sie ja in der Tat nicht -, sondern, dass sie von vornherein auf Unrecht basiert und auf die Verwirklichung von Unrecht abgezielt habe. Nun wird das Begriffspaar Recht/Unrecht in zwei Kontexten verwendet: Einmal in einem positivistischen Sinne („Recht ist, was Gesetz ist“) im Hinblick auf die Frage der Legalität. In diesem Kontext von einem „Unrechtsstaat“ zu sprechen, ist blanker Unsinn. Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 war die Souveränität über Deutschland auf die Siegermächte übergegangen, und die übten sie in ihrer jeweiligen Besatzungszone aus. Die Gründung der DDR wie auch ihre innere Struktur als kommunistische Diktatur entsprach dem Willen der Besatzungsmacht und war damit legal. Von „Unrecht“ im Sinne von „Illegalität“ kann daher nur dort gesprochen werden, wo die DDR ihr eigenes Recht verletzte. Der zweite Bezugsrahmen im Gegensatz zur Legalität ist die politisch-moralische Frage nach der Legitimität. Die DDR war ein Staat, dessen bloße Existenz von seiner Bevölkerung abgelehnt wurde, erst recht seine diktatorische Ordnung; vom demokratischen Standpunkt der Volkssouveränität war er damit ein Unrechtsstaat. Schon wahr. Nur ist das Volk, von dessen Souveränität hier die Rede ist, das deutsche Volk. Zum Zeitpunkt der Gründung der DDR war es gerade vier Jahre her, dass das deutsche Volk von seiner Souveränität so verheerenden Gebrauch gemacht hatte, dass ganz Europa in Schutt und Asche lag. War es vor diesem Hintergrund wirklich „Unrecht“, Deutschland zu teilen? Außerhalb Deutschlands sah man das jedenfalls nicht so (sah es selbst 1989 nicht so), und mit dem Kalten Krieg wurde die Aufrechterhaltung dieser Teilung sogar die Voraussetzung für die Stabilität Europas. Und die Voraussetzung für die Teilung war der Fortbestand der Diktatur in der DDR. Kann man da wirklich ohne Einschränkung von einem „Unrecht“ sprechen, zumal wenn man berücksichtigt, dass Instabilität in Europa möglicherweise in einen Atomkrieg geführt hätte? Ja, das kann man, wenn man sich auf den Standpunkt stellt: „Demokratie – um jeden Preis“! Nur sollte man dann nicht beanspruchen, nüchtern und objektiv zu urteilen.

„Irakische Aufständische“: Wer gegen den irakischen Staat und die ihn kontrollierende Besatzungsmacht kämpft, ist im technischen Sinne ein „Aufständischer“. So weit, so gut. Der Ausdruck wird aber auch in Bezug auf Terroristen verwendet, die sich auf Marktplätzen in die Luft jagen. Gegen wen stehen denn die auf? Gegen Marktfrauen und Schuhputzer?

Rechts: Demagogischer Kampfbegriff der Linken, bei dem auf den Zusatz „-radikal“ oder „-extremistisch“ bewusst verzichtet wird, um den Unterschied zwischen Konservativen und Faschisten unter den Tisch fallen zu lassen. Dürfte dafür verantwortlich sein, dass sich nur noch 11 % der deutschen Bevölkerung als „rechts“ bezeichnen; das sind sogar weniger, als nach sozialwissenschaftlichen Analysen rechtsextrem eingestellt sind. Die Mehrheit ordnet sich der „Mitte“ zu, als wenn das irgendetwas aussagen würde. Dass es eine demokratische Rechte geben könnte, scheint niemandem mehr in den Sinn zu kommen. Wieder ein Begriff, der analytisch nicht mehr brauchbar ist, weil er zum politischen Kampfbegriff gemacht wurde. Siehe auch „What’s Left II“.

„Internationale Gemeinschaft“: Sinnentstellende Scheinübersetzung von „international community„, was soviel bedeutet wie „Gesamtheit“ (der Staaten), (internationale) „Allgemeinheit“. Das deutsche Wort „Gemeinschaft“ bezeichnet aber eine Gruppe, deren Mitglieder einander zu einem hohen Maß an Solidarität verpflichtet sind: vom Rechtsbegriff der „Versichertengemeinschaft“ über „verschworene Gemeinschaft“, „Gemeinschaft der Gläubigen“ bis hin zur „Volksgemeinschaft“. Besonders akzentuiert wird der Begriff in der deutschen Geistesgeschichte durch die Gegenüberstellung von „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“, wobei der Begriff der „Gemeinschaft“ einen romantischen Beiklang hat: Der „Gemeinschaft“ zu dienen gilt traditionell als erhabener und edler als bloß in der „Gesellschaft“ seine schnöden Interessen zu verfolgen. Eine „Internationale Gemeinschaft“ in diesem Sinne existiert nicht, der Begriff ist durch und durch verlogen, passt aber natürlich hervorragend zu einer deutschen Außenpolitik, die sich grundsätzlich hinter dieser „Gemeinschaft“ versteckt, und enthält ein unausgesprochenes „Pfui“ gegenüber allen Staaten, die das nicht tun.

„Kriegsgefangenenlager“ Guantanamo: Guantanamo ist ein Gefangenenlager, aber seine Insassen, und daran entzündet sich die Kritik, sind gerade keine Kriegsgefangenen, jedenfalls nicht im rechtlichen Sinne. Rechtlich sind sie „feindliche Kämpfer“ – eine völlig willkürliche Konstruktion, die einzig und allein darauf abzielt, sie rechtlos zu stellen. Was die Verteidiger des amerikanischen Vorgehens aber nicht daran hindert, scheinheilig zu fragen, warum man denn – vor Ende der Kampfhandlungen – die Auflösung dieses „Kriegsgefangenenlagers“ fordere…

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