Der Preis der Inkonsequenz

Nun gibt es im Gazakrieg also eine Waffenruhe, eine Feuerpause, einen einseitigen Waffenstillstand, oder wie auch immer man das nennen will, was Israel heute nacht begonnen hat. Ich weiß nicht genau, welche Überlegungen für diese Entscheidung ausschlaggebend waren, aber ich vermute, dass die Rücksicht auf die Gefühle des eigenen Volkes eine maßgebliche Rolle gespielt haben, und dass der Anblick leidender Zivilisten für dieses Volk schwer erträglich ist.

Das passt sehr gut zur Grundtendenz der israelischen Politik: sich zwar zu verteidigen, und das auch mit Härte, aber dort, wo es möglich ist, auch dem Feind mit Menschlichkeit zu begegnen. Ihm zwar mit Menschlichkeit zu begegnen, aber sich deswegen nicht von ihm massakrieren zu lassen.

Es ist dies dieselbe Politik, die wir nun schon seit Jahren speziell gegenüber dem Gazastreifen beobachten können, der ja nie so „blockiert“ war, wie die Propaganda angeblich unabhängiger Medien uns vorgaukeln wollte. Sanktionen ja, aber nie so hart, dass es der anderen Seite ans Leben ginge.

Nachdem der Krieg für Israel über alles Erwarten gut gelaufen ist, die eigenen Verluste niedrig, die Kollateralschäden begrenzt, vor allem aber die Hamas schwer getroffen, wäre es konsequent gewesen, die Offensive fortzusetzen, bis die Hamas endgültig am Boden liegt. Dies nicht zu tun ist inkonsequent.

Damit wir uns richtig verstehen: Mir ist diese Art von Inkonsequenz sympathisch. Nur kommt Inkonsequenz beim westlichen Gutmenschenpublikum als Heuchelei an, bei der Hamas als Schwäche. Im Grunde wird den Islamisten mitgeteilt, dass sie eine Lebensversicherung haben, solange sie ihre Politik fortsetzen, die Zivilbevölkerung als Geisel zu nehmen. Dann nämlich wird Israel von seiner überwältigenden militärischen Stärke aus Mitleid keinen Gebrauch machen. Eine solche Politik entmutigt den Feind nicht nur nicht. Sie belohnt ihn geradezu und setzt einen Anreiz fortzufahren.

(Und was das erwähnte Gutmenschenpublikum angeht, das der Meinung ist, Israel sei verpflichtet, die Lebensgrundlagen seiner Todfeinde zu garantieren, so bestärkt man dieses Publikum noch in seinem Irrglauben, wenn man Rücksichten nimmt, zu denen man nicht verpflichtet ist.)

Vielleicht wird Israel tatsächlich bei der Hamas denselben Erfolg erzielen wie zuvor bei der Hisbollah, nämlich dass sie für eine gewisse Zeit von Angriffen abgeschreckt wird. Der Preis dafür ist aber, dass die Hamas darüber entscheidet, wann diese Zeit abläuft.