Lawrence Auster und der Deutschenhass

[Der englische Originaltext „From A German Point of View: A Reply to Lawrence Auster“ wurde – mit einer Einleitung von Baron Bodissey – zugleich in Gates of Vienna veröffentlicht.]

Lawrence Auster, Bin Laden und die Deutschen

Lawrence Auster, konservativer amerikanischer Publizist
Lawrence Auster

Am 6. Mai veröffentlichte Lawrence Auster einen Kommentar zu Deutschlands Reaktion auf den Tod von Bin Laden – einen Kommentar, der ein Schlaglicht auf politische Spannungen wirft, deren viele von uns sich gar nicht bewusst sind. Ich glaube, es lohnt sich, Austers Argumentation unter die Lupe zu nehmen, um die Art dieser Spannungen deutlich zu machen, und die Frage zu klären, was sie für den Gegen-Dschihad bedeuten können.

Lawrence Auster bezieht sich auf die Strafanzeige gegen Angela Merkel wegen Billigung einer Straftat, nachdem sie erklärt hatte sich über Bin Ladens Tod zu freuen. Auster zitiert eine Umfrage, wonach 64 % der Deutschen den Tod von Osama Bin Laden nicht als etwas ansehen, was man feiern sollte, und knüpft daran die Feststellung, dass Deutschland „spirituell tot sei“ und diesen Tod „der konsequenten Anwendung des Liberalismus“ [ „the consistent application of liberalism“] verdanke.

Es gibt Einiges, was Lawrence Auster anscheinend nicht versteht: Zunächst war die Frage nicht, ob Bin Ladens Tod gut oder schlecht ist, sondern ob man ihn feiern sollte. In Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Terroristen von Sicherheitskräften getötet worden oder haben im Gefängnis Selbstmord begangen. In keinem einzigen Fall hat eine deutsche Regierung Befriedigung oder Freude darüber geäußert, und in keinem einzigen Fall hat es öffentliche Feiern der Art gegeben, wie wir sie jetzt in Amerika sehen. Den Tod eines Menschen zu feiern, und wäre er ein Feind, gilt in Deutschland als unanständig, und deshalb war Merkels Äußerung, ob nun illegal oder nicht, mindestens ein peinlicher Fauxpas. Dies ist etwas, was man bei uns einfach nicht tut.

Ich werfe Lawrence Auster nicht vor, dass er die Sitten eines fremden Landes nicht kennt und nicht versteht. Ich finde nur, dass er sich mit Urteilen, über das, was er nicht versteht, zurückhalten sollte.

Lawrence Auster und sein Deutschenhass

Bis jetzt geht es nur um eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen den meisten deutschen auf der einen Seite und den meisten Amerikanern auf der anderen. Angesichts der Irrelevanz des Themas ist es umso bestürzender, dass Lawrence Auster die Gelegenheit nutzt, eine wahre Lawine an Hass und Vorurteil gegen Deutschland loszutreten. Das beginnt mit

Übrigens: Warum unterhalten wir für Milliarden Dollar 50.000 Mann amerikanischer Truppen in diesem toten Land? Zu welchem Zweck, außer um die dortige Wirtschaft zu füttern, die zufällig die größte in Europa ist?

Nun, sie sind jedenfalls nicht hier, um Deutschland vor Invasionen zu schützen. Tatsächlich sind wir, wie alle europäischen Nationen, einer Invasion ausgesetzt, aber die USA sind die letzten, die uns dagegen schützen werden – ich komme noch darauf zurück. Die USA haben Stützpunkte in Deutschland, weil von hier aus ihre Truppen im Nahen und Mittleren Osten versorgt werden (und außerdem werden von hier aus entführte Personen auf geheime CIA-Gefängnisse rund um den Globus verteilt).

Man stelle sich vor, die Verschwörer gegen Hitler von 1944 hätten ihn tatsächlich getötet, und wenn ein deutscher Politiker seine Freude darüber geäußert hätte, hätte dieser Richter, ins Jahr 1944 zurückversetzt, versucht, ihn zu bestrafen. Ich glaube, dass Deutschland sich gar nicht so sehr verändert hat, hmm? Reiner Liberalismus, dem die Deutschen in ihrer humorlosen fanatischen Gründlichkeit als dem Gegenteil von Nazi-Totalitarismus nacheifern, ist nur eine andere Art von Totalitarismus. Und auf dieselbe Weise, wie ich oft bemerkt habe, zerstört das deutschgeführte transnationale Gegenteil des Nazi-Nationalismus, der die Nationen Europas zu zerstören versuchte, sie ebenfalls. Auf die eine oder andere Weise, ob in der Nazi- oder der hyperliberalen Form, stellen die Deutschen eine entschiedene Bedrohung für die Völker und Nationen des Westens dar. Um Churchills berühmte Bemerkung zu paraphrasieren: Sie müssen zu unseren Füßen bleiben, sonst haben wir sie an der Kehle.

Und er fügt hinzu

Ich bin nicht extrem oder „antideutsch“, wenn ich das sage

womit Lawrence Auster tatsächlich zeigt, dass er nicht unsere deutsche Humorlosigkeit teilt.

Deutscher Selbsthass und White Guilt

Die Deutschen sind derselben Meinung. Sie sehen sich selbst als Gefahr für Andere. Deshalb, so sagen sie, ist die EU notwendig: um sie, die immer drohenden Deutschen, in Schach zu halten.

Viele Deutsche reden so, weil man ihnen eingeredet hat, so zu reden und zu denken. Man hat sie gelehrt, tausend Jahre deutscher Geschichte als bloße Vorgeschichte zu Hitler aufzufassen. Man hat sie gelehrt, ihre Geschichte als bloße Verbrechensgeschichte zu betrachten. Man hat sie gelehrt, sie seien eine Gefahr für Andere. Man hat sie gelehrt, Patriotismus und „Nationalismus“ seien, dasselbe, und das Letztere sei die Wurzel aller Übel der Welt. Man hat sie gelehrt, sich selbst zu hassen.

Das begann mit der Re-education von 1945 an, und diese Re-education ist keineswegs abgeschlossen. Ein ganzes Volk mit Selbsthass zu vergiften stellte sich als machbar heraus, und dieses Konzept wurde, nachdem es einmal erfolgreich angewendet worden war, verallgemeinert und unterminiert nun als Denkfigur der „White guilt“ unsere Zivilisation. Lawrence Auster sollte das nicht den Deutschen vorwerfen. Die waren nur die Versuchskaninchen.

Die Eine-Million-Dollar-Frage lautet: Warum wird dies getan, und wer tut es?

Lawrence Auster mag nicht viel von Deutschland verstehen, aber er hat ganz richtig erkannt, dass wir die Triumphgefühle über den Tod von Bin Laden nicht teilen – und dies nicht wegen Appeasement, Liberalismus oder Dekadenz, auch nicht nur wegen des oben beschriebenen spezifisch deutschen Verständnisses von Anstand. Es mag Manchen schockieren, aber selbst militante Counterjihadisten wie ich teilen sie nicht.

Nicht der Islam per se, der Globalismus ist der Feind

Ja, Bin Laden war unser Feind, aber er war nicht die Nummer Eins auf der Liste unserer Feinde, und nicht einmal die Nummer Zehn. Der Islam dringt in Europa nicht durch Terrorismus, sondern durch Immigration und ethnische Verdrängung vor, und dies mit starker Unterstützung durch die internationalen politischen Eliten. Es ist sinnlos, zwischen amerikanischen und europäischen Eliten zu unterscheiden weil sie alle zu einem transatlantischen Netzwerk gehören, dass in Amerika sein Zentrum findet, aber sich keineswegs auf Amerika beschränkt. Innerhalb dieses Netzwerkes werden Strategien aufeinander abgestimmt, sodass es so etwas wie eine im strengen Sinne nationale Politik gar nicht gibt. Gewiss gibt es Meinungsverschiedenheiten zu Fragen von geringerem Gewicht, aber die allgemeine Stoßrichtung ist die hin zur Errichtung einer globalen Einheitskultur. Die EU ist Teil dieses Prozesses, und ein Analytiker, der dafür ausschließlich Deutschland verantwortlich macht, wie Lawrence Auster,

Das Problem ist, dass die deutsch geführte EU, die in der deutschen Vorstellung darauf abzielt, die deutsche Nation zu unterdrücken, alle anderen europäischen Nationen ebenfalls unterdrücken muss. Aus diesem Grund kann es dem deutschen Anti-Nationalismus ebensowenig erlaubt werden, über Europa zu herrschen, wie vorher dem deutschen Nationalismus. Deutschland hat nicht zu herrschen. Punkt.

beweist damit nur, dass sein Hass auf ein bestimmtes Land stärker ist als sein analytisches Vermögen.

Warum nötigt ausgerechnet die Führungsmacht im war on terror zugleich Frankreich, sich der islamischen Infiltration zu öffnen, und fördert diese Infiltration insgeheim noch, wie wir durch Wikileaks wissen (und es gibt ja keinen Grund zu der Annahme, dass diese Strategie nicht auch auf andere europäische Länder angewandt wird)? Warum frönt ausgerechnet dasjenige europäische Land, dass am leidenschaftlichsten an diesem Krieg teilnimmt – Großbritannien – zugleich und mit derselben Leidenschaft einer Politik der Selbst-Islamisierung? Warum drängen die angelsächsischen Mächte, während sie mit mehr als einem islamischen Land im Krieg liegen zugleich Europa, die EU immer weiter auszudehnen – mit dem vorhersagbaren Ergebnis, dass auch die Türkei und Nordafrika dem Club beitreten und Europa mit muslimischen Migranten überfluten werden?

Die offenkundige Antwort auf diese Fragen, die Lawrence Auster nicht stellt, lautet, dass die Verwestlichung der islamischen und die Islamisierung der westlichen Welt zwei Seiten derselben Medaille sind.

Die Errichtung einer globalen Einheitskultur erfordert die Zerstörung traditioneller Wert- und Loyalitätsmuster. Nationen, Religionen und Traditionen ermöglichen es Menschen, sich miteinander zu solidarisieren; sie sind die geborenen Feinde jeder Art von Tyrannei. Globalismus bedeutet: diese Bindungen zu lösen, die die Gesellschaft zusammenhalten, die Menschen zu nichts als idealen Konsumenten und Arbeitskräften zu machen und sie einem System supranationaler Institutionen zu unterwerfen, die niemandem verantwortlich sind. Ein solches System globaler Mobilität von Kapital und Arbeit, d.h. eine globalisierte Marktwirtschaft, neigt dazu, auf der Mikroebene Anarchie zu erzeugen und erfordert dann wie von selbst immer weiter reichende Vollmachten für die supranationale Ebene, um einen Frieden zu erzwingen, den der einzelne Staat nicht mehr gewährleisten kann.

Darauf läuft die Politik der politischen Klassen aller westlichen Länder hinaus. Die Moslems mit ihrem Dschihad-Ehrgeiz und die linken mit ihren kindischen multikulturalistischen Utopien, sind bloß nützliche Hilfstruppen, weswegen man sie auch gewähren lässt.

Das ist der Hintergrund jener Phrasen von der Verbreitung von „Demokratie“, „Freiheit“, „good governance“ usw., und es ist der Hintergrund von Schlagwörtern wie „kulturelle Bereicherung“, „Toleranz“, „Willkommenskultur“ etc. Wahrscheinlich glauben die Verantwortlichen sogar an ihre eigenen Sprüche. Wahrscheinlich glauben sie wirklich, für ein System der Freiheit und des Friedens zu arbeiten. Leider ist die Kehrseite dieses Glaubens die, dass alle Gegner dieser Utopie nicht einfach Feinde, sondern Teufel sind, weil sie ja scheinbar für Krieg und Tyrannei arbeiten. Das utopische Konzept „One world“ impliziert eine Hyper-Moralisierung des Politischen und die Entmenschung des Gegners.

Gegnerische Länder als „Schurkenstaaten“ abzustempeln heißt ja nichts anderes als die Ankündigung, sich ihnen gegenüber nicht an geltendes Recht zu halten. Da mein eigenes Land im vergangenen  Jahrhundert gleich zweimal zum „Schurkenstaat“ erklärt wurde, weiß ich, wovon ich rede, und wenn ich sehe, wie leicht ein so nichtiger Anlass wie eine bloße Meinungsumfrage bei Amerikanern (Ich glaube, dass Lawrence Auster mit seiner Einstellung hier repräsentativ ist) den blanken ethnischen Hass gegen Deutschland wachrufen kann, dann fällt es mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie die Reaktionen aussehen werden, falls Deutschland ernsthaft gegen seine Islamisierung kämpft. Selbst Konservative wie Lawrence Auster, das vermute ich zumindest, werden dann nicht an unserer Seite stehen.

Sogenannte Terroristen in Guantanamo und anderswo zu foltern ist keine Ausnahme von der Regel, die nur durch unabweisbare Erfordernisse der nationalen Sicherheit zu rechtfertigen ist (nebenbei: Wenn es nötig war, den Fahrer Bin Ladens zu verhören, warum war es dann nicht nötig, Bin Laden selbst zu befragen?), und Bin Ladens Leiche einfach ins Meer zu werfen ist die Konsequenz solcher Entmenschung. Zugleich sind solche Praktiken eine Warnung an jeden Gegner der neuen Weltordnung, z.B. an Counterjihadisten, dass sie keine Chance auf Behandlung nach zivilisierten demokratischen Standards haben, wenn ihre Opposition zu stark wird.

Sie machen heute mit Bin Laden, was sie gestern mit deutschen Generälen machten, udn was sie morgen mit Jedem machen werden, der gegen ihre Utopie kämpft. Dies ist der Grund, warum ich Bin Ladens Tod nicht feiere.

[Siehe auch den Originaltext „From A German Point of View: A Reply to Lawrence Auster“ in German Views]

Zum Prozess gegen die Globale Islamische Medienfront

Die sogenannte Globale Islamische Medienfront hat in der Vergangenheit durch Propaganda für islamistische Terroristen von sich reden gemacht. Nun wird ihr der Prozess gemacht. Der SWR-Blog (ich habe im Impressum nachgesehen, er wird wirklich und wahrhaftig vom öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk betrieben) schreibt:

Morgen beginnt in München vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts unter dem Vorsitzenden Richter Mafred Götzl der Prozess gegen acht Mitglieder der GIMF. Die „Globale Islamische Medienfront – Deutsche Sektion“ hat sich besonders ab 2007 einen Namen mit deutschsprachiger Jihad-Propaganda gemacht. Angeklagt sind 7 Männer und eine Frau aus Augsburg, Biberach (Riß), Bremen, Düsseldorf, Offenbach, Paderborn und Siegburg. Eifrigen Lesern dieses Blogs wird der ein oder andere Name bekannt vor kommen…

Ich weiß nicht, ob der Verfasser Holger Schmidt dasselbe meint wie ich. Ein Name kommt mir jedenfalls sehr bekannt vor, nämlich der des Richters. Vor anderthalb Jahren schrieb ich unter dem Titel „Deutschenhass“:

Der Bundesgerichtshof hebt ein Urteil des Landgerichts München auf. Das Landgericht sei den besonderen Umständen der Tat nicht gerecht geworden.

Judith schreibt dazu:

Die “besonderen Umstände” waren die, dass Sven G., ein nicht vorbestrafter deutscher Informatik-Student, sich gegen eine fünfköpfige, aggressive Ausländerbande zur Wehr setzte und dabei den Anführer, Mergim S., mit einem Messer verletzte. Wegen “überzogener Notwehr” verurteilte das Münchener Schwurgericht den unbescholtenen Sven zu drei Jahren und neun Monaten – ohne Bewährung.

[Quelle: http://www.deutschland-kontrovers.net/?p=14822. Link funktioniert zur Zeit (12.04.2011) nicht]

Wir hatten schon vor kurzem Gelegenheit, uns über das merkwürdige Rechtsverständnis der Münchner Justiz und über ihre Gnadenlosigkeit zu wundern, als sie einen Neunzigjährigen, den ehemaligen Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber bei dünnster Beweislage zu lebenslanger Haft verurteilte.

Man wundert sich weniger, wenn man weiß, dass beide Urteile von ein und demselben Richter gesprochen wurden, einem gewissen Manfred Götzl.

Bei einem solchen Richter kann die Globale Islamische Medienfront bestimmt auf Verständnis rechnen.

Doktor Schäubles Staatsneurosen

Wenn man wissen möchte, welche Ideologie der hierzulande betriebenen Einwanderungspolitik zugrundeliegt, dann ist es erhellend, die Selbstzeugnisse der Verantwortlichen unter die Lupe zu nehmen. Innenminister Schäuble hat sich jüngst gegenüber der „Welt am Sonntag“ ein Streitgespräch mit dem immigrationskritischen holländischen Soziologen Paul Scheffer geliefert, das eine ausgiebige Würdigung verdient. Ich konzentriere mich auf die (leicht gekürzten) Ausführungen von Herrn Schäuble, empfehle aber nicht zuletzt wegen der zutreffenden und lesenswerten kritischen Einwände von Prof. Scheffer die Lektüre des ganzen Gesprächs:

Welt am Sonntag: Herr Schäuble, seit den 50er-Jahren kamen in großem Umfang Arbeitsmigranten nach Deutschland. Ist diese Einwanderung eine Erfolgsgeschichte?

Wolfgang Schäuble: Überwiegend schon. Man muss sich vergegenwärtigen, wir haben die Leute angeworben. Deutschland ist zudem das Land Europas mit der höchsten Zuwanderungsrate seit dem Zweiten Weltkrieg. Zum einen wegen der Vertriebenen aus dem Osten und aus den Teilen, in denen Deutsche früher gesiedelt haben. Und dann haben wir viele Flüchtlinge aus Konfliktgebieten aufgenommen, mehr als andere Länder, wofür uns das UN-Flüchtlingswerk lobt. Die Gastarbeiter haben wir angeworben. Ohne sie wäre die wirtschaftliche Entwicklung damals gar nicht gelungen. Die meisten sind gut integriert, aber es gibt ein nicht unerhebliches Defizit in der dritten Generation. Dessen Bekämpfung ist ein Schwerpunkt unserer Politik. Aber insgesamt ist es eine Erfolgsgeschichte.

Paul Scheffer: (…) Es gibt in vielen Ländern einen Konsens, dass die Einwanderung von Gastarbeitern eigentlich keine Erfolgsgeschichte war. Weder für die empfangende Gesellschaft noch für die Gastarbeiter selbst. (…) Auch die Migranten haben sich als Gastarbeiter und eben nicht als Migranten wahrgenommen.

Schäuble: Da muss ich Einspruch einlegen. Wir haben die Gastarbeiter angeworben …

Bereits in diesen kurzen beiden Statements hat Schäuble dreimal betont, „wir“ hätten die Gastarbeiter angeworben. Wir werden noch sehen, dass das vor allem deswegen so wichtig ist, weil damit „wir“ für die Konsequenzen verantwortlich sind.

Des weiteren behauptet er wahrheitswidrig (und wird von Scheffer prompt korrigiert), ohne Gastarbeiter wäre „die wirtschaftliche Entwicklung … nicht gelungen“. Ein wichtiger Baustein der Selbstbeschreibung und des Geschichtsbildes eines künftigen islamischen Deutschland: Unsere wirtschaftliche Entwicklung verdanken wir nicht etwa den technologischen und wissenschaftlichen Spitzenleistungen, die von Deutschen erbracht wurden, auch nicht der in Jahrhunderten gewachsenen Bildungstradition, auch nicht der hohen und bewusst gepflegten Qualifikation auch von Handwerkern, und schon gar nicht dem Schweiß, den die Industrialisierung Deutschlands ab dem 19. Jahrhundert und der Wiederaufbau nach 1945 gekostet haben. Wir verdanken sie den Gastarbeitern, die überdies so „gut integriert“ sind, dass man sich fragt, wieso sie es nicht schafften, diese Integration auch der „dritten Generation“ ans Herz zu legen, und wir es plötzlich mit „nicht unerheblichen Defiziten“ zu tun bekommen.

Die Sorge darüber wird freilich mehr als ausgeglichen dadurch, dass „das UN-Flüchtlingshilfswerk uns lobt“.

Was hat das eigentlich zu bedeuten, dass Schäuble, die erste Generation für „gut integriert“ hält? Das bedeutet, dass zur „Integration“ für ihn jedenfalls nicht gehört, ein positives Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen zu haben und seine Kinder in diesem Sinne zu erziehen: Wäre die erste Generation in diesem Sinne gut integriert gewesen, die „Defizite“ der dritten wären kaum erklärbar.

Ich vermute, für Schäuble ist „gut integriert“, wer kein Extremist oder Terrorist wird. Integriert ist, wer der Regierung keinen Ärger macht. Der Ärger, den etliche Migranten, speziell Muslime den einheimischen Bürgern bereiten, interessiert die Regierung nicht, solange sie ihn nicht am Wahltag zu spüren bekommt.

(…)
Schäuble: (…) Wir wissen, dass es heute Probleme gibt, wir kennen die Defizite. Deshalb ist unsere Politik ganz klar: Wir werden erst die Defizite in der Integration beheben und danach gegebenenfalls den Arbeitsmarkt stärker öffnen.

Nun ist schon dreimal das Wort „Defizite“ gefallen. Wir wissen immer noch nicht, welche er eigentlich meint, aber wir wissen schon einmal, dass wenigstens er sie kennt – wie beruhigend -, und dass er sie mit „unserer Politik“ „beheben“ wird: der Größenwahn eines Technokraten, dem nicht in den Sinn kommt, dass Menschen keine Maschinen sind und „Integrationsdefizite“ kein Motorschaden, den man „beheben“ kann. Dass 67 Millionen einheimische Deutsche, vier Millionen Moslems und elf Millionen nichtmuslimische Migranten und Migrantenkinder kein Orchester sind, dass darauf wartet, von Herrn Schäuble dirigiert zu werden, und dass die Gesellschaft kein Automat ist, in den man oben gestanzte Floskeln steckt, damit unten die „Integration“ herauskollert.

Ganz nebenbei erfahren wir aber auch, dass danach, also wenn so etwas wie Integration halbwegs gelungen sein wird, man aus den Fehlern der Vergangenheit nicht etwa lernt, sie in Zukunft zu vermeiden, sondern sie im Gegenteil bei der ersten Gelegenheit zu wiederholen und „den Arbeitsmarkt stärker (zu) öffnen“. Die „Integration“ der einen ist also bloß die Vorstufe zur Immigration der anderen. Der Minister teilt uns offiziell, wenn auch gleichsam zwischen Tür und Angel mit, dass er Masseneinwanderung zum Dauerzustand zu machen gedenkt, und dass er eine Politik verfolgt, die Deutschen im eigenen Land in die Minderheit zu drängen.

Welt am Sonntag: Alle Migrationsprozesse der Geschichte zeigen, dass das zirkuläre Modell nicht funktioniert. Wenn Menschen anderswohin gehen, dann bleiben viele von ihnen. Ist das Problem in Deutschland nicht deshalb entstanden, weil wir zu lange dachten, die Migranten gehen zurück?

(…)

Schäuble: Ich habe in einem Buch eines niederländischen Professors (lacht) ein Verständnis dessen gefunden, was Einwanderungsländer sind, das meinem eigenen entspricht. Das sind Länder, die gezielt Einwanderer gesucht haben. In diesem Sinne ist Deutschland keines. Ich habe das immer gesagt. Das heißt zwar nicht, dass wir nicht viele Einwanderer gehabt hätten. Und deshalb rede ich lieber von Integration, denn die müssen wir gestalten. Wir hatten beispielsweise erhebliche Probleme mit der Integration der Vertriebenen, die Ende der 40er-Jahre kamen. 1949 sagten 96 Prozent der Vertriebenen, dass ihr Verhältnis zu den Einheimischen nicht gut sei. Diese Integration ist heute gelungen. Aber bei den Gastarbeitern haben wir es natürlich versäumt, uns hinreichend Gedanken zu machen.

Verglichen mit der grandiosen Leistung, Deutsche in Deutschland zu integrieren, sollte die Integration von Türken doch ein Kinderspiel sein – vorausgesetzt, man macht sich „hinreichend Gedanken“.

Vor allem aber waren wir nicht gut genug in der Aufgabe, deren Kinder und Enkel vernünftig zu integrieren – da sehe ich die großen Versäumnisse der deutschen Gesellschaft.

Die Integration ist nicht etwa Bringschuld der zu Integrierenden, sondern eine der Aufnahmegesellschaft. Was vermutlich damit zusammenhängt, dass „wir die Gastarbeiter angeworben“ haben und diesen „unsere wirtschaftliche Entwicklung“ verdanken.

Wenn ich aber sage: Die Bilanz ist schlecht, es hat sich nicht gelohnt, dann stärke ich diejenigen, die mir an einem Stammtisch sagen: „Das haben wir schon immer gewusst, raus mit den Ausländern.“

Im Klartext: Er darf nicht zugeben, dass die Bilanz schlecht ist, weil er sonst die am „Stammtisch“ stärkt, also das einfache Volk, das in der Tat schon immer ein Gespür dafür hatte, dass Einwanderung niemanden bereichert, es sei denn die Einwanderer. Diese einfachen Leute dürfen nicht „gestärkt“ werden, und deswegen muss man die von ihnen erkannten Wahrheiten zu Lügen erklären. Man beachte, dass der Minister sich nicht einmal auf seine angeblich überlegene Einsicht beruft (was Herrscher normalerweise tun, wenn es ihre Herrschaft zu rechtfertigen gilt). Er beansprucht also nicht, in der Sache Recht zu haben, er will nur die, die Recht haben, niederhalten.

Welt am Sonntag: Was ist wann falsch gemacht worden?

(…)

Schäuble: … Wir machen in Deutschland seit den 70er-Jahren keine Einwanderungs-, sondern Integrationspolitik. Gute oder schlechte, darüber kann man streiten. Wir hatten eine Debatte übers Asylrecht, aber das ist etwas anderes. Ich meine ja auch, dass wir in Zukunft stärker eine gezielte Politik betreiben müssen. Aber vorher muss ich die Defizite vergangener Jahre beseitigen. Da schiebe ich die Schuld gar nicht von uns weg.

„Wir“ – und man darf vermuten, dass er damit nicht die Politik meint, sondern das deutsche Volk – sind an den hier zum viertenmal erwähnten „Defiziten“ schuld – er spricht wirklich von „Schuld“ – , und deswegen müssen „wir“ sie auch „beseitigen“, ungefähr wie ein Hundebesitzer Hassos Häufchen beseitigt. Dasselbe Volk, auf dessen Meinung man pfeift, soll auslöffeln, was ihm eingebrockt wurde.

Welt am Sonntag: Wo sehen Sie gelungene Beispiele von Einwanderungspolitik?

(…)

Scheffer: Es muss … um das gehen, was Sarkozy „immigration subi“ und „immigration choisi“ nennt, eine bloß ertragene oder eine Einwanderung, für die man sich bewusst entscheidet. Darüber muss man nachdenken.

Schäuble: Natürlich denken wir darüber nach! Aber ich bin gegen wishful thinking. Und bevor wir zu sehr über die selbst gewählte Einwanderung nachdenken, sollten wir uns auf die Behebung der Defizite konzentrieren. (…)

Zum fünftenmal werden „Defizite behoben“.

(…)

Schäuble: (…) Ich als Innenminister muss verhindern – das ist Staatsräson Deutschlands -, dass eine neue Ausländerfeindlichkeit entsteht.

Der Innenminister glaubt, es sei Sache des Staates, seinen Bürgern ihre Gefühle, zum Beispiel Ausländerfeindlichkeit, zu verbieten bzw. vorzuschreiben. Eine solche Einstellung ist nicht etwa vordemokratisch – kein absolutistischer Monarch hätte sich je für einen Volkspädagogen gehalten -, sie ist totalitär. Die Bürger sollen mit allen Mitteln dazu gebracht werden, zu wollen, was sie sollen. Und das ist nicht nur ein Staatsziel – was schlimm genug wäre –, es ist Staatsräson, d.h. der Staat muss, bei Strafe seines Untergangs, „verhinden, dass Ausländerfeindlichkeit entsteht“. Warum?

Ich kann nicht, wie vor einer Woche in Vorarlberg, 25 Prozent für eine rechtsextreme Partei ertragen.

Dem Innenminister einer „konservativen“ Partei ist der Unterschied zwischen rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien nicht geläufig. Die FPÖ für rechtsextrem zu halten, ist offensichtlich grotesk. Sie für rechtsextrem zu erklären, kann natürlich gute Taktik sein. Allerdings nicht die Taktik von Demokraten, sondern die von Selbstherrschern, die den Staatsapparat benutzen, Andersdenkende mundtot zu machen.

Jedenfalls sollte man hellhörig werden, wenn ein Innenminister, also jemand, der über einen hochorganisierten bewaffneten Machtapparat verfügt, sagt, er könne ein demokratisch einwandfrei zustandegekommenes Wahlergebnis „nicht … ertragen“.

So hohe Zahlen etwa für Le Pen waren der Ausgangspunkt für Sarkozy, das Thema Einwanderung anzugehen. Ich kann auch die Entwicklung in den Niederlanden nicht ertragen.

Im Klartext lautet die Botschaft an die deutschen Wähler: Bildet euch ja nicht ein, dass ihr wählen könnt und dürft, wen ihr wollt – bestimmte Parteien verstoßen gegen die von mir, Schäuble, definierte „Staatsräson“. Wie kommt er nur darauf, es sei „Staatsräson“, das überwiegend loyale Staatsvolk zugunsten von Migranten zu schwächen, deren Loyalität dem Staat gegenüber nicht selten zweifelhaft ist?

Deutschland würde sofort in den Verdacht geraten, es hätte aus den Erfahrungen der Nazizeit nichts gelernt. Wir sind mehr als jeder andere ein gebranntes Kind.

Wenn ich jetzt nicht gerade unterstellen will, die USA hätten Deutschland für den Fall eines rechtskonservativen Wahlerfolges eine Militärintervention angedroht: Nüchtern betrachtet, ist der von Schäuble befürchtete „Verdacht“, in den Deutschland geraten könnte, nicht mehr als ein Imageproblem. Also nichts, was ernsthaft die „Staatsräson“ tangieren würde, sofern man „Staatsräson“ traditionell versteht.

Schäuble: Wir hatten – darauf bin ich stolz – bei der Europawahl am 7. Juni die geringsten Erfolge von ausländerfeindlichen Gruppen in Europa. Ganz vergeblich sind unsere Bemühungen um verbesserte Integration also nicht.

Man könnte mit besseren Gründen mutmaßen, dass weniger die Bemühungen um verbesserte Integration als vielmehr die um Kriminalisierung und Verleumdung Andersdenkender erfolgreich waren, und dass sie das deshalb waren, weil sehr viele Deutsche jene merkwürdige Ideologie verinnerlicht haben, wonach nicht die Loyalität zur eigenen Nation, sondern die Selbstdressur zugunsten Anderer ein Grund zum „Stolz“ ist.

(…) Wir müssen bei unserer demografischen wie sozialen Entwicklung alle Menschen in Deutschland einbeziehen.

Abgesehen natürlich von den einheimischen Deutschen, namentlich solchen, die sich am „Stammtisch“ äußern.

Sonst werden wir keine stabile, tolerante Entwicklung sichern können. Und wegen der demografischen Entwicklung werden wir wahrscheinlich bald einen höheren Bedarf an Zuwanderung haben.

Ich kann mich nicht erinnern, dass die in der Tat bedrohliche demographische Entwicklung Deutschlands jemals von Politikern zum Thema gemacht worden wäre. Es wurden keine Wahlkämpfe damit bestritten, und es wurde auch nicht um Lösungen gerungen. Dafür ist von der demographischen Entwicklung mit schöner Regelmäßigkeit immer dann die Rede, wenn es Argumente für Masseneinwanderung zu finden gilt. Anders gesagt: Immigration ist eine, wenn auch nur scheinbare, Lösung auf der Suche nach einem passenden Problem.

Rekontruieren wir nun Schäubles Ideologie aus dem, was er hier zwischen den Zeilen gesagt hat:

Es kommt ihm vor allem darauf an, was Andere über Deutschland denken, nicht so sehr darauf, was tatsächlich der Fall ist, und auch nicht darauf, ob die Deutschen selbst sich mit ihrer Politik gut fühlen; dieselbe Orientierung an der Fremdwahrnehmung, die schon aus seiner kindlichen Freude über das Lob des UN-Flüchtlingshilfswerks spricht, lässt sich auch aus seiner Panik ablesen, Deutschland könnte in den „Verdacht“ geraten, aus der Nazizeit nichts gelernt zu haben, und an seinem „Stolz“ über die ausbleibenden Erfolge „ausländerfeindlicher Gruppen“.

Würde eine Einzelperson sich in dieser Weise an der Fremdwahrnehmung orientieren und die eigenen Interessen gegenüber den Forderungen Anderer hintanstellen, so würde man diese Person ohne weiteres für neurotisch gestört halten.

Bedenkt man dann noch,

  • wie häufig er betont, woran die Deutschen alles schuld seien,
  • seine Neigung, der Deutschen eigene Erfolge („unsere wirtschaftliche Entwicklung“) Ausländern gutzuschreiben,
  • seine Auffassung, die politische Urteilsbildung der Deutschen müsse staatlich kontrolliert und gesteuert werden,
  • und schließlich sein Programm, Masseneinwanderung als eine Art permanente Revolution anzustreben, sobald die aktuellen „Defizite behoben“ sind,

so läuft dies in der Zusammenschau auf eine Ideologie hinaus, wonach die Deutschen böse Menschen seien, die, stünden sie auf eigenen Füßen, nur Unheil anrichten könnten, die sich deswegen der Aufsicht durch das Ausland zu unterwerfen hätten, deren politische Willensbekundungen man als Politiker nicht zu respektieren brauche, und die von ihrer Regierung buchstäblich erzogen werden müssten. Jedenfalls für die Übergangszeit bis zu ihrem angestrebten Verschwinden als Volk.

Schäubles „Staatsraison“ entpuppt sich als eine zur Staatsideologie erhobene selbstzerstörerische Neurose, und die Bundesrepublik Deutschland als der vermutlich einzige Staat der Welt, der seine „Räson“ darin sieht, das eigene Staatsvolk abzuwickeln.

Deutschenhass

Der Bundesgerichtshof hebt ein Urteil des Landgerichts München auf. Das Landgericht sei den besonderen Umständen der Tat nicht gerecht geworden.

Judith schreibt dazu:

Die “besonderen Umstände” waren die, dass Sven G., ein nicht vorbestrafter deutscher Informatik-Student, sich gegen eine fünfköpfige, aggressive Ausländerbande zur Wehr setzte und dabei den Anführer, Mergim S., mit einem Messer verletzte. Wegen “überzogener Notwehr” verurteilte das Münchener Schwurgericht den unbescholtenen Sven zu drei Jahren und neun Monaten – ohne Bewährung.

Wir hatten schon vor kurzem Gelegenheit, uns über das merkwürdige Rechtsverständnis der Münchner Justiz und über ihre Gnadenlosigkeit zu wundern, als sie einen Neunzigjährigen, den ehemaligen Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber bei dünnster Beweislage zu lebenslanger Haft verurteilte.

Man wundert sich weniger, wenn man weiß, dass beide Urteile von ein und demselben Richter gesprochen wurden, einem gewissen Manfred Götzl.