Israel und der Globalismus

Mega Dux hat neulich in einem Kommentar zu „NWO – Eine Verschwörungstheorie?“ die Frage aufgeworfen, woher es nur komme, dass er bei „NWO“ immer an den Antichristen denken müsse. Aus seiner Sicht eine rhetorische Frage, aber da der Zusammenhang nicht Jedem so klar vor Augen stehen dürfte wie ihm, und weil das Thema einige vielleicht überraschende Bezüge enthält, möchte ich es ein wenig vertiefen:

Die Gestalt des Antichristen als Verkörperung des Bösen wird normalerweise mit dem „Tier“ aus der Apokalypse (der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches des Neuen Testaments) identifiziert. Die Apokalypse lehnt sich dabei inhaltlich und stilistisch an die jüdische apokalyptische Tradition an, insbesondere an das Buch Daniel (Kap. 7-11).

Es geht mir hier nicht um die im engeren Sinne theologischen Bezüge, sondern um den historischen Hintergrund: Die Endzeitvisionen des Buches Daniel gehören in den Kontext des Makkabäeraufstandes gegen das Seleukidenreich, in einem erweiterten Sinne also gegen die Hellenisierung des jüdischen Volkes und seiner Religion. Der Kampf gegen sein Auflösung in seiner heidnischen hellenistischen Umgebung und der Kampf gegen seine religiöse „Hellenisierung“ gehören zusammen. Im Seleukidenreich hatten die Juden einen Feind, der beides angriff, das jüdische Volk und seinen Gott.

In diesem Text taucht erstmals das Motiv vom Reich Gottes auf, das als das Reich des Guten den irdischen Reichen des Bösen gegenübergestellt wird, zunächst also dem Seleukiden-, später dem Römerreich. „Böse“ waren diese Reiche im doppelten Sinne: einmal, indem sie das jüdische Volk unter Druck setzten, in einer größeren Einheit aufzugehen, zum anderen durch ihre kompromisslose Diesseitigkeit. Bleiben wir beim Römischen Reich mit seinen Gladiatorenspielen, seiner Sklaverei, seiner schamlosen Sinnlichkeit, mit einem Wort: seiner offenkundigen Gottlosigkeit. Dieses Reich kannte Religion nur in zweierlei Formen: einmal als Staatskult mit rein politischen Funktionen, zum anderen als privaten fröhlichen Aberglauben, der einem durchs Leben half; da wechselte man schon einmal die Götter.

Tolerant war diese Art von „Religiosität“ durchaus: Für antike Großreiche und ihre Herrscher wäre nichts sinnloser gewesen als ein Religionskrieg. Was war denn schon dabei, die Götter unterworfener Völker anzuerkennen, wenn man sich dadurch deren wenigstens passive Loyalität sichern konnte? Und was war, aus der Sicht dieser Völker, schon dabei, dem römischen Staatskult Lippendienste zu leisten, wenn die Obrigkeit dieses Zeichen der Ergebenheit nun einmal haben wollte? Dass die tiefe Gottesfurcht der Juden („Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, 2. Mose 20,3), später auch der Christen mit solcher „Religiosität“ kollidieren musste, versteht sich.

Dabei ist schwer zu erkennen, wie ein Großreich anders hätte funktionieren sollen; kaum vorstellbar, wie ein solches Gebilde nicht auf zuerst die Entschärfung und dann Einebnung und Verschmelzung völkischer, kultureller und religiöser Identitäten hätte hinarbeiten sollen; deren Betonung, erst recht ihre politische Aufladung hätte ja geradezu seinen Bestand gefährdet.

Fatalerweise waren die Juden außerstande, sich den Forderungen dieses Systems zu unterwerfen, so sehr sie auch versuchten, zu einem Modus vivendi mit dem Imperium zu gelangen. Die Anpassung an dessen Erwartungen musste ihren Bestand als Volk in Frage stellen. Das Imperium sog ja viele Völker in sich auf, ebnete die Unterschiede zwischen ihnen ein und machte aus Etruskern, Lydiern, Phöniziern, Griechen etc. – Römer.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Völker aus der Geschichte verschwinden, wenn sie von größeren Einheiten geschluckt werden. Unweit von dem Ort, wo ich schreibe, ist das sorbische Volk in Auflösung begriffen, und ist dadurch ein Prozess in seine Endphase getreten, der seit einigen Jahrhunderten andauert, und in dem das sorbische Volk im deutschen aufgeht. Eine solche Selbstauflösung wäre aber für die Juden, deren Religion auf dem Gedanken des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel beruht, gleichbedeutend mit dem Verrat an Gott gewesen – sie war unmöglich und undenkbar.

In dieser Hinsicht, also in der unauflöslichen Verbindung religiöser und völkischer Identität und der damit verbundenen Resistenz ist das Judentum in der Tat einzigartig. Es ist sozusagen die institutionalisierte Partikularität. (Freilich sollte man nicht übersehen, in welchem Maße die jüdische Verbindung von politischer und religiöser Identität, wie sie bereits im Alten Testament vorgezeichnet ist, von den christlichen Völkern als attraktives Rollenmodell aufgefasst wurde: Wenn Amerika sich zum Neuen Jerusalem, Russland zum Dritten Rom, Deutschland zum Heiligen Römischen oder gar Tausendjährigen Reich stilisierte, dann drückte sich darin der Gedanke aus, das eigene Volk stehe mit Gott im Bunde. Der gleichartige, aber konkurrierende und vor allem viel ältere Anspruch der Juden musste als ärgerlich empfunden werden. Antisemitismus ist nicht nur, aber auch nicht zuletzt Eifersüchtelei um die Gunst Gottes.)

Die Juden also widersetzten sich – wie gesagt: Sie konnten nicht anders! – ihrer Auflösung als Volk. Kein Wunder, dass dieses Volk den Vertretern jeder vereinheitlichenden und nivellierenden Ideologie ein Dorn im Auge war: sowohl den beiden universalistischen Religionen Christentum und Islam als auch dem modernen Nationalismus. Letzterer postuliert im Grunde die Einheit von Volk und (Staats-)Nation und tendiert deswegen zur sanften oder unsanften Eliminierung subnationaler Kollektividentitäten; nicht etwa aus Fanatismus, sondern wegen seiner Verschwisterung mit der Demokratie, die nun einmal einen Demos, also ein Kollektivsubjekt voraussetzt, das aus Bürgern besteht, nicht aus Völkern.

Heute, wo der Nationalstaat seinerseits partikular wird und unter den Druck des Globalismus gerät, erinnern wir Rechten uns nicht mehr so gerne daran, aber der Nationalstaat war ein linkes Projekt und verhielt sich bei seiner Entstehung den ihm unterworfenen Partikularitäten gegenüber so feindlich und nivellierend wie heute der Globalismus ihm selbst gegenüber.

Der Zionismus, also der Versuch, das jüdische Volk als Nation unter Nationen zu konstituieren, war nichts anderes als der Versuch des Judentums, sich anzupassen, ohne sich aufzugeben. Seine unverkennbare Herkunft aus dem europäischen Gedanken der Nation und der nationalen Selbstbestimmung verschaffte ihm in Europa für kurze Zeit Popularität, nämlich in der Phase, in der der Staat Israel bereits gegründet, das nationalstaatliche Paradigma in Europa aber noch vorherrschend war, also von Ende der vierziger bis Ende der sechziegr Jahre. Es war zugleich die einzige Phase der europäischen Geschichte, in der Antisemitismus nicht zum guten Ton gehörte.

Heute aber hat die Linke – einschließlich ihres liberalen Flügels – das globalistische Konzept verinnerlicht: Das Beharren auf hergebrachten Kollektividentitäten, auf der Souveränität von Nationalstaaten, auf der theologischen Integrität der traditionellen Religionen – das alles gilt heute als „rechts“. Der linke Antisemitismus (den man deswegen auch so nennen darf) richtet sich gegen Israel aus demselben Grund, aus dem Judenhasser zu allen Zeiten Juden gehasst haben: weil sie sich als Volk und Religion nicht auflösen, einschmelzen und nivellieren lassen.

Heutige Linke halten schon den Begriff „Volk“ für eine „Konstruktion“ (im Sinne von „Illusion“, womit sie beweisen, dass sie den Begriff „Konstruktion“ nicht verstanden haben), die man abwickeln müsse, und zwar mitsamt dem gemeinten Sachverhalt, nämlich der Existenz von Völkern, am besten durch Massenmigration; Religionen wollen aus ihrer Sicht „im Grunde alle dasselbe“ – und soweit dies offensichtlich nicht der Fall ist, handelt es sich um „Fundamentalismen“, die man selbstredend bekämpfen muss; Staaten sind für sie nicht Sicherheitsstrukturen, sondern große Kassen, aus denen man sich bedient, und ihre Armeen sind bestenfalls überflüssig:

Was könnte einer solchen Ideologie mehr missfallen als ein Staat, der sich explizit als jüdisch definiert und damit die Integrität eines Volkes wie auch die von dessen Religion schützt; der sich weigert, sich für ethnische Unterwanderung zu öffnen; der die gegenwärtig vermutlich kampfstärkste Armee der Welt unterhält (gemessen an ihrer Größe); und der nicht bereit ist, für pazifistische Illusionen Selbstmord zu begehen?

Der antike jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus hat in seinen „Jüdischen Altertümern“ eine Szene überliefert, in der ein römischer Besatzungssoldat in Jerusalem einen Volksaufstand auslöste, indem er den Pilgern, die zum Tempel eilten, seinen nackten Hintern zeigte. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich dieselbe Szene im heutigen Nadschaf oder Kerbela vorzustellen – mit Amerikanern in der Rolle der Römer und Schiiten in der Rolle der damaligen Juden. Der heutige Globalismus mit seiner Tendenz zur Verschmelzung der Völker, zur Entkernung der Religionen, zur Banalisierung des vormals Heiligen zeigt frappierende Parallelen zu dem, was man den „Globalismus“ des antiken Rom nennen könnte, des „Tieres“ der Apokalypse.

Der Mahdi und das Atomprogramm

Es mag für Manchen überraschend klingen, aber die Schia, also die im Iran, im südlichen Irak und Teilen des Libanons vorherrschende Glaubensrichtung des Islam, teilt einige wichtige Charakteristika mit dem Christentum.

Die Schia entstand bekanntlich nach der Schlacht bei Kerbela im Jahre 680, in der der Prophetenenkel Hussein mit seinen engsten Mitstreitern den Tod fand. Dieses Ereignis stellt den zentralen Bezugspunkt schiitischer Identität dar. Die Schia definiert sich also durch Bezugnahme auf Niederlage und Tod ihres Stifters – wie das Christentum.

Die Schia war deswegen lange Zeit vielerorts eine verfolgte Minderheit und ist es in Ländern wie Saudi-Arabien bis heute. Ihre prägende Phase erlebte sie also in einer ihr feindlichen Umgebung und in Opposition zu den Machthabern. Wie das Christentum.

Für den sunnitischen Islam typisch ist Anbetung der schieren Macht. Die Sunna neigt dazu, aus ihrer Fähigkeit, Anderen Gewalt zuzufügen, auf die Wahrheit und Richtigkeit des eigenen Glaubens zu schließen. Da diese Neigung im Koran verankert ist [siehe meine Themenanalyse des medinensischen Korans in Das Dschihadsystem, Kap. III.2. M., 21.01.2011], ist sie auch den Schiiten nicht fremd, sie ist aber durch historische Erfahrung gebrochen. Die Machtanbetung gehört zum Potenzial auch der Schia, zugleich aber verfügt sie, quasi als Widerlager, über eine machtkritische Perspektive, die der Sunna völlig fremd ist, die sie aber mit dem Christentum teilt.

(Weil das so ist, verfügt gerade der schiitische Iran als einziger von Islamisten regierte Staat über eine effektive Verfassung, d.h. über ein System von einander begrenzenden Institutionen. Da zudem nach schiitischer Vorstellung die einzig legitime weltliche Macht beim Zwölften Imam liegt, dieser aber in der sog. Großen Verborgenheit lebt und eines Tages wiederkehren wird, ist das Volk nach iranischer Staatstheologie befugt, sich in der Zwischenzeit selbst zu regieren – natürlich nur im Rahmen der Scharia, was in der Praxis von der theoretisch akzeptierten „Demokratie“ nichts übrig lässt; was aber andererseits nichts daran ändert, dass die schiitischen Theologen die einzigen sind, die einen Weg gefunden haben, die Demokratie – wenigstens als theoretische Idee – aus dem Islam abzuleiten.)

Diese machtkritische Perspektive hat aber im schiitischen Islam dieselbe dunkle Kehrseite, die sie auch im Christentum hat: Aus der Sicht einer verfolgten Minderheit, die ihren Glauben nicht, wie die Sunniten, durch Macht und Erfolg als „wahr“ ausweisen kann, stellt sich die Theodizeefrage („Wenn Gott allmächtig ist, warum gibt es so viel Übel auf der Welt?“) mit besonderer Dringlichkeit: „Wenn unser Glaube der wahre ist, warum hat Gott dann zugelassen, dass die Macht in der Hand unserer Feinde liegt?“

Und wie das Christentum kennt die Schia die apokalyptische Antwort auf diese Frage: Der Teufel ist der Fürst dieser Welt, aber das muss so sein, weil es zum Heilsplan Gottes gehört, dass das Böse die Welt beherrscht und die Guten, die wahren Gläubigen, eine Zeit der Drangsal durchmachen müssen, bis sie am Ende, wenn das Böse in einer gewaltigen Endschlacht zerschmettert wird, triumphieren! Dieselbe Idee – natürlich mit etwas anderer Terminologie – gibt es auch im schiitischen Islam

Man sieht daran, dass Machtkritik als Attribut einer Religion nicht immer etwas Positives sein muss: Sie kann konstruktive und demokratische Ideen begünstigen, sie muss es aber nicht. Die Sehnsucht nach der Zerstörung einer als verdorben und korrupt gedachten Welt schwingt bei religiös begründeter Machtkritik immer mit.

Diese Apokalyptik war als Unterströmung im Christentum immer vorhanden, und sie ist immer mal wieder an die Oberfläche getreten – man denke an die Wiedertäufer von Münster. Es ist wichtig zu sehen, dass es diese Tendenz auch in der Schia gibt, und wie sie sich dort auswirkt. Der seltsame Januskopf jedenfalls, mit dem der Iran uns entgegentritt – hier fortschrittlicher und moderner als die meisten anderen Länder der Region, dort mittelalterlich und fanatisch wie kaum ein zweites – entspricht genau der hellen und der dunklen Seite religiöser Machtkritik.

Für die nähere Zukunft ist dies ein äußerst beunruhigender Befund.

Die Erwartung des Mahdi (das „h“ ist kein Dehnungszeichen, sondern deutlich gehaucht zu sprechen), einer Art islamischem Messias, ist allgemeinislamisch, wird aber bei den Schiiten deutlich stärker betont und mit der Idee des Verborgenen Imams, seiner Wiederkehr und des Weltenendes verknüpft.

Es ist außerhalb Israels wenig beachtet worden, welche Rolle seit dem Amtsantritt Ahmadinedjads die Vorstellung von der unmittelbar bevorstehenden Wiederkehr des Zwölften Imam in der iranischen Propaganda spielt. Dass er irgendwann wiederkehren wird, daran glauben Schiiten so fest wie Christen an die Wiederkehr Christi (eine weitere Parallele).

Der Unterschied zwischen konventioneller schiitischer oder christlicher Rechtgläubigkeit und apokalyptischem Extremismus betrifft nun just den Zeithorizont. Wer in der Naherwartung der Apokalypse lebt, wird seinen Teil dazu beitragen, dass sie auch kommt!

Dies ist der Hintergrund, vor dem die Äußerungen des iranischen Präsidenten und das iranische Atomprogramm zu bewerten ist. Natürlich kann es sein, dass Ahmadinedjad bloß ein ungewöhnlich zynischer Demagoge ist, der seine apokalyptische Rhetorik wohlkalkuliert als politisches Mittel benutzt, ohne selbst daran zu glauben. Es könnte aber auch sein, dass er genau der religiöse Fanatiker ist, der er zu sein vorgibt.

Der folgende Text stammt aus:  Heinz Halm, Der schiitische Islam, und ist dankenswerterweise auch im Netz verfügbar:

“Schreckliche Vorzeichen kündigen das Erscheinen des Mahdi an:

Mitten im Monat Ramadân wird sich die Sonne verfinstern und entgegen der sonstigen Gewohnheit verfinstert sich der Mond am Ende desselben Monats.
In Ost und West wird das Land [vom Meer] verschlungen.
Die Sonne wird stillstehen vom Zeitpunkt ihres Untergangs bis zur Mitte der Zeit des Nachmittagsgebets; dann wird sie im Westen wieder aufgehen.
Schwarze Fahnen rücken von Ostiran heran, der Jemenit wird rebellieren, der Maghrebiner wird in Ägypten erscheinen und Syrien besetzen, der Türke wird das Zweistromland okkupierieren, die Byzantiner werden die Stadt Ramla [in Palästina] einnehmen.
Ein Stern erscheint im Osten, der so hell scheint wie der Mond; der Mond aber wird sich so krümmen, daß seine beiden Hörner sich fast berühren.
Eine Farbe überzieht den Himmel nach allen Horizonten, und ein Feuer wird sich im Osten zeigen und drei oder gar sieben Tage in der Luft schweben…
Der Euphrat schwillt an, so daß seine Wasser die Straßen von Kufa überfluten.
Sechzig Lügner treten auf und geben sich als Propheten aus, und zwölfe aus der Familie des Abû Tâlib werden behaupten, Imame zu sein…
Ein schwarzer Wind erhebt sich am Morgen, unddie Erde erbebt; Furcht erfüllt die Iraker und die Einwohner von Bagdad. Rascher Tod tritt hier und da ein; Eigentum, Leben und Ernte werden vernichtet, Heuschreckenschwärme erscheinen zu gewohnter wie zu ungewohnter Zeit, um über Ackerland und Ernte herzufallen, und von dem, was gesät wurde, wird kaum etwas geerntet.
Fremde werden sich streiten, und viel Blut wird in ihrem Streit vergossen; Sklaven erheben sich gegen ihre Herren, Häretiker werden in Affen und Schweine verwandelt. …
Ein Schrei ertönt vom Himmel, den ein jedes Volk in seiner eigenen Sprache vernehmen wird.
Im Zentrum der Sonne werden – jedermann sichtbar – ein Kopf und eine Brust erscheinen. Dann werden die Toten aus ihren Gräbern auferstehen und auf die Erde zurückkehren; sie werden sich erkennen und einander besuchen.
Dies alles wird enden in vierundzwanzig Wolkenbrüchen; durch die wird das Land, das tot war, belebt und gesegnet. Daraufhin werden alle Krankheiten und Leiden hinweggenommen von den Parteigängern (schî’a) des Mahdi – Friede auf ihm! -, die die Wahrheit glauben, und zu diesem Zeitpunkt werden sie wissen, daß er in Mekka erschienen ist, und sie werden hineilen, ihm beizustehen.

Das Jahr der Wiederkunft des Mahdi ist unbekannt, nur der Tag steht fest: der 10. Muharram, der Tag von al-Husains Martyrium bei Kerbelâ. Gegenüber der Ka’ba wird er auftreten.”

Eine sehr alte und sehr bekannte schiitische Prophezeiung. Wie muss ein solcher Text auf einen Menschen wirken, der daran glaubt, und der ihn mit den Ereignissen der letzten Jahre in Verbindung bringt?

In Ost und West wird das Land vom Meer verschlungen.

Tsunami 2004
Tsunami 2004

Die Sonne wird im Westen wieder aufgehen.

Atombombenversuch der USA, 1954

Schwarze Fahnen rücken von Ostiran heran.

Osama bin Laden und Mitstreiter von Al Qaida vor schwarzer Fahne

Der Jemenit wird rebellieren.

Die Familie Bin Laden stammt aus dem Jemen.
Die Familie Bin Laden stammt aus dem Jemen.

Der Türke wird das Zweistromland okkupieren.

Einmarsch der türkischen Armee im Nord-Irak, Februar 2008
Einmarsch der türkischen Armee im Nord-Irak, Februar 2008

Ein schwarzer Wind erhebt sich am Morgen.

Irak-Krieg: Schwarzer Qualm steigt vom getroffenen Post- und Kommunikationsgebäude auf.
Irak-Krieg, Bagdad 2003

Furcht erfüllt die Iraker und die Einwohner von Bagdad.

Irak-Krieg 2003: Luftangriff auf Bagdad, CNN-Bericht
Irak-Krieg 2003: Luftangriff auf Bagdad

Und so weiter. Wer an so etwas glaubt, der muss doch überzeugt sein, dass der Mahdi vor der Tür steht.  Ich behaupte nicht, dass die gesamte iranische Führung im Banne apokalyptischer Prophezeiungen steht. Etliche unterstützen das Atomprogramm vermutlich aus Gründen konventioneller Machtpolitik, ungefähr so, wie die konservativen deutschen Diplomaten und Generäle der Hitlerzeit. Laridjani dürfte so einer sein. Aber der ist gefeuert worden. Wieso?

Das Problem ist, dass die Entscheidungsträger im Westen ungefähr so denken wie die britischen Entscheidungsträger der dreißiger Jahre, die in Hitler nicht primär den Verfasser von „Mein Kampf“ sehen wollten. Wenn Ahmadinedjad ein apokalyptisch orientierter Fanatiker ist (und über Gesinnungsgenossen in der Führung verfügt), dann wird er sich an die Parole des von ihm glühend verehrten Ayatollah Khomeini erinnern, der Iran könne ruhig untergehen, solange nur der Islam siegt. Diese Bereitschaft, das eigene Land zu opfern, um einen angeblichen Weltfeind – und „rein zufällig“ sind es wieder die Juden – zu vernichten, erinnert ebenfalls an die jüngere deutsche Geschichte.

Wenn eine solche Politik in Deutschland betrieben werden konnte, wo es überhaupt keine entsprechende Tradition gab, um wieviel mehr muss man sie einem Land wie dem Iran zutrauen, wo das Selbstopfer für Allah als das Edelste gilt, was Menschen überhaupt tun können – und dies nicht etwa theoretisch und abstrakt, sondern, wie der Irak-Iran-Krieg in den Achtzigern bewies und die Unterstützung von Selbstmordattentätern der Hisbollah und Hamas bis heute beweist, höchst praktisch und konkret; einem Land, in dem Israel seit dreißig Jahren in deutlich apokalyptischer Sprache als Weltfeind verteufelt wird?

Dabei ist Israel aus iranischer Sicht nur „der kleine Satan“. Der große sind die USA, und zwar als Chiffre für den Westen insgesamt. Es wäre, von allen moralischen Bedenken abgesehen, eine Torheit ersten Ranges, wollte der Westen Israel so behandeln, wie er in den dreißiger Jahren die Tschechoslowakei behandelt hat. Und es würde sich in derselben Weise rächen.

Indem der Iran jüngst einen Satelliten ins All geschossen hat, hat er seine Fähigkeit dokumentiert, Interkontinentalraketen zu bauen.