„Obergrenzen“: die Schmierenkomödie der CSU

Die „Obergrenze für Flüchtlinge“, die die CSU bei ihrem gestrigen Parteitag lautstark gefordert hat, ist eine Mogelpackung, das vermeintliche Zerwürfnis mit der Bundeskanzlerin eine schlechte Show, aber ein Lehrbuchbeispiel für die Inszenierung von Scheinkonflikten.

Inszenierung eines Scheinkonflikts: Seehofer und Merkel auf dem CSU-Parteitag
Inszenierung eines Scheinkonflikts: Seehofer und Merkel auf dem CSU-Parteitag

Zur Erinnerung: Nach geltender Rechtslage hat niemand, der aus einem sicheren Drittstaat, etwa aus Österreich kommt, das Recht, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Wer außerdem kein Visum hat und kein EU-Bürger ist, dem ist die Einreise nach Deutschland gesetzlich untersagt.

Wollte Horst Seehofer also tatsächlich, wie er suggeriert, die Überflutung Deutschlands aufhalten, nichts wäre selbstverständlicher, als von der Bundesregierung das Ende des fortdauernden Verfassungsbruchs zu fordern, dessen sie sich mit der andauernden aktiven Duldung illegaler Einreisen schuldig macht. Stattdessen fordert er eine „Obergrenze“, was impliziert, dass er die stärkste argumentative und juristische Waffe gegen die Politik  der Bundesregierung – eben deren Illegalität – nicht ins Feld zu führen, den Rechtsbruch vielmehr zu sanktionieren gedenkt.

Wenn er aber schon eine Obergrenze fordert: Warum nennt er keine konkrete Zahl? „Obergrenze“ – das können auch zehn, zwanzig oder dreißig Millionen sein (und vermutlich liegen Seehofers Vorstellungen, sofern er überhaupt welche hat und sie ernstgemeint sein sollten, eher an solchen Werten als bei den Wünschen seiner Parteibasis, die in dem Glauben gelassen werden soll, die Forderung nach Obergrenzen laufe auf einen Stopp der Invasion hinaus).

Und schließlich: Wie soll eine Regierung, die bereits jetzt nicht weiß, wie viele Personen schon eingeströmt sind, die Einhaltung einer solchen Obergrenze kontrollieren? Beim gegenwärtigen Stand der Dinge wird die Obergrenze niemals erreicht werden, weil sie sich stets auf offizielle Zahlen bezieht, von denen jeder weiß, dass sie völlig fiktiv sind, weil die Regierung offenkundig an realistischen Zahlen kein Interesse hat.

Seehofer hat nicht nur nichts von dem getan, was er hätte tun können, um  die Schwemme aufzuhalten oder einzudämmen, er fordert nicht einmal irgendetwas, was dazu beitragen könnte. Er tut nur so, als würde er sich zum Sprachrohr der unzufriedenen Mitglieder- und Wählerbasis der CSU und CDU machen und ihre Wünsche und Interessen vertreten.

Bei Licht besehen, ist Seehofers angeblicher Konflikt mit der Bundeskanzlerin – der von den etablierten Propagandamedien entsprechend breitgetreten wird – also, wenn überhaupt einer, dann höchstens der zwischen einem bauernschlauen Opportunisten, der durch taktische verbale Zugeständnisse ohne Substanz wenigstens den unzutreffenden Schein wahren will, im Interesse seiner Wähler zu handeln, und einer Kanzlerin, die möglicherweise davon ausgeht, auf Wähler in Zukunft nicht mehr angewiesen zu sein, in jedem Fall aber eine beispiellose Rücksichtslosigkeit dem Wähler gegenüber geradezu aufdringlich demonstriert. (Möglicherweise ist das Vertrauen anonymer Interessengruppen, in deren Dienst Merkel sich offenbar gestellt hat, so fragil, dass sie sich ihnen gegenüber nicht einmal den durch taktische Manöver etwa entstehenden – Anschein leisten kann, Ihren Amtseid einzuhalten und ihrer Politik die Interessen des deutschen Volkes zugrunde zu legen.)

Solche inszenierten Konflikte haben die Funktion, von den tatsächlich entscheidenden Fragen abzulenken und die Öffentlichkeit mit Scheinalternativen zu beschäftigen. Wir sollen gar nicht erst auf die Idee kommen zu fragen, ob wir die Überflutung Deutschlands wollen, sondern uns nur noch darüber streiten, ob wir eine fiktive „Obergrenze“ bei fortlaufendem Massenzustrom oder denselben Massenzustrom ohne fiktive Obergrenze wollen.

Seehofer setzt sich auf diese Weise als „Alternative“ zur Kanzlerin in Szene, ohne eine zu sein. Das seine Manöver begleitende und verstärkende Medienecho einschließlich der Kritik von links gehört zur Inszenierung und soll ihm das sichern, was man neudeutsch street credibility nennt: Die etwas begriffsstutzige Basis der Unionsparteien soll glauben, wer so drastisch von rot-grüner Seite kritisiert werde, müsse wohl ein Bannerträger ihrer Anliegen sein. Zugleich läuft er sich warm, um für den Fall eines Sturzes von Angela Merkel als Nachfolger bereitzustehen, und dieser Sturz dürfte nur noch eine Frage der Zeit beziehungsweise des nächsten Terroranschlags sein.

Denn darüber dürfte sich selbst das verblendete politische Establishment in Berlin keine Illusionen machen: Kann der französische Präsident in der jetzigen Lage vielleicht noch „die Nation hinter sich vereinen“ – Merkel könnte es auf keinen Fall. Sie würde für den Terror verantwortlich gemacht werden, ein Anschlag der Pariser Größenordnung würde sie ihr Amt kosten – und zugleich eine Staatskrise auslösen: Ein Volksaufstand wäre dann wahrscheinlicher als jedes andere Szenario, und angesichts der zusehends bröckelnden Loyalität der Polizei gegenüber dem Regime einer offenkundig verräterischen politischen Klasse könnten dem Staat die Mittel fehlen, ihn niederzuschlagen.

Durch Seehofers Scheinkonflikt mit der Kanzlerin baut diese politische Klasse sich in der Person des CSU-Vorsitzenden eine Auffangposition für den Fall X auf: Alle Schuld an dem Desaster der gesamten etablierten Politik soll Merkel zugeschoben werden, damit ihr Nachfolger dieselbe Politik mit lediglich kosmetischen Korrekturen fortsetzen kann. In diesem Sinne verhält Seehofer sich zu Merkel wie Krenz zu Honecker.

Anders als Krenz hätte er aber womöglich die Chance, durch Täuschung und Betrug so lange durchzuhalten, bis Tatsachen geschaffen sind, aufgrund derer selbst eine Revolution den Untergang Deutschlands nicht mehr verhindern könnte, weil die entscheidende Initiative dann bei nichtdeutschen Akteuren läge.

Obama-Vize blamiert Merkel: USA haben EU zu Sanktionen gegen Russland gezwungen | DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN

[Aus Deutsche Wirtschafts-Nachrichten:]

Die Amerikaner haben erstmals öffentlich eingeräumt, die EU gegen ihren Willen zu Sanktionen gegen Russland gezwungen zu haben. US-Vizepräsident Joe Biden sagte, Obama habe darauf bestanden, dass die EU wirtschaftlichen Schaden in Kauf nehme, um die Russen zu strafen. Die Ausführungen Bidens machen klar, dass Angela Merkel und ihre EU-Kollegen auf Druck der USA ihren eigenen Völkern Schaden zugefügt haben.

Weiterlesen: Obama-Vize blamiert Merkel: USA haben EU zu Sanktionen gegen Russland gezwungen | DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN.

Merkels süßliche Demagogie

merkel integrationsgipfel

Die Reden Angela Merkels sind eine wahre Phrasenfundgrube. Sie sind bar jedes Gedankens und offenkundig ausschließlich darauf ausgerichtet, durch Gebrauch immer derselben stereotypen Wendungen bestimmte Assoziationen in die Köpfe zu hämmern: Vielfalt, Chance, Integration, Vielfalt als Chance, Vielfalt als Chance und Bereicherung, Chancen der Integration, Integrationsland, Partizipation, Vorurteile/ Klischees/ Stereotype/ Diskriminierung abbauen/ überwinden/ bekämpfen, Fachkräftemangel usw. usf.

Diese Rhetorik entspricht exakt und ist nicht einmal origineller als die jener SED-Bonzen, denen die damalige FDJ-Sekretärin Angela Merkel ihre politische Grundausbildung verdankt. Wahrscheinlich ist sie damals zu dem roboterartig phrasendreschenden Sprechautomaten geworden, als der sie sich bis heute in der Öffentlichkeit präsentiert.

Diese Sprache, die so plump und platt daherkommt, dass man Merkels Redenschreiber unwillkürlich für eine Horde von Kretins halten möchte, ist in Wahrheit wohlkalkuliert, und die Phrasen, die so süßlich und tantenhaft klingen, dass man die Rednerin zwar für naiv, aber doch für wohlmeinend halten möchte, offenbaren bei genauerem Hinsehen ihre demagogische Tücke. […]

[Weiterlesen bei PI]

München schaut weg

von Martin Lichtmesz

„Lichterkette e.V.“, der laut Selbstdefinition „hellste Verein Deutschlands“, hat mit seiner letzten Kampagne eine spektakuläre Bauchlandung gemacht. Mit einem sogenannten „social spot“ wollte man an die goldenen Zeiten vor zwanzig Jahren erinnern, als „eine halbe Million Münchener mit Kerzen, Fackeln und Lampions ein Zeichen gegen Fremdenhass setzten“.

O-Ton Lichterkette:

Es geht um eine schlichte, aber wichtige Botschaft, es geht – wie damals bei der Lichterkette – darum, zu reagieren und statt weg-, hinzuschauen: München schaut hin!

Typische, von der Seite verbreitete Parolen sind:

Bei Gewalt nicht wegsehen! Verbündete suchen. Und den Opfern gemeinsam helfen. … Gemeinsam sind wir stärker. Wenn Gewalt droht, solidarisieren Sie sich. Lenken Sie die Täter ab.

Wohin genau man da nun schauen soll, zeigt also das augenscheinlich ziemlich aufwendig produzierte Video unter der Regie von Marcus H. Rosenmüller:

Weiterlesen! Das ist ein Befehl! München schaut weg.

Schäuble fordert: Weg mit dem Grundgesetz!

Wolfgang Schäuble gehört zu den Politikern, denen man zuhören sollte, nicht nur, weil er mächtig, sondern vor allem, weil er aufrichtig ist. Selbst seine Täuschungsmanöver folgen dem Gesetz der Taqiya und dienen erkennbar dazu, nur den zu täuschen, der getäuscht werden will. Er hat uns ganz offen gesagt, dass die Politik darauf hinarbeitet, die Deutschen im eigenen Land in die Minderheit zu drängen (s. meinen Artikel „Doktor Schäubles Staatsneurosen“) – und nicht minder offen bereitet er uns nun auf das bevorstehende Ende des Grundgesetzes und der Demokratie vor.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Alles, was zum Verderben der Völker Europas geplant und verwirklicht wird, geschieht vor den Augen eben dieser Völker. Es wird nicht geheimgehalten. Es wird sogar im Voraus angekündigt und steht in jeder Zeitung. Wer den Nebel der PR-Phrasen beiseitepustet, in die die europäischen Eliten ihre Vorhaben hüllen, erfährt, was gespielt wird. Dazu freilich darf man nicht selbst in der Ideologie der Eliten befangen sein, muss man die Triggerwörter kennen, die durch jahrzehntelange Indoktrination in die Köpfe der meisten Menschen gepflanzt wurden, muss man wissen, dass solche Wörter dazu da sind, das Publikum zu manipulieren und Assoziationsketten auszulösen, die mit dem, was tatsächlich gemeint ist, wenig bis nichts zu tun haben.

Wolfgang Schäuble hat jetzt dem „Spiegel“ (26/2012; hier die Vorankündigung in SPON) eines jener Interviews gegeben, aufgrund derer niemand später wird sagen können, er habe nicht gewusst, was bevorsteht; und doch wissen es die meisten nicht, weil sie zwar lesen, aber nicht verstehen.

Spiegel: Herr Minister, die EU steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte, der Euro droht auseinanderzubrechen, was steht auf dem Spiel?

Schäuble: Unser Wohlstand. Die Welt mit ihrer globalisierten Wirtschaft verändert sich rasend schnell. Wer da mithalten will, kann das nicht allein. Das geht nur gemeinsam mit anderen europäischen Ländern und mit einer europäischen Währung. Sonst würden wir stark zurückfallen, und das wäre mit einem erheblichen Verlust an Wohlstand und sozialer Sicherheit verbunden.

Wer da mithalten will, kann das nicht allein? Länder von der Größe Singapurs, Taiwans und Südkorea können es sehr wohl, ohne an einer Währungsunion teilzunehmen. Großbritannien, Schweden und Dänemark können es, ohne den Euro zu haben. Die Schweiz und Norwegen können es, ohne auch nur Mitglied der Union zu sein. Es mag diskutable Gründe geben, einen großen Währungsraum zu haben, etwa um die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, aber die pauschale Behauptung „Sonst würden wir stark zurückfallen, und das wäre mit einem erheblichen Verlust an Wohlstand und sozialer Sicherheit verbunden“ ist offenkundig Unsinn. (Und was die soziale Sicherheit betrifft, so gibt es keinen zweiten Faktor, der deren Finanzierbarkeit so sehr strapaziert wie die von Schäuble befürwortete Masseneinwanderung.) Schäuble spekuliert auf die Angst. Er greift zu Scheinargumenten und Panikmache. Warum er das tut, werden wir noch sehen.

Spiegel: Würde die EU den Zusammenbruch der Währungsunion überleben?

Schäuble: (…) Aber ein Auseinanderbrechen der EU wäre doch absurd. Die Welt rückt enger zusammen, und in Europa würde jedes Land wieder seine eigenen Wege gehen? Das kann, darf und wird nicht sein.

Die Welt rückt zusammen? Das ist richtig im Hinblick auf internationale Arbeitsteilung, auf globale Kommunikation, auf schnelle Verkehrsverbindungen. Dass Staaten deswegen ihre Souveränität freiwillig aufgeben, gibt es aber nirgends auf der Welt, nur in Europa. Es ist Europa, das einen Sonderweg geht, nicht der Rest der Welt, in dem nach wie vor jedes Land „seine eigenen Wege geht“. „Die Welt rückt zusammen“ ist eine jener Triggerphrasen, die den kritischen Verstand des Lesers umgehen sollen.

Interessant ist auch, in welche Worte Schäuble seine Befürchtungen kleidet: Die „eigenen Wege“ müssten ja nicht zwangsläufig getrennte Wege sein (es gäbe nur keine Handhabe, die Gemeinsamkeit des Weges zu erzwingen) und Schäuble behauptet auch nichts dergleichen; die bloße Tatsache, dass es eben eigene Wege wären: „Das kann, darf und wird nicht sein.“

Spiegel: War es ein Fehler, den Euro einzuführen?

Schäuble: Nein, die Währungsunion war die logische Folge der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration Europas.

Logische Folge? Ich muss wohl eine ganz falsche Vorstellung von Logik haben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Je stärker die internationalen Abhängigkeiten werden, und je mehr dadurch für jedes Land die Gefahr wächst, in den Strudel von Krisen gerissen zu werden, die es weder verursacht hat noch aus eigener Kraft bewältigen kann, desto wichtiger ist es, wenigstens die Steuerungsinstrumente in der Hand zu behalten, die ihm ermöglichen, die Krisen aus eigener Kraft wenigstens zu lindern, und dazu gehört allemal die Währungspolitik. Wenn es ein Land in der Anwendung dieses Instruments übertreibt, etwa mit der Inflationierung seiner Währung, dann bleiben die daraus resultierenden Probleme zumindest auf dieses Land beschränkt, statt, wie jetzt, europäische Krisen auszulösen. Die abenteuerliche Geld- und Fiskalpolitik der Griechen war einzig deren Problem, solange es die Drachme gab. Erst mit dem Euro wurde sie zu unser aller Problem.

Spiegel: Trotz allem war der Euro eine Missgeburt. Weil die notwendige politische Union fehlte.

Schäuble: (…) … klar, wir wollten schon damals gern eine politische Union, aber das war nicht möglich. Deutschland wäre bereit gewesen, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, denn wir haben ja nach dem Zweiten Weltkrieg nur durch Europa eine neue Chance bekommen.

Das sind so die Bemerkungen, an denen man ablesen kann, dass wir von kranken Hirnen regiert werden, in denen Neurosen sich mit ideologischer Verblendung zu Deformationen vereinen, die den Betreffenden von vornherein disqualifizieren, irgend etwas zu leiten, geschweige denn einen Staat. Zur Erinnerung: Deutschland war sogar in dem Zustand, in dem es 1945 war, noch die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und hat den Wiederaufstieg nach dem verlorenen Krieg aus eigener Kraft geschafft; der Marshallplan war, entgegen einer verbreiteten Legende, für ein Land dieser Größe kaum mehr als ein Trinkgeld, das obendrein nicht aus Europa, sondern aus Amerika kam. Wenn Schäuble von einer „Chance“ spricht, die wir nur durch „Europa“ (wer immer das sein mag) bekommen hätten, so kann er damit nur die Chance meinen, die darin bestand, dass man das deutsche Volk 1945 nicht komplett ausgelöscht hat. Für diese Chance nun haben wir so dankbar zu sein, dass wir diesem „Europa“ noch nach einem halben Jahrhundert unsere Souveränität in den Rachen zu werfen haben. Aber weiter in Schäubles Text:

Doch andere Länder haben sich schwergetan, etwa aufgrund besonderer Traditionen…

… die in Wahrheit allgemeine Traditionen sind …

… oder weil sie gerade erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihre nationale Souveränität zurückerlangt hatten. Wir standen also vor der Frage: Führen wir den Euro ein, ohne dass wir die politische Union haben, und gehen davon aus, dass der Euro dazu führt, dass wir uns einander annähern …

… was in diesem Kontext ja nur bedeuten kann, dass die durch den Euro verursachten Probleme die politische Union erzwingen werden …

… oder lassen wir es ganz bleiben.

Spiegel: Und in dieser Situation sind Sie lieber volles Risiko gegangen.

Schäuble: (…) Deshalb wollten wir erst den Euro einführen und dann rasch die notwendigen Entscheidungen zur politische Union treffen.

(…)

Spiegel: Klingt fast so, als hätten Sie die Krise herbeigesehnt, um endlich die Geburtsfehler des Euro auszumerzen.

Schäuble: So schlimm ist es nun auch wieder nicht. (…) Aber je mehr die Menschen sehen, was auf dem Spiel steht, desto mehr sind sie bereit, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Spiegel: Was sind denn die Konsequenzen, die Europa nun ziehen muss?

Schäuble: Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger.

Jean Claude Juncker
Jean-Claude Juncker: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

Was Schäuble uns hier sagt, ist nicht mehr und nicht weniger, als dass die politische Klasse Europas sich von Anfang an darüber im Klaren war, dass der Euro nicht funktionieren konnte, aber Krisen und Probleme herbeiführen würde, die dann als Vehikel dienen würden, eine politische Union herbeizuführen, die weder „die Menschen“ noch eine Reihe von Staaten, insbesondere die Osteuropäer, gewollt haben. Die Behauptung, der Euro werde so stark sein wie die D-Mark, war mithin eine zynische Lüge, und die dafür verantwortlichen Politiker haben einen ganzen Kontinent hinters Licht geführt.

Diese selben Politiker, die heute zugeben, dass sie gelogen haben, und sich dessen sogar rühmen, erwarten nun, dass die von ihnen betrogenen Opfer sich ihnen noch einmal anvertrauen, weil sie „sehen, was auf dem Spiel steht“ (nämlich „Wohlstand und soziale Sicherheit“). Die Schamlosigkeit dieser Leute wird fürwahr nur von ihrem Größenwahn übertroffen.

(…)

Spiegel: Die Forderung nach mehr Europa ist fast so ein Klassiker wie der „Faust“.

Schäuble: Mag sein, aber deshalb ist sie ja noch nicht falsch. Europa ist leider kompliziert, und seine Strukturen sorgen bei Bürgern und Finanzmärkten nur in unvollkommenem Maße für Vertrauen.

Was der Euphemismus des Jahres sein dürfte. Ganz nebenbei fragt man sich, wer für Schäuble eigentlich wichtiger ist: die Bürger oder die Finanzmärkte?

Spiegel: Wie wollen Sie dieses Defizit beheben?

Schäuble: (…) Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann.

Spiegel: Sie wollen nichts weniger [sic!] als die Vereinigten Staaten von Europa.

Schäuble: (…) Nein, das Europa der Zukunft wird kein föderaler Staat nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik sein. Es wird eine eigene Struktur haben…

Diesen Satz merken wir uns, er wird unten noch eine wichtige Rolle spielen.

… Das ist ein hochspannender Versuch.

Angela Merkel: "Das heißt, eine der spannendsten Fragen, Mauern zu überwinden, wird sein: Sind Nationalstaaten bereit und fähig dazu, Kompetenzen an multilaterale Organisationen abzugeben, koste es, was es wolle."

Ein Menschenversuch mit 500 Millionen ungefragten menschlichen Versuchskaninchen. Schäuble weiß nicht, ob das, was dabei herauskommen wird, gut oder schlecht sein wird, er will nur – und das hat oberste Priorität – weg vom Nationalstaat. In den Worten seiner Chefin: „koste es, was es wolle“.

Spiegel: (…) … wollen Sie so viel Macht nach Europa verlagern wie möglich?

Schäuble: Nein, … aber es gibt Dinge, die in einer Währungsunion besser auf europäischer Ebene aufgehoben sind.

Spiegel: Was zum Beispiel?

Schäuble: Es geht vor allem darum, dass wir eine Fiskalunion schaffen, in der die Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abtreten. Zudem (…) brauchen [wir] eine europäische Aufsicht … über die größten Geldhäuser.

Im Anschluss geht es um die Eurobonds. Nachdem Schäuble klargestellt hat, dass Eurobonds ohne Fiskalunion für ihn nicht in Frage kommen, hakt der Spiegel nach:

Spiegel: Wie müsste eine Fiskalunion aussehen, damit Deutschland Euro-Bonds akzeptieren könnte?

Schäuble: Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. (…)

Und wieder greift ein Rädchen ins andere: Die bewusste Fehlentscheidung, den Euro einzuführen, dient nicht nur als Hebel zur Einführung der politischen Union, sondern sogar einer Union, die im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten mehr Rechte hat als in Deutschland der Bund gegenüber den Ländern. Der Bundesfinanzminister hat jedenfalls kein Vetorecht gegenüber den Haushaltsentwürfen seiner Kollegen in den Bundesländern; allenfalls haben diese selbst solche Kompetenzen gegenüber den Gemeinden. Was Schäuble uns hier sagt, bedeutet mit anderen Worten nichts anderes, als dass er die Staaten Europas in bloße Gebietskörperschaften verwandeln will. Das muss er wohl gemeint haben, als er sagte, „das Europa der Zukunft“ werde „kein föderaler Staat nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik sein“.

(…)

Spiegel: Gibt es außer der Finanzpolitik noch andere Bereiche, die auf die europäische Ebene übertragen werden sollen?

Schäuble: In Zeiten der Globalisierung gehört die Wirtschaftspolitik geradezu zwingend dazu…

Wieder das billige Mätzchen, das uns schon mehrfach begegnet ist: aus der „zusammenrückenden Welt“, der „wirtschaftlichen Integration Europas“, der „globalisierten Wirtschaft“ und nun also schlicht der „Globalisierung“ die Forderung nach Vereinheitlichung von allem Möglichen abzuleiten – als ob das Heil in der Strukturlosigkeit läge und eine globalisierte Welt nicht erst recht differenzierte Strukturen bräuchte, die ihre Komplexität überhaupt erst beherrschbar machen.

… Außerdem existieren noch viele nationale Kompetenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Europa sollte in der Welt besser und klarer mit einer Stimme auftreten.

Wieder die apodiktische Pauschalbehauptung als Mittel, dem Beweiszwang zu entgehen: Es mag ja sein, dass Europa hier und da besser „mit einer Stimme auftreten“ würde – was es übrigens in etlichen Bereichen, etwa der Außenwirtschaftspolitik, längst tut. Schäuble geht es aber gar nicht darum, aufzuzeigen, wo vielleicht Verbesserungen erzielt werden könnten, sondern das Thema mit Totschlagbehauptungen zu erledigen, bevor irgendeiner kritisch nachfragt.

Spiegel: Sie schlagen die Übertragung vieler nationaler Kompetenzen vor. Wo bleibt die demokratische Legitimation?

Schäuble antwortet darauf mit einem Katalog von Forderungen, die ziemlich demokratisch klingen (wenn man von dem Schönheitsfehler absieht, dass Demokratie einen Demos voraussetzt und es einen europäischen Demos nicht gibt), etwa der nach Aufwertung des Europäischen Parlaments mit voller gesetzgeberischer Kompetenz einschließlich des Rechts zur Gesetzesinitiative, einer Senatslösung nach amerikanischem Vorbild für die Repräsentation der Mitgliedsstaaten, der Direktwahl des Kommissionspräsidenten, wobei die Kommission im Gegenzug eine echte Regierung darstellen soll usw., alles Forderungen, deren Verwirklichung die EU in just jenen Bundesstaat „nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik“ verwandeln würden (abgesehen von den extremen Befugnissen des Finanzministers), von der Schäuble selbst gesagt hat, dass es ihn nicht geben wird.

Selbstverständlich wird es ihn nicht geben, und Schäuble weiß besser als irgendjemand sonst, dass Deutschland mit Forderungen dieser Art bei seinen Partnern immer wieder auf Granit gebissen hat, und dass das Ergebnis auch heute kein anderes wäre. Warum also stellt er überhaupt diese Forderungen?

Schäuble weiß, dass die Mehrheit der Deutschen einer politischen Union – wenn überhaupt – dann nur unter diesen Bedingungen zustimmen würde, und deshalb spiegelt er dem Publikum vor, dass diese Bedingungen im „neuen Europa“ erfüllt sein würden. Es ist dieselbe Taktik, die die deutschen Politiker schon einmal angewendet haben – als es nämlich um die Einführung des Euro ging, der „so hart wie die D-Mark“ sein sollte. Man hat damals eine ganze Reihe von Bedinungen in den Maastricht-Vertrag eingebaut, von denen man damals schon wissen konnte und musste, dass sie sich bei der ersten Krise in Luft auflösen würden, die man aber brauchte, um den Deutschen die D-Mark ab- und den Euro aufzuschwatzen.

Wozu braucht Schäuble aber die Zustimmung der Deutschen? Wozu dieses Blendwerk, wozu diese Schmierenkomödie vom demokratischen Europa, von dem er weiß, dass es nie kommen wird?

Weil es einen Punkt gibt, bei dem die Regierung auf die Zustimmung des deutschen Volkes angewiesen sein wird:

Spiegel: In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht bdem weiteren Verzicht auf Souveränität enge Grenzen gesetzt. Wie viel europäische Integration ist mit dem Grundgesetz noch möglich?

Und jetzt kommt’s:

Schäuble: Wenn … man … zu dem Schluss kommt, dass die Grenzen des Grundgesetzes erreicht sind, dann sagt das Verfassungsgericht zu Recht: Man kann gern mehr Rechte nach Brüssel übertragen, aber darüber muss das deutsche Volk entscheiden.

Spiegel: Das heißt, es gibt bald eine Volksabstimmung in Deutschland?

Schäuble: … ich gehe davon aus dass es schneller kommen könnte, als ich es noch vor wenigen Monaten gedacht hätte. (…)

Spiegel: Sie glauben, dass die Deutschen spätestens in fünf Jahren über eine neue Verfassung abstimmen werden?

Schäuble: Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Wollen Sie wissen, warum?

Spiegel: Bitte.

Schäuble: (…) Im Frühjahr 1989 war ich gerade neuer Innenminister in Bonn. Da hat sich der neue US-Botschafter bei mir vorgestellt ind prophezeit, die Mauer werde in den nächsten drei Jahren fallen. Ich habe geantwortet: „Vor ein paar Monaten hätte ich das noch bezweifelt, jetzt würde ich sagen, mit viel Glück passiert es in den nächsten zehn Jahren.“ Und wie lange hat es dann wirklich gedauert? Kein halbes Jahr.

(Hochinteressante Information, dass die amerikanische Regierung schon im Frühjahr 1989 wusste, dass der Fall der Mauer kurz bevorstand, aber das ist hier nicht das Thema.)

Was Schäuble, der zweifellos mit Rückendeckung der Kanzlerin handelt und mit seiner „Vorhersage“ eine wachsende Anzahl von Politikern auch anderer Parteien aus der Deckung gezogen hat, hier kaum verklausuliert ankündigt, ist, dass die Regierung den Artikel 146 ziehen wird! 

Dieser besagt, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage verliert, an dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung eine neue Verfassung verabschiedet. (Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes selbst konnte von „freier Selbstbestimmung“ bekanntlich nicht die Rede sein.)

Artikel 146 ist sozusagen der Joker des Grundgesetzes, mit dessen Anwendung dessen „Ewigkeitsgarantien“ automatisch gegenstandslos werden. Eine Verfassung, die gemäß Artikel 146 verabschiedet wird, muss daher nicht die Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes (Republik, Rechtsstaat, Bundesstaat, Sozialsstaat, vor allem aber: Demokratie!) beachten und ist nicht einmal an das Prinzip der Menschenwürde gebunden.

Die Regierung ist sich also vollkommen darüber im Klaren, dass ihre Pläne mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, und es dürfte kein Zufall sein, dass Schäuble dieses Interview gerade jetzt gibt: kurz nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Appell an den Bundespräsidenten, den ESM-Vertrag vorerst nicht zu unterschreiben, signalisiert hat, dass es die Regierungsstrategie, die Grenzen der Verfassung gezielt immer weiter auszudehnen, nicht mehr länger hinzunehmen gedenkt. Ob dieser Ankündigung Taten folgen, wird man abwarten müssen, aber die Regierung rechnet offenbar damit.

Statt aus diesem spektakulären Vorgang die naheliegende Konsequenz zu ziehen, auf den Boden des Grundgesetzes zurückzukehren, tut die Regierung das Gegenteil: Sie versucht, den Boden aufzulösen und sich einen neuen zu schaffen. Nicht die aberwitzigen Pläne werden revidiert, sondern die Verfassung beseitigt und durch eine neue ersetzt; eine, deren Inhalt wir uns alle lebhaft vorstellen können.

Vermutlich wird die Regierung bereits den ESM-Vertrag auf diese Weise durchpeitschen wollen, sollte er am Bundesverfassungsgericht scheitern.

Populär ist dies nicht. Um mit einer solchen Strategie Erfolg zu haben, braucht die Regierung nicht nur den Konsens der Opposition (den hat sie) und einer gleichgeschalteten Presse (auch den hat sie). Sie braucht vor allem einen noch einmal verstärkten „Kampf gegen Rechts“, damit wirklich überhaupt kein Kritiker mehr öffentlich zu Wort kommt, sie braucht eine verängstigte Bevölkerung (daher Schäubles Strategie der Panikmache), und sie braucht eine extreme Krisensituation, damit das eingeschüchterte Volk sich hinter ihr und ihrem Kurs schart.

Sie wird Mittel und Wege finden, eine solche Situation herbeizuführen.

Aus meinem politischen Wörterbuch: „Staatsraison“

Bundespräsident Joachim Gauck hat es auf seiner Israel-Reise explizit abgelehnt, sich die Formulierung von Angela Merkel zu eigen zu machen, die Sicherheit Israels sei Teil der „deutschen Staatsraison“. Wie nicht anders zu erwarten, hat er dafür heftige Kritik geerntet.

So sehr Gaucks Präsidentschaft eine Enttäuschung ist: Wo er recht hat, hat er recht. Die Formulierung „deutsche Staatsraison“ im Zusammenhang mit der Sicherheit Israels zu verwenden, gehört zum typischen Repertoire substanzloser Phrasen einer politischen Klasse, die nationale Interessen nicht einmal zu denken wagt, geschweige denn zu formulieren versteht, und deren Vertreter daher in einem Sumpf aus ideologischen Fiktionen und unverarbeiteten Gefühlen herumwaten.

Auf die „Staatsraison“ kann man sich nur dann und nur insofern berufen, als man Interessen verfolgt, deren Nichtbeachtung die Existenz und Souveränität des eigenen Staates gefährdet. Nun haben wir gewiss ein Interesse an der Sicherheit Israels und eine Reihe von guten Gründen, Israel zu unterstützen. Ich will sie hier nicht noch einmal aufzählen – im Grunde ist es doch eine Selbstverständlichkeit, sich mit einem von einem aggressiven Islam bedrohten Israel ebenso zu solidarisieren, wie man sich mit – sagen wir – Finnland solidarisieren würde, wenn Russland Anstalten machte, es sich wieder einzuverleiben.

Die Existenz und Souveränität der europäischen Staaten – und nur darum geht es, wo von Staatsraison die Rede ist – würde freilich von einem Ende Finnlands so wenig tangiert wie von einem Ende Israels. Ganz nüchtern gesprochen, könnte Europa mit einem islamischen Israel zur Not leben, nicht aber Israel mit einem islamischen Europa, dessen Existenz die arabische Einkreisungspolitik gegenüber dem jüdischen Staat vollenden würde. So gesehen gibt es daher durchaus eine israelische Staatsraison, die Islamisierung Europas zu bekämpfen, in umgekehrter Richtung jedoch nur – aber immerhin! – ein starkes Eigeninteresse, das aber nichts mit der Staatsraison zu tun hat.

Allenfalls könnte man argumentieren, dass eine Flüchtlingswelle aus Israel, die zwangsläufig die Folge eines staatlichen Zusammenbruchs wäre, das ohnehin schon gestörte ethnische Gefüge Europas vollends aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Ende der europäischen Nationalstaaten beschleunigen würde; wer dies befürchtet – ja, der kann sich auf die Staatsraison berufen. Zugespitzt formuliert: Die NPD kann die Sicherheit Israels zum Teil der deutschen Staatsraison erklären, ohne die Konsistenz ihrer Ideologie preiszugeben; die Kanzlerin kann es nicht. Aus deren Mund ist das Gerede von der Staatsraison bloß rhetorischer Overkill.

Diese Feststellung hat nichts mit Sympathien oder Moral zu tun: Es ist einfach so. Fatal ist aber, wenn die Bejahung unsinniger Floskeln wie der von der „Staatsraison“ zu einer Frage der Moral erklärt wird. Es handelt sich um eine exemplarische Illustration des BRD-„Diskurses“, der „moralisches“ Engagement auf Kosten des besseren Arguments prämiert und dabei das Gegenteil von dem propagiert, was er angeblich propagieren will. Wer seine Sympathie für Israel ausgerechnet mit dem Holocaust, letztlich mit der Kollektivschuldthese begründet, erweckt den Eindruck, er würde ganz anders reden, wenn er kein Deutscher wäre, und untergräbt auf subtile und perfide Art Israels Position.

Wohlfeile Phrasendrescherei ist dort, wo das Schicksal ganzer Völker auf dem Spiel steht, nicht nur eine Fehlleistung, sondern beinahe schon ein Verbrechen. Insofern muss man dem Bundespräsidenten für seine nüchterne Klarheit in dieser Frage geradezu dankbar sein.

Christian Lübke und Joachim Heinemann

Ein bisschen muss man bedauern, dass Christian Wulff so früh von uns gegangen ist – ich meine natürlich: als Präsident. In gewisser Hinsicht war Wulff der ideale Repräsentant der BRD, die durch ihn auf eine für sie peinliche, für den Bürger aber erhellende Weise zur Kenntlichkeit entstellt wurde.

Niemand verkörperte so wie Wulff die politische Klasse und die sie kennzeichnende geistige Mediokrität, die Jagd nach lächerlichsten pesönlichen Vorteilen, während das Land vor die Hunde geht, das karrieregeile Schnappen nach Posten, zu denen man nicht berufen, ja für die man nicht einmal halbwegs geeignet ist.

Die Verantwortungslosigkeit, mit der dreistellige Milliardensummen nach Griechenland oder sonstwohin transferiert werden, die Ahnungslosigkeit, mit der man Deutschland in eine Mischung aus Libanon und Kongo verwandelt und dies noch für einen Akt von Moral und Intelligenz hält, weil man weder einen moralischen noch einen intellektuellen Kompass hat, das hündische Schwanzwedeln, mit dem man sich vom Ausland und von Ausländern dafür loben lässt, dass man das deutsche Volk ruiniert – als ob solches Lob nicht die vernichtendste Kritik wäre, die überhaupt denkbar ist -, die Selbstgefälligkeit, mit der man sich schon durch seine vermeintlich guten Absichten exkulpiert glaubt, die in Wahrheit gar keine sind, weil es sich um Absichten und Pläne handelt, für die die Verantwortlichen in jedem bekannten Staatswesen der Geschichte ohne Weiteres als Verräter aufgehängt worden wären – das alles ist von Wulff so unnachahmlich personifiziert worden, dass man ihn geradezu hätte erfinden müssen, wenn Angela Merkel uns diese Mühe nicht abgenommen hätte.

Selbst sein Gesichtsausdruck war in seiner niederschmetternden Harmlosigkeit noch repräsentativ für eine politische Klasse, deren einzelne Mitglieder gerade in ihren Lastern und Schwächen so alltäglich wie möglich sind: ein Pöstchenschieben hier, eine kleine Gaunerei dort, und stets die eigene Karriere fest im Blick. Die Harmlosigkeit jedes Einzelnen entspricht der Harmlosigkeit von Kindern, die ihren nassen Hund in bester Absicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken. Die kollektive diabolische Bösartigkeit dieser Klasse wäre gar nicht möglich, wenn alle Beteiligten sich darüber im Klaren wären, was sie anrichten – so viele Großschurken auf einem Haufen kann es ja gar nicht geben.  Die Banalität des Bösen hat in der Visage von Christian Wulff ihr Gesicht gefunden.

Joachim Gauck ist der Anti-Wulff, allein schon deshalb, weil seine persönliche Integrität und Charakterstärke über jeden Zweifel erhaben sind. Was immer man sonst von ihm halten mag: Ein Konformist, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängt, ist er jedenfalls nicht. Es spricht Bände, dass die politische Klasse nicht in der Lage war, eine solche Persönlichkeit aus ihren eigenen Reihen zu rekrutieren. Sie geht ein gewisses Risiko ein, indem sie nun auf einen Außenseiter zurückgreift: Gewiss, ein solcher Mann im höchsten Staatsamt kann dem Regime einen Glanz verleihen, den es nicht verdient. Je nachdem, wie er sein Amt ausfüllt, kann er aber auch als Kontrast wirken, der die Schwächen der Machthaber noch greller und peinlicher ins Licht hebt, als Wulff, der sie personifizierte, es gekonnt hätte.

Christian Wulff war auf dem besten Wege, für die rechtsoppositionelle Szene ungefähr das zu werden, was Heinrich Lübke für die Achtundsechziger war: der Mann, an dessen Person die herrschende Politik zum Gespött und zum Gegenstand der Verachtung wurde. Ohne dass ich Vorschusslorbeeren verteilen möchte: Wenn Wulff unser Lübke war, dann könnte es sein, dass Gauck unser Heinemann wird.

Selbstverständlich ist Joachim Gauck kein „Rechter“, so wenig, wie der tiefbürgerliche Protestant Heinemann ein „Linker“ war. Richtet man aber den Blick auf seine Gegner und auf die Gründe für ihre Gegnerschaft, dann muss man seiner Präsidentschaft, wenn schon nicht mit Erwartungen, so doch zumindest mit Wohlwollen entgegensehen. Aus der Netzausgabe der JF:

Muslime und Linke kritisieren Nominierung Gaucks

BERLIN. Muslimische Verbände in Deutschland haben mit Zurückhaltung auf die Nominierung Joachim Gaucks für das Amt des Bundespräsidenten reagiert. Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte dem Tagesspiegel, er hoffe, (…) daß Gauck als Bundespräsident seine Position zu Thilo Sarrazin verändere. (…) Gauck hatte Sarrazin Ende 2010 für dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“ gelobt und dem früheren Bundesbankvorstand Mut attestiert. Sarrazin habe über ein bestehendes gesellschaftliches Problem offener gesprochen als die Politik.(…) Kritik kam auch von der Linkspartei: Parteichefin Gesine Lötzsch nannte Gauck einen „Kandidat der kalten Herzen“.

Die Haltung zu Sarrazin ist so etwas wie der Lackmustest für die Haltung zu Deutschland und zur Meinungsfreiheit geworden. Die politische Klasse hatte bekanntlich für die These, dass Deutschland sich abschafft, nicht mehr übrig als erstens ein „Na und?“ und zweitens eine Lawine von Verleumdungen gegenüber Sarrazin und jedem, der ihm zustimmte. Sie dokumentierte damit ihren festen Willen, erstens Deutschland abzuschaffen und zweitens Kritiker dieser Abschaffung mundtot zu machen.

Es wird abzuwarten sein, ob Gauck seine Standhaftigkeit ins Schloss Bellevue mitnimmt. Wenn ja, könnte es sein, dass der Kalte Bürgerkrieg, den die politische Klasse gegen die politische Rechte als die Interessenvertretung des eigenen Volkes, der eigenen Kultur und nicht zuletzt des freien Wortes führt, von höchster Stelle leise, aber wirkungsvoll sabotiert wird. Es ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als eine Hoffnung: Es könnte sein, dass einer Claudia Roth das glückliche Lachen, mit dem sie Gaucks Nominierung quittiert hat, noch im Gesicht gefrieren wird.

Eine Art Rückendeckung

Christian Wulff – genannt auch “der Eiserne Hintern” – hat von der Bundeskanzlerin eine Art Rückendeckung bekommen.

Ich wiederhole gerne noch einmal, dass ich die Arbeit des Bundespräsidenten …

… nicht seine Person und auch nicht sein Krisenmanagement …

… schätze.

Das schwächste aller denkbaren Lobworte.

Ich glaube, …

… glaube! …

… er hat in den vergangenen Tagen und Wochen gezeigt, dass er auf viele …

… nicht alle …

… Fragen eine Antwort gegeben hat.

Eine Antwort. Zu einem Adjektiv – “überzeugende”, “umfassende”, “befriedigende” Antwort – kann sie sich nicht durchringen.

Sollte es neue Fragen geben, …

… womit sie offenbar fest rechnet …

… bin ich davon überzeugt, dass er sie genauso beantworten wird.

Also genausowenig überzeugend, umfassend und befriedigend.

Deshalb hat meine Wertschätzung Bestand.

Bis auf weiteres.

Angela Merkel hat sich hinter Wulff gestellt. Anders gesagt: Sie hat sich so positioniert, dass sie ihm jederzeit den Dolch in der Rücken stoßen kann.

Wie man einen Kanzler macht

Vor einiger Zeit schrieb ich, dass der nächste Bundeskanzler Peer Steinbrück heißen wird:

Wenn es noch einer sozusagen offiziellen Bestätigung bedurft hätte, wer “unser” nächster Kanzler sein wird, so haben ihn jetzt die Bilderberger geliefert, also jene Gruppe, die frappierenderweise immer schon einige Zeit im Voraus weiß, wer der nächste deutsche Kanzler oder amerikanische Präsident sein wird; die also zum Beispiel 1991 erstmals Bill Clinton einlud, der 1992 Präsident wurde, im Juni 2008 Barack Obama (gewählt im November 2008), im Mai 2005 Angela Merkel, die im November Kanzlerin wurde, 1980 Helmut Kohl (Kanzler ab 1982), 1973 Helmut Schmidt (Kanzler ab 1974) usw.

An dem diesjährigen Treffen nehmen fünf Deutsche teil, darunter nur ein einzigerPolitiker: Peer Steinbrück.

(…) Wenn ein Politiker erst einmal die nötigen Umfragewerte hat, und die wird ihm eine freundliche Presse schon besorgen … , dann wird die Partei ganz von alleine befinden, an ihm führe kein Weg vorbei.

Genau dies geschieht jetzt:

 

Klassenkeile

Nun gerät Angela Merkel unter Beschuss. Nachdem schon praktisch die gesamte Medienmeute sich auf sie gestürzt und ihre Außenpolitik zerfetzt hat, fassen ihre Vorgänger Kohl und Schmidt nach. Die Regierung Merkel sei international nicht vertrauenswürdig und nicht berechenbar, da sie bei der Euro-Rettung zu zögerlich agiert und den Eindruck erweckt habe, Griechenland nicht helfen zu wollen. Auch die Enthaltung im Weltsicherheitsrat habe das Vertrauen der Verbündeten belastet und so weiter.

Merken die Kritiker eigentlich nicht, was sie über sich selber verraten, wenn sie den Beifall des Auslands – und nur ihn – zum Maßstab für deutsche Politik machen? Nein, sie merken es nicht. Sie können nicht nur selbst nicht anders denken, sie können sich nicht einmal vorstellen, dass ein Anderer anders denken könnte.

Halten wir zunächst fest, dass es bei den diversen Griechenlandhilfen und Euro-Rettungsschirmen wie auch beim Militäreinsatz gegen Libyen um völkerrechtswidirge Akte handelt. Das eine verstößt gegen die No-Bail-Out-Klausel der einschlägigen europäischen Verträge, das andere gegen die Charta der Vereinten Nationen.

Um es noch einmal zu sagen: Der Weltsicherheitsrat hat keineswegs eine Generalvollmacht zu intervenieren, wo er will. Er kann im Falle eines (drohenden) Krieges militärisch Partei gegen den (potenziellen) Angreifer ergreifen; ansonsten kann nur militärisch eingreifen, wenn es einen Völkermord abzuwenden oder zu beenden gilt. Keiner dieser beiden Fälle war gegeben, der Beschluss des Weltsicherheitsrates, militärisch in Libyen intervenieren zu lassen, war ein usurpatorischer Akt der Selbstermächtigung, ein Putsch gegen das Völkerrecht, und wahrlich nicht der erste dieser Art. Es geht um die Schaffung von Präzedenzfällen bei der Beseitigung der staatlicher Souveränität; es geht darum, allen Machthabern, und keineswegs nur den Diktatoren unter ihnen, zu demonstrieren, dass ihre Macht unter dem Vorbehalt des Wohlverhaltens steht und über ihnen allen ein Damoklesschwert schwebt. (Siehe dazu auch meine Artikel „Deutschlands ‚Isolation'“ und „Darf der Internationale Strafgerichtshof Gaddafi verhaften?“)

Wir täten Angela Merkel zu viel der Ehre an, wollten wir unterstellen, dies seien die Beweggründe für ihre bisweilen zögerliche Haltung in der Euro- wie der Libyenkrise gewesen. Sie ist ja in Wirklichkeit gar nicht dagegen, sie ziert sich nur. Sie muss sich auch zieren, weil sie genau weiß, dass die Deutschen weder als Soldaten noch als Steuerzahler bereit sind, für eine Politik zu bluten, die sie nicht wollen und nicht abgesegnet haben, und von der sie genau wissen, dass die deutsche Regierung zu ihr nicht nur nicht verpflichtet, sondern nicht einmal berechtigt ist. Angela Merkel musste, wenn auch nur taktisch und verbal, Rücksicht auf den Willen des deutschen Volkes nehmen. Dass sie dies – und sei es nur ausnahmsweise und gezwungenermaßen – tat, statt sich wie üblich als beflissene Befehlsempfängerin der international herrschenden Klasse zu profilieren, dies, und dies allein, wird ihr jetzt vorgeworfen.

Die Einmütigkeit, mit der Politik und Medien über sie herfallen, beweist klarer als jede theoretische Analyse, dass es in der westlichen Welt weder Medienpluralismus noch Demokratie gibt. Beides wird bestenfalls inszeniert, und dies kaum überzeugender als in der untergegangenen DDR.

Es gibt auch keine Politiker von einigem Gewicht, die dem nationalen Interesse ihres Landes oder auch nur dem Völkerrecht verpflichtet wären. Wir werden von einer selbstherrlich die Spielregeln diktierenden internationalen Klasse von Putschisten regiert, die die Konformität in den eigenen Reihen zu erzwingen und Jeden zu entmachten versteht, der aus der Reihe tanzt.

Warum?

Den Alptraum der letzten gut 24 Stunden, seit in der Innenstadt von Oslo eine Bombe explodierte, wird wohl niemand von uns je wieder vergessen. Dass der darauf folgende Amoklauf sich ausgerechnet gegen Jugendliche richtete, ist mit keinem wie auch immer gearteten politischen Kalkül auch nur zu erklären, geschweige denn zu rechtfertigen. Ich habe selbst Kinder. Es gibt für keinen Menschen etwas Furchtbareres, als sein Kind zu verlieren. Ich trauere mit den Angehörigen, und ich bete für sie.

Diese Angehörigen – Eltern, Geschwister, Freunde – und überhaupt die Öffentlichkeit, sofern sie es nicht vorzieht, sich einfach in ihren Lieblingsfeindbildern bestätigt zu sehen, hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wie es dazu kommen konnte. Und ich glaube, dass die Counterjihad-Szene dazu mehr und Wichtigeres sagen kann als die etablierte Presse, die in dem grauenvollen Geschehen dieses 22.Juli 2011 nicht mehr sehen kann und wird als eine Steilvorlage für ihre eigene politische Agenda, und die ein Interesse daran hat, ihren eigenen Anteil an den Prozessen totzuschweigen, die ganz normale, von Haus aus friedliche Menschen in den Radikalismus treiben. Wir können mehr dazu sagen, weil der Attentäter – allem Anschein nach – in seinen politischen Ansichten der Counterjihad-Szene nahegestanden hat.

Es ist daher nicht zynisch, und es ist erst recht keine Rechtfertigung der Bluttaten von Oslo, die politischen und sozialen Zusammenhänge zu beleuchten, die zu dieser Katastrophe geführt haben. Es ist vielmehr notwendig, um die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten, die uns Alle umtreibt.

Wir Alle sind auf die Informationshäppchen der Medien angewiesen, und ich muss meine Leser auffordern, diese Häppchen misstrauisch und skeptisch zu hinterfragen. (Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es sich um eine aus politischen Gründen inszenierte „False-Flag“-Aktion handelte. Sollte dem Verdächtigen etwas zustoßen und das Geschehen deshalb nicht mehr in einem offenen Gerichtsverfahren aufgearbeitet werden, wäre dies ein starker Hinweis, dass es sich tatsächlich so verhält.) Dies vorausgeschickt und daher in aller Vorsicht, ergibt sich, wenn wir annehmen, dass die offizielle Darstellung zutrifft, folgendes Bild:

Der Attentäter war ein Einzeltäter. (Sollten die noch unbestätigten Meldungen zutreffen, wonach ein zweiter Mann beteiligt gewesen sein soll, so dürfte es sich um die Art von „folie à deux“ handeln, die wir zum Beipiel vom Amoklauf von Columbine 1999 kennen.) Er war ein Einzeltäter in demselben Sinne, wie der aus dem linksradikalen Milieu stammende Marinus van der Lubbe, der 1933 den Reichstag anzündete, ein Einzeltäter war. Die Nationalsozialisten haben bekanntlich, letztlich vergeblich, versucht, die Tat der Kommunistischen Partei in die Schuhe zu schieben, die daran nicht beteiligt gewesen war. (Es ist jetzt schon absehbar, dass die deutschen Medien, dem Schema von 1933 folgend, die Anschläge von Oslo nutzen werden, um die islamkritische Szene zu verteufeln.) Der Reichstagsbrandstifter stammte aus dem ultralinken Milieu und seine Ideen waren tatsächlich ein Amalgam aus anarchistischen und kommunistischen Versatzstücken; zugleich aber war er ein ausgetickter Einzelgänger, der glaubte, in einer aussichtslosen Lage, in der die Nationalsozialisten bereits an der Macht waren, das Schicksal mit einer Verzweiflungtat wenden zu müssen.

Verglichen mit van der Lubbe freilich, der wenigstens noch irgendeine Art von politischer Rationalität geltend machen konnte (und außerdem keine Menschen ermordet hat), ist Breivik schlicht und einfach ein Irrer. Das wenige, was wir über den Attentäter von Oslo wissen – ein „weißer Nationalist“, der die Rechte einigen will, aber Nazis hasst und Churchill verehrt, ein „konservativer Christ“, der zugleich in einer Freimaurerloge ist -, unterstreicht das Bild von Verwirrung und Desorientierung, das bereits die Tat an sich nahelegt.

Wenn es stimmt, was über Anders Behring Breivik geschrieben wird, dann hat er bis zum Oktober letzten Jahres auf der islamkritischen norwegischen Webseite dokument.no lebhaft kommentiert, um dann in die Versenkung abzutauchen und sich aus der konservativen, antiglobalistischen, islamkritischen Netzcommunity zu lösen. Die Fäden, die solche Netzgemeinschaften zusammenhalten, sind viel dünner als Freundschaftsbande im richtigen Leben. Trotzdem, so weit wird man spekulieren dürfen, bedeutete die freiwillige Isolation selbst von dieser losen Gemeinschaft, dass er für Argumente von politisch Gleichgesinnten, die ihm seine monströse Wahnsinnstat ausgeredet hätten, nicht mehr erreichbar war, und wenn wir die offenbar tiefgreifende Persönlichkeitsstörung in Rechnung stellen, wollte er vermutlich auch nicht mehr erreichbar sein. Spätestens von diesem Moment an dürfte der Marsch in Irrationalismus und Irrsinn begonnen haben, der in der gestrigen Tat seinen Höhepunkt erreicht hat.

Dabei waren seine politischen Einschätzungen vor dieser Zeit, sofern sie sich aus dem Wenigen rekonstruieren lassen, was bekannt geworden ist, alles andere als irrational. Für ihn war die entscheidende politische Front nicht die zwischen Kapitalismus und Sozialismus, sondern zwischen Nationalismus und Internationalismus. Das ist fürwahr nicht weit von dem entfernt, was ich selber in meiner Analyse der gesellschaftlich dominanten Metaideologie geschrieben habe, die alle nichtliberalen und nichtsozialistischen, d.h. nichtutopischen politischen Positionen ausschließt.

Es ist nicht irrational festzustellen, dass die politischen, medialen und „wissenschaftlichen“ Eliten praktisch aller westlichen Länder sich einer Utopie verschrieben haben, nämlich der „One-World“-Utopie, die uns von ihren Ideologen als ein Paradies der Harmonie, des Friedens, der Gerechtigkeit und Toleranz verkauft wird. Die Wahrheit ist freilich hässlicher: Es geht um die Abschaffung von Völkern, von gewachsenen Kulturen, von Nationalstaaten, von Demokratie, von individueller Freiheit. Das ist keine durchgeknallte rechte Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik. Man muss sich nur einmal die Mühe machen, den Nebel aus ideologischen Phrasen beiseitezupusten, mit denen uns diese Politik schmackhaft gemacht wird, und sie auf ihren rationalen Kern zurückführen, um zu sehen, wohin die Reise geht. (Ich selbst habe dies oft getan; ich verweise unter anderem auf meine Analysen der Äußerungen von Wolfgang Schäuble und Angela Merkel.)

Selbstredend geschieht all dies nur im Namen des „Guten“. Und da der, der sich dem „Guten“ widersetzt, zwangsläufig ein „Böser“ sein muss, kennt diese Ideologie und kennen ihre Verfechter keine Toleranz gegenüber Andersdenkenden.

Da die Menschen, die die Auswirkungen etwa des Multikulturalismus am eigenen Leibe zu spüren bekommen, der Verwirklichung dieser Ideologie Widerstand leisten, weil sie wissen, dass sie in einen Alptraum aus Chaos, Gewalt und Verfall münden wird, wird ihr Widerstand gebrochen: durch Rede- und Denkverbote, durch allgegenwärtige Propaganda, durch Zensur, durch Entmachtung der Nationalstaaten, die noch halbwegs demokratisch strukturiert sind, und immer wieder: durch Gewalt.

Wer immer behaupten will, Terrorismus sei doch schon deshalb verwerflich, weil man in einer Demokratie doch die Freiheit habe, mit friedlichen Mitteln für seine Auffassungen zu werben, lebt nicht auf diesem Planeten. Er lebt in einer von den Medien erzeugten Traumwelt, in der die tatsächlich praktizierte systematische Entrechtung des Andersdenkenden entweder nicht vorkommt oder als moralischer Triumph im „Kampf gegen Rechts“ gefeiert wird. Wenn es möglich ist, erzliberale Parteien wie die „Freiheit“ oder gemäßigt konservative wie „Pro Deutschland“ als „Nazis“ zu verleumden, dann bedeutet dies in unserem Land, dass diesen Parteien jeder halbwegs vernünftige Wahlkampf unmöglich gemacht und diese Orgie antidemokratischer Intoleranz auch noch in Orwellscher Manier als Kampf für die Demokratie verkauft wird.

Jede grundsätzliche Opposition gegen die Politik der Masseneinwanderung und Islamisierung, gegen die Ausplünderung des Steuerzahlers, gegen die Übertragung der Souveränitätsrechte des Volkes an die EU und andere supranationale Organisationen wird in einem Katarakt aus Lügen, Verdächtigungen und Verleumdungen ersäuft, und dies nicht obwohl, sondern weil allgemein bekannt ist, dass diese Opposition in allen europäischen Ländern die Meinung der Volksmehrheit wiedergibt. Diese Mehrheit soll keinen politischen Kristallisationskern finden, sie soll politisch nicht vertreten sein. Darum geht es beim „Kampf gegen Rechts“, und dies ist die Agenda der gesamten etablierten Medien, der etablierten Parteien, aller gesellschaftlichen Großorganisationen und einer fälschlich „Wissenschaft“ genannten Ideologiefabrik.

Wer verstehen will, warum Menschen zur Gewalt greifen, muss sich einen einfachen Zusammenhang vor Augen führen: Wer die Einhaltung demokratischer Spielregeln einfordert, muss sie selbst einhalten, und wer das nicht tut, erntet Gewalt!

(Es gab Zeiten, als den Linken dieser Zusammenhang klar war: nämlich als sie selbst von repressiven Praktiken betroffen waren. Nun, wo sie – bzw. ihre scheinkonservativen und scheinliberalen U-Boote – an der Macht sind, führen sie vor, wie Macht den korrumpiert, der sie hat. Aber vielleicht gibt es ja noch Linke, die sich daran erinnern, „wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“, weil sie irgendwo noch ein zerfleddertes Exemplar von Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ im Regal haben.)

Der Zorn, der sich über die Jahre in der konservativen, antiglobalistischen, islamkritischen Szene aufgebaut hat, richtet sich nicht gegen den Islam. Es ist eine Lüge und eine Legende zu behaupten, hier würden „Rassisten“ aus „Hass“ gegen Fremde oder auch gegen den Islam handeln. Der Zorn, meinetwegen auch der Hass, richtet sich gegen ein Kartell von Machthabern, die unter Missachtung aller demokratischen Spielregeln und unter Verrat an ihren Völkern in einem kalten Staatsstreich die Zukunft unserer Kinder und Enkel ihrer verblasenen Ideologie und ihren nichtigen, selbstsüchtigen Eigeninteressen opfern! (Dies ist zugleich die Antwort auf die denkbare Frage, warum ein Islamkritiker nicht auf Muslime, sondern auf Sozialisten schießt. Die Frage, warum er nicht auf sozialistische Politiker, sondern auf Kinder schießt, ist freilich nicht mehr mit politischen, sondern nur noch mit psychiatrischen Begriffen zu beantworten.) Die Medien, die ein wichtiger, sogar entscheidender Teil des Kartells sind, werden diese Zusammenhänge nicht thematisieren. Sie werden weiterhin auf ihren Lügen herumreiten, und die Anschläge von Oslo haben ihnen eine Steilvorlage geliefert.

Ja, es stimmt, der Zorn in der oppositionellen Szene ist enorm. Er ist so enorm, dass es, rückblickend gesehen, nur eine Frage der Zeit war, wann der Erste ausrasten würde, und es ist keine große Überraschung, dass dieser Erste unter den labileren Persönlichkeiten zu finden ist, denen die rationale Konrolle ihrer Gefühle schwerfällt, im Klartext: ein Psychopath; daher die Irrationalität, der blutige Wahnsinn des Massakers von Oslo. Man muss freilich eines hinzufügen: Kranke Hirne werden immer einen Vorwand finden, ihren Wahnsinn zu rationalisieren; ebensogut wie die Islamkritik hätte der Islam selbst (oder irgendeine andere Weltanschauung) die Ideologie sein können, die ihn zum Mörder machte, man denke nur an die Islamkonvertiten der Sauerland-Gruppe.

Man wird nun anfangen, nach dem Muster von 1933 die Counterjihad-Szene und überhaupt alles, was nicht links ist, zu verteufeln. Und gewiss wird man in diesem Zusammenhang auf den Zorn stoßen, der in dieser Szene herrscht; es wäre ganz unsinnig, diesen Zorn abzustreiten. Es ist plausibel, dass eine zorngeladene Szene auch Psychopathen anzieht.

Dieser Zorn ist aber ist aber, wenn wir vom Attentäter selbst absehen (der vermutlich nur ein Ventil und ein Vehikel suchte) und stattdessen die gesamte Szene betrachten, nicht der Zorn von Menschen, die einer „Hass-Ideologie“ anhängen würden, sondern der Zorn von Menschen, die in normalen Zeiten die Stützen der Gesellschaft wären, aber feststellen müssen, dass diese Gesellschaft von ihren eigenen Eliten verraten und vernichtet wird.

Integrationskraftzersetzung

„Der rührende Versuch von Bade und Kollegen, unangenehme Nachrichten von der Integrationsfront zu relativieren, erinnert an die Kriegsberichterstattung im Dritten Reich: Wer BBC hörte, um die Wahrheit über den Frontverlauf zu erfahren, war kein Wahrheitssucher, er machte sich der „Wehrkraftzersetzung“ schuldig. Necla Kelek, Thilo Sarrazin und andere sind in diesem Sinne der „Integrationskraftzersetzung“ anzuklagen. Diese ist, hier zitiere ich Angela Merkel, „nicht hilfreich“. Aber wollen sich, um im Bilde zu bleiben, Klaus Bade und Kollegen wirklich in die Rolle des „Reichsfunks“ begeben, der in kühnen Bildern Probleme kleinredete und die baldige Wende des Kriegsglücks beschwor? Im Übrigen: Auf der kritischen Seite zu irren, ist allemal gesellschaftlich gesünder, als vorhandene Probleme schönfärberisch kleinzureden.“

Thilo Sarrazin

Angela Merkel und die Neue Weltordnung

Angela Merkel hat auf dem evangelischen Kirchentag ganz unverblümt über eine Neue Weltordnung gesprochen und damit nicht zum ersten Mal all Jene Lügen gestraft, die es für ein Hirngespinst rechter Verschwörungstheoretiker halten, dass die Eliten der westlichen Länder just eine solche NWO anstreben; also eine Ordnung, in der Nationalstaaten weitgehend entmachtet sein und die wesentlichen politischen Entscheidungen von supranationalen Organisationen getroffen werden. [Weiterlesen bei sezession.de]

Der Aufstieg Angela Merkels …

… von der politischen Quereinsteigerin aus der ehemaligen DDR zur Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wirft noch immer viele Fragen auf …

… schreibt Hinrich Rohbohm (der wegen seiner Tätigkeit für die Junge Freiheit aus der CDU gemobbt wurde)  in der aktuellen Ausgabe des Blattes. Die Fakten, die er über Merkels DDR-Biographie zusammenträgt, sind zwar teilweise schon bekannt, in dieser Dichte aber brisanter als das meiste, was ich bisher darüber gelesen habe (dass die vielzitierte „IM Erika“ mehr sein könnte als eine Romanfigur, ist bis jetzt nicht schlüssig bewiesen worden).

Mit dem Artikel „Die schwarze Genossin“ beginnt die Junge Freiheit eine mehrteilige Serie „Angela Merkel – Porträt einer Machtpolitikerin“. Darin heißt es unter anderem:

Der 16.000-Seelen-Ort Templin ist seit 2005 „Kanzlerinstadt“. Viele wissen das hier. Viele wissen auch, dass Merkels Eltern hier leben. Horst und Herlind Kasner (…)

Ganz ungezwungen reden die Templiner über Horst Kasner. „Ein bodenständiger, umgänglicher Typ“, beschreibt ihn einer der Nachbarn. Doch in Bezug auf die Vergangenheit der Kanzlerin reagieren Bekannte und Weggefährten nahezu panisch. Nur wenige wagen sich aus der Deckung. „Sie waren schon linientreu“, erinnert sich ein … Rentner an die Kasners, der ein paar Straßen weiter wohnt.

(…)

Vor allem einer wirkte weitaus politischer als gemeinhin bekannt: Horst Kasner. Der Vater der Kanzlerin hatte seine Tochter entscheidend geprägt. Nur wenige Wochen nach Merkels Geburt ging er mit seiner Familie 1954 freiwillig als Pfarrer von Hamburg in die DDR. Als Leiter des Pastoralkollegs, einer kirchlichen Weiterbildungsstelle, betrieb der in der DDR als „Roter Kasner“ bekannte Mann nicht nur die Ausbildung angehender Pastoren, sondern auch eine äußerst SED-konforme Kirchenpolitik. Gemeinsam mit dem ehemaligen Stasi-Mitarbeiter und einflußreichen Funktionär in der DDR-CDU, Clemens de Maizière hatte er die Spaltung der evangelischen Kirche betrieben. Clemens de Maizière ist der Vater des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, der laut Spiegel als IM Czerny ebenfalls für die Stasi tätig gewesen war. Auch zu Lothar de Maizière selbst pflegte Kasner Kontakte.

Zudem war er in leitender Funktion Mitglied im Stasi-gelenkten Weißenseer Arbeitskreis, einem Zusammenschluß linker Theologen, der als verlängerter Arm der SED in der Kirchensynode galt.

Darüber hinaus gehörte der heute 84jährige der Christlichen Friedenskonferenz an, einer aus Moskau gesteuerten kommunistischen Tarnorganisation, der auch sein Förderer Albrecht Schönherr angehörte, der ihm den Posten des Pastoralkolleg-Leiters verschafft hatte. Nach Angaben des Merkel-Biographen Gerd Langguth lehnte Kasner neben der Wiedervereinigung  auch die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland und die westdeutsche CDU ab.

Die Kasners genießen zu DDR-Zeiten Privilegien. Zwei Autos stehen ihnen zur Verfügung, ein Privatfahrzeug, ein Dienstwagen. Westreisen sind der Familie gestattet. Mehrmals darf Merkel in die Bundesrepublik reisen. Ihr Vater hatte 1974 und 1975 Italien besucht. Bei einem Diavortrag in Templin hatte er angemerkt, daß nur die Kommunistische Partei Italiens (KPI) gemeinsam mit anderen fortschrittlichen Kräften das Land aus dem Elend retten könne.

Die Freundin einer Mitschülerin an der Erweiterten Oberschule von Templin hat die heutige CDU-Chefin noch als „linientreue Marxistin“ in Erinnerung, die innerhalb ihrer Klasse eine führende Position innehatte. Eine Studentin, die Merkel von der Karl-Marx-Universität in Leipzig kannte, erinnert sich an „eine überzeugte Kommunistin, die ihre Klassenkameraden auf Linie gebracht“ haben soll. Und eine ehemalige Nachbarin der Kasners deutete auf einem KLassentreffen ihrem Schulfreund an, Merkel habe in der DDR „die Fahne hoch getragen“.

Für ihre Promotionsarbeit mußte Merkel – wie in der DDR üblich – auch eine Abschlußarbeit zur kommunistischen Ideologie anfertigen. Merkel hatte ihre Promotionsnoten zunächst geheimhalten wollen. Doch der Spiegel hatte mit Erfolg auf Aktenauskunft geklagt. Resultat: Die Kanzlerin soll in Marxismus-Leninismus lediglich ein „genügend“ erhalten haben, während ihre Physik-Leistung sehr gut war. Überprüfbar ist das nicht. Die Arbeit gilt als verschollen. Eine Kopie habe sie nicht, sagt Merkel selbst dazu.

Ein Akademie-Mitarbeiter hingegen hat anderes in Erinnerung. Demnach habe Merkel ein reges Interesse am Marxismus-Leninismus gezeigt. Wegbegleiter halten ihr eine Nähe zum SED-Regime vor. Hinzu kommt, daß die Kanzlerin an der Akademie der Wissenschaften zum Leitungskreis der FDJ gehörte und als Sekretärin für Agitation und Propaganda gewirkt hatte. Ihre Zuständigkeiten: Politische Bildung und die Vermittlung von Marxismus-Leninismus.

Merkel selbst sagt, sie habe in der FDJ lediglich Kulturarbeit betrieben, Theaterkarten besorgt. Bei ihrem damaligen Gruppenleiter Hans-Jörg Osten hört sich das anders an. Demnach sei sie an der Akademie als FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda tätig gewesen. Zwar könne er sich nicht mehr an die genaue  Bezeichnung erinnern. Dem Sinn nach sei es jedoch genau diese Tätigkeit gewesen. Überprüfbar ist auch das nicht. Die FDJ-Unterlagen sind ebenfalls verschwunden.

In der Wendezeit schließt sich Merkel, die ursprünglich mit der SPD sympathisierte, dem Demokratischen Aufbruch an. Sie wird Pressesprecherin des Vorsitzenden Wolfgang Schnur. Ein Mann, der zu DDR-Zeiten eng mit Horst Kasner zusammenarbeitete. Und der als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnt werden sollte.

Als … die CDU als Sieger aus der ersten freien DDR-Volkskammerwahl hervorgeht, wendet sich Merkel der Union zu. Sie wird stellvertretende Regierungssprecherin. Berufen von jenem Mann, dessen Vater zu DDR-Zeiten ebenfalls eng mit Horst Kasner zusammenarbeitete: Lothar de Maizière. Heute betreibt de Maizière eine Anwaltskanzlei gegenüber vom Pergamon-Museum in Berlin. Die Bewohnerin im Stockwerk über ihm ist heute Bundeskanzlerin.

Auf die Fortsetzung darf man wohl gespannt sein.

 

Zum Tod von Osama bin Laden: einige Anmerkungen

Nein, ich werde nicht in den Jubel über den Tod von Osama bin Laden einstimmen. Zu anrüchig sind die Begleitumstände, zu fragwürdig das, was man uns als Wahrheit zu glauben auffordert.

Wenn jemand es besonders eilig hat, eine Leiche verschwinden zu lassen, und dies auf Nimmerwiedersehen, so wird man normalerweise zögern, ihm lautere Motive zu bescheinigen. Amerikas „Staatsfeind Nr.1“ stirbt, und niemand besteht auf einer einwandfreien, nachprüfbaren Identifizieung; niemand hält auch eine Obduktion für notwendig. Ich finde das merkwürdig.

Hat jemand ein Interesse daran, beides zu verhindern? Soll man die genauen Todesumstände nicht nachprüfen können? Hat man Bin Laden im Kampf getötet oder durch einen aufgesetzten Schuss ermordet? Ist er womöglich schon länger tot, und man hat jetzt den Zeitpunkt für gekommen gehalten, ihn auch offiziell sterben zu lassen? Ist das Foto von seiner Leiche wirklich heute entstanden, oder vielleicht schon viel früher? Zeigt es vielleicht einen Anderen?

Ja, das sind Spekulationen. Es sind Spekulationen von genau der Art, wie der sie sich einhandelt, der eine Leiche verschwinden lässt. Ich weiß, jetzt fällt wieder das Wort von der „Verschwörungstheorie“. Nun, ich mache mir die obigen Spekulationen nicht zu eigen. Ich muss es aber ablehnen, mich über Verschwörungstheoretiker aufzuregen, solange diejenigen, deren Pflicht es wäre, für Transparenz zu sorgen, es vorziehen, Beweismittel verschwinden und die Öffentlichkeit im Dunkeln tappen zu lassen.

Selbst wenn sich alles genau so verhalten sollte, wie die amerikanische Regierung sagt: Wäre es nicht zumindest anständig gewesen, den Leichnam den Angehörigen des Toten zu übergeben? Osama bin Laden mag ein Verbrecher gewesen sein: Seine zahlreichen Verwandten sind es nicht. Sie haben einen Anspruch auf Gewissheit, ob der Tote tatsächlich Osama bin Laden ist, und sie haben einen Anspruch auf Gewissheit über die Todesumstände. Mit dem Tod muss die Feindschaft enden; wenn die US-Regierung selbst schon eine Obduktion nicht für nötig hält, hätte sie zumindest der Familie die Chance dazu geben müssen. Dies nicht zu tun, sondern die Leiche einfach ins Meer zu werfen, ist barbarisch.

Es spricht einiges dafür, dass die Tötung von Anfang an geplant war, und diese Vermutung ist meines Wissens bis jetzt nicht dementiert worden. Die Frage ist: Warum hat man ihn überhaupt getötet?

Das ist doch nicht selbstverständlich: Die USA haben hunderte von wirklichen oder auch nur angeblichen Terroristen in Lagern und Geheimgefängnissen verschwinden lassen, angeblich, weil die nationale Sicherheit zwingend erforderte, sie zu befragen und sogar zu foltern. Dieser Mann aber, Osama bin Laden, der der oberste Terrorist des Planeten gewesen sein soll: Den wollte man nicht verhören?

Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, was genau am 11. September 2001 geschah, und ein Prozess gegen Bin Laden wäre das geeignete Forum gewesen, alle Fakten zur öffentlichen Prüfung auf den Tisch zu legen. Dieser Prozess kann nun nicht mehr stattfinden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Bin Laden genau deswegen sofort sterben musste. Tote reden nicht.

Wenn es das Ziel der USA sein sollte, den Muslimen die Segnungen des demokratischen Rechtsstaats nahezubringen – für wie realistisch man diesen Versuch auch immer halten mag –, so werden sie diesem Ziel nicht dadurch näherkommen, dass sie den Genickschuss als Mittel der Politik legitimieren. Wenn es freilich ihr Ziel ist, völlige Skrupellosigkeit im Umgang mit ihren Feinden zu demonstrieren, so ist ihnen dies gelungen. Ich warne davor, sich damit zu trösten, es habe ja „den Richtigen getroffen“. Wenn Instanzen, die sich damit über Recht, Gesetz und Moral hinwegsetzen, sich anmaßen zu entscheiden, wer „der Richtige“ ist, dann kann es morgen Jeder sein.

Dass der eigene Staat einem dann keinen Schutz böte, davon zeugt schon die servile Beflissenheit, mit der Angela Merkel wieder einmal eine amerikanische Aktion bejubelt, mit der sie selbst, Merkel, sich ins Gefängnis gebracht hätte, hätte sie Vergleichbares angeordnet.

Bundeskanzlerin Merkel sagte in Berlin, die Botschaft des heutigen Tages sei, dass Terrorakte nicht ungesühnt blieben.

(dradio.de)

Ganz naiv und als sei das eine Selbstverständlichkeit spricht die Kanzlerin aus, dass es zwei Arten von Staaten gibt, nämlich solche, die sich ans Recht halten müssen, und Supermächte, die das nicht müssen und offenbar nicht einmal sollten. Und so redet nicht nur die Bundeskanzlerin, der man die einschlägige Indoktrination durch die FDJ vielleicht noch als mildernden Umstand zugute halten kann: Die gesamte politische Klasse redet so.

Und zeigt damit weiß Gott nicht zum erstenmal, wes Geistes Kind sie ist.