Zum Gazakonflikt…

schreibt die israelische Bloggerin Lila eine geharnischte Durschsage…

An all die Mahner, Kopfschuettler, Abwiegler

die jetzt vor Eskalation warnen und Israel zur Zurueckhaltung auffordern.

In diesem meinem kleinen Blog existiert eine Kategorie namens Qassam-Ticker. Einfach mal anklicken und lesen. Aber richtig. Mindestens ein paar Seiten lang.

Und mir dann erklaeren, wo Ihr Euren Protest hoer- und sichtbar gemacht habt, waehrend Israel beschossen wurde. Gern mit Links, Bildern von Demos, von den Plakaten, die Ihr aus dem Fenster gehaengt habt, Kopien der Briefe an Eure Bundestagsabgeordneten. Jedes Dokument wird dankend entgegengenommen.

Wer aber still war, waehrend in Netivot, Eshkol, Kerem Shalom und Nir Am die Raketen niedergingen, Tausende ueber die Jahre, der hat nicht das geringste moralische Recht, jetzt Israel daran zu hindern, seine eigenen Massnahmen zu ergreifen. Wer den Krieg angezettelt hat, das waren nicht wir. Wir haben hoechstens wieder mal zu lange gewartet. Die Kinder aus Sderot, die keine andere Realitaet kennen als unter Beschuss, sind inzwischen in der Mittelstufe. Eine weitere traumatisierte Generation.

Und Leute wie Westerwelle, deren Regierung Geld massenweise und ohne jede daran geknuepfte Bedingung in den Gazastreifen geschuettet hat, obwohl dort genug Geld war, um teure Raketen aus dem Iran einzukaufen – Leute, deren Parlament einstimmig und ueber alle Parteien hinweg eine Verurteilung Israels beschlossen hat, weil Israel es gewagt hat, per Blockade den Gazastreifen wenigstens bei der Bewaffnung zu hindern – solche Leute haben schon gar kein moralisches Recht, jetzt den grossen Mahner zu spielen.

Es ist kein Zufall, dass deutsche Journalisten von Putz bis Teichmann fest daran glauben, es muss ein Wahlkampftrick sein. Dass Israel ununterbrochen seit Jahren angegriffen wurde, mit Raketen, mit Bomben und Sprengsaetzen, haben sie ja gar nicht erst ihrem lesenden Publikum gemeldet und berichtet. Sie tragen ja mit Schuld daran, dass niemand eine Loesung fuer das Problem gesucht hat, denn sie haben das Problem mit verschwiegen.

Eine Bedrohung Israels existiert fuer solche Beobachter nicht. Eine unertraegliche Belastung fuer fast eine Million Israelis, die ihren schwierigen Alltag seit Jahren meistern muessen, waehrend die Welt ignoriert, was bei ihnen los ist – das ist nicht denkbar. Fuer sie ist Israel anders als in der Rolle des aggressiven, unkontrollierbaren Golems gar nicht cast-bar. […]

Weiterlesen: An all die Mahner, Kopfschuettler, Abwiegler, « Letters from Rungholt.

Zionismus, Globalismus und die „Israel-Lobby“

Einer Theorie zufolge, die in linken antiimperialistischen wie rechten antiglobalistischen Kreisen gleichermaßen populär ist, sind die USA so etwas wie der Handlanger ihrer „Israel-Lobby“ und lassen sich in ihrer Nahostpolitik vor allem von den Interessen Israels leiten. Demnach haben wir uns Washington im Großen und Ganzen als Filiale Jerusalems vorzustellen; diese These wird nicht immer so grobschlächtig, sondern auch in differenzierter Form vertreten, aber allein das Schlagwort „Israel-Lobby“ macht deutlich, worum es im Kern geht.

Eine Israel-Lobby auf anti-israelischem Kurs?

Wer mit dieser Theorie im Kopf die amerikanische Nahostpolitik der letzten Jahre betrachtet und sie dem Wirken der „Israel-Lobby“ zuschreiben will, kommt allerdings in arge Erklärungsnöte:

iranische flagge, iranische rakete, atomprogrammDer Westen hat in einer ganzen Reihe von islamischen Ländern militärisch interveniert, nur nicht in dem einen, vor dem Israel sich wirklich fürchtet, nämlich dem Iran. Die USA haben zwar stets betont, dass „alle Optionen auf dem Tisch liegen“, die außenpolitische Community führt regelmäßig Debatten über das Für und Wider eines Krieges gegen den Iran, im UN-Sicherheitsrat wurden – relativ milde – Sanktionen durchgesetzt.

Wer aber so lange das Damoklesschert über Teheran kreisen lässt, ohne es niedersausen zu lassen, bewirkt zweierlei: zum einen überzeugt er auch die moderaten und eventuell verständigungsbereiten Elemente in der iranischen Führung – die im Wesentlichen eine kollektive Führung ist, der Präsident ist kein allmächtiger Diktator – davon, dass ihr Land bedroht ist und Atomwaffen benötigt, zum anderen signalisiert er, dass er vor dem Äußersten zurückschreckt.

Anders gesagt: Die amerikanische Iranpolitik lautete, Teheran keine Alternative zum Bau von Atomwaffen zu lassen und ihm zugleich quasi offiziell zu erklären, dass es sie auch bekommen wird, wenn es unbedingt will; dies in dem Wissen, dass zumindest ein Teil der iranischen Führung um Präsident Ahmadinedschad durchaus mindestens mit dem Gedanken spielt, sie gegen Israel einzusetzen und zum höheren Ruhme Allahs und als direkten Weg als Märtyrer ins Paradies einen israelischen Vergeltungsschlag in Kauf zu nehmen. Unter der Prämisse, dass die USA von einer Israel-Lobby beherrscht werden, eine eigenartige Politik.

Recep Tayyip Erdogan (Türkei), Shimon Peres (Israel), Weltwirtschaftsforum Davos
Recep Tayyip Erdogan und Shimon Peres 2009 beim Eklat auf dem Weltwirtschaftsforum Davos

Die USA haben des weiteren ruhig zugesehen, wie die türkischen Islamisten das kemalistisch orientierte Militär mattgesetzt haben und auf Konfrontationskurs gegen Israel gegangen sind, wodurch Israel seinen einzigen wirklich bedeutenden Verbündeten in der Region verloren hat. Von irgendwelchen Demarchen oder sonstigen Initiativen Washingtons gegen diese Politik ist nichts bekannt geworden.

Der „arabische Frühling“, also die Revolutionen gegen arabische Potentaten, wird vom Westen unter Führung der USA mit allen Mitteln unterstützt. In Libyen und Syrien ist dies offenkundig, für Ägypten kann man es rückblickend zumindest plausibel annehmen. Allein die Berichterstattung westlicher Medien über Syrien schlägt allen Standards journalistischer Sorgfalt und Objektivität derart ins Gesicht und ist zugleich quer durch alle Länder und Medien derart einförmig, dass kein Weg daran vorbeiführt, eine systematisch koordinierte Kampagne gegen den syrischen Präsidenten Assad zu unterstellen. Die militärische Unterstützung der „bewaffneten Opposition“ und die immer konkreteren Kriegsvorbereitungen sprechen eine deutliche Sprache: Das Libyen-Szenario soll wiederholt werden.

Die USA tun dies ausgerechnet in dem Moment, wo Israel durch den Schwenk der Türkei und die Atompolitik des Iran stärker gefährdet ist denn je; sie tun es, obwohl offenkundig ist, dass sie damit in Syrien, wie zuvor schon in Ägypten, die Muslimbrüder an die Macht bringen werden, deren palästinensischer Zweig niemand anders als die Hamas ist. Oder glaubt irgendjemand, die USA würden solche Ländern mal eben durchschütteln, nur um auszuprobieren, wer dann an die Macht kommt, nach dem Motto: Schaun ma mal? Es liegt auf der Hand, dass sie mit den wichtigsten islamistischen Organisationen, einschließlich der Muslimbrüder, ein Abkommen getroffen haben, auch wenn dessen genauer Inhalt unbekannt ist.

Der Westen mitsamt seiner angeblichen Israel-Lobby hat also in den wichtigsten Nachbarländern Israels dessen Todfeinde an die Macht gebracht, die einen Frieden mit Israel bereits aus religiösen Gründen (und damit ist es diesen Leuten bitter ernst!) vehement ablehnen müssen, ihn also selbst dann nicht schließen könnten, wenn sie ihn aus politischen Gründen schließen wollten – wovon nicht die Rede sein kann.

Sagen wir es so: Wenn die USA darauf ausgingen, Israel zu zerstören (oder seine Zerstörung als Kollateralschaden mindestens billigend in Kauf zu nehmen), möglichst ohne sich dabei erwischen zu lassen, dann müssten sie genau die Politik verfolgen, die sie tatsächlich verfolgen.

Doch halt! wird mancher sagen: Ist denn die Macht der Israel-Lobby nicht hinreichend bewiesen? Haben die USA nicht in der Vergangenheit sehr deutlich demonstriert, wie wichtig ihnen die Interessen Israels sind? Haben nicht speziell die Republikaner – die Demokraten sind da etwas schwankender – stets in Treue fest an der Seite Israels gestanden?

Nun ja, so fest war die Treue auch der Republikaner zu Israel nun auch wieder nicht. Selbst zu Zeiten, als ich die Welt noch durch die rechtsliberal-prowestliche Brille sah und Bush noch an der Macht war, musste ich ein eigenartiges Schwanken konstatieren (Vgl. meine Artikel von 2007 und 2008: „Viel Lärm um Nichts?“ und „Wie vertrauenswürdig ist Amerika?“), und unter Obama hat sich das amerikanisch-israelische Verhältnis deutlich abgekühlt. Eine Israel-Lobby, oder etwas, das man so nennen kann, gibt es bestimmt; dass die USA ihre Interessen denen Israels unterordnen, ist eine Legende.

„Israel-Lobby“ oder „jüdische Lobby“?

Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Legende hält, die amerikanische Außenpolitik sei eine abhängige Variable der israelischen, dürfte viel mit einem Faktor zu tun haben, den praktisch Jeder im Hinterkopf hat, aber aus Angst vor der Antisemitismuskeule keiner ausspricht, nämlich mit dem starken Einfluss jüdischer Persönlichkeiten auf die amerikanische Politik, speziell die Außenpolitik. Das Wort „Israel-Lobby“ dürfte, so gesehen, die politisch korrekte Umschreibung für „jüdische Lobby“ sein.

Diese Vorstellung ist durchaus nicht nur in den Köpfen von Israelgegnern oder gar Antisemiten verankert: Die naive Vertrauensseligkeit, mit der gerade Zionisten (ich denke zum Beispiel an Bat Ye’or) über die USA schreiben und sprechen, könnte damit zu tun haben, dass sie insgeheim glauben, deren Politik werde nicht ausschließlich, aber doch maßgeblich mitgestaltet von Leuten, die sozusagen von Natur und von Hause aus für Israel sein müssten.

Stimmt es überhaupt, dass die US-Außenpolitik unter so starkem jüdischen Einfluss steht, wie behauptet wird?

Der Council on Foreign Relations ist eines der bei weitem einflussreichsten, wenn nicht überhaupt das einflussreichste Gremium der amerikanischen außenpolitischen Community. Seine Bedeutung wird von einem, der es wissen sollte, nämlich dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, so beschrieben:

Helmut Schmidt über den Council on Foreign Relations

Helmut Schmiidt, AltbundeskanzlerZum anderen gab es ein großes Reservoir von urteilsfähigen, außenpolitisch engagierten Privatpersonen, die schon früheren Administrationen gedient hatten.

Dieses Reservoir, früher häufig das „Establishment“ genannt, hatte sein Forum und zugleich sein Zentrum im Council on Foreign Relations in New York. (…) Der Council on Foreign Relations zog mit Erfolg sorgsam ausgewählte jüngere Leute in seine Diskussionen und bereitete sie zunächst auf bescheidene Aufgaben vor; im weiteren Verlauf ihrer Karriere übernahmen sie oft Spitzenaufgaben im State Department, im Pentagon, im Weißen Haus oder an anderen Schaltstellen der internationalen Politik …

(…)

Dieses Establishment hat eine große Zahl ausgezeichneter Leute hervorgebracht … . Sie waren in der Mehrheit Republikaner, aber es gab auch viele Demokraten darunter; entscheidend war: es mussten „linke“ Republikaner oder „rechte“ Demokraten sein … (…)

Wenn man als deutscher Politiker nach New York kam und in den Council eingeladen wurde, empfand man dies nicht nur als eine Ehre, sondern man konnte sich hier auch ohne große Mühe ziemlich rasch orientieren, wie die amerikanische Regierung über die Lage im Nahen Osten dachte, über ihre Beziehungen zur Sowjetunion oder über Berlin, was ihre Absichten waren, oder was wahrscheinlich demnächst ihre Absichten sein würden.

(…)

Die außenpolitische Elite, die sich auf ziemlich geräuschlose, aber wirksame Weise selbst ergänzte, war … weitgehend eine Sache der Ostküste. Natürlich gehörten einige Spitzenleute aus Harvard und dem M.I.T. in Cambridge (Massachusets) dazu, ebenso aus de Ivy-League-Universitäten … (…) Zu diesem klubartigen, durchaus losen Geflecht vor Personen … gehörten auch … einige herausragende Gewerkschaftsführer …

Wer als Europäer in den fünfziger und sechziger Jahren über das außenpolitische Denken der USA Auskunft brauchte, dem genügten wenige Tage und ein paar Gespräche mit Angehörigen dieses Kreises.

Helmut Schmidt, "Menschen und Mächte"[Helmut Schmidt, Menschen und Mächte, Siedler Verlag Berlin 1987, zit. nach Taschenbuchausgabe Goldmann Verlag, S. 265 ff.]

Anders gesagt: Wer dort nicht drin ist, hat in der US-Außenpolitik nichts zu melden. Falls es stimmen sollte, dass Juden besonders starken Einfluss auf eben diesen Politikbereich haben, müssten sie in den Leitungsgremien des Council on Foreign Relations weit überproportional vertreten sein.

Und in der Tat, das sind sie, wie aus der hier verlinkten Aufstellung hervorgeht. Selbst wenn man einige Zweifelsfälle abzieht, machen Juden (zum Christentum konvertierte Juden inbegriffen) rund die Hälfte der Führungsmannschaft (Vorstand und Board of Directors zusammen) aus.

Die müssten wohl zu jener Israel-Lobby gehören; ihre aktuelle Politik aber ist offensichtlich gegen die Interessen Israels gerichtet, nimmt zumindest wenig Rücksicht auf den kleinen Verbündeten.

Es gibt zwei denkbare Erklärungen für diesen Sachverhalt. Die eine, nennen wir sie die politisch korrekte, lautet, dass Alle – linke Antiimperialisten, rechte Antiglobalisten, Zionisten, Antisemiten – sich irren, jüdischer Familienhintergrund mithin politisch keine Rolle spielt, und dass Juden in solchen Positionen sich von ihrem Jüdischsein und von eventuellen persönlichen Sympathien für Israel nicht dazu verleiten lassen, in Israel mehr zu sehen als einen wenn auch vielleicht wichtigen Bauern auf dem Grand Chessboard der Supermacht USA. Wer sich damit zufriedengeben möchte, kann an dieser Stelle aufhören zu lesen.

Nehmen wir aber hypothetisch an, die jüdische Fraktion des amerikanischen Establishments würde sich, bewusst oder unbewusst, an spezifisch jüdischen Interessen orientieren. Wäre eine solche Orientierung mit ihrer beobachtbaren Politik vereinbar? Müsste sie nicht vielmehr automatisch Israel unterstützen? Letzteres ist ungefähr die Denkfigur, die unausgesprochen der Vorstellung zugrunde liegt, die „Israel-Lobby“ (womit unausgesprochen gemeint ist: die jüdische Lobby) würde dafür sorgen, dass die Bedürfnisse Israels die US-Außenpolitik diktieren.

 

Jüdische Interessen und israelische Interessen

Dem liegt ein Missverständnis zugrunde: Für Europäer und weiße Amerikaner bilden Volk, Nation und Nationalstaat ein zusammenhängendes begriffliches Syndrom; ihre Vorstellung von einem Volk basiert, boshaft formuliert, auf der Einheit von Blut und Boden. Die Interessen etwa des deutschen Vokes unabhängig von den Interessen Deutschlands zu denken ist unmöglich. Es gab zwar bis zum Zweiten Weltkrieg so etwas wie eine deutsche „Diaspora“, also eine Vielzahl deutscher Enklaven in ganz Osteuropa, aber deren Interessen waren niemals, auch nicht unter Hitler, maßgeblich für die Politik Deutschlands und spielten im politischen Denken der Deutschen keine Rolle. Demgemäß setzen nicht nur die Deutschen, sondern nahezu alle westlichen Beobachter zwischen jüdischen und israelischen Interessen im Geiste ein Gleichheitszeichen.

Das jüdische Volk hat aber fast zweitausend Jahre lang (und da nicht zum ersten Mal) ohne eigenes Territorium und ohne eigenen Staat existiert. Die Interessen des jüdischen Volkes waren vom Bar-Kochba-Aufstand bis zur Gründung Israels die einer Abstammungsgemeinschaft, nicht eines Staates oder Landes, und die dadurch geprägte politische Mentalität dürfte als kulturelle Selbstverständlichkeit verinnerlicht worden sein.

Ich halte es daher für vollkommen plausibel, dass amerikanische Juden, die die Unterstellung vehement zurückweisen, sie würden amerikanische Interessen israelischen unterordnen, dies nicht nur subjektiv aufrichtig meinen, sondern damit auch objektiv die Wahrheit sagen – im Großen und Ganzen jedenfalls.

Die Interessen des jüdischen Volkes sind mithin nicht automatisch identisch mit denen des israelischen Staates, und Juden, die sich an einem ethnisch verstandenen jüdischen Interesse orientieren, wie wir hier als Arbeitshypothese unterstellen, müssen deshalb noch lange keine Israel-Lobby bilden.

Was aber sind die Interessen des jüdischen Volkes? Zu allererst natürlich das Interesse an der eigenen Fortexistenz. Dies ist nicht nur eine triviale Feststellung, die für Juden ebenso wie für andere Völker gilt: Da die jüdische Religion auf dem Gedanken des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel aufbaut, ist dessen Überlebensinteresse in einer Weise sakral aufgeladen, wie es bei anderen Völkern selbst dann nicht der Fall ist, wenn deren Nationalismus starke religiöse Obertöne hat. Andere Völker wollen sich nicht auflösen, das jüdische darf es nicht, weil dies seinem eigenen Glauben nach den Abfall von Gott implizieren würde. Zwar sind nicht alle Juden gläubig, aber wer in eine jüdische Umgebung hinein sozialisiert wird, kommt gar nicht darum herum, diese Disposition als kulturelle Selbstverständlichkeit zu verinnerlichen. (Was unter „kulturellen Selbstverständlichkeiten“ zu verstehen ist, habe ich am Beispiel des Islam in meinem Buch „Das Dschihadsystem“ ausführlich analysiert und erläutert.)

Unter den Bedingungen der Diaspora droht dem jüdischen Volk jederzeit der Untergang als Volk, weil Völker, die als Minderheiten existieren, dazu tendieren, sich in der Mehrheitsgesellschaft aufzulösen – man denke zum Beispiel an die Sorben. Außer den Juden haben in Europa nur die Zigeuner es geschafft, sich als Volk (oder, wenn wir Sinti und Roma getrennt betrachten, als Völker) zu behaupten.

Der Konversions- und Assimilationsdruck in Verbindung mit den häufigen Verfolgungen, Vertreibungen, Pogromen und ethnischen Säuberungen bis hin zum Genozid, denen Juden in muslimischen wie christlichen Gesellschaften ausgesetzt waren, war eine dauernde Gefahr. Vom Standpunkt des jüdischen Überlebensinteresses aus betrachtet besteht zwischen Pogrom und Assimilation kein grundsätzlicher Unterschied.

Das Überleben des jüdischen Volkes ist also gefährdet, weil und soweit es als Minderheit jeweils einem kompakten Mehrheitsvolk gegenübersteht, das in den Juden eine Fremdgruppe sieht. Die Beziehungen zwischen Mehrheit und Minderheit müssen nicht gespannt sein, aber die Geschichte lehrt, dass sie es häufig waren. Für das jüdische Volk gibt es grundsätzlich zwei Wege, dieser misslichen Situation zu entgehen:

Erstens die Gründung eines eigenen Staates, in dem es selbst die Mehrheit stellt und nicht mehr verfolgt werden kann; diesen Staat gibt es seit 1948.

Zweitens die aktive Umgestaltung der Umgebung, in der Juden leben: Wenn die Gefahr von der Existenz kompakter Mehrheitsvölker ausgeht, die durch ethnische und religiöse Bande als Völker zusammengehalten werden, dann kann diese Gefahr dadurch beseitigt werden, dass eben diese Bande zerschnitten werden oder ein Zustand herbeigeführt wird, in dem das ehemalige Mehrheitsvolk (wie die Juden selbst) bloß eine von zahllosen Minderheiten ist. Eine ethnisch und religiös zersplitterte Gesellschaft stellt für das Überleben des jüdischen Volkes keine Gefahr mehr dar; für den Fall, dass es, wider Erwarten, doch zu Verfolgungen kommt, liegt es darüber hinaus in dessen Interesse, dass die Grenzen offen sind und globale Migrationsfreiheit gewährleistet ist, damit nicht wieder die Situation wie in den dreißiger und vierziger Jahren eintreten kann, als Juden unter dem Zugriff Hitlers in Europa festsaßen, weil es zu wenige Aufnahmeländer gab.

 

Zionismus und Globalismus: zwei alternative Überlebensstrategien des jüdischen Volkes

Die beiden Optionen des jüdischen Volkes lauten also, kurz gesagt, Zionismus und Globalismus. Dabei stehen diese beiden Optionen im Konflikt miteinander, obwohl viele Juden mit beiden mehr oder weniger sympathisieren und den Konflikt daher nicht wahrhaben wollen. Sie hätten gerne ein Sowohl-als-auch, stehen aber faktisch einem Entweder-oder gegenüber:

Die Existenz Israels, das rund ein Drittel des jüdischen Volkes an sich bindet, schwächt die jüdischen Minderheiten anderswo, was speziell in Europa und Amerika von Bedeutung ist. Dabei entzieht Israel der Diaspora nicht nur Masse, sondern auch Klasse: Gerade Menschen, die sich sehr bewusst als Juden definieren, für die also die Zugehörigkeit zu ihrem Volk subjektiv besonders wichtig ist, und die sich, wenn sie in der Diaspora lebten, besonders stark mit jüdischen Kollektivinteressen identifizieren würden, werden dazu tendieren, nach Israel zu gehen.

Darüberhinaus stachelt die Existenz Israels den ohnehin vorhandenen muslimischen Antisemitismus weiter an; dadurch werden in Europa lebende Juden zunehmend Zielscheibe muslimischer Übergriffe, sie werden sozusagen für Israel in Sippenhaft genommen, womit eine Politik der Masseneinwanderung, wie sie an sich im jüdischen Kollektivinteresse läge, auf Akzeptanzprobleme in den eigenen Reihen stößt.

(Nicht Arbeitshypothese, sondern hartes Faktum ist übrigens, dass diese Politik von jüdischen Organisationen in der westlichen Welt tatsächlich systematisch verfolgt und propagiert wird, wie im Grunde jeder weiß, der die Zeitung liest. Wer es mit aller wissenschaftlichen Akribie dokumentiert sehen möchte, dem empfehle ich Kevin MacDonalds Text über die jüdische Beteiligung an der Gestaltung der Einwanderungspolitik der USA. Der einschlägige Abschnitt aus MacDonalds Buch „The Culture of Critique“ kann hier heruntergeladen werden.)

Und schließlich zwingt der innerjüdische Erwartungsdruck, sich mit Israel zu solidarisieren, globalistisch orientierte Juden, ihre gegen den Nationalstaat gerichtete Ideologie zugunsten Israels zu kompromittieren und sich damit von rechts wie links den Vorwurf der Doppelmoral einzuhandeln. Die Diaspora ist aufgrund ihrer eigenen Interessen zu einer Politik gezwungen, die Israel das Wasser abgräbt (Siehe meinen Artikel „Wer delegitimiert Israel?“), auch wenn ihre Vertreter sich und Andere gerne darüber hinwegtäuschen.

Noam Chomsky, Linguist, jüdischer Israelgegner
Noam Chomsky

Dass unter den militantesten Israelhassern der westlichen Welt ausgerechnet Juden so prominent vertreten sind – Leute wie Noam Chomsky auf der Linken oder die Ultraorthodoxen auf der Rechten -, ist daher keineswegs nur ein Kuriosum am Rande, sondern Ausdruck dieses Interessenkonflikts (sehr klar artikuliert in Philip Weiss‘ Essay „Israel isn’t good for the Jews anymore“).

Zugleich ist es ein Konflikt über das jüdische Selbstbild: Beide Flügel antiisraelischer Juden werfen Israel letztlich vor, vom messianischen Selbstverständnis des Judentums abgefallen zu sein: die Ultraorthodoxen ganz wortwörtlich, indem sie die Gründung eines jüdischen Staates dem erwarteten Messias anheimstellen und es für sündhaft halten, diesem vorzugreifen; die Linken, die den jüdischen Messianismus als weltlichen Utopismus säkularisiert haben, kreiden dem jüdischen Staat an, sich in Form von Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Besetzung arabischen Territoriums mit dem Schmutz der Nationalstaatlichkeit befleckt zu haben. Hintergrund solcher Vorwürfe ist die Idee, die Juden hätten als das „Licht der Völker“ die Welt grundlegend zu verbessern, statt sich mit einem Nationalstaat, wie andere Völker ihn auch haben, häuslich in ihr einzurichten. Linke wie rechte jüdische Israelhasser schreiben dem jüdischen Volk eine messianische Sendung zu, der es nur in der Diaspora gerecht werden kann.

Die Chomskys wie die Ultraorthodoxen sind innerhalb des Judentums zwar jeweils eine kleine Minderheit, aber sie sind nicht einfach isolierte Spinner. Zu tief sind ihre Ideen in einer in zweitausend Jahren gewachsenen Mentalität verankert, und zu sehr entspricht ihre Israelfeindschaft den Interessen einer globalistisch orientierten Diaspora. Sie bilden die Spitze eines Eisbergs aus latentem jüdischem Unbehagen über Israel, das zwar nicht so stark ist, dass seinetwegen das gesamte Diasporajudentum sich offen gegen Israel stellen würde – Gefühle des Stolzes und der Loyalität dürften immer noch bei weitem überwiegen -, seine Angehörigen aber veranlasst, im Zweifel ihr Hemd dem israelischen Rock vorzuziehen.

Islamkritiker, die sich darüber wundern, dass ihr Engagement für Israel von jüdischen Organisationen mit blanker Feindschaft quittiert wird, verkennen, dass deren Loyalität gegenüber Israel (sofern sie überhaupt echt und nicht nur eine Konzession an die Erwartungen ihrer Basis ist) im Wesentlichen auf Sentimentalität und sozialem Druck beruht und dort endet, wo ihr eigenes Interesse, nicht zuletzt das an verstärkter Einwanderung, beginnt.

Zionismus und Globalismus sind zwei alternative Wege, das grundlegende Existenzproblem des jüdischen Volkes zu lösen, und der eine wird in dem Maße überflüssig, wie der andere erfolgreich ist. Während Israel noch um seine Existenz kämpfen muss, ist der Globalismus bereits auf der Zielgeraden: Es bedarf nur noch weniger Jahrzehnte, in denen die bisherigen Trends sich fortsetzen, und die ethnische Durchmischung Europas ist ebenso vollendete Tatsache wie die globale Migrationsfreiheit.

Eines darf auch nicht übersehen werden: Die Anstrengungen des Zionismus, Juden in Israel zu versammeln, bedeuten zugleich, alles auf eine Karte zu setzen. Würden wirklich alle Juden in Israel leben, und Israel würde vernichtet – was als Ziel seiner muslimischen Nachbarvölker nach wie vor auf der Tagesordnung ist -, dann wäre sein Ende zugleich das des jüdischen Volkes.

Vom Standpunkt des jüdischen Überlebensinteresses ist der Zionismus daher ganz objektiv eine zweitrangige Option, die die globalistische nur ergänzen, nicht aber ersetzen kann, während der Globalismus dies umgekehrt sehr wohl kann: Der Zionismus diente dazu, verfolgten Juden ein Rettungsboot zu verschaffen, und wird deshalb in dem Maße obsolet, wie das Rettungsboot nicht mehr gebraucht wird.

Ob solche Überlegungen in den Köpfen jüdischer amerikanischer Strategen tatsächlich eine Rolle spielen, wissen wir nicht. Wer aber glaubt, Israel habe allein aufgrund des bedeutenden Einflusses von Juden auf die amerikanische Außenpolitik eine Lebensversicherungspolice in der Tasche, dürfte sich täuschen.

 

Wir Untermenschen: Was der Fall Drygalla lehrt

Die Art, wie die Internationalen der Sportfunktionäre und der Medien mit angeblichen, vermeintlichen und tatsächlichen Verletzungen der Olympischen Charta umgeht, zeigt uns deutlich, wer in den Augen dieser Leute Rechte hat und wer nicht.

Die griechische Leichtathletin Paraskevi Papachristou und und der Schweizer Fußballspieler Michel Morganella wurden von den Spielen ausgeschlossen, weil sie sich auf Twitter – also außerhalb der Spiele – abfällig über afrikanische bzw. südkoreanische Sportler geäußert haben sollen.

Die deutsche Ruderin Nadja Drygalla hat nichts dergleichen getan. Sie hat weder irgendetwas „Rassistisches“ oder „Rechtsextremes“ gesagt – wobei auch dies ihr gesetzlich verbrieftes Bürgerrecht gewesen wäre. Sie hat also nicht einmal von ihren politischen Bürgerrechten Gebruach gemacht, sondern lediglich von ihrem Menschenrecht, ihren Intimpartner nicht nach politischen Gesichtspunkten auszuwählen. Aus der Sicht totalitärer Ideologen von heute ist die Intimität mit Rechtsextremisten freilich nicht weniger ein Verbrechen als für ihre Vorgänger die mit „Konterrevolutionären“ bzw. Juden.

In anderen Fällen scheint die Sorge um die olympische Idee bei besagter Funktionärs- und Medieninternationale weniger stark zu brennen. Nicht den vor politkorrekter Denunziationsgier schäumenden deutschen Medien, sondern meiner israelischen Bloggerkollegin Lila verdanke ich diese Information:

Ein kleiner Zwischenfall, der bei uns gemeldet wird, ansonsten aber bestimmt keine großen Schlagzeilen macht: beim Training der Judokas haben sich libanesische Sportler geweigert, auf einer Matte mit den israelischen Kollegen zu trainieren. Sie fanden es unzumutbar.

Wie hat die Wettkampfleitung reagiert? (…)

Nun, die Antwort kann man sich denken: sie haben den Libanesen implizit Recht gegeben mit ihrer Klage über die Unzumutbarkeit. Sie haben eine Art Trennwand zwischen Israelis und Libanesen errichtet (diese Trennwände werden wohl auch zur Verfügung gestellt, wenn Sportler Angst vor Spionage der Konkurrenz haben). Was werden soll, wenn ein Libanese gegen einen Israeli antreten muß, war schon in vielen Präzedenzfällen zu bewundern: die Sportler aus arabischen Ländern oder dem Iran weigern sich schlicht. Das führt auch nicht etwa zu irgendwelchen Konsequenzen für das olympische Team des Israel boykottierenden Lands.

Es ist in den Augen des Olympischen Komittees absolut legitim, nicht gegen Israel antreten zu wollen, nicht mit Israelis auf einer Matte trainieren zu wollen, nicht mit Israelis im selben Wasser schwimmen zu wollen. Es hat keinerlei Konsequenzen, wenn man Israelis wie Parias behandelt.

Was lernen wir daraus?

Wir lernen daraus, dass europäische Athleten sich sogar an solche Regeln zu halten haben, die kein Gesetzgeber erlassen hat, und Rechte nicht ausüben dürfen, die jedem Menschen zustehen, weil sie sonst von Richtern, die niemand berufen und Zensoren, die niemand ernannt hat, aufgrund von Gesetzen, die es nicht gibt, um ihre Karriere gebracht werden, und zwar in einem Verfahren, gegen das die Hexenprozesse der Inquisition ein Muster an rechtsstaatlicher Sauberkeit waren, sekundiert von einer Presse, die für ihr Opfer offenkundig am liebsten die Guillotine fordern würde.

Dass aber Sportler aus islamischen Staaten sich sogar über solche Regeln hinwegsetzen dürfen, die nicht nur existent, sondern regelrecht in Stein gemeißelt sind, und Rechte in Anspruch nehmen dürfen, die sich nicht haben, weil Richter, die sehr wohl dazu berufen wären, diese Regeln durchzusetzen und ihre Einhaltung zu überwachen, dies nicht tun, sondern besagten Athleten und Verbänden gestatten, nicht nur dem Geist, sondern auch dem Buchstaben der olympischen Charta ins Gesicht zu schlagen und im olympischen Dorf eine Art Apartheid einzuführen, und dies unter stillschweigender Zustimmung besagter Presse.

Wir lernen, mit anderen Worten, dass es für die globalistischen Ideologen Menschen mit und solche ohne Rechte gibt, und dass wir Europäer zu den Letzteren gehören.

Aus meinem politischen Wörterbuch: „Staatsraison“

Bundespräsident Joachim Gauck hat es auf seiner Israel-Reise explizit abgelehnt, sich die Formulierung von Angela Merkel zu eigen zu machen, die Sicherheit Israels sei Teil der „deutschen Staatsraison“. Wie nicht anders zu erwarten, hat er dafür heftige Kritik geerntet.

So sehr Gaucks Präsidentschaft eine Enttäuschung ist: Wo er recht hat, hat er recht. Die Formulierung „deutsche Staatsraison“ im Zusammenhang mit der Sicherheit Israels zu verwenden, gehört zum typischen Repertoire substanzloser Phrasen einer politischen Klasse, die nationale Interessen nicht einmal zu denken wagt, geschweige denn zu formulieren versteht, und deren Vertreter daher in einem Sumpf aus ideologischen Fiktionen und unverarbeiteten Gefühlen herumwaten.

Auf die „Staatsraison“ kann man sich nur dann und nur insofern berufen, als man Interessen verfolgt, deren Nichtbeachtung die Existenz und Souveränität des eigenen Staates gefährdet. Nun haben wir gewiss ein Interesse an der Sicherheit Israels und eine Reihe von guten Gründen, Israel zu unterstützen. Ich will sie hier nicht noch einmal aufzählen – im Grunde ist es doch eine Selbstverständlichkeit, sich mit einem von einem aggressiven Islam bedrohten Israel ebenso zu solidarisieren, wie man sich mit – sagen wir – Finnland solidarisieren würde, wenn Russland Anstalten machte, es sich wieder einzuverleiben.

Die Existenz und Souveränität der europäischen Staaten – und nur darum geht es, wo von Staatsraison die Rede ist – würde freilich von einem Ende Finnlands so wenig tangiert wie von einem Ende Israels. Ganz nüchtern gesprochen, könnte Europa mit einem islamischen Israel zur Not leben, nicht aber Israel mit einem islamischen Europa, dessen Existenz die arabische Einkreisungspolitik gegenüber dem jüdischen Staat vollenden würde. So gesehen gibt es daher durchaus eine israelische Staatsraison, die Islamisierung Europas zu bekämpfen, in umgekehrter Richtung jedoch nur – aber immerhin! – ein starkes Eigeninteresse, das aber nichts mit der Staatsraison zu tun hat.

Allenfalls könnte man argumentieren, dass eine Flüchtlingswelle aus Israel, die zwangsläufig die Folge eines staatlichen Zusammenbruchs wäre, das ohnehin schon gestörte ethnische Gefüge Europas vollends aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Ende der europäischen Nationalstaaten beschleunigen würde; wer dies befürchtet – ja, der kann sich auf die Staatsraison berufen. Zugespitzt formuliert: Die NPD kann die Sicherheit Israels zum Teil der deutschen Staatsraison erklären, ohne die Konsistenz ihrer Ideologie preiszugeben; die Kanzlerin kann es nicht. Aus deren Mund ist das Gerede von der Staatsraison bloß rhetorischer Overkill.

Diese Feststellung hat nichts mit Sympathien oder Moral zu tun: Es ist einfach so. Fatal ist aber, wenn die Bejahung unsinniger Floskeln wie der von der „Staatsraison“ zu einer Frage der Moral erklärt wird. Es handelt sich um eine exemplarische Illustration des BRD-„Diskurses“, der „moralisches“ Engagement auf Kosten des besseren Arguments prämiert und dabei das Gegenteil von dem propagiert, was er angeblich propagieren will. Wer seine Sympathie für Israel ausgerechnet mit dem Holocaust, letztlich mit der Kollektivschuldthese begründet, erweckt den Eindruck, er würde ganz anders reden, wenn er kein Deutscher wäre, und untergräbt auf subtile und perfide Art Israels Position.

Wohlfeile Phrasendrescherei ist dort, wo das Schicksal ganzer Völker auf dem Spiel steht, nicht nur eine Fehlleistung, sondern beinahe schon ein Verbrechen. Insofern muss man dem Bundespräsidenten für seine nüchterne Klarheit in dieser Frage geradezu dankbar sein.

Bat Ye’or: „Europe, Globalization, and the Coming of the Universal Caliphate“ – Rezension

Noch immer ist es so, dass sich die Islam- und Islamisierungskritik auf den Islam selbst konzentriert, dies freilich mit wachsendem publizistischem Erfolg. Dass und warum der Islam ein Dschihadsystem ist, woher seine immanente Gewaltttätigkeit kommt, wie die Gebote des Islam sich in Strukturen islamischer Gesellschaften übersetzen und sie befähigen, nichtmuslimische zu verdrängen, das dürfte alles hinreichend geklärt sein. Der Islam ist ein System, das zur Expansion tendiert – sofern man es expandieren lässt.

Die Eine-Million-Euro-Frage lautet nun: Warum lässt man es expandieren?

Wer ist dafür verantwortlich, welche Ideologie liegt dem zu Grunde, welche Interessen stehen dahinter, welche Strukturen erlauben dieses Vordringen? Die Fragen so zu stellen bedeutet, den Blick weg vom Islam selbst und auf die Kollaborateure der Islamisierung in Europa und auf die europäische Politik insgesamt zu lenken. Bat Ye’Or fasst in ihrem Buch „Europe, Globalization, and the Coming of the Universal Caliphate“ nicht nur noch einmal die Thesen ihres früheren Eurabia-Buches prägnant und wohldokumentiert zusammen; sie bringt ihre Thesen vor allem auf den neuesten Stand, zumal die Islamisierung seit 2002 deutlich an Fahrt gewonnen hat.

Demnach wird die Politik der Verschmelzung Europas mit dem arabischen Raum schon seit 1967, spätestens aber seit 1973 betrieben und in einer Vielzahl von Institutionen auf Dauer gestellt. Seit den neunziger Jahren treibt die EU diese Politik verschärft voran. Sie äußert sich in Sprachregelungen, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Gleichschaltung von Forschung und Lehre an den Universitäten, Verordnung eines islamophilen Geschichtsbildes, Förderung muslimischer Immigration. Da die wesentlichen Entscheidungen auf supranationaler (meist europäischer) Ebene getroffen werden, bleiben sie dem Publikum weitgehend verborgen. Die Völker Europas werden vor vollendete Tatsachen gestellt.

Der muslimische Partner dieser Politik der Eurokraten ist die Organsation der Islamischen Konferenz (OIC). Bat Ye’Or unterwirft deren Programm einer detaillierten Analyse und zeigt, dass es sich um ein Dschihad-Programm handelt, das auf nicht mehr und nicht weniger als die Islamisierung Europas abzielt, wobei diese Islamisierung als Schritt zur islamischen Weltherrschaft aufgefasst wird. (Der von ihr in diesem Zusammenhang verwendete Begriff des „Kalifats“ ist eher als metaphorische Umschreibung für die Herrschaft des Islam zu verstehen.)

Es handelt sich um einen Krieg der europäischen Eliten gegen ihre eigenen Völker, also nicht nur gegen die Demokratie, sondern buchstäblich gegen den Demos.

Man kann Bat Ye’Or durchaus der liberalen Islamkritik zu rechen; von deren Mainstream hebt si esich aber dadurch ab, dass sie das Thema „Islamisierung“ in einen breiteren Kontext stellt, also seinen Zusammenhang mit Multikulturalismus, Zerstörung der Nationalstaaten, Herrschaft globalistischer (und Beseitigung demokratischer) Strukturen Sprache bringt. Sie belegt ihre Thesen mit einer beeindruckenden Materialfülle, ohne dabei den Faden zu verlieren. Die Art, wie sie mit der Akribie der Historikerin ihre Quellen aufmarschieren lässt, ist auch notwendig, weil das breite Publikum sonst nicht glauben würde, was es da liest: dass wir nämlich von einer Kaste von Verrätern regiert werden, die ihren Verrat auch noch institutionalisert haben.

Dass sich dies so verhält, ist mir und den Lesern dieses Blogs sicherlich schon lange klar, aber selbst mir tun sich bei der Lektüre noch Abgründe auf, so niederschmetternd ist es, Zeile um Zeile dokumentiert zu bekommen, wie lückenlos geschlossen dieses schwindelerregende System aus Lüge und Verrat ist, in dessen Klauen wir gefangen sind. Und wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um eine zusammengeschusterte Verschwörungstheorie; die Beweiskette ist geschlossen. Besonders deprimierend ist, wie die OIC-Programme wirklich Punkt für Punkt von den EU-Eliten übernommen und in Politik umgesetzt werden. Nein, es ist nicht Dummheit, es ist Verrat.

Die Schwächen des Buches, die es auch gibt, sind verglichen damit nur kleine Schönheitsfehler: Zum einen glaube ich, dass Bat Ye’Or das Pferd von hinten aufzäumt, wenn sie den Multikulturalismus und Globalismus als Funktion der Islamisierung auffasst statt umgekehrt. Ich bin im Gegensatz zu ihr bekanntlich der Meinung, dass die One-World-Ideologie schon lange zumindest implizit als Utopie der westlichen Politik, sowohl in Europa als auch in Amerika, zugrundeliegt, und dass der Islam als besonders aggressives System nur besonders hilfreich bei der Zerstörung der europäischen Nationen und des Christentums ist. Auch Bat Ye’Ors Konzentration auf die Situation Israels (man bekommt manchmal den Eindruck, die ganze Islamisierungspolitik sei nur dazu da, Israel zu zerstören) halte ich für einseitig, was freilich nicht heißt, dass ich die Fakten als solche bestreiten würde. Indem sie den Globalismus von der Islamisierung her interpretiert statt umgekehrt, entgeht ihr auch die besondere Rolle der USA in diesem Prozess, der aus ihrer Sicht geradezu ein euro-arabisches Komplott gegen Amerika darstellt.

Wie gesagt: Das sind kaum mehr als Schönheitsfehler. Die Engführung ihrer These hat immerhin den Vorteil, dass dadurch auch das Thema eingegrenzt und eine besonders stringente Argumentation ermöglicht wird.

Dass sie vom Paradigma des „Clash of Civilizations“ und einer liberalen Ideologie ausgeht, statt auch diese unter dem Gesichtspunkt zu hinterfragen, ob sie nicht selbst die Globalisierung und damit auch die Islamisierung vorantreibt, hat zugleich den Vorteil, dass der normale, nicht islamkritisch oder konservativ vorbelastete Leser ihre Thesen akzeptieren kann, ohne gleich sein gesamtes politisches Koordinatensystem über den Haufen zu werfen. Und selbst dort, wo dem Leser Unstimmigkeiten auffallen, werden sie ihn eher anregen, weiterzufragen, als das Buch beiseitezulegen.

Entscheidend ist aber, dass ihre Argumentation weit über das engere Feld der Islamkritik hinausweist und an einem konkreten Beispiel die Wirkungsweise der tatsächlichen (im Unterschied zu den bloß angeblichen) Machtstrukturen in Europa offenlegt. Die Art und Weise, wie die Islamisierung durchgesetzt wird, dass nämlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf supranationaler Ebene Fakten geschaffen werden, die dann „plötzlich“ als vollendete Tatsachen in der Welt sind oder sich als „Zeitgeist“ drapieren, gegen den man nichts machen könne – diese Strategie ist dieselbe, die auch bei anderen Themen, etwa dem Gender Mainstreaming, angewandt wurde und wird. Dies einmal quasi am lebenden Objekt durchdekliniert zu haben, ist allein schon Verdienst genug.

Trotzdem empfehle ich nicht, es zu kaufen, jedenfalls nicht die vorliegende englische Fassung. Warum? Weil es in absehbarer Zeit aus dem Resch-Verlag eine deutsche Fassung geben wird, die ganz hervorragend ist. Ich weiß das mit Bestimmtheit, weil ich selbst der Übersetzer bin.  😀

Dies ist übrigens auch der Grund, warum ich zur Zeit weniger blogge als üblich; ich möchte mit der Übersetzung zügig fertig werden, um dann endlich mein eigenes Buch über die Liquidierung der Zivilisation abzuschließen (und auch wieder mehr zu bloggen).

Wer delegitimiert Israel?

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus lädt für den 11.Juli in Berlin zu einer Diskussionsveranstaltung mit dem Journalisten Ulrich Sahm ein. Der Titel der Veranstaltung lautet:

Aktuelle Formen der Israelfeindschaft – Boykott – Blockadebrecher – Massensturm der Grenzen – einseitige Staatsausrufung

Die Veranstalter umreißen das Thema wie folgt:

„Klassische“ Kriege sind aus der Mode geraten. Die palästinensische Intifada und Selbstmordattentate „funktionieren“ nicht mehr richtig. Zaun, Mauer und andere israelische Maßnahmen zeigen Wirkung. Anstelle der „warfare“ ist nun die „lawfare“ getreten. Weltweit wird in Universitäten, im Internet, in der UNO und auf anderen Wegen gegen Israel „gekämpft“. Dieser „unbewaffnete“ Kampf soll Israel delegitimieren, mit Boykottaufrufen Israels Wirtschaft schädigen und mit Massenaufmärschen Israels Grenzen überrollen.

Dies ist offensichtlich der Fall. Die arabisch-islamische Strategie, Israel einzukreisen und von seinen Lebensadern abzuschneiden, musste zahnlos bleiben, solange nur die islamische Welt selbst sich daran beteiligte. Sie würde für Israel zur tödlichen Bedrohung, sofern Europa sie unterstützen sollte, und in der Tat zielt die muslimische Unterwanderungsstrategie in Europa nicht zuletzt darauf ab, genau dies zu erreichen.

Für diese Formen des Kampfes gegen Israel gibt es kaum Gegenmittel. (…) Für den Bestand Israels und das Ansehen des Staates selbst bei „guten Freunden“ und „Verbündeten“ bedeutet dieser ausgeklügelte Propagandakrieg eine echte Gefahr, der Israel fast hilflos ausgeliefert ist.

Auch dies ist korrekt. Die Frage lautet aber doch: Warum gibt es kein Gegenmittel? Warum ist es möglich, Israel zu delegitimieren und mit Boykottaufrufen zu überziehen?

Was tut Israel denn so Furchtbares? Es unterhält eine kampfstarke Armee („Militarismus“!), heißt nur solche Einwanderer willkommen, die zum eigenen Volk gehören („Rassismus!“), sperrt Angehörige eines Volkes, das regelmäßig Terroristen hervorbringt, mittels eines Zauns vom eigenen Staatsgebiet aus („Apartheid!“) und weigert sich, Millionen von Moslems die Einwanderung zu erlauben („Islamophobie!“).

Kurz und gut, Israels Politik zielt auf die Erhaltung der politischen, ethnischen, religiösen und kulturellen Identität des eigenen Volkes ab, und wird mir genau denselben diffamierenden demagogischen Schlagworten beantwortet, die Europäer mit vergleichbaren politischen Ansichten sich zuziehen. Die Prinzipien, die dieser Politik zugrundeliegen, sind also genau die, die man uns mit gewaltigem gewaltigem Aufwand an globalistischer, liberalpazifistischer Multikultipropaganda auszutreiben versucht. Das Ergebnis sieht genau so aus, wie ich es in einem Brief an meine israelische Bloggerkollegin Lila beschrieben habe:

Ihr beschwert Euch zu Recht, dass die Deutschen, und erst recht andere europäische Völker, zu wenig Verständnis für Eure Situation aufbringen und Euch mit Ratschlägen traktieren, deren Verwirklichung für Israel auf den nationalen Selbstmord hinausliefe. Nun frage ich Dich: Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?

Die Propaganda, die Boykottaufrufe, die Delegitimierungsstrategie der Palästinenser gegen Israel könnten niemals verfangen, wenn die Völker Europas nicht dazu dressiert worden wären, die Selbstbehauptung westlicher Nationen als etwas „Böses“ zu betrachten und aus Furcht vor der Nazikeule ihre existenziellen Eigeninteressen preiszugeben. Wer diese Dressur betreibt, delegitimiert Israel.

Unter diesen Umständen sollte es erstaunen, dass es — nicht nur, aber eben auch nicht zuletzt — gerade jüdische Organisationen sind, die diese Ideologie besonders engagiert propagieren und gegen Andersdenkende mit besonderer Häufigkeit und Aggressivität die besagte Keule schwingen. Man erinnere sich nur an den Auftritt von Michel Friedman, der mit dem Habitus des Chefanklägers in einem nordkoreanischen Schauprozess Thilo Sarrazin in die Nazi-Ecke zu drängen versuchte, nur weil dieser zutreffend davor gewarnt hatte, dass Deutschland sich abschafft. Was soll man daraus schließen, wenn nicht dies: dass Friedman will, dass Deutschland sich abschafft?

Dass sie dadurch Israel das Wasser abgraben, wird von diesen Leuten vielleicht nicht gewollt, aber billigend in Kauf genommen. Die von antisemitischer Seite als Vorwurf geäußerte Vermutung, Juden und jüdische Organisationen seien vor allem loyal gegenüber Israel, wird damit zwar widerlegt, aber auf eine Weise, dass man sich wünschen würde, sie wäre wahr, weil diese Organisationen dann wenigstens irgendjemandem gegenüber loyal wären.

Die Wahrheit ist schlimmer: Die Wahrheit ist, dass diese Leute alles andere eher tun werden, als ihren Kampf gegen die Fortexistenz der Völker Europas und ihrer Kultur einzustellen — lieber opfern sie Israel und nehmen in Kauf, dass ihre dortigen Glaubensbrüder von den Arabern „ins Meer getrieben“ werden. Als Kollateralschaden sozusagen. Man muss ja Prioritäten setzen.

Gemäßigte Islamisten

Ulrich J. Becker schreibt bei aro1.com:

Fuehrender Muslimbruder bedankt sich beim Iran fuer die “Unterstuetzung” in der aegyptischen Revolution, die er als eine “islamische Erwachung”sbewegung’ beschreibt und hofft, dass sein Land so werde, wie Iran:

Kamal al-Halbavi, sagte im persischen BBC:

Die Moslembrueder wollten in Aegypten “eine gute Regierung wie die iranische, und einen guten Presidenten wie Achmadinedschad, der sehr tapfer ist.”

Die Moslembrueder scheinen offenbar nicht genug deutsches Fernsehen zu sehen und den Erklaerung deutscher ‘Nahostspezialisten’ nicht genug zu lauschen, ansonsten haetten sie doch verstehen muessen, dass die aegyptische Revolution ganz anders als die iranische sei und auch sie selbst nur eine Art konservative Demokraten seien, doch keine Islamisten und Antisemiten.

Also, einfach mehr deutsches Fernsehen sehen, liebe Moslembrueder, dann versteht ihr euch selbst gleich viel besser und dann klappts auch mit der Demokratie.

(Soviel auch zum Thema ‘Sunna und Schia versteht sich nicht’. Zumindest in Sachen Islamismus und Israelhass scheint es ja zu klappen…)

Inzwischen in Jordanien…

Passend zum momentanen ‘Demokratie’trend in der arabischen Welt schliesst sich auch der neue jordanische Justiz(!)minister an: Der Frieden mit Israel ist ihm egal. Er aeusserte oeffentlich: Israel sei der “Feind” und ein “terroristischer Staat. Als Volk und Nation muessen wir vereint gegen ihn aufstehen.“

Bitte, liebe deutsche Nahostexperten, rettet uns! Erklaert diesem Mann einfach mal wie ‘gemaessigt’ er eigentlich ist, und dann sollte er es einsehen. Danke.

[Quelle: Moslembrueder wollen nicht auf deutsche Nahostexperten hoeren und bedanken sich jetzt beim Iran fuer die “grossartige islamische Revolution” und wuenschen sich einen “guten Presidenten wie Achmadinedschad”… | ARO1 – Israel, der Nahe Osten & der Rest der Welt.]

Die Jerusalemer Erklärung

Als Vertreter der FPÖ, der Schwedendemokraten, der „Freiheit“ und von Vlaams Belang im Dezember in Israel zu Gast waren, habe ich dem Vorgang keine besondere Bedeutung beigemessen (obwohl eine Überschrift „Israel bekennt sich zum Existenzrecht islamkritischer Parteien“ ihres milden Sarkasmus wegen reizvoll gewesen wäre). Das Bedeutendste an diesen Gesprächen war, dass sie überhaupt stattfanden. Anscheinend dämmert der israelischen Rechten allmählich, dass die Islamisierung Europas die arabische Einkreisungspolitik gegenüber Israel vollenden und ihrem Staat den Garaus machen würde.

Es ist daher aus israelischer Sicht durchaus naheliegend, islamkritische Parteien gleichsam koscher zu stempeln und ihre Diffamierung als „rechtsradikal“ dadurch wenigstens zu erschweren. Aus genau demselben Grund ist es für diese Parteien naheliegend, Kontakte nach Israel zu suchen. Hier haben sich zwei auf der gesunden Grundlage gemeinsamer Interessen gefunden, ohne einander große Zugeständnisse zu machen: Auf israelischer Seite wurde der Kontakt auf Initiative einzelner Politiker und Parteien aufgebaut, nicht etwa auf Initiative von Regierungsstellen, während andererseits die Stellungnahmen der europäischen Rechtspolitiker nichts enthalten, was nicht auch der Deutsche Bundestag hätte absegnen können.

Die Aufregung im israelkritischen bis antisemitischen Teil der Rechten, man habe sich hier von Israel „instrumentalisieren“ lassen, war insofern völlig gegenstandslos: Mit demselben Recht könnte man sagen, man habe umgekehrt Israel instrumentalisiert.

Ob das Bekenntnis zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels nun „einseitig“ war, wie die Kritiker bemängeln, oder ob man besser ein klares und entschiedenes „Einerseits-Andererseits“ formuliert hätte, ist schon deswegen belanglos, weil der Einfluss europäischer Staaten auf den Fortgang des Nahostkonflikts gegen Null tendiert. Dass die herrschende Politkaste sich und dem Volk gerne etwas Anderes einredet – wie schön kann man sich doch im Nahen Osten als Staatsmann von internationalem Format produzieren -, ändert an diesem Sachverhalt nichts.

Einfluss haben (bzw. erstreben) diese Parteien aber auf den Gang der Innenpolitik ihrer jeweiligen Länder. Statt um Kaisers Bart – also über die Nahostpolitik von Weltmächten wie der „Freiheit“ – zu streiten, wäre es weitaus sinnvoller gewesen, die Jerusalemer Erklärung unter dem Gesichtspunkt zu analysieren, was sie über die Programmatik und die ideologische Ausrichtung dieser Parteien aussagt. Nichts Gutes, fürchte ich.

Zunächst fällt auf, dass nicht etwa der Islam als Bedrohung thematisiert wird: Stets geht es um den „fundamentalistischen Islam“, den „Islam als totalitäres System“ (mit dem die „gemäßigten Muslime“ selbstredend nichts zu tun haben), man bekennt sich zur Aufklärung, die der Islam „noch nicht“ durchlaufen habe, verwahrt sich gegen „Terror“ und den „politischen Missbrauch von Religionen“ und erwähnt nicht, dass dieser „Missbrauch“ schon zu den Praktiken des Propheten Mohammed gehörte.

Dabei wäre es gerade in Israel doch passend, darüber zu sprechen: Die Palästinenser lehnen die Anerkennung Israels ja nicht deshalb ab, weil sie Islamisten wären, sondern weil sie Muslime sind. Die nationalistische Fatah denkt in diesem Punkt nicht anders als die islamistische Hamas. Israel könnte die Anerkennung sofort haben, wenn es bereit wäre, den Nachkommen der arabischen Flüchtlinge von 1948 (welche Nachkommen inzwischen dank Milliardenzahlungen aus dem Westen mehrere Millionen Menschen zählen) die „Rückkehr“ ins israelische Kernland zu ermöglichen; wenn es sich also der muslimischen Massenmigration genauso bereitwillig öffnen würde wie Europa. Israel würde dann aufhören, ein jüdischer Staat zu sein und geriete unter islamische Herrschaft. Die „Beleidigung Allahs“, die darin lag, dass ein nichtmuslimischer Staat im Dar al Islam gegründet wurde, wäre damit getilgt. (Dies ist übrigens auch der Grund dafür, dass die Palästinenser alles Andere lieber wollen als eine Zwei-Staaten-Lösung.)

Vor diesem Hintergrund ist es interessant, dass die Jerusalemer Erklärung gerade nicht ein Bekenntnis zum Recht Israels enthält, seine ethnische, religiöse und kulturelle Identität zu verteidigen. Mit einer solchen Erklärung hätte man für Israel nichts Anderes gefordert als das, was man auch für das eigene Land anstrebt.

Wenn man es denn anstrebt.

Eine solche Position wäre schlüssig und konsequent gewesen; sie hätte auch die Doppelmoral sowohl antisemitischer Rechter als auch (umgekehrt) proisraelischer, aber sonst multikulturalistischer europäischer Juden offengelegt, die für das eine Land fordern, was sie dem anderen verweigern wollen.

Die Jerusalemer Erklärung fordert aber nichts von alldem; sie bleibt strikt innerhalb der Leitplanken der liberalen, im Unterschied und Gegensatz zur konservativen, Islamkritik. Die oben konstatierte seltsame Leisetreterei gegenüber dem Islam ist mithin nicht etwa eine taktische Rücksichtnahme auf eine unvorbereitete öffentliche Meinung. Sie ist Ausfluss einer bestimmten Ideologie:

Wir betrachten uns als Teil des weltweiten Kampfes der Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten gegenüber allen totalitären Systemen und deren Helfershelfern. Damit stehen wir an vorderster Front des Kampfes für die westlich-demokratische Wertegemeinschaft.

Für die Werte-, nicht etwa Völker– oder wenigstens Kulturgemeinschaft! Werte sind universell; wer sie bejaht, tritt damit einer Wertegemeinschaft bei. Völker und Kulturen dagegen sind partikular.

Dabei lehnen wir jenen kulturellen Relativismus ab, der unter dem Vorwand der Achtung fremder Kulturen und Traditionen toleriert, dass Menschen, insbesondere nicht-islamische Minderheiten, in Teilen des muslimischen Kulturkreises in ihrem Recht auf Freiheit, Gleichheit und Mitbestimmung eingeschränkt werden. Dies gilt für alle Teile der Welt, selbstverständlich in erster Linie auch für Europa, da die Menschenrechte universell und geografisch unteilbar sind.

Der Kampf gegen die Islamisierung Europas ist also nur deshalb und nur insofern gerechtfertigt, als er mit dem Kampf für die Menschenrechte in der islamischen Welt verbunden wird.

  • Ob unsere Vorstellung von Menschenrechten in der islamischen Welt überhaupt verwirklicht werden kann, ohne dass die Gesellschaft kollabiert,
  • ob der Versuch, dies durchzusetzen, nicht viel eher zu einer Verhärtung des Islam und zu einer Betonung seiner totalitären Aspekte führen würde – dies war jedenfalls in den vergangenen 14 Jahrhunderten regelmäßig das Ergebnis einer Infragestellung des Islam als Grundlage der muslimischen Gesellschaften -, und zwar bis hin zur Talibanisierung,
  • ob wir überhaupt berechtigt sind, der islamischen Welt unsere Wertmaßstäbe aufzudrängen,

sind Fragen, die im Kontext einer universalistischen Ideologie gar nicht gestellt werden können.

Damit erübrigt sich für diese Ideologie auch die Frage, ob Völker das Recht haben, selbst zu bestimmen, wer zu ihnen gehören soll und wer nicht; dieses Recht haben sie nicht, wenn man den „Westen“ als „Wertegemeinschaft“ definiert, der man folglich beitreten kann.

Es erübrigt sich die Frage, ob zum Selbstbestimmungsrecht der Völker auch das Recht gehört, im eigenen Land entsprechend den eigenen Traditionen gemäß den Werten der eigenen Kultur zu leben; dieses Recht haben sie nicht, sofern diese Traditionen und Kulturen dem westlichen Wertekonsens widersprechen.

Es erübrigt sich die Frage „Wem gehört das Land?“: Das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Kapital eines Landes gehört nicht denen, deren Vorfahren es über Generationen hinweg aufgebaut haben, sondern Allen, die gerade dort wohnen.

Dies sind die Implikationen des Begriffs „Wertegemeinschaft“, eines Begriffs, der nicht zufällig zu den Standardfloskeln westlicher Politiker gehört. Wir sehen, dass diese „Wertegemeinschaft“ eine Reihe von „Werten“ ausschließt, die für die Völker Europas immer noch maßgeblich sind, nicht aber für ihre Eliten.

Deren Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie ist hohl, da Demokratie nicht als kollektive Selbstbestimmung eines Volkes aufgefasst wird (Demos=Volk), das sich seiner Zusammengehörigkeit bewusst ist, sondern einer bloßen „Bevölkerung“ als einer Ansammlung von Einzelpersonen. Und auch die Freiheit, wenn sie nicht in Anarchie oder (zu deren Bändigung) eine Diktatur abgleiten soll, setzt eine Kultur voraus, die auf dem Ethos der Selbstkritik, der Gleichwertigkeit aller Individuen, der Ächtung von Gewalt, der abstrakten Loyalität gegenüber der Nation und ihrer freiheitsverbürgenden Ordnung beruht – alles Wertorientierungen, die dem Islam fremd sind und die er deshalb nicht hervorgebracht hat, aus Gründen, die ich ausführlich in „Das Dschihadsystem“ dargelegt habe.

Die Möglichkeit von Freiheit und Demokratie beruht also auf einer in jeder Generation neu zu erbringenden Sozialisationsleistung, auf der Kontinuität des sozialen Zusammenhangs, letztlich auf der Wahrung der Kollektividentität der Völker, die diese Errungenschaften hervorgebracht haben. Die Rede von der „Wertegemeinschaft“ impliziert die Vorstellung, man könne diese Werte beliebig in andere Länder exportieren; sie impliziert umgekehrt, man könne Menschen mit ganz anderen Wert- und Verhaltensmustern in beliebiger Zahl nach Europa verpflanzen – sofern sie sich nur formal zu diesen Werten bekennen -, ohne die sozialen Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie zu zerstören.

Die Ideologie der „Wertegemeinschaft“ stempelt Jeden zum Dissidenten, ja zum Aussätzigen, der an der „Gemeinschaft“ nicht teilhat, sofern er in den genannten Punkten anders denkt als die westlichen Eliten; und dabei sind die Andersdenkenden immer noch die Mehrheit: Sich im eigenen Lande zu Hause zu fühlen, ist auch ein Menschenrecht – ür die Mehrheit, nicht aber  für die Eliten, und wenn diese Eliten mir dieses Recht absprechen, habe ich mit ihnen keine „Wertegemeinschaft“. „Wertegemeinschaft“ ist ein Kampfbegriff der westlichen Eliten gegen ihre Völker.

Angesichts des Tenors der Jerusalemer Erklärung ist es nur ein schwacher Trost, wenn es im letzten, im allerletzten Satz, schwammig und ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem vorher Gesagten heißt:

Das Recht auf Heimat ist ein Menschenrecht, welches für alle Völker zu wahren und umzusetzen ist.

Das zeigt bestenfalls, dass bei diesen Parteien noch nicht alles verloren ist – wobei es schlimm genug ist, dass ihnen die Implikationen der gängigen Phraseologie offenbar nicht klar sind. Pessimistisch betrachtet, ist es nicht mehr als ein Alibisatz.

Zwei Jahre nach dem Gazakrieg…

… veröffentlicht Jeremy Sharon im Australian eine knappe Skizze der Lage, wie sie sich aus der Sicht Israels und seiner Bürger darstellt. Übersetzung von Ruth:

Vor zwei Jahren erreichte der Nahe Osten wieder einmal den Siedepunkt, als Israel eine Militaeraktion im Gazastreifen begann.

Diese Aktion markierte das Ende von Israels Geduld, nachdem der Staat ueber 6000 Raketen- und Moerserangriffe auf seine Gemeinden und Staedte hingenommen hatte, seit er sich im August 2005 aus dem Gazastreifen zurueckgezogen hatte.

Noch wichtiger ist, dass der kurze, aber heftige Konflikt in den letzten Tagen des Jahres 2008 fuer viele Israelis den Moment bedeutet, in dem sie ihren Glauben an die Formel „Land fuer Frieden“ verloren. Fuer sie hat die Aufgabe von Land nicht zum Frieden gefuehrt, sondern einfach zu noch mehr Krieg.

Waehrend die internationale Gemeinschaft den todgeweihten Friedensprozess wiederbeleben moechte, indem sie vor allem auf Israel Druck ausuebt, ist es wichtig, dass dieses Gefuehl beruecksichtigt wird. Eine vor kurzem erhobene Umfrage des Instituts fuer Nationale Sicherheitsstudien in Israel zeigt: Vor dem einseitigen Rueckzug Israels aus dem Gazastreifen unterstuetzten 60% der israelischen Bevoelkerung die Errichtung eines palaestinensischen Staates. Dieses Jahr waren es knapp 50%. Der Grund fuer diesen steilen Abfall ist nicht schwer herauszufinden.

In den drei Jahren nach Israels Aufgabe des Gazastreifens, hat die Hamas den Gazastreifen aufgeruestet, Gilad Shalit gekidnapt, die der Fatah und PA Praesident Mahmud Abbas loyalen Kraefte vertrieben und mehr als 6000 Raketen und Moerser auf Israels Gemeinden und Staedte abgefeuert.

Wenn man daran denkt, in welcher Weise Hisbollah das Machtvakuum nach Israels Rueckzug aus dem Suedlibanon im Jahr 2000 ausgefuellt hat, dann wird das Abwaegen fuer die Israelis klar. Zwei Rueckzuege in fuenf Jahren haben ihre Sicherheit deutlich und in nicht umkehrbarer Weise beeintraechtigt. Ein weiterer Rueckzug, diesmal aus dem Westjordanland, koennte selbstmoerderisch sein.

Der Ausgang der israelischen Wahlen vor einem Jahr speigelt dieses Ueberlegungen wider. Die Regierung der Tauben unter Ehud Olmert und Tzippi Livni wurde abgewaehlt und an ihre Stelle trat die abgebruehtere Koalition von heute.

Diese Haltung ist auch hinter der gegewaertigen Verhandlungsposition der vom Likud gefuehrten Regierung zu erkennen. Die Israelis bestehen darauf, dass israelische Truppen sowohl an der West- wie an der Ostgrenze eines kuenftigen Staates Palaestina stationiert werden. Fuer Israels langfristige Sicherheit haelt man das fuer unerlaesslich, und ist eine der unangreifbaren Lektionen, die aus Abzug aus dem Gazastreifen und dem Militaerkonflikt mit dem Gazastreifen 2008 gelernt wurden. Die andere Lehre, die Israel aus der Aktion „Gegossenes Blei“ zog, ist, dass das Land sich in keiner Weise darauf verlassen kann, dass die internationale Gemeinschaft sein Recht auf Selbstverteidigung anerkennt. Nachdem allein im Jahr 2008 ueber 3000 Raketen und Moerser auf Israel niedergingen, meinte die israelische Regierung, es sei ihr gutes Recht, die unertraegliche Situation, worin vor Beginn von „Gegossenes Blei“ hunderttausende israelischer Buerger leben mussten, zu einem Ende zu bringen.

Aber die Flutwelle von Verurteilungen, Anklagen, diplmatischen Attacken und Empoerung in den Medien, die Israel ueberspuelte, weil es die Unverschaemtheit besass, die eigenen Buerger zu verteidigen, war selbst fuer Israel noch nie dagewesen. Diese Kampagne gipfelte im Goldstonebericht, der, wenn er umgesetzt wuerde, die israelische Armee grundsaetzlich an der Verteidigung israelischer Buerger hinderte, falls der Angriff von zivilen Stellungen aus erfolgen sollte, wie es vor der Militaeraktion „Gegossenes Blei“ der Fall war.

Vor diesem Hintergrund sind Israels Befuerchtungen hinsichtlich eines Rueckzugs aus dem Westjordanland einleuchtend. Fuer Israelis ist klar: Sollten die staedtischen Gebiete der Westbank fuer Raketenabschussrampen genutzt werden, wie es im Gazastreifen passiert ist, dann wuerde die internationale Gemeinschaft Israel das Recht auf Selbstverteidigung absprechen. Die israelische Oeffentlichkeit neigt daher eher dazu, auf das Risiko in ihren Haeusern in Tel Aviv bombardiert zu werden, zu verzichten, trotz der internationalen Missbilligung, die eine solche Wahl begleitet.

In der Folge von „Gegossenem Blei“ hat Israel nicht nur die internationale Verurteilung erlitten, sondern auch eine Reihe gebrochener Versprechen. Fuehrende Politiker wie der franzoesische Praesident Nicolas Sarkozy und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprachen von der Notwendigkeit dafuer zu sorgen, dass Hamas keine Waffen in den Gazastreifen schmuggelt. Aber diese und andere internationale Fuehrer haben die umfassende Wiederaufruestung der Hamas nicht verhindert, und heute verfuegt diese vom Iran gesteuerte Guerillaarmee ueber modernere Waffen und Raketen als vor „Gegossenem Blei“.

Die Schlussfolgerung, die Israel aus dieser schockierenden Nachlaessigkeit zieht, liegt auf der Hand: Es kann sich auf niemanden verlassen, um seine Buerger zu verteidigen und fuer sein Recht auf Selbstverteidigung einzutreten. Mit diesen angesammelten Gefuehle muessen sich diejenigen auseinandersetzen, die einen palaestinensischen Staat einrichten wollen. Von Israel kann nicht erwartet werden, seine Sicherheit externen Kraeften anzuvertrauen.

Wenn der Friedensprozess irgendwohin fuehren soll, dann muessen die Erfahrungen Israels in den letzten beiden Jahren von der internationalen Gemeinschaft ins Boot geholt warden. Wenn sie einfach ignoriert werden, dann werden die Israelis sich niemals sicher genug fuehlen, um sich aus der Westbank zurueckzuziehen und ein Klima des Vertrauens kann nicht aufgebaut werden.

Unter diesen Umstaenden wird der Konflikt im Nahen Osten weiter schwelen, und die Aussichten auf Frieden sind aeusserst duerftig.

Das Verbrechen des Julian Assange

„Julian Assange ist ein gefährlicher Verbrecher, weil er das herrschende Dogma in Bezug auf alles, was das Verständnis des Nahen Ostens im 21. Jahrhundert betrifft, aufgesprengt hat.

Das Dogma besagt folgendes: Das Kernproblem im Nahen Osten ist der israelisch-palästinensische Konflikt. Das Kernproblem innerhalb des israelisch-palästinensischen Konflikts ist die Besatzung. Das Kernproblem der Besatzung sind die Siedlungen. Demzufolge müsse man lediglich die Siedlungen stoppen, damit die Besatzung verschwindet, der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst und der Nahe Osten stabil wird.

Im vergangenen Jahrzehnt wurde das Dogma fixiert und heilig gesprochen. Es wurde zu einer Art unerschütterlichem Glaubenssatz. Dies war die Wahrheit, auf die man sich im Weißen Haus, im Elysee-Palast und in Downing Street Nr. 10 einschwor. Dies war die Wahrheit, von der in der Washington Post, in Le Monde und im Guardian berichtet wurde. Dies war die Wahrheit von höchstem moralischem Gewicht, die die Weltanschauung der aufgeklärten Eliten im Westen geprägt und die Politik der westlichen Mächte geleitet hat.

Dann kam Julian Assange und sprengte das Dogma. Die geheimen Berichte, die WikiLeaks veröffentlicht hat, beweisen, dass nicht die Siedlungen, nicht die Besatzung und nicht der israelisch-palästinensische Konflikt die Kernprobleme des Nahen Ostens sind. Die geheimen Emails beweisen, dass die Welt, über die man in Washington, Paris und London spricht, eine Phantasiewelt ist. Assange hat bewiesen, dass keinerlei Verbindung besteht zwischen dem wirklichen Nahen Osten und dem Nahen Osten, von dem man in der Washington Post, in Le Monde und im Guardian spricht. Er legte die Tatsache offen, dass die gesamte arabische Welt heute nur mit einem einzigen Problem beschäftigt ist: Iran, Iran, Iran.

Kein Zweifel: Julian Assange ist ein gefährlicher Verbrecher. Allerdings ist Assange nicht gefährlich, weil er in das Informationssystem des Pentagon eingedrungen ist, sondern weil er den Mangel an intellektueller Geradlinigkeit der westlichen Intelligenz offengelegt hat. Assange ist nicht gefährlich, weil er in nicht gekanntem Ausmaße Staatsgeheimnisse hat durchsickern lassen, sondern weil er vor uns allen aufgedeckt hat, dass der hegemoniale Diskurs im Westen oberflächlich und verlogen ist. Assange ist nicht gefährlich, weil er die Bündnispartner des Westens blamiert hat, sondern weil er bewiesen hat, dass der Westen von einer politischen Korrektheit befallen ist, der ihn von der politischen Wirklichkeit abschneidet.“

(aus einem Kommentar von Avi Shavit in Haaretz, deutsche Übersetzung bei Achse des Guten)

Friede für den Nahen Osten – ein Gedankenspiel

Ich habe mich in diesem Blog bekanntlich schon des öfteren über die Illusionen lustig gemacht, die eine verblendete Journaille unter der Überschrift „Nahost-Friedensprozess“ unter die Leute bringt.

Wahrscheinlich wären die meisten arabischen Potentaten bereit, mit Israel Frieden zu schließen, nicht aber ihre Völker. Ein Jassir Arafat wäre zu einem Friedensschluss nicht einmal dann imstande gewesen, wenn er ihn gewollt hätte: Die notwendigen Kompromisse, ja allein schon das Zugeständnis, dass Israel ein legitimes Existenzrecht hat, hätte ihn vermutlich um seine Macht und die Islamisten ans Ruder gebracht. Bisher haben zwei arabische Staatschefs mit Israel Frieden geschlossen, und der eine – Sadat – wurde prompt ermordet. Welcher Machthaber möchte schon so enden? Bezeichnend ist auch, dass die Türkei, die praktisch als einziger muslimischer Staat mit Israel lange Zeit freundschaftlich zusammengearbeitet hat, in dem Maße auf Gegenkurs geht, wie die Re-Islamisierung voranschreitet. Das Problem ist der Islam, und da eine Ent-Islamisierung der arabischen Welt nicht zu erwarten ist – im Gegenteil -, wird der Nahostkonflikt nie enden und kann von Israel nur verwaltet und im Zaum gehalten werden.

Dies jedenfalls ist meine bisherige Analyse. Ich gebe zu, dass ich es als frustrierend empfinde, meine israelischen Freunden, die nichts sehnlicher wünschen, als endlich in Sicherheit und Frieden zu leben, mit dieser deprimierenden Auskunft abzufinden.

Ich habe deshalb über die Frage noch einmal nachgedacht: Vielleicht gibt es doch einen Weg, die Araber dazu zu bringen, die Existenz Israels als legitim anzuerkennen, und dies nicht nur auf dem geduldigen Papier staatlicher Verträge, sondern auch in den Köpfen der arabischen Massen. Der folgende Vorschlag mag aus meinem Munde exotisch, ja skurril klingen. Ich behaupte auch nicht, den Stein der Weisen gefunden zu haben; es handelt sich um ein Gedankenspiel – nicht mehr, nicht weniger:

Die Legitimität Israels beruht rechtlich auf zwei Säulen: zum Einen auf der UNO-Resolution 181, die von den Juden anerkannt wurde, von den Arabern aber nicht; zum Anderen auf der normativen Kraft des Faktischen: Das Völkerrecht anerkennt und legitimiert jeden de facto existierenden Staat, also jedes Gebilde, das innerhalb definierter Grenzen in der Lage ist, das Gewaltmonopol auszuüben und dabei über ein definiertes Staatsvolk verfügt. Anders gesagt: Israel ist durch westliche Rechtsauffassungen legitimiert, nicht aber durch islamische, nicht durch die Scharia.

Das Problem besteht nun darin, dass die Scharia aus der Sicht von Muslimen buchstäblich den Willen Gottes verkörpert. Die Grundkonzeption des Islam macht es unmöglich, Glaube, Recht und Politik voneinander zu trennen. Ein arabischer Staatschef kann aus der Sicht seiner Untertanen mit seiner Unterschrift gar kein Recht in dem Sinne setzen, dass eine moralische Verpflichtung zu seiner Einhaltung bestünde, jedenfalls nicht, sofern er damit gegen die Scharia verstößt. Das islamische Recht beruht auf Ideen von politischer Legitimität und Gerechtigkeit, die von Muslimen tief verinnerlicht worden sind und denen gegenüber staatliches positives Recht bedeutungslos ist.

Aus dieser Perspektive ist jedes Gebiet, das einmal zum Dar al-Islam gehörte, also unter muslimischer Herrschaft stand, für immer und ewig von Rechts wegen Teil des islamischen Machtbereichs, und ist jeder von Nichtmuslimen beherrschte Staat, der innerhalb dieses Gebietes errichtet wird, von vornherein ein Aggressor, gegen den die Muslime zum Dschihad verpflichtet sind. (An der Peripherie, etwa in Spanien oder Griechenland, mag man es gerade noch dulden, nicht aber im Zentrum. Bezeichnend ist auch, dass die Rückeroberung von „Al-Andalus“ – Spanien – in dem Moment wieder zum Thema wird, seit sie durch Massenmigration von Muslimen in den Bereich des Möglichen gerückt ist.)

Die westlichen Friedensillusionen beruhen auf dem tiefen Unverständnis westlich-liberal erzogener Menschen gegenüber dem religiösen Charakter islamischer Rechtsvorstellungen – oder auf der Hoffnung, Muslime zu westlichen Liberalen umerziehen zu können: ein Unterfangen, das ich als schlichtweg aussichtslos bezeichne, von der Frage seiner Legitimität ganz abgesehen.

Wer also will, dass Muslime von sich aus (d.h. ohne durch Drohungen dazu gezwungen zu sein) das Existenzrecht Israels anerkennen, muss einen Dreh finden, Israels territoriale, ethnische und religiöse Integrität und seine Unabhängigkeit mit der Scharia unter einen Hut zu bekommen. Hier gilt, was Walter Ulbricht über West-Berlin sagte: Wer auf einer Insel lebt, sollte das Meer nicht ignorieren.

Das islamische Recht fordert, dass es im Dar al-Islam nur solche Gebiete geben darf, deren Herrscher Muslime sind. Es ist nicht erforderlich, dass ihre Bevölkerung aus Muslimen besteht; auf die Herrschaft kommt es an.

Würde Israel einen Schutzvertrag mit einem islamischen Herrscher schließen, sagen wir: mit dem König von Jordanien, und dessen Oberhoheit anerkennen, dann wäre der Scharia möglicherweise Genüge getan.

Um Gottes Willen, wird jetzt Mancher sagen, das wäre ja ein Dhimmivertrag! Ja, rechtstechnisch wäre es genau dies, und ein solcher Vertrag führt dazu, dass es Muslimen untersagt ist, gegen ein Volk, das ihn abgeschlossen hat, Krieg zu führen; dieser wäre dann zumindest nicht als Dschihad zu legitimieren.

Die Scharia schreibt den Inhalt solcher Verträge nicht konkret vor. Es gibt zwar die klassischen historischen Präzedenzfälle, also Verträge, nach denen die Dhimmis ihre Waffen abzuliefern haben, keine Synagogen bauen und den Islam nicht kritisieren dürfen usw. Solche Bestimmungen wären für Israel selbstverständlich inakzeptabel. Aber wie gesagt: Das muss nicht drinstehen.

Für Israel wäre nur ein Vertrag akzeptabel, der seine faktische Unabhängigkeit unangetastet lässt, bei dem die muslimische Oberhoheit also rein symbolischer Natur wäre. Die Frage ist, ob ein solches Arrangement mit dem islamischen Recht vereinbar wäre.

Nun ja, ich bin nicht die Al-Azhar, aber in der islamischen Geschichte hat es durchaus Konstellationen gegeben, wo eine an sich geforderte faktische durch eine rein symbolische Herrschaft ersetzt wurde, ohne dass das islamische Recht dadurch verletzt worden wäre; überhaupt hätte die Scharia ihre legitimitätsstiftende Kraft wahrscheinlich längst eingebüßt, wenn sie nicht immer wieder an faktische Machtverhältnisse angepasst worden wäre. Dies war zum Beispiel in der Endphase des Abbasidenkalifats der Fall, als de facto unabhängige Machthaber bloß noch pro forma vom Kalifen bestätigt wurden; auch die osmanische Herrschaft zum Beispiel über Ägypten war zum Schluss rein fiktiver Natur. Es genügte, dass die Fiktion de jure anerkannt wurde.

Grundsätzlich sollte man nicht vergessen, welche Bedeutung die islamische Kultur mit ihren traditionellen Ehrbegriffen auch und gerade der symbolischen Ebene von Politik beimisst. Die Gründung Israels war aus islamischer Sicht eine Beleidigung Allahs, da sie Sein Recht verletzte; sie könnte durch einen symbolischen Akt, durch den Israel diesem Recht Genüge tut und sich als Teil des Dar al-Islam definiert, möglicherweise aus der Welt geschafft werden.

Des weiteren gehört zur Dhimmitude die innere Autonomie nichtmuslimischer Gemeinschaften. Zwar kenne ich kein Beispiel, wo diese Autonomie einem ganzen Staat gewährt worden wäre; es wäre zweifellos eine Innovation, aber immer noch eine, die sich auf dem Boden islamischer Rechtsvorstellungen bewegt.

Nimmt man beide Rechtsfiguren zusammen, also die Reduktion von faktischer zu symbolischer Herrschaft und die Autonomie nichtmuslimischer Gemeinschaften, dann könnte man Israel in das Dar al-Islam integrieren, ohne seine Unabhängigkeit zu gefährden. Ob eine solche Konstruktion tatsächlich funktioniert, würde letztlich von der Haltung der islamischen Rechtsgelehrten abhängen, speziell von denen, die der Muslimbruderschaft nahestehen. Falls die ihr Plazet geben, könnte es funktionieren; wenn nicht, sollte man es gar nicht erst versuchen.

Ein Brief nach Rungholt

Lila („Letters from Rungholt“) war vor einigen Tagen mit einer Gruppe israelischer Studenten in Berlin und schreibt in ihrem Blog über ihre Erlebnisse unter anderem dies:

Es war wunderbar, und Berlin ist eine Stadt, die selbst auf den widerstrebendsten Besucher sehr stark wirkt. Ich habe vieles neu entdeckt, auch durch die Augen der Studenten, die sehr beeindruckt waren von der Vielfalt der Erinnerungskultur. Das war ja unser Thema.

Ich weiß, daß Broder meint, mit dem Mahnmal an der Ebertstraße kauft das offizielle Deutschland sich frei, und kann jetzt nach Löschung der Sündenkartei getrost weiter sündigen. Das klingt zwar schön zynisch und einleuchtend, erklärt aber nicht, warum weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen. Und es erklärt auch nicht, warum junge und ältere Besucher auf eigene Faust (also ohne Gruppe oder Klasse) ins Dokumentationszentrum kommen, sich dort ernsthaft in das Material versenken und sehr, sehr nachdenkliche Gesichter haben. Mein geschätzter Kollege, dessen Familie von der Shoah schwer gezeichnet ist, war jedenfalls von den Gesichtern der jungen Deutschen an diversen Gedenkstätten positiv berührt und meinte, das hätte er nicht erwartet.

Ich kann nicht anders: Auf mich wirkt inzwischen diese Art von Lob, gerade weil es so aufrichtig ist, deprimierender als die schärfste Kritik: nicht nur, weil wir heutzutage andere Probleme haben als die Frage, ob wir den Nationalsozialismus auch ja richtig „aufgearbeitet“ und „bewältigt“ haben, sondern weil gerade die inflationäre „Aufarbeitung“ und „Bewältigung“ ganz erheblich zu unseren Problemen beiträgt.

Von außen ist das wahrscheinlich nicht ohne Weiteres erkennbar, und Lilas Blick, obwohl sie Deutsche ist, ist nach über zwanzig Jahren in Israel eben doch einer von außen. Ich habe ihr deshalb mit einem langen Kommentar geantwortet, den ich seiner grundsätzlichen Bedeutung wegen auch hier in meinem eigenen Blog einstelle:

„Liebe Lila, ich hoffe, ich schockiere Dich nicht zu sehr, wenn ich sage, dass ich Deine Begeisterung über die „Vielfalt der Erinnerungskultur“, darüber, dass „weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen“ und über die „sehr, sehr nachdenkliche(n) Gesichter“ der Besucher des Holocaust-Dokumentationszentrums nicht nur nicht zu teilen vermag, sondern die beiden entsprechenden Absätze auch mit einiger Beklemmung gelesen habe.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mit dieser „Erinnerungskultur“ täglich konfrontiert und von ihr entsprechend genervt bin. Du gehst zum KaDeWe und wirst mit den Namen von einem Dutzend Konzentrationslager erschlagen („Orte des Schreckens, die wir nie vergessen dürfen“); du gehst in Spandau am Lindenufer spazieren und erfährst, dass hier bis 1938 eine Synagoge stand; du gehst irgendwo und siehst Messingklötze ins Pflaster eingelassen, auf denen steht, dass hier der und der deportiert worden ist; Gedenktafeln, Mahnmale, Denkmäler an allen Ecken und Enden; du schaltest den Fernseher ein, und wenn du keine Daily Soap sehen willst, landest du auf Phoenix und damit nicht selten bei Guido Knopp und seiner Endlosschleife von Geschichtsklischees.

Wäre das alles nur nervig, man könnte es ertragen. Es ist aber weitaus mehr als das.

Es ist schon etwas dran an dem Spruch, wer sich der Geschichte nicht erinnern wolle, sei gezwungen, sie zu wiederholen. Nähme man ihn ernst, so würde man sich bemühen, blinde Flecken im eigenen Geschichtsbild nicht zuzulassen. Was bei uns aber als „Erinnerung“ zelebriert wird, ist im höchsten Maße selektiv:

Nicht nur, dass „Geschichte“ auf zwölf Jahre Nazizeit und alles andere zur bloßen Vorgeschichte schrumpft; selbst diese Geschichte und Vorgeschichte beschränkt sich auf den Krieg und den Holocaust, und für diese beiden werden rein ideologische Faktoren verantwortlich gemacht, speziell ein angeblich spezifisch deutscher Hang zu Militarismus, Nationalismus und Rassismus.

Würde man der breiten Öffentlichkeit ein etwas komplexeres Bild der Zusammenhänge vermitteln, dann würde eine Rolle spielen, dass die Demokratie von Weimar an der Unfähigkeit einer politischen Klasse scheiterte, Probleme zu sehen und in Angriff zu nehmen, die in der jeweiligen Parteiideologie nicht vorgesehen waren und deshalb nicht existieren durften. (Die Millionen, die NSDAP wählten, taten es nicht zuletzt deshalb, weil die Inkompetenz aller anderen Kräfte bereits offen zutage lag.) Man könnte sonst Parallelen zur heutigen politischen Klasse ziehen, wo der einzige Unterschied zu Weimar darin besteht, dass sie alle dieselbe realitätsblinde Ideologie vertreten.

Es würde eine Rolle spielen, dass mit den permanenten Umwälzungen und Katastrophen von 1914 an Millionen von Menschen der Boden, auf dem sie gestanden hatten, unter den Füßen weggezogen und eine politische, ökonomische, aber auch sittliche und kulturelle Orientierungslosigkeit erzeugt wurde, die eine Umwertung aller Werte, wie sie von den Nationalsozialisten propagiert wurde (und die im Kaiserreich undenkbar gewesen wäre) erst möglich machte. Würde man sich daran erinnern, so wäre man womöglich zurückhaltender mit Sozialexperimenten wie der Zersetzung der Familie, der Banalisierung des Christentums und der multikulturellen Entdeutschung des eigenen Landes.

Man würde sich daran erinnern, dass diese Katastrophen allesamt in dem seit der Jahrhundertwende betriebenen Politik der Westmächte wurzelten, Deutschland kleinzukriegen. (Selbst wenn man diese These, die ich selbst für richtig halte, nicht teilt – entscheidend ist, dass sie von den damaligen Deutschen aus guten Gründen geglaubt wurde.) Und eine Öffentlichkeit, die sich dessen bewusst wäre, würde wohl kaum hinnehmen, dass eine – pardon – völlig verblödete Kanzlertrutsche nach Paris fährt, um dort den Waffenstillstand von 1918 zu feiern.

Es würde eine Rolle spielen, dass die Unterstützung für Hitlers Aufrüstungsprogramm nicht etwa aus irgendeinem „Militarismus“ resultierte, sondern aus der Erfahrung, dass Wehrlosigkeit ausgenutzt wird, und womöglich würde sich an eine solche Erkenntnis die Frage knüpfen, ob es eine gute Idee ist, die eigenen Streitkräfte so umzubauen, dass sie noch als internationale Polizeitruppe, aber kaum mehr zur Verteidigung des eigenen Landes taugen. Man würde sich auch fragen, welcher Teufel eine politische Klasse reitet, die die Souveränität und Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes zur Disposition eines Westens stellt, dessen Deutschfeindlichkeit schon vor 1933 evident war.

Und wenn man die Dinge in einem größeren europäischen Zusammenhang sieht, würde einem auffallen, dass die Demokratie zwar nicht in Deutschland, wohl aber in etlichen anderen europäischen Ländern an der Unmöglichkeit gescheitert ist, ethnisch heterogene „Bevölkerungen“ zu staatstragenden Nationen zu formen – was zu der Frage führen würde, ob Demokratie mit solcher Heterogenität überhaupt vereinbar ist.

Vor allem aber würde eine solche Sichtweise dazu führen, dass man begänne zu verstehen, worauf der Erfolg der Nationalsozialisten beruhte, und dass dies nicht einfach die Dummheit oder Bösartigkeit unserer Großeltern war, und speziell nicht einfach eine angeborene, mindestens aber kulturell verinnerlichte ideologische Verblendung. Dann wäre auch der neurotischen Selbstverdächtigung der Deutschen der Boden entzogen, auf dem jetzt der Kampf gegen Rechts geführt wird, dessen psychologische Grundlage eben diese Selbstverdächtigung ist. Wer sich nämlich selbst verdächtigt, qua Nationalität vom „Ungeist“ des Nationalismus und verwandter Ideologien infiziert zu sein, wird alles tun zu beweisen, dass er zu den nichtinfizierten „Guten“ gehört. Und genau dies ist auch der Sinn der Sache.

Es wird keine historische Aufklärung betrieben. Stattdessen konfrontiert man Kinder und Jugendliche mit Bildern von Auschwitz und Bergen-Belsen, die ob ihrer Schock- und Horrorwirkung auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften stünden, wenn sie in irgendeinem andern Zusammenhang entstanden wären. Man erklärt Auschwitz zum „Gründungsmythos der Bundesrepublik“ und kommt nicht auf die Idee, dass bereits an der Formulierung irgendetwas krank sein könnte. Das Monstrum von einem Mahnmal, das man nicht zufällig direkt ans Brandenburger Tor geklotzt hat, enthält just diese Ideologie, buchstäblich in Stein gehauen. Man baut eine ganze Staatsideologie auf einem „Nie wieder“ auf, so als ob es für ein Volk und ein Staatswesen andere Gefahren nicht geben könnte, und verdächtigt als rechtsextrem, wer auf solche Gefahren hinweist.

Wenn man sich die Politik der deutschen – aber weiß Gott nicht nur der deutschen – Eliten ansieht, dann ahnt man auch, warum das geschieht. Da werden die Schleusen für Einwanderer geöffnet, deren Kultur mit unserer unvereinbar ist und die selbst bei engstirnigster ökonomischer Betrachtung alles andere als eine Bereicherung darstellen. Angeblich brauchen wir sie aus demographischen Gründen, sprich weil wir nicht genügend Kinder bekommen. Letzteres trifft zu.

Wenn aber dieselben Eliten, die dies feststellen (und damit die „Notwendigkeit“ von Immigration begründen) eine Politik treiben und eine Ideologie verbreiten (um nur zwei Beispiele zu nennen), wonach Frauen unbedingt Karriere machen müssten, weil sie sonst „benachteiligt“ seien, und wonach Homosexualität eine in jeder Hinsicht gleichberechtigte Lebensform sein müsse (obwohl sie das für ein Volk, das auch in Zukunft existieren möchte, erst recht für eines, das sich in einer demographischen Krise befindet, schlicht und einfach nicht sein kann), dann wird deutlich, dass die demographische Krise nicht gelöst, sondern benutzt werden soll, um die einheimischen Völker Europas in ihren eigenen Ländern in die Minderheit zu drängen.

(Es geht an dieser Stelle nicht um die Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die Karriere machen wollen und können, daran nicht durch ihr Geschlecht gehindert werden sollen, sondern dass man mit massivster Propaganda und Quotenregelungen einen Sog erzeugt, der Frauen vom Familienleben fernhält. Im Einzelfall mag Familie und Karriere vereinbar sein, in der Masse ist sie es garantiert nicht. Es geht auch nicht um die Selbstverständlichkeit, dass ein freiheitlicher Staat sich nicht in das Intimleben seiner Bürger einmischt, sondern darum, dass man Jugendliche systematisch zur Homosexualität ermutigt und sie als attraktive Lebensform propagiert.)

Dieselben Eliten arbeiten daran, die Souveränität des Nationalstaats auf supranationale Organisationen zu übertragen, deren Daseinszweck darin besteht, alle Staaten, die ihnen angehören, einem einheitlichen Regelwerk zu unterwerfen, das damit zwangsläufig der demokratischen Kontrolle entzogen ist. Der Anwendungsbereich solcher Regeln, die angeblich auf internationaler Ebene notwendig sind, wird dabei zielstrebig immer mehr erweitert.

Nimmt man das alles zusammen: die systematische Verschärfung der demographischen Krise, die „Lösung“ durch forcierte Masseneinwanderung und die Selbstentmündigung der demokratischen Nationalstaaten, so lautet die Quintessenz, dass Völker als soziale Gegebenheiten wie als politische Einheiten aufhören sollen zu existieren – und das ist keine durchgeknallte rechte Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik: Man muss nur die wohlklingenden Phrasen von der „europäischen Integration“, der „Weltinnenpolitk“, von der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, von der „kulturellen Bereicherung“, den Segnungen der „Diversität“ und von der „Offenheit“ (eines Scheunentors) auf ihren rationalen Kern hin befragen und sich die Implikationen und Konsequenzen vor Augen halten, die es haben muss, wenn die westlichen Staaten einer solchen Ideologie folgen, dann liegt auf der Hand, dass hier die Utopie eines Weltsystems verfolgt wird, in dem Völker so wenig existieren werden wie Demokratie.

Nun steht einer solchen Politik die natürliche Neigung des Menschen entgegen, sich in Völkern zu organisieren (oder, abstrakter gesprochen: in Gruppen, die größer sind als die Familie, aber kleiner als die Menschheit), und deren Erhaltung und Entfaltung als hohen Wert zu empfinden. Da man dieses Empfinden nicht totkriegen kann, muss man es mit einem negativen Vorzeichen versehen. Da die Identifikation mit dem eigenen Volk eine anthropologische Konstante ist, sollen die Menschen wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei haben und ihre eigenen, als „böse“ markierten Gefühle umso eifriger auf Andersdenkende projizieren, die ihres Patriotismus wegen als angebliche „Rechtsextremisten“ zur inquisitorischen Hexenjagd freigegeben sind.

Damit sie dieses schlechte Gewissen haben, sollen sie die unauslöschliche Schlechtigkeit und unvergebbare Schuld des eigenen Volkes als Ideologie verinnerlichen. Hier in Deutschland geschieht dies mithilfe der „Erinnerungskultur“, die sich auf den Holocaust bezieht, die Völker der ehemaligen Kolonialmächte sollen glauben, dass es nie etwas Schlimmeres gegeben habe als den Kolonialismus, die Amerikaner sollen sich für Sklaverei und Indianerausrottung schuldig fühlen, die Australier für das Schicksal der Aborigines usw., und das ganze wird zum Gedankenkomplex der „white guilt“ zusammengerührt, nach der sich auch Deutsche für den Kolonialismus, Engländer für den Holocaust, Franzosen für die Sklaverei irgendwie mitverantwortlich fühlen sollen. Das alles soll sich nun ein- für allemal nicht wiederholen, und dieses „Nie wieder“ soll jeden anderen Gesichtspunkt verdrängen.

Wer eine solche Ideologie verinnerlicht, kann die Existenz des eigenen Volkes nicht als etwas ansehen, das zu verteidigen sich lohnte. Er wird, ganz im Gegenteil, mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass das eigene Volk sein Existenzrecht verwirkt habe, dass es also, wie die Nazis das genannt hätten, lebensunwert sei. Der Schuldkult soll die Gegner des liberal-globalistischen Paradigmas nicht nur ideologisch mattsetzen, sondern den Völkern des Westens die für ihre Fortexistenz notwendigen psychologischen Voraussetzungen entziehen. Völker, die nicht existieren wollen, die können und werden auf die Dauer nicht überleben.

Der Schuldkult ist also Teil eines Völkermordes mit anderen Mitteln. Die Nazis mit ihren Einsatzgruppen und Gaskammern waren in jeder Hinsicht blutige Amateure des Genozids, verglichen mit Ideologen, die ganze Völker dazu bringen, den Autogenozid zu wollen.

Versteh mich bitte richtig: Ich werfe weder Dir noch den Angehörigen Deiner Reisegruppe vor, dass Ihr diese Gesichtspunkte nicht gesehen habt. Ich kann nachvollziehen, dass man sich aus einer jüdischen Perspektive, die als solche auch völlig legitim ist, dafür interessiert, wie die Deutschen mit der Holocaust-Vergangenheit umgehen, und sie daran misst, dass sie ihn wenigstens nicht rechtfertigen oder beschönigen. Ich verstehe auch, dass man von diesem Standpunkt nicht auf die Frage kommt, ob die Deutschen mit ihrem masochistischen Übereifer womöglich nicht alle Tassen im Schrank haben?

Ich weise aber doch darauf hin, dass dieser Schuldkult von einem israelischen Standpunkt im höchsten Maße bedenklich sein sollte: Ihr beschwert Euch zu Recht, dass die Deutschen, und erst recht andere europäische Völker, zu wenig Verständnis für Eure Situation aufbringen und Euch mit Ratschlägen traktieren, deren Verwirklichung für Israel auf den nationalen Selbstmrod hinausliefe. Nun frage ich Dich: Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?“

Die Rückkehr des Zwölften Imams

MEMRI berichtet Beunruhigendes:

Iranian Website: Khamenei Claims He Was Visited by Hidden Imam

In a speech to the Iranian leadership and foreign ambassadors, Iranian Supreme Leader Ali Khamenei said that the present world order, led by the West and the U.S., contravenes God’s decrees and is consequently collapsing before our eyes. He said that one of the reasons for the collapse is the awakening of the Muslim world under Iran’s leadership.

The Khandaniha website posted an audio address by a cleric from Ahvaz province, Mir Ahmad Reza Hajati, in which he claims that Khamenei told his associates that the Hidden Imam had appeared to him and promised to arrive during his term as Supreme Leader. [Hervorhebung von mir, M.]

Sources: Website of the Supreme Leader (Iran), July 10, 2010; www.khaandaniha.com, July 9, 2010

viaThe MEMRI Blog – Full Blog Entry.

Der Zwölfte Imam, der seit gut tausend Jahren verschwunden ist, ist nach schiitischen Glauben nicht tot, sondern lebt in der Verborgenheit, um eines Tages als Mahdi – vergleichbar einem Messias – wiederzukehren, um die Führung der Muslime zu übernehmen und den Islam zum Sieg zu führen. Vergleiche meine Artikel „Der Mahdi und das Atomprogramm“ und „Hussein Obama“.

Wenn der oberste religiöse Führer des Iran davon überzeugt ist, dass der Zwölfte Imam noch zu seinen Lebzeiten (Chamenei ist immerhin schon 71) wiederkehren wird, dann geht er davon aus, dass ein Krieg nicht nur bevorsteht, sondern dass der Iran ihn gewinnen wird.

Antisemitismus? Nein, schlimmer!

Bloggerkollege Liza zerpflückt den Gaza-Beschluss des Deutschen Bundestages und siegt intellektuell mit gefühlt zwölf zu null über die, die in Berlin das Volk treten, pardon: vertreten. Seine Analyse gipfelt in der zutreffenden Diagnose:

Judenmörder mögen in Würde leben, Juden hingegen nicht einmal leben – das ist es, was der Bundestagsbeschluss in letzter Konsequenz bedeutet.

Wie von einem antideutschen Blogger nicht anders zu erwarten, zieht er den Schluss:

Keiner der Abgeordneten versteht sich als Antisemit, doch der Beschluss ist ein Dokument des Konsens und Gemeinsinn stiftenden neuen Antisemitismus – einstimmig beschlossen im Deutschen Bundestag. Wenn es um Israel geht, kennt man hierzulande keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche.

Was uns daran erinnert, dass ein naheliegender Schluss nicht selten ein Kurzschluss ist.

Es stimmt schon, das mit Beschlüssen dieser Art der Antisemitismus gezüchtet wird; ich glaube nur nicht, dass er selber ein Produkt antisemitischer Ideologie ist. Die Wahrheit ist schlimmer: Würde man nur von den Juden Selbstmord verlangen, so wäre zwar auch dies höchst schäbig, würde aber immerhin implizieren, dass alle anderen westlichen Völker fortexistieren dürfen. Die Ideologie, der diese Abgeordneten folgen, fordert aber von allen abendländischen bzw. westlichen Völkern und von allen demokratischen oder auch nur zivilisierten Staaten, Selbstmord zu begehen.

Antisemitismus ist, wenn Juden diskriminiert werden. Ein Staat, der seinen eigenen Soldaten für erfolgreiche Einsätze mit dem Staatsanwalt droht, und der seine eigenen Grenzen für massenhaften Immigrations-Dschihad öffnet; ein Staat, der an der Abwicklung des eigenen Staatsvolkes und der Vernichtung der eigenen Souveränität arbeitet, diskriminiert Juden keineswegs, wenn er von Israel fordert, dasselbe zu tun.

[Siehe auch: „Vom Weltbild der Israelhasser“]