Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit: Ein Anti-Rousseau

Norbert Bolz, Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau. Buchcover

Norbert Bolz:  Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau.


Manchmal lohnt es sich sogar noch, die GEZ-Sender zu sehen, jedenfalls, wenn es sich um Phoenix, und dort um „Auf den Punkt“ handelt, sonst wäre ich auf dieses Buch gar nicht aufmerksam geworden. Bolz zerpflückt den Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ und weist seine Tendenz zur unendlichen Selbstausweitung  nach. „Soziale Gerechtigkeit“ heißt letztlich „Gleichheit“. Es heißt auch: Zerstörung der Demokratie.

Fünfte Kolonne

„Angesichts der bestehenden Interessengegensätze in den Beziehungen zu Deutschland muß die Türkei ein selbstverständliches Interesse daran haben, die türkische Bevölkerungsgruppe als strategisches außenpolitisches Instrument einzusetzen. Dies erfordert unausweichlich das Ziel, die Gruppe zu mobilisieren und zu politisieren, die dann als organisierte Minderheit in die Politik der Bundesrepublik eingreift.“

Canan Atilgan, Koordinatorin für Europapolitik bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Ideenschmiede der CDU

„Es ist gelungen, in der deutschen Öffentlichkeit die Vorstellung durchzusetzen, dass die “Junge Freiheit” so etwas wie die “Deutsche Nationalzeitung”, ein wirklich rechtsextremistisches Kampfblatt sei. Und es ist gelungen, die Deutung durchzusetzen, dass man überall publizieren darf, bloß eben nicht in rechten Journalen. Und wer sich in der “Jungen Freiheit” publizistisch äußert, der gilt im deutschen politischen Diskurs nun wirklich als ein zu Ächtender, der einfach sich auf die Seite der Rechtsradikalen stellt. Dass das auf die Dauer für unsere politische Kultur nicht heilsam ist, das liegt auf der Hand.“

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt im Gespräch mit dem Deutschlandradio. Überhaupt ein sehr interessantes Interview

„Nie wieder Enn!“

„Nie wieder Enn!“

Wie nennt man das,

wenn eine hysterische linke Betroffenheitstrutsche sich vor einer Versammlung von dreizehnhundert gleichgesinnten Studenten aufbaut, die (angeblich) für bessere Bildungschancen „streiken“;

wenn sie ihnen mit tränenerstickter Stimme vorschluchzt, sie habe in dem Seminar X bei Professor Y am Tag Z „das Wort Enn-Ee-Gee-Ee-Err“ gehört;

wenn sie losheult, sie wolle dieses Wort nie wieder hören; und wenn ihre Kommilitonen daraufhin in Sprechchören schmettern „Nie-wieder-Enn, nie-wieder-Enn“?

Die linken Studenten selbst nennen das: „Bildungsstreik“. Vermutlich ohne zu ahnen, wie zielsicher sie damit den Nagel auf den Kopf treffen.

Heute Israel, morgen wir!

von Mark Steyn

Im Original unter dem Titel „Israel Today, the West Tomorrow“ erschienen in: commentarymagazine.com/viewarticle.cfm/israel-today–the-west-tomorrow-15134

Übersetzung: Manfred

[Ich stelle die Übersetzung ausnahmsweise nicht nur im „Counterdjihad“, sondern auch hier in voller Länge ein. Empfohlen sei der Artikel insbesondere allen intellektuellen Flachlandtirolern, deutschfeindlichen Pausenclowns und sonstigen Geisteskastraten aus der antideutschen Szene, die nicht wahrhaben wollen, dass Israel nicht überleben kann, wenn die Völker Europas sich nicht behaupten! Deren Unterstützung für Israel deshalb unter anderem darin besteht, PI und überhaupt die rechte Islamkritik zu verdächtigen und zu verunglimpfen. Die vor der Islamisierung Europas offenbar weniger Angst haben als davor, etwas zu denken, das irgendwie – Sankt Marx steh uns bei! – „rechts“ sein könnte. Und die deswegen das Kunststück versuchen, die übrigen Linken an Borniertheit und inquisitorischer Intoleranz noch zu übertreffen. Wer sich angesprochen fühlt, ist gemeint!]

Am Holocaustgedenktag 2008 nahmen knapp hundert Personen – Londoner und einige Besucher an einer Führung durch das alte jüdische East End teil. Unter anderem besichtigten sie den Geburtsort von Lionel Bart, dem Autor von Oliver! Drei Generationen von Schulkindern sind mit Barts Gedicht aufgewachsen:

Consider yourself
At ’ome!
Consider yourself
One of the family!

Diese paar Dutzend Londoner Juden glaubten, hier zu Hause zu sein. Das waren sie aber nicht. Nicht mehr. Die Tour wurde abrupt beendet, als die Gruppe mit Steinen beworfen wurde, und zwar von „Jugendlichen“ – oder, um es etwas weniger ausflüchtig im gegenwärtigen Euphemismus der Fleet Street zu sagen, von „asiatischen“ Jugendlichen.[In Deutschland wäre von „südländischen“ Jugendlichen die Rede, d.Ü.]. „Wenn ihr weitergeht, sterbt ihr“, riefen sie zwischen fliegenden Steinen.

Eine New-Yorkerin, der gerade nach Großbritannien gezogen war, um eine Stelle an der Metropolitan University anzunehmen, erlitt eine Platzwunde am Kopf und musste im Royal London Hospital behandelt werden. Sie versäumte dadurch den „interreligiösen Gedenkgottesdienst“ aus Anlass des Holocaustgedenktages in der East London Central Synagogue. Ihr Freund Eric Litwack aus Kanada wurde auch getroffen, musste aber nicht genäht werden. Aber für die, die nicht erst vor kurzem in Heathrow gelandet sind, war es keine große Sache, nicht dieser Tage: Niemand wurde getötet oder permanent verunstaltet. Und wenn man bedenkt, wieviele jüdische Gemeindeveranstaltungen jetzt bewacht werden müssen, hatte ihrer Majestät Wachtmeister womöglich recht, der meinte, diese Londoner, die durch die Straßen ihrer eigenen Stadt gingen, hätten dies besser hinter einer Polizeieskorte getan.

Ein europäischer Holocaustgedenktag, an dem Juden mit Steinen beworfen werden: Das klingt wie eine Parodie auf den alten Witz, dass die Deutschen den Juden den Holocaust niemals verzeihen werden. Nach einer Umfrage, die im Jahr 2005 von der Universität Bielefeld durchgeführt wurde, haben 62 Prozent der Deutschen „die Nase voll davon, dass ständig auf deutschen Verbrechen an Juden herumgeritten wird“ … Nur wird eher auf den Juden herumgeritten: Während wir alte Witze wieder aufwärmen, erinnert mich ein Leser an einen, der vor ein paar Jahren erzählt wurde, während Israels bekanntlich „unverhältnismäßigem“ Einmarsch in den Libanon: Eines Tages schlägt der UN-Generalsekretär vor, dass im Interesse von Frieden und Harmonie auf der Welt Fußballspieler aus allen Ländern zusammenkommen und eine UN-Fußballmannschaft gründen sollten. „Gute Idee“, sagt sein Stellvertreter, „aber gegen wen würden wir dann spielen?“ – „Gegen Israel natürlich.“

Haha. Es hatte schon immer einen Krümel Wahrheit, aber jetzt ist es ein ganzer Laib.

„Israel ist aus der Mode“, sagte mir ein kontinentaleuropäischer Außenminister vor einem Jahrzehnt. „Aber vielleicht ändert sich Israel, und dann ändert sich auch die Mode.“ Moden ändern sich. Diese aber nicht, auch nicht, wenn Israel sich ändert. Die Wendung der (nicht-amerikanischen) öffentlichen Meinung gegen den jüdischen Staat, die in den siebziger Jahren begann, spiegelte, wie mein kontinentaler Politiker sagte, einfach eine veränderte Wahrnehmung:

Israel war nicht mehr der Underdog, sondern der Overdog, und warum sollte das eine … von Holocaustschuld unbelastete europäische Linke ansprechen?

Klar. Moden wechseln. Aber der neue Judenhass [im Original deutsch, d.Ü.] ist keine Mode, sondern einfach blanke Realität, die in den kommenden Jahren weiterwuchern und Israel in der internationalen „Gemeinschaft“ isolieren wird, und zwar auf eine Weise, verglichen mit der das erste Jahrzehnt dieses Jahrhundert im Rückblick wie die gute alte Zeit aussehen wird.

Ein paar Monate nach der verkürzten Führung zum Holocausttag, befand ich mich zum erstenmal seit Jahren selbst an dieser speziellen Ecke von Tower Hamlets. Speziell in der Cable Street – 1936 Schauplatz einer berühmten Schlacht, als Sir Oswald Mosleys British Union of Fascists in einem primitiven politischen Muskelspiel beschloss, durch das Herz des jüdischen East London zu marschieren. Eine aufgebrachte Menge aus Juden, irischen katholischen Dockarbeitern und kommunistischen Agitatoren, alle unter der Parole des Spanischen Bürgerkriegs „No pasaran“ („Sie werden nicht durchkommen“), schlug sie zurück.

Zwischen „No pasaran“ und „Wenn ihr weitergeht, sterbt ihr“ liegt eine Geschichte nicht so sehr von Antisemitismus, als vielmehr einer nie dagewesenen demographischen Umwälzung. Hinter dem schicken „Antizionismus“ der europäischen Linken verbirgt sich eine mächtigere Wirklichkeit: Die demographische Energie nicht nur in Lionel Barts East End, sondern in fast jedem westlichen Land ist „asiatisch“. Heißt: muslimisch. Eine regierungsamtliche statistische Untersuchung enthüllte vor kurzem, dass die muslimische Bevölkerung des Vereinigten Königreiches zehnmal schneller wächst als die Bevölkerung insgesamt. Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und viele andere Städte des Kontinents von Skandinavien bis an die Cote d’Azur werden in den nächsten paar Jahren zu Städten mit muslimischer Mehrheit werden.

Brüssel hat einen sozialistischen Bürgermeister, was nicht weiter überraschend ist, aber er sitzt einem mehrheitlich muslimischen Stadtrat vor, und das dürfte doch zumindest diejenigen überraschen, die glauben, dass hier von einem langsamen, graduellen, schleichenden Prozess die Rede ist. Aber dies ist die Lage des Christentums zu Beginn des dritten Jahrtausends: Die in der Hauptstadt der Europäischen Union regierende Partei ist mehrheitlich muslimisch.

Auf diesen Trend kann man auf zweierlei Weisen reagieren:

Man kann es sehen wie bei einem Wechsel der Besetzung in „Cats“, oder genauer wie wenn bei David Merricks rein schwarzer Produktion von „Hello Dolly!“ Carol Channing und ihre … Kellner von Pearl Bailey und ihrem Ebenholzchor ersetzt werden, während ansonsten die Show unverändert bleibt. Dasselbe Bühnenbild, dieselben Worte, dasselbe Arrangement: Frankreich bliebe Frankreich, Deutschland Deutschland, Belgien Belgien.

Die zweite Lesart ist, dass die Islamisierung Europas gewisse Konsequenzen nach sich zieht, und es könnte sich lohnen zu untersuchen, worin die bestehen. Es gibt jetzt schon verschiedene kulturelle Brüche – von der Abschaffung von Sparschweinen in britischen Banken bis zum Verbot des öffentlichen Konsums von Donuts während des Ramadan in Brüssel. Und doch gibt es in einem Punkt bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den alternden ethnischen Europäern und den jungen, wachsenden muslimischen Bevölkerungsgruppen: Vor ein paar Jahren erbrachte eine berühmte Umfrage das Ergebnis, dass 59 Prozent der Europäer Israel als die größte Gefahr für den Weltfrieden betrachten.

Neunundfünfzig Prozent? Was um alles in der Welt ist denn mit den anderen? Beruhigen Sie sich: In Deutschland waren es 65 Prozent, in Österreich 69 Prozent, in den Niederlanden 74 Prozent. Nur zum Vergleich: In einer kürzlich durchgeführten Umfrage in Ägypten, Jordanien, Marokko, dem Libanon, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – das heißt in der „gemäßigten“ arabischen Welt – betrachten 79 Prozent Israel als die größte Gefahr für den Weltfrieden. Soviel ich weiß, hat man die Umfrage in denn letzten Jahren in Europa nicht wiederholt; womöglich gilt Israel heute in den Niederlanden als bedrohlicher denn im Jemen.

Es gibt sicherlich gelegentlich geheimnisvolle Diskussionspunkte: Man erinnert sich, wie nach den Anschlägen vom 7. Juli 2005 der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone einigermaßen gequält versuchte zu erklären, warum es völlig legitim sei, Busse in Tel Aviv in die Luft zu sprengen, nicht aber in Bloomsbury. Das sind aber nur kleine Beulen auf einer ansonsten glatten Rutschbahn: Je mehr die europäische muslimische Bevölkerung wächst, je widerspenstiger und unangepasster sie wird, desto mehr begeistert sich das Establishment für „Antizionismus“ – als ob die finstere Jüdin die letzte Jungfrau wäre, die man noch in den Vulkan stürzen kann – was sogar stimmen könnte, wenn man an all die dreizehnjährigen Flittchen und Schlampen denkt, die in den meisten britischen Einkaufszentren schon Freitag nachmittags mit dem Gesicht in ihrer eigenen Kotze liegen. Für heutige Juden gibt es, anders als 1936 in der Cable Street, keine katholischen Dockarbeiter oder kommunistische Agitatoren, die mit ihnen Schulter an Schulter stehen. Im postchristlichen Europa gibt es so wenige praktizierende Katholiken wie praktizierende Dockarbeiter, und was die intellektuelle Linke angeht, so begeistert sie sich für die Hamas mehr als die meisten Menschen in Gaza.

Darauf würden viele Israelis ruppig antworten: Na und? Juden, die sich auf europäische „Freunde“ verlassen, sind doch sowieso arme Irre! Trotzdem besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen der eingeübten Abneigung gegen die „israelische Apartheid“, wie man sie in der Fachbereichsteestube kundtut, und einer Massenpsychose, so allgegenwärtig, dass sie praktisch ein Teil der Luft ist, die man atmet. Wer einen füchtigen Blick in die Zukunft werfen möchte, betrachte (zunächst) die bizarren Begleitumstände des jüngsten Daviscup-Erstrundenmatches in Schweden. Lange zuvor war entschieden worden, dass die Begegnung im Baltiska-Hallenkomplex in Malmö stattfinden würde. Wer wusste schon, welcher Gegner den Schweden zugelost werden würde? Es hätte Chile sein können, oder Serbien. Leider war es Israel.

Malmö ist Schwedens am stärksten muslimische Stadt, und die Stadtverwaltung ordnete unter Berufung auf Sicherheitsbedenken an, dass das Spiel hinter verschlossenen Türen stattzufinden habe. Stellen Sie sich vor, Sie wären Amir Hadad und Andy Ram, die beiden israelischen Doppelspieler, oder Simon Aspelin und Robert Lindstedt, die Schweden. Es sollte ihr großer Tag werden. Aber das große Stadion ist leer, mit Ausnahme einiger Sportreporter und Offizieller. Und draußen grölen zehntausend Demonstranten „Stoppt das Match!“, und etwas tiefer im Gewühl rufen sie vielleicht „Wir töten alle Juden auf der Welt!“ (Demonstranten in Kopenhagen hatten einige Wochen zuvor genau das getan.)

(…)

Erinnern Sie sich an die „Road-Map“-Konferenz die in Jordanien gleich nach der US-Invasion im Irak abgehalten wurde? Das schien damals eine große Sache zu sein: Die Führer Israels und der Palästinensischen Autonomiebehörde, der US-Präsident, Diktatoren aus der ersten Liga der arabischen Liga. Innerhalb des Tagungszentrums war alles sehr kollegial, mit Lächeln und Händeschütteln. Draußen flatterten die Fahnen: Jordaniens, Amerikas, Saudi-Arabiens, Ägyptens, Palästinas. Aber nicht die Israels. König Abdullah von Jordanien war zu dem Schluss gekommen, dass es zu provokant sei, die Anwesenheit des zionistischen Gebildes auf jordanischem Boden kundzutun, selbst bei einem solchen Treffen. Malmös Tennismatch beachtete dieselben Konventionen: Ich bin sicher, die schwedischen Tennisbosse waren hinter Hotelmauern reizende Gastgeber, und das neutrale Flughafenauto wird erste Sahne gewesen sein. Wie einfach sich doch die verstohlenen Manöver des Nahen Ostens in der Welt verbreiten!

Wenn schon westliche Regierungen sich wie König Abdallah scheuen, den Davidstern zu hissen, dann leben diejenigen ihrer Bürger, die es tun, in schweren Zeiten. In Britannien wurde „pro-palästinensischen“ Demonstranten im Januar erlaubt, sich als hakennasige Juden zu verkleiden, die das Blut arabischer Säuglinge trinken; gleichzeitig befahl die Polizei Gegendemonstranten, ihre israelischen Flaggen zu entfernen. In Alberta, im Herzen von Calgarys jüdischer Nachbarschaft, wurde die Flagge der Hizbollah (eigentlich eine verbotene terroristische Vereinigung) von Demonstranten stolz geschwenkt, aber eine einsame israelische Flagge wurde als Gefahr für den königlichen Frieden betrachtet, und Beamte stellten dem tapferen Kerl, der sie hielt, vor die Wahl, sie verschwinden zu lassen oder wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ festgenommen zu werden. In Deutschland hängte ein Student die Davidsternflagge ins Fenster seiner Wohnung an einem Tag, als die islamistische Milli Görüs demonstrierte. Ergebnis war, dass die Polizei seine Tür aufbrach und die Flagge entfernte. Jetzt versucht er, von der Polizei die Tür ersetzt zu bekommen. Oh, diese Juden! Immer geht es ihnen um Geld, nicht wahr?

Peter, der Student aus Duisburg, sagte, er wolle die israelische Flagge zeigen, weil der Antisemitismus in Europa schlimmer sei als jemals seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ist wahr. Wenn man es aber aus der Sicht der Behörden sieht, hat es nichts mit Judenhass zu tun; es ist einfach ein Rechenspiel. Wenn eine statistisch unbedeutende jüdische Bevölkerungsgruppe sich aufregt – egal. Wenn die viel größere muslimische Bevölkerung es tut – und in manchen französischen Städten ist die muslimische Jugend, also der Bevölkerungsteil, der Krawall macht, schon bei fünfzig Prozent – dann hast du eine gewltige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit am Hals. Wir sind jenseits des Antisemitismus beim Ad-hoc-Utilitarismus: Der König-Abdullah-Ansatz scheint der eleganteste Weg zu sein, Ärger zu vermeiden. Um den UN-Witz abzuwandeln: Gegen wen spielen wir? Gegen Israel. Aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Vor ein paar Wochen betrat eine Gruppe mit T-Shirts „Boykottiert Israel“ an einem Samstag nachmittag eine Filiale von Carrefour, einer der weltgrößten Supermarktketten und stellte sich vor. Sie gingen dann systematisch durch die Regalreihen, begutachteten jedes Produkt, nahmen alle Waren Made in Israel an sich, stapelten sie in Einkaufswagen, um sie mitzunehmen und zu zerstören. Dem Video nach zu urteilen, dass sie von der Aktion gedreht hatten, waren die Protestierenden überwiegend muslimische Immigranten und ein paar französische Linke. Wichtiger allerdings war die Passivität aller Anderen in dem Geschäft, von Kunden wie Personal. Sie alle standen tatenlos herum und sahen zu, wie privates Eigentum durchwühlt und zerstört wurde, und viele, die um einen Kommentar gebeten wurden, äußerten Unterstützung für die Zerstörung. „Südafrika begann zu schwanken, als alle Länder seine Produkte zu boykottieren begannen“, sagte eine ältere Kundin. „Also, ich finde das gut, was Sie da machen.“

Andere mögen das Deutschland der dreißiger Jahre als instruktiveren Vergleich ansehen. „Nicht die schweigenden Mehrheiten treiben die Dinge voran, sondern die lautstarken Minderheiten“, schrieb unlängst der kanadische Intellektuelle George Jonas. „Man zähle nicht Köpfe, sondern Dezibel. Alle Einheiten – die Vereinigten Staaten, die westliche Welt, die arabische Straße – haben vorherrschende Stimmungen [prevailing moods], und diese vorherrschenden Stimmungen definieren solche Aggregate zum je gegebenen Zeitpunkt.“ Als pakistanische Terroristen im vergangenen Dezember einen wohlgeplanten Angriff auf symbolisch bedeutende, weil Macht und Reichtum symbolisierende, Teile Bombays unternahmen, fanden sie trotzdem noch Zeit, ein Fünftel ihrer Mannschaft abzustellen, um eine Handvoll unbekannter Juden zu foltern und zu töten, die in einem unauffälligen Gebäude Sozialarbeit geleistet hatten. Wenn es um einen Territorialstreit um Kaschmir ging, warum ermordete man einen Rabbiner in Bombay? Weil der pakistanische Islam im Effekt arabisiert worden ist. Demographisch hat der Islam die blanken Zahlen auf seiner Seite. Ideologisch aber hat der radikale Islam die Dezibel – in der Türkei, auf dem Balkan, in Westeuropa.

Und die vorherrschende Stimmung in großen Teilen der Welt macht Israel zum leichten Opfer. Lange bevor Muslime eine statistische Mehrheit stellen, wird es drei ständige Mitglieder des Sicherheitsrates geben – Großbritannien, Frankreich, Russland -, für die die Beruhigung des Islam zu den Imperativen der Innenpolitik gehört.

Gleich nachdem er gefordert hatte, die Scharia ins britische Recht aufzunehmen, gab der Erzbischof von Canterbury den Muslim News ein Interview, in dem er den Islam dafür lobte, „einen sehr bedeutenden Beitrag (geleistet zu haben), das Thema ‚Religion‘ wieder im öffentlichen Leben zu verankern“. Nun ja, so kann man es auch sehen. Der Druck wird noch zunehmen, der eigenen unbarmherzigen kulturellen Verdrängung eine positive Seite abzugewinnen: Wenn die Europäer einen nicht ganz freiwilligen Bikulturalismus erst einmal akzeptiert haben, werden sie keinen Grund mehr sehen, warum Israel nicht dasselbe tun sollte, und sie werden eine One-State- und One-Man-One-Vote-Lösung für das Land zwischen Jordan und Mittelmeer favorisieren.

Die muslimische Welt ist jahrzehntelang mit der Vorstellung hausieren gegangen, eine riesige ölreiche Region sei bloß deshalb politisch deformiert und in düstere Psychosen verstrickt, weil es einen kleinen Streifen Erde gebe, kaum größer als New Hampshire, [der ihnen weggenommen worden sei]. Er wird noch einen viel bequemeren Sündenbock abgeben für das viel größere Gebiet zwischen Irland und dem Ural. Nach 9/11 war davon noch nichts zu spüren. Wie Richad Ingrams damals im Londoner Observer schrieb: „Wer wird es wagen, Israel zu verurteilen?“

Nun, derjenige kann jetzt eine Nummer ziehen und sich hinten anstellen. Der Staub von den Londoner U-Bahn-Anschlägen hatte sich noch kaum gelegt, da schrieb mir ein Leser namens Derrick Green schon eine Glückwunsch-E-Post: „Ich wette, Ihr auserwählten Juden [Jewish supremacists] glaubt jetzt, Weihnachten käme früh, nicht wahr? Unglaublich, jetzt bekommt ihr noch mehr euren Willen als vorher, und das britische Volk wird in noch mehr Kriege für Israel gestürzt.“

So wird es gehen: Britische, europäische und sogar amerikanische Truppen werde sich aus dem Irak und Afghanistan zurückziehen, und wenn dann eine Bombe in Madrid oder Hamburg oder Manchester hochgeht, wird man keinen anderen mehr verantwortlich machen können als die israelische „Unverhältnismäßigkeit“.

Für die Überbleibsel des europäischen Judentums wird sich die jetzt schon erkennbare Auswanderung französischer Juden nach Quebec, Florida und anderswohin beschleunigen. Es gibt heute rund 150.000 Juden in London – es ist die dreizehntgrößte jüdische Stadt weltweit. Aber dort leben auch annähernd eine Million Moslems. Die stärkste Kohorte bei den Juden sind die 50-54jährigen; die stärkste Kohorte bei den Moslems sind die 0-4jährigen. Im Jahr 2025 wird es noch Juden in Israel und in Amerika geben, aber sonst fast nirgendwo. Wenn die Legitimität des jüdischen Staates zurückgewiesen wird, wird auch die jüdische Diaspora – die jüdische Präsenz in der übrigen Welt – schrumpfen.

Und wer, um Richard Ingrams zu variieren wird es dann wagen, Israel nicht zu verurteilen? Es wird noch einen Holocaust-Gedenktag geben, hauptsächlich deshalb, weil es so viel Freude macht, die neuen Nazis an den Pranger zu stellen. Wie Anthony Lipmann, der anglikanische Sohn einer Auschwitzüberlebenden, 2005 schrieb: „ Wenn ich am 27. Januar den Arm meiner Mutter nehme – tätowierte Häftlingsnummer A-25466 – werde ich nicht nur an die Krematorien und die Viehwaggons denken, sondern an Darfur, Ruanda, Zimbabwe, Djenin, Falludjah.“

Djenin?

Nun sehen Sie, warum sie den Holocaustgedenktag auf dem Kalender behalten: In einer Zeit, wo Politiker dem Existenzrecht Israels gleichgültig bis feindlich gegenüberstehen, ist es nützlich, wenn man sagen kann: „Aber einige meiner besten Fotomotive sind jüdisch.“

Der Witz über das Mandats-Palästina war, dass es das doppelt versprochene Land sei. Aber ist Europa das nicht auch? Und vielleicht auch Russland und Kanada, ein Stück stromabwärts? Zwei Kulturen, die sich auf demselben Stück Land drängen.

Vor nicht allzu langer Zeit sah ich wieder einmal das Video einer dieser „pro-palästinensischen“ Protestdemonstrationen im Herzen Londons, wo sich die Polizei die St-James-Street hinauf Richtung Pccadilly vor einem Mob zurückzog, der ihr Verkehrskegel hinterherwarf und höhnte: „Lauft, lauft, ihr Feiglinge!“ und „Allahu akbar!“ Man sollte meinen, dass die irregeleiteten Multikultiprogressiven verstanden hätten: Es geht nicht um Gaza, es geht auch nicht um den Nahen Osten: Es geht um sie! Für ein immer isolierteres Israel mag es ein gewisser Trost sein, dass durch einen makaberen Witz der Geschichte die Europäer in einem kommenden Europa die neuen Juden sein werden.

Der Blog „Counterdjihad“…

…wird erweitert. Sind dort bis jetzt ausschließlich Übersetzungen von Fjordman-Essays erschienen, so haben Thatcher und BeforeDawn mich überzeugt, dass es sinnvoll ist, den Blog auch für Texte anderer Autoren zu öffnen.

Wenn Ihr also in der nicht deutschsprchigen Blogosphäre etwas findet, was thematisch verwandt und dabei übersetzens- und verbreitenswert ist: Immer her mit den Übersetzungen! (Vorher aber tunlichst beim Autor des Originals anfragen, ob  er damit einverstanden ist.)

Der soeben von BeforeDawn übersetzte Text stammt allerdings erneut von Fjordman, der sich darin mit den Thesen Martin van Crevelds und Roger Scrutons zur Zukunft des Nationalstaats auseinandersetzt. Der Text bringt präzise auf den Punkt, warum die Zerstörung des Nationalstaates so gefährlich für die Zivilisation schlechthin ist.  Ich empfehle dringend, ihn zu lesen. Hier nur ein Appetithäppchen:

Demokratien verdanken ihre Existenz den nationalen Loyalitäten – den Loyalitäten, die von der Regierung und der Opposition geteilt werden, von allen politischen Parteien, und von der Wählerschaft als ganzer. Aber überall ist das Konzept der Nation unter Beschuss – entweder verachtet als eine atavistische Form des sozialen Zusammenhalts oder sogar verdammt als die Ursache für Konflikte und Kriege, und deshalb abzuschaffen und durch aufgeklärtere und umfassendere Formen von Rechtssystemen zu ersetzen. Aber was genau soll der Ersatz für die Nation und den Nationalstaat sein?

„Weltnetz“

Habe ich schon erwähnt, dass ich kein Freund von Anglizismen bin?

Dabei bin ich keineswegs dogmatisch. Ein Wort wie „Job“ (im Sinne von „Arbeitsplatz“ und nur in diesem Sinne) ist nicht nur kürzer als „Arbeitsplatz“, es klingt vor allem nicht so schwerblütig protestantisch nach dem Platz-an-den-der-Herr-uns-gestellt-hat-und-an-dem-wir-uns-zu-bewähren-haben-ein-Leben-lang. Damit trifft es die Realität der modernen Arbeitswelt mit häufigem Jobwechsel wahrscheinlich besser als „Arbeitsplatz“.

Manchmal ist der englische Ausdruck also vorzuziehen. Nur muss er dann auch wirklich der bessere (kürzere, treffendere, plastischere) sein. „Er hat einen guten Job gemacht“ – brrr!!! – ist jedenfalls kein gleichwertiger, schon gar kein überlegener Ersatz für: „Er hat gute Arbeit geleistet.“

Das Wort „Internet“ ist mir schon lange ein Dorn im Auge:

Erstens denke ich als Deutscher bei „Internet“ immer an „Intershop“, „Interhotel“ und „Interflug“, zweitens heißt „inter“ nichts weiter als „zwischen“, und was soll man sich denn unter einem „Zwischennetz“ vorstellen? Drittens spart „net“ gegenüber „Netz“ keine Silbe.

Die rechtsextreme Szene benutzt bekanntlich schon lange das Wort „Weltnetz“, und ich muss zugeben, dass dieser Ausdruck, selbst wenn er aus dieser dubiosen Quelle stammt, in jeder Hinsicht prägnanter ist als „Internet“. Es ist eine Silbe kürzer, er ist deutsch und er ist plastisch: Man sieht ihn geradezu vor Augen, den Erdball, netzumspannt. „Weltnetz“ ist einfach besser!

Bekanntlich gelten, einer kuriosen neudeutschen Sitte zufolge, politisch anstößige  Gedanken, Argumente und eben Wörter in dem Moment als entnazifiziert und moralisch unbedenklich, wo sie von jüdischen Intellektuellen benutzt werden. Und so warte ich nun schon seit Jahren sehnsüchtig wie vergeblich darauf, dass die Herren Giordano, Broder oder Wolffssohn der rechten Szene das „Weltnetz“ entreißen.

Da sie dies aber bisher nicht getan haben – meine Güte, die Jungs können schließlich nicht an alles denken! -,  habe ich mich entschlossen, selber zur Tat zu schreiten und ab jetzt vom „Weltnetz“ zu sprechen (sofern ich nicht einfach „Netz“ sage), auch auf die Gefahr hin, dass mein Blog auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften landet.

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