Vier Szenarien für den kommenden Kollaps des amerikanischen Imperiums

Der Abgang der Vereinigten Staaten als die globale Supermacht könnte weit schneller kommen, als sich irgend jemand vorstellt.

Von Alfred W. McCoy, übersetzt von Deep Roots, Übersetzung zuerst veröffentlicht am 16.12.2010 im Counterjihad.

Das Original „4 Scenarios for the coming collapse of the American Empire“ erschien am 5. Dezember bei AlterNet.

Eine weiche Landung für Amerika in 40 Jahren? Wetten Sie nicht darauf. Der Abgang der Vereinigten Staaten als die globale Supermacht könnte weit schneller kommen, als sich irgend jemand vorstellt. Wenn Washington von 2040 oder 2050 als dem Ende des amerikanischen Jahrhunderts träumt, so legt eine realistischere Bewertung heimischer und auswärtiger Trends nahe, daß 2025, in nur 15 Jahren, alles vorbei sein könnte, abgesehen vom Geschrei.

Trotz der Aura der Allmacht, die die meisten Imperien projizieren, sollte uns ein Blick auf ihre Geschichte daran erinnern, daß sie zerbrechliche Organismen sind. So empfindlich ist ihre Ökologie der Macht, daß Imperien, wenn die Dinge wirklich schlecht zu werden beginnen, sich regelmäßig mit unheiliger Geschwindigkeit aufdröseln: nur ein Jahr für Portugal, zwei Jahre für die Sowjetunion, acht Jahre für Frankreich, elf Jahre für die Osmanen, siebzehn Jahre für Großbritannien, und aller Wahrscheinlichkeit nach 22 Jahre für die Vereinigten Staaten, gerechnet ab dem entscheidenden Jahr 2003.

Zukünftige Historiker werden wahrscheinlich die überstürzte Irak-Invasion der Bush-Regierung in diesem Jahr als den Anfang von Amerikas Fall identifizieren. Jedoch statt des Blutvergießens, welches das Ende so vieler vergangener Imperien markierte, könnte dieser imperiale Zusammenbruch des 21. Jahrhunderts relativ ruhig durch die unsichtbaren Ranken eines Wirtschaftskollaps oder Cyberkriegs erfolgen.

Aber zweifeln Sie nicht: wenn Washingtons globale Herrschaft schließlich endet, wird es schmerzliche tägliche Erinnerungen daran geben, was solch ein Machtverlust für die Amerikaner jeder Gesellschaftsschicht bedeutet. Wie ein halbes Dutzend europäischer Nationen entdeckt hat, neigt imperialer Niedergang dazu, eine bemerkenswert demoralisierende Wirkung auf die Gesellschaft zu haben und bringt regelmäßig mindestens eine Generation wirtschaftlicher Entbehrungen mit sich. Während sich die Wirtschaft abkühlt, steigen die politischen Temperaturen und entzünden oft schwere innere Unruhen.

Verfügbare Wirtschafts-, Bildungs- und Militärdaten deuten darauf hin, daß negative Trends hinsichtlich globaler US-Macht sich bis 2020 schnell anhäufen und wahrscheinlich nicht später als 2030 eine kritische Masse erreichen werden. Das amerikanische Jahrhundert, das am Beginn des Zweiten Weltkriegs so triumphierend ausgerufen worden war, wird bis 2025, in seinem achten Jahrzehnt, ramponiert sein und verblassen, und könnte bis 2030 Geschichte sein.

Signifikanterweise hat der U.S. National Intelligence Council 2008 erstmals zugegeben, daß Amerikas globale Macht in der Tat im Sinkflug war. In einem seiner periodischen futuristischen Berichte, Global Trends 2025, zitierte der Council „den Transfer globalen Reichtums und wirtschaftlicher Macht, der jetzt im Gange ist, grob von West nach Ost“ und „ohne Beispiel in der modernen Geschichte“, als den Hauptfaktor im Niedergang der „relativen Stärke der Vereinigten Staaten – sogar im militärischen Bereich.“ Wie viele in Washington gingen die Analysten des Councils jedoch von einer sehr langen, sehr weichen Landung für die amerikanische globale Vorrangstellung aus und hegten die Hoffnung, daß die Vereinigten Staaten in den kommenden Jahrzehnten lange „einzigartige militärische Fähigkeiten … zur globalen militärischen Machtprojektion behalten“ würde.

Solches Glück wird’s nicht geben. Nach den gegenwärtigen Projektionen werden die Vereinigten Staaten sich vom wirtschaftlichen Ausstoß her um 2026 an zweiter Stelle hinter China wiederfinden (das bereits die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist) und bis 2050 hinter Indien. In ähnlicher Weise befindet sich die chinesische Innovation auf dem Weg dazu, irgendwann zwischen 2020 und 2030 die Weltführung in angewandter Wissenschaft und Militärtechnologie zu erreichen, gerade zu der Zeit, in der Amerikas gegenwärtiger Bestand an brillanten Wissenschaftlern und Ingenieuren in Pension geht, ohne entsprechenden Ersatz durch eine schlecht ausgebildete jüngere Generation.

Bis 2020 wird das Pentagon nach gegenwärtigen Plänen ein militärisches Ave Maria für ein sterbendes Imperium beten. Es wird einen tödlichen dreifachen Baldachin aus fortschrittlichen Luft- und Weltraumrobotern starten, der Washingtons letzte, beste Hoffnung repräsentiert, trotz seines schwindenden wirtschaftlichen Einflusses globale Macht zu behalten. Bis zu diesem Jahr wird jedoch Chinas globales Netzwerk von Kommunikationssatelliten, unterstützt von den leistungsfähigsten Supercomputern der Welt, ebenfalls voll einsatzfähig sein und Peking eine unabhängige Plattform für die Aufrüstung im Weltraum verschaffen sowie ein leistungsfähiges Kommunikationssystem für Raketen- oder Cyberangriffe in jeden Quadranten des Globus.

Eingehüllt in imperiale Anmaßung wie Whitehall oder Quai d’Orsay vor ihm, scheint sich das Weiße Haus immer noch einzubilden, daß der amerikanische Niedergang allmählich, sanft und partiell sein wird. In seiner Rede zur Lage der Union vom letzten Januar äußerte Präsident Obama die Zusicherung: „Ich akzeptiere keinen zweiten Platz für die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Ein paar Tage später spottete Vizepräsident Biden über die bloße Idee, daß „wir dazu bestimmt sind, die Prophezeiung des [Historikers Paul] Kennedy zu erfüllen, daß wir eine große Nation sein werden, die gescheitert ist, weil wir die Kontrolle über unsere Wirtschaft verloren und uns überdehnt haben.“ In ähnlicher Weise hat der neoliberale Außenpolitik-Guru Joseph Nye in der Novemberausgabe des Establishment-Journals „Foreign Affairs“ das Gerede über Chinas wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg weggewischt, indem er „irreführende Metaphern vom organischen Niedergang“ zurückwies und bestritten daß irgendein Verfall der amerikanischen globalen Macht im Gange sei.

Gewöhnliche Amerikaner, die zusehen, wie ihre Arbeitsplätze nach Übersee gehen, haben eine realistischere Sichtweise als ihre verwöhnten Führer. Eine Meinungsumfrage im August 2010 ergab, daß 65 % der Amerikaner glaubten, daß das Land jetzt „im Niedergang begriffen“ sei. Australien und die Türkei, traditionelle militärische Verbündete der Vereinigten Staaten, setzen ihre in Amerika erzeugten Waffen bereits in gemeinsamen Luft- und Seemanövern mit China ein. Amerikas engste Wirtschaftspartner nehmen bereits Abstand von Washingtons Opposition gegen Chinas manipulierte Wechselkurse. Als der Präsident letzten Monat von seiner Asienreise zurückflog, faßte eine düstere Schlagzeile der „New York Times“ den Moment so zusammen: „Obamas Sicht auf die Wirtschaft wird auf der Weltbühne zurückgewiesen, China, Britannien und Deutschland fordern die USA heraus, Handelsgespräche mit Seoul scheitern ebenfalls.“

Historisch gesehen lautet die Frage nicht, ob die Vereinigten Staaten ihre unangefochtene globale Macht verlieren werden, sondern nur wie jäh und reißend der Niedergang sein wird. Benutzen wir anstelle von Washingtons Wunschdenken die eigene futuristische Methodologie des National Intelligence Council, um vier realistische Szenarien dafür zu erstellen, wie – ob mit einem Knall oder einem Wimmern – die globale Macht der USA in den 2020ern ihr Ende erreichen könnte (zusammen mit vier begleitenden Feststellungen dessen, wo wir heute sind). Die Zukunftsszenarien umfassen: wirtschaftlichen Niedergang, Ölschock, militärisches Mißgeschick und Dritter Weltkrieg. Während dies kaum die einzigen Möglichkeiten sind, wenn es um Amerikas Niedergang oder sogar Zusammenbruch geht, bieten sie doch ein Fenster in eine heranrasende Zukunft.

Wirtschaftlicher Niedergang: die gegenwärtige Situation

Heute existieren drei Hauptbedrohungen für Amerikas dominante Position in der globalen Wirtschaft: Verlust der wirtschaftlichen Schlagkraft dank eines schrumpfenden Anteils am Welthandel, der Niedergang der amerikanischen technologischen Innovation und das Ende des privilegierten Status des Dollars als die globale Reservewährung.

Bis 2008 waren die Vereinigten Staaten bereits auf Platz drei im globalen Warenexport gefallen, mit nur noch 11 % Anteil im Vergleich zu China mit 12 % und 16 % für die Europäische Union. Es gibt keinen Grund zu glauben, daß dieser Trend sich umkehren wird.

In ähnlicher Weise ist die amerikanische Führung bei der technologischen Innovation im Schwinden. 2008 waren die USA bei den weltweiten Patentanmeldungen mit 232.000 immer noch Nummer zwei hinter Japan, aber China holte schnell auf 195.000 auf, dank eines heißen Zuwachses um 400 % seit 2000. Ein Vorbote weiteren Niedergangs: 2009 hatten die Vereinigten Staaten in der Reihung unter 40 von der Information Technology & Innovation Foundation untersuchten Nationen einen absoluten Tiefpunkt erreicht, wenn es um „Veränderung“ bei der „globalen innovationsgestützten Konkurrenzfähigkeit“ während des vergangenen Jahrzehnts ging. Chinas Verteidigungsministerium fügte dieser Statistik im Oktober Substanz hinzu, indem es den schnellsten Supercomputer der Welt enthüllte, den Tianhe-1A, der so leistungsfähig ist, wie ein U.S.-Experte sagte, daß er „die existierende Maschine Nr. 1 in Amerika verbläst.“

Fügen Sie diesem klaren Beweis hinzu, daß das Bildungssystem der USA, diese Quelle zukünftiger Wissenschaftler und Innovatoren, hinter seine Konkurrenten zurückgefallen ist. Nachdem es die Welt jahrzehntelang bei der Zahl der 25- bis 34jährigen mit Universitätsabschlüssen angeführt hat, sank das Land 2010 auf den 12. Platz. Das Weltwirtschaftsforum reihte die Vereinigten Staaten als mittelmäßigen 52. unter 139 Nationen in der Qualität seines universitären Mathematik- und Wissenschaftsunterrichts. Nahezu die Hälfte aller Aufbaustudenten der Wissenschaften in den Vereinigten Staaten sind nun Ausländer, von denen die meisten wieder nach Hause zurückkehren und nicht hierbleiben werden, wie es früher der Fall gewesen wäre. In anderen Worten, bis 2025 werden die Vereinigten Staaten wahrscheinlich mit einer kritischen Knappheit talentierter Wissenschaftler konfrontiert sein.

Solche negativen Trends ermutigen zu zunehmend schärferer Kritik an der Rolle des Dollars als Reservewährung der Welt. „Andere Länder sind nicht länger bereit, an die Idee zu glauben, daß die Vereinigten Staaten es in Sachen Wirtschaftspolitik am besten wissen,“ bemerkte Kenneth S. Rogoff, ein ehemaliger Chefökonom beim Internationalen Währungsfonds. Mitte 2009, als die Zentralbanken der Welt astronomische 4 Billionen Dollars in U.S.-Schatzanweisungen besaßen, beharrte der russische Präsident Medvedev darauf, daß es Zeit wäre, „das künstlich aufrechterhaltene unipolare System“ zu beenden, das auf „einer ehemals starken Reservewährung“ beruht.

In ähnlicher Weise schlug Chinas Zentralbankchef vor, daß die Zukunft in einer globalen Reservewährung liegen könnte, „losgelöst von individuellen Nationen“ (das heißt, vom US-Dollar). Sehen Sie dies als Wegweiser in eine zukünftige Welt und zu einem möglichen Versuch, wie der Ökonom Michael Hudson argumentiert hat, „den Bankrott der amerikanischen finanziell-militärischen Weltordnung zu beschleunigen.“

Wirtschaftlicher Niedergang: Szenario 2020

Nach Jahren anschwellender Defizite, die von unaufhörlichen Kriegen in fernen Ländern genährt wurden, verliert der US-Dollar, wie lang erwartet wurde, 2020 endgültig seinen Sonderstatus als Reservewährung der Welt. Plötzlich schießen die Kosten für Exporte in die Höhe. Unfähig, die anschwellenden Defizite durch den Verkauf der jetzt abgewerteten Schatzanweisungen ins Ausland zu bezahlen, ist Washington endlich gezwungen, sein aufgeblähtes Militärbudget drastisch zu kürzen. Zu Hause und im Ausland unter Druck stehend, zieht Washington langsam die US-Streitkräfte aus Hunderten von Überseestützpunkten auf eine kontinentale Umgrenzung zurück. Inzwischen ist es jedoch schon viel zu spät.

Angesichts einer dahinschwindenden Supermacht, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, fordern China, Indien, Iran, Rußland und andere große oder regionale Mächte die US-Herrschaft über die Ozeane, den Weltraum und den Cyberspace provokant heraus. In der Zwischenzeit erweitern sich innere Teilungen inmitten hochschnellender Preise, immer weiter steigender Arbeitslosigkeit und einem anhaltenden Absinken der Reallöhne zu gewalttätigen Zusammenstößen und polarisierenden Debatten um oft bemerkenswert irrelevante Fragen. Eine politische Flut der Desillusioniertheit und Verzweiflung nutzend, reißt ein Rechtsaußen-Patriot die Präsidentschaft mit donnernder Rhetorik an sich, fordert Respekt gegenüber der amerikanischen Autorität und droht mit militärischer Vergeltung oder wirtschaftlichen Repressalien. Die Welt beachtet das nahezu gar nicht, während das amerikanische Jahrhundert in Stille endet.

Ölschock: die gegenwärtige Situation

Ein Opfer der schwindenden wirtschaftlichen Macht Amerikas ist seine Beherrschung der globalen Ölvorräte gewesen. Indem es auf der Überholspur an Amerikas spritverschwendender Wirtschaft vorbeigezischt ist, wurde China in diesem Sommer zum Energieverbraucher Nummer eins der Welt, eine Position, die die Vereinigten Staaten über ein Jahrhundert lang innehatten. Der Energiespezialist Michael Klare hat argumentiert, daß dieser Wandel bedeutet, daß China „das Tempo bei der Gestaltung unserer globalen Zukunft bestimmen wird.“

Bis 2025 werden der Iran und Rußland fast die Hälfte der Erdgasvorräte der Welt kontrollieren, was ihnen potentiell enorme Hebelwirkung gegenüber dem energiehungrigen Europa geben wird. Man füge diesem Mix noch Erdölreserven hinzu, und in nur 15 Jahren könnten die beiden Länder Rußland und Iran, wie der National Intelligence Council gewarnt hat, „zu Energiezampanos“ werden.

Trotz bemerkenswerter Findigkeit saugen die Ölgroßmächte jetzt die großen Becken von Ölreserven leer, die für leichte, billige Förderung zugänglich sind. Die wahre Lektion der Ölkatastrophe von Deepwater Horizon im Golf von Mexiko waren nicht die schlampigen Sicherheitsstandards von BP, sondern die simple Tatsache, die jedermann auf „Spillcam“ sah: einer der Energieriesen wenig Wahl hatte, als nach Meilen unter der Ozeanoberfläche dem zu suchen, was Klare tough oil nennt, um seine Profite zu halten.

Was das Problem verschlimmert, ist, daß die Chinesen und Inder plötzlich weit stärkere Energiekonsumenten geworden sind. Selbst wenn die Vorkommen von fossilen Brennstoffen gleich blieben (was sie nicht werden), wird die Nachfrage, und mit ihr die Kosten, fast sicher steigen – und dazu noch scharf. Andere entwickelte Nationen begegnen dieser Bedrohung aggressiv, in dem sie sich in experimentelle Programme zur Entwicklung alternativer Energiequellen stürzen. Die Vereinigten Staaten haben einen anderen Weg eingeschlagen und tun viel weniger zur Entwicklung alternativer Quellen, während sie in den letzten drei Jahrzehnten ihre Abhängigkeit von Ölimporten aus dem Ausland verdoppelt haben. Zwischen 1973 und 2007 sind die Ölimporte von 36 % der in den Vereinigten Staaten verbrauchten Energie auf 66 % gestiegen.

Ölschock: Szenario 2025

Die Vereinigten Staaten bleiben so abhängig von ausländischem Öl, daß wenige widrige Entwicklungen im globalen Energiemarkt im Jahr 2025 einen Ölschock auslösen. Im Vergleich läßt er den Ölschock von 1973 (als die Ölpreise sich in wenigen Monaten vervierfachten) wie den sprichwörtlichen Maulwurfshügel aussehen. Erbost über den abstürzenden Wert des Dollars, fordern die Ölminister der OPEC, die sich in Riyadh treffen, daß die Bezahlung von Energie zukünftig in einem „Korb“ aus Yen, Yuan und Euro erfolgt. Das treibt die Kosten für US-Ölimporte nur noch höher. Im selben Moment, während sie eine neue Serie langfristiger Lieferverträge mit China unterzeichnen, stabilisieren die Saudis ihre eigenen Reserven an Auslandswährungen, indem sie zum Yuan überwechseln. In der Zwischenzeit steckt China unzählige Milliarden in den Bau einer massiven Transasien-Pipeline und in die Finanzierung der iranischen Erschließung des weltgrößten Erdgasfeldes bei Süd-Pars am Persischen Golf.

Besorgt darüber, daß die U.S. Navy die Öltanker nicht länger zu schützen in der Lage sein könnte, die aus dem Persischen Golf zur Versorgung Ostasiens auslaufen, bildet eine Koalition aus Teheran, Riyadh und Abu Dhabi eine unerwartete neue Golfallianz und bestätigt, daß Chinas neue Flotte schneller Flugzeugträger fürderhin von einer Basis am Golf von Oman aus im persischen Golf patrouillieren wird. Unter schwerem wirtschaftlichem Druck willigt London ein, die US-Pacht ihrer Inselbasis Diego Garcia im Indischen Ozean zu kündigen, während Canberra, von den Chinesen unter Druck gesetzt, Washington darüber informiert, daß die Siebte US-Flotte nicht mehr willkommen ist, Fremantle als Heimathafen zu benutzen, womit die U.S. Navy effektiv aus dem Indischen Ozean vertrieben wird.

Mit nur ein paar Federstrichen und einigen trockenen Verlautbarungen wird die „Carter-Doktrin,” durch die die US-Militärmacht den Persischen Golf ewig hätte schützen sollen, 2025 beerdigt. All die Elemente, die den Vereinigten Staaten lange unbegrenzten Nachschub billigen Öls aus dieser Region gesichert haben – Logistik, Wechselkurse und Seemacht – verflüchtigen sich. An diesem Punkt können die Vereinigten Staaten noch immer nur unbedeutende 12 % ihres Energiebedarfs aus seiner in Entstehung begriffenen Alternativenergieindustrie decken und bleiben bei der Hälfte ihres Energiekonsums abhängig von importiertem Öl.

Der folgende Ölschock trifft das Land wie ein Hurrikan, schickt die Preise in erschreckende Höhen, macht das Reisen zu einem umwerfend teuren Unterfangen, schickt die seit langem sinkenden Reallöhne in den freien Fall und macht alles konkurrenzunfähig, was an amerikanischen Exporten noch geblieben ist. Mit zurückgedrehten Thermostaten, durchs Dach steigenden Benzinpreisen und im Austausch für teures Öl nach Übersee fließenden Dollars wird die amerikanische Wirtschaft gelähmt. Mit zu Ende gegangenen, seit langem unsicheren Allianzen und steigendem fiskalischem Druck beginnen die US-Streitkräfte schließlich einen stufenweisen Rückzug von ihren Überseestützpunkten.

Innerhalb weniger Jahre sind die Vereinigten Staaten funktionell bankrott, und die Uhr des amerikanischen Jahrhunderts tickt auf Mitternacht zu.

Militärische Mißgeschicke: die gegenwärtige Situation

Gegen ihre eigene Intuition stürzen sich Imperien, wenn ihre Macht schwindet, oft in schlecht beratene militärische Mißgeschicke. Dieses Phänomen wird unter mit Imperien befaßten Historikern „Mikromilitarismus“ genannt und scheint mit psychologischen Kompensationsbemühungen zu tun zu haben, die den Schmerz des Rückzugs oder der Niederlage durch die Besetzung neuer Territorien lindern sollen, wie kurz und katastrophal es auch sein mag. Diese Operationen, die selbst aus imperialer Perspektive irrational sind, bringen oft auszehrende Ausgaben oder demütigende Niederlagen, die nur den Machtverlust beschleunigen.

Umkämpfte Imperien aller Zeitalter leiden unter einer Arroganz, die sie dazu treibt, sich immer tiefer in militärische Mißgeschicke zu stürzen, bis die Niederlage zum Debakel wird. 413 v. Chr. schickte ein geschwächtes Athen 200 Schiffe aus, um in Sizilien abgeschlachtet zu werden. 1921 entsandte ein sterbendes imperiales Spanien 20.000 Soldaten, die von Berberguerillas in Marokko massakriert wurden. 1956 zerstörte ein verblassendes britisches Empire sein Prestige, indem es Suez angriff. Und 2001 und 2003 besetzten die Vereinigten Staaten Afghanistan und marschierten im Irak ein. Mit der Anmaßung, die Imperien über die Jahrtausende kennzeichnet, hat Washington seine Truppen in Afghanistan auf 100.000 erhöht, den Krieg nach Pakistan ausgedehnt und sein Engagement auf 2014 und darüber hinaus ausgedehnt, was in diesem guerillaverseuchten, nuklear bewaffneten Friedhof der Imperien große und kleine Desaster herausfordert.

Militärisches Mißgeschick: Szenario 2014

So irrational, so unberechenbar ist „Mikromilitarismus“, daß scheinbar abstruse Szenarien bald von wirklichen Ereignissen übertroffen werden. Wo das US-Militär dünn von Somalia bis zu den Philippinen ausgedehnt ist und die Spannungen in Israel, Iran und Korea steigen, sind die möglichen Kombinationen für eine katastrophale militärische Krise im Ausland vielfältig.

Es ist Mittsommer 2014, und eine heruntergekommene US-Garnison im umkämpften Kandahar im südlichen Afghanistan wird plötzlich und unerwartet von Taliban-Guerrillas überrannt, während die US-Flugzeuge durch einen blendenden Sandsturm am Boden festgehalten werden. Schwere Verluste müssen hingenommen werden, und zur Vergeltung schickt ein in Verlegenheit gebrachter amerikanischer Militärbefehlshaber B-1-Bomber und F-16-Jäger los, um ganze Stadtviertel zu demolieren, von denen man glaubt, daß sie von den Taliban kontrolliert werden, während „Kanonenboote“ vom Typ AC-130U „Spooky“ den Schutt mit verheerendem Kanonenfeuer beharken.

Bald predigen Mullahs von Moscheen in der ganzen Region aus den Dschihad, und afghanische Armeeeinheiten, die lange von amerikanischen Streitkräften ausgebildet wurden, um das Kriegsglück zu wenden, beginnen massenhaft zu desertieren. Talibankämpfer starten dann eine Reihe bemerkenswert durchdachter Schläge gegen US-Garnisonen im ganzen Land, was die amerikanischen Verluste in die Höhe schnellen läßt. In Szenen, die an Saigon 1975 erinnern, retten US-Hubschrauber amerikanische Soldaten und Zivilisten von Hausdächern in Kabul und Kandahar.

Inzwischen verhängen die Führer der OPEC, die über das endlosen, jahrzehntelange Patts um Palästina erzürnt sind, ein Ölembargo gegen die USA, um gegen deren Unterstützung für Israel wie auch das Töten unzähliger moslemischer Zivilisten in ihren fortdauernden Kriegen im ganzen Großraum Naher Osten zu protestieren. Als die Benzinpreise in die Höhe schießen und die Raffinerien austrocknen, macht Washington seinen Zug und schickt Sondereinsatzkräfte, um Ölhäfen im persischen Golf zu besetzen. Dies löst wiederum einen Ausbruch von Selbstmordanschlägen und die Sabotage von Pipelines und Ölbohrstellen aus. Während schwarze Wolken himmelwärts quellen und Diplomaten sich bei der UNO erheben, um die amerikanischen Aktionen bitter zu verurteilen, greifen die Kommentatoren weltweit in die Geschichte zurück, um dies als „Amerikas Suez“ zu brandmarken, eine vielsagende Referenz auf das Debakel von 1956, das das Ende des britischen Empire markierte.

Dritter Weltkrieg: die gegenwärtige Situation

Im Sommer 2010 begannen die militärischen Spannungen zwischen den USA und China im westlichen Pazifik zu steigen, der einst als amerikanischer „See“ betrachtet worden war. Noch ein Jahr zuvor hätte niemand solch eine Entwicklung vorhergesagt. So wie Washington seine Allianz mit London ausnutzte, um sich nach dem Zweiten Weltkrieg viel von Großbritanniens globaler Macht anzueignen, so benutzt China nun die Profite aus seinem Exporthandel mit den USA, um etwas zu finanzieren, was wahrscheinlich eine militärische Herausforderung der amerikanischen Herrschaft über die Wasserwege Asiens und des Pazifiks werden wird.

Mit seinen wachsenden Ressourcen beansprucht Peking einen weiten maritimen Bogen von Korea bis Indonesien, der lange von der U.S. Navy dominiert wurde. Im August, nachdem Washington ein „nationales Interesse“ am Südchinesischen Meer ausgedrückt und dort Marineübungen durchgeführt hatte, reagierte Pekings offizielle „Global Times“ wütend: „Der Ringkampf zwischen den USA und China um die Frage des Südchinesischen Meeres hat den Einsatz im Spiel darum erhöht, wer der wahre zukünftige Herrscher des Planeten sein wird.“

Inmitten wachsender Spannungen berichtete das Pentagon, daß Peking jetzt „die Fähigkeit hat, [US-] Flugzeugträger im westlichen Pazifischen Ozean anzugreifen“ und „Nuklearstreitkräfte in den gesamten … kontinentalen Vereinigten Staaten ins Visier zu nehmen.“ Indem es „offensive nukleare, Weltraum- und Cyberkriegsfähigkeiten“ entwickelt, scheint China entschlossen zu sein, um die Dominanz dessen zu wetteifern, was das Pentagon „das Informationsspektrum in allen Dimensionen des modernen Gefechtsraumes“ nennt. Mit der fortlaufenden Entwicklung der starken Trägerrakete Langer Marsch V wie auch dem Start zweier Satelliten im Januar 2010 und einem weiteren im Juli, was insgesamt fünf ergibt, signalisierte Peking, daß das Land rapide Schritte hin zu einem „unabhängigen“ Netzwerk von 35 Satelliten für globale Positionsbestimmung, Kommunikation und Aufklärung bis 2020 macht.

Um China einzudämmen und seine militärische Position global auszudehnen, beabsichtigt Washington, ein neues digitales Netzwerk aus Luft- und Weltraumrobotern, fortschrittlicher Cyberkriegsfähigkeiten und elektronischer Überwachung zu bauen. Militärische Planer erwarten, daß dieses System die Erde mit einem Cyber-Netzwerk umhüllen wird, das in der Lage ist, ganze Armeen auf dem Schlachtfeld zu blenden oder einen einzelnen Terroristen in einem Feld oder einer Favela auszuschalten. Wenn alles nach Plan geht, wird das Pentagon bis 2020 einen dreistufigen Schild aus Weltraumdrohnen starten, der von der Stratosphäre bis zur Exosphäre reicht, bestückt mit wendigen Lenkwaffen, durch ein belastbares modulares Satellitensystem miteinander verbunden und mittels totaler Teleskopüberwachung betrieben.

Im letzten April machte das Pentagon Geschichte. Es dehnte die Drohnenoperationen in die Exosphäre aus, indem es still das unbemannte Space Shuttle X-37B in eine niedrige Umlaufbahn 410 Kilometer über dem Planeten startete. Die X-37B ist das erste einer neuen Generation unbemannter Fahrzeuge, die die volle Aufrüstung des Weltraums markieren und eine Arena für zukünftige Kriegführung schaffen wird, die anders sein wird, als alles, was zuvor gewesen ist.

Dritter Weltkrieg: Szenario 2025

Die Technologie der Weltraum- und Cyberkriegführung ist so neu und unerprobt, daß selbst die ausgefallensten Szenarien bald von einer Realität verdrängt werden könnten, die noch immer schwer vorstellbar ist. Wenn wir jedoch einfach die Art von Szenarien anwenden, wie sie die Air Force selbst in ihrem Future Capabilities Game von 2009 benutzte, können wir ein besseres Verständnis dafür gewinnen, wie sich die Luft, der Weltraum und der Cyberspace in der Kriegführung überlappen, und uns so vorzustellen beginnen, wie der nächste Weltkrieg vielleicht wirklich ausgetragen werden könnte.

Es ist 11:59 Uhr nachts am Thanksgiving-Donnerstag 2025. Während Cyber-Shopper die Portale von Best Buy um tiefe Rabatte auf die neuesten Heimelektronikartikel aus China bearbeiten, verschlucken sich Techniker der U.S. Air Force am Space Surveillance Telescope (SST) auf Maui an ihrem Kaffee, als ihre Panoramabildschirme plötzlich schlagartig schwarz werden. Tausende Meilen entfernt im Operationszentrum des U.S. CyberCommand in Texas spüren Cyberkrieger bald bösartige Binärelemente auf, die, wenngleich anonym abgefeuert, die charakteristischen digitalen Fingerabdrücke von Chinas Volksbefreiungsarmee aufweisen.

Der erste offene Schlag ist einer, den niemand vorhergesehen hat. Chinesische „Malware“ übernimmt die Kontrolle über die Robotereinrichtungen an Bord einer unbemannten solarbetriebenen amerikanischen “Vulture”-Drohne übernimmt, während sie in 70.000 Fuß Höhe über der Tsushimastraße zwischen Korea und Japan fliegt. Sie feuert plötzlich all die Raketenkapseln unter ihrer enormen Flügelspanne von 120 Metern ab und läßt Dutzende von tödlichen Lenkwaffen harmlos ins Gelbe Meer stürzen, wodurch diese eindrucksvolle Waffe effektiv entschärft wird.

Entschlossen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, autorisiert das Weiße Haus einen Vergeltungsschlag. Zuversichtlich, daß sein „fraktioniertes, freifliegendes“ Satellitensystem F-6 undurchdringlich ist, senden Befehlshaber der Air Force in Kalifornien Robotercodes an die Flottille von X-37B-Weltraumdrohnen, die 400 Kilometer über der Erde kreisen, und befehlen ihnen, ihre “Triple Terminator”-Raketen auf Chinas 35 Satelliten abzufeuern. Null Reaktion. Der Panik nahe, startet die Air Force ihr Falcon Hypersonic Cruise Vehicle in einen Bogen 160 Kilometer über dem Pazifischen Ozean und sendet dann, nur 20 Minuten später, die Computercodes zur Abfeuerung von Raketen auf sieben chinesische Satelliten in nahen Umlaufbahnen. Die Startcodes sind plötzlich unwirksam.

Während sich das chinesische Virus unkontrollierbar durch die Architektur der F-6-Satelliten ausbreitet, während jene zweitklassigen US-Supercomputer daran scheitern, den teuflisch komplexen Code der Malware zu knacken, werden GPS-Signale beeinträchtigt, die entscheidend sind für die Navigation von US-Schiffen und Flugzeugen weltweit. Trägerflotten beginnen mitten im Pazifik im Kreis zu dampfen. Jägerstaffeln sitzen am Boden fest. Reaper-Drohnen fliegen ziellos dem Horizont entgegen und stürzen ab, wenn ihr Treibstoff erschöpft ist. Plötzlich verlieren die Vereinigten Staaten das, was die U.S. Air Force lange „die ultimative höhere Position“ genannt hat: den Weltraum. Innerhalb von Stunden ist die Militärmacht, die den Globus nahezu ein Jahrhundert lang beherrscht hat, ohne Verlust eines einzigen Menschenlebens im Dritten Weltkrieg besiegt worden.

Eine neue Weltordnung?

Selbst wenn zukünftige Ereignisse sich als langweiliger erweisen, als es diese vier Szenarien vorstellen, weist jeder signifikante Trend in Richtung eines weit markanteren Niedergangs der amerikanischen globalen Macht bis 2025, als alles, was Washington sich jetzt vorstellt.

Während Verbündete weltweit ihre Politik neu auszurichten beginnen, um die aufsteigenden asiatischen Mächte zur Kenntnis zu nehmen, werden die Kosten der Erhaltung von 800 oder mehr Militärbasen in Übersee einfach untragbar werden, was einem immer noch unwilligen Washington schließlich einen stufenweisen Rückzug aufzwingen wird. Wo sowohl die USA als auch China sich in einem Rennen um die Aufrüstung im Weltraum und im Cyberspace befinden, müssen die Spannungen zwischen den beiden Mächten steigen, was einen militärischen Konflikt bis 2025 zumindest möglich macht, wenn auch kaum garantiert.

Was die Sache noch weiter verkompliziert, ist daß die oben umrissenen wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Trends nicht in säuberlicher Isolation ablaufen werden. Wie es den europäischen Imperien nach dem Zweiten Weltkrieg passierte, werden solche negativen Kräfte sich unzweifelhaft als synergistisch erweisen. Sie werden sich in völlig unerwarteter Weise kombinieren, Krisen erzeugen, für die die Amerikaner bemerkenswert unvorbereitet sind, und die Wirtschaft in eine plötzliche Abwärtsspirale geraten zu lassen drohen, was dieses Land für eine Generation oder länger in wirtschaftlichem Elend hinterläßt.

Während die US-Macht schwindet, bietet die Vergangenheit ein Spektrum an Möglichkeiten für eine zukünftige Weltordnung. An einem Ende dieses Spektrums kann der Aufstieg einer neuen globalen Supermacht, wie unwahrscheinlich auch immer, kaum ausgeschlossen werden. Jedoch weisen sowohl China als auch Rußland selbstbezogene Kulturen, schwer verständliche nicht-lateinische Schriftsysteme, regionale Verteidigungsstrategien und unterentwickelte Rechtssysteme auf, was ihnen entscheidende Elemente für globale Herrschaft vorenthält. Im Moment scheint also keine einzelne Supermacht am Horizont zu sein, die den Vereinigten Staaten wahrscheinlich nachfolgen wird.

In einer dunklen, dystopischen Version unserer globalen Zukunft könnte eine Koalition aus transnationalen Konzernen, multilateralen Mächten wie der NATO und einer internationalen Finanzelite möglicherweise ein einziges, eventuell instabiles supranationales Geflecht aufbauen, wodurch es nicht länger sinnvoll wäre, überhaupt noch von nationalen Imperien zu sprechen. Während entnationalisierte Konzerne und multinationale Eliten solch eine Welt vermutlich aus sicheren städtischen Enklaven regieren würden, wären die Massen auf städtische und ländliche Ödländer verwiesen.

In Planet of Slums bietet Mike Davis zumindest eine teilweise Vision solch einer Welt aus der Sicht von unten nach oben. Er argumentiert, daß die Milliarde Menschen, die weltweit bereits in stinkenden favela-artigen Slums zusammengedrängt sind (und bis 2030 auf zwei Milliarden zunehmen werden), „die verwilderten, gescheiterten Städte der Dritten Welt … zum charakteristischen Kampfraum des einundzwanzigsten Jahrhunderts machen werden.“ Wenn die Dunkelheit sich über irgendeine zukünftige Super-Favela senkt, „kann das Imperium orwellsche Unterdrückungstechnologien einsetzen“, „wo hornissenartige ‚Kanonenboot’-Hubschrauber mysteriösen Feinden in den engen Straßen der Slumbezirke nachstellen… jeden Morgen antworten die Slums mit Selbstmordbombern und beredten Explosionen.“

Im Mittelbereich des Spektrums zukünftiger Möglichkeiten könnte zwischen 2020 und 2040 ein neues globales Oligopol entstehen, bei dem die aufsteigenden Mächte China, Rußland, Indien und Brasilien mit schwindenden Mächten wie Großbritannien, Deutschland, Japan und den Vereinigten Staaten kooperieren, um eine globale ad-hoc-Herrschaft durchzusetzen, ähnlich der lockeren Allianz europäischer Imperien, die circa 1900 die Hälfte der Menschheit beherrschte.

Eine weitere Möglichkeit: der Aufstieg regionaler Hegemonialmächte in einer Rückkehr zu etwas, das dem internationalen System ähnelt, das bestand, bevor moderne Imperien Gestalt annahmen. In dieser neo-westfälischen Ordnung mit ihren endlosen Ausblicken auf Mikrogewalt und ungehinderter Ausbeuterei würde jeder Hegemon seinen unmittelbaren Bereich beherrschen – Brasilien in Südamerika, Washington in Nordamerika, Pretoria im südlichen Afrika und so weiter. Der Weltraum, der Cyberspace und die Tiefen der Meere, der Kontrolle des einstigen planetaren „Polizisten“ USA entzogen, könnten sogar ein neues globales Gemeingut werden, kontrolliert durch einen erweiterten UNO-Sicherheitsrat oder irgendeine ad-hoc-Körperschaft.

All diese Szenarien extrapolieren existierende Trends in die Zukunft, unter der Annahme, daß die Amerikaner, geblendet durch die Arroganz von Jahrzehnten historisch beispielloser Macht, keine Schritte unternehmen wollen oder können, um die ungehinderte Erosion ihren globalen Position zu bewältigen.

Falls Amerikas Niedergang tatsächlich auf einem 22jährigen Weg von 2003 bis 2025 abläuft, dann haben wir bereits den Großteil des ersten Jahrzehnts dieses Niedergangs mit Kriegen verplempert, die uns von langfristigen Problemen ablenkten und wie Wasser, das auf Wüstensand geschüttet wird, Billionen verzweifelt benötigter Dollars verschwendet.

Wenn nur noch 15 Jahre bleiben, dann bleiben die Chancen, daß wir sie ganz verplempern, immer noch hoch. Der Kongreß und der Präsident befinden sich jetzt in einer festgefahrenen Situation; das amerikanische System ist mit Konzerngeld überflutet, das den Betrieb blockieren soll, und es gibt wenig Hinweise darauf, daß man sich irgendwelcher bedeutender Fragen, einschließlich unserer Kriege, unseres aufgeblähten nationalen Sicherheitssystems, unseres ausgehungerten Bildungssystems und unserer antiquierten Energieversorgung mit ausreichender Ernsthaftigkeit annehmen wird, um die Art von weicher Landung sicherzustellen, die die Rolle unseres Landes und seinen Wohlstand in einer sich ändernden Welt sicherstellt.

Europas Imperien sind verschwunden, und Amerikas Imperium befindet sich im Abgang. Es scheint zunehmend zweifelhaft, daß die Vereinigten Staaten irgendetwas wie Britanniens Erfolg bei der Gestaltung einer nachfolgenden Weltordnung haben werden, die ihre Interessen schützt, ihren Wohlstand bewahrt und die von seinen besten Werten geprägt ist.

Alfred W. McCoy ist Professor der Geschichte an der Universität von Wisconsin-Madison. Als regelmäßiger Autor bei TomDispatch ist er zuletzt Autor von Policing America’s Empire: The United States, the Philippines, and the Rise of the Surveillance State (2009) gewesen. Er ist auch derjenige, der das Projekt “Empires in Transition” ins Leben gerufen hat, eine globale Arbeitsgruppe von 140 Historikern aus Universitäten auf vier Kontinenten. Die Ergebnisse ihrer ersten Treffen in Madison, Sydney und Manila wurden als Colonial Crucible: Empire in the Making of the Modern American State veröffentlicht, und die Befunde ihrer neuesten Konferenz werden nächstes Jahr als „Endless Empire. Europe’s Eclipse, American Ascent, and the Decline of U.S. Global Power“ erscheinen.

Der Konfuzius-Preis

Einen Tag vor der Zeremonie für die Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo wird in China ein konkurrierender „Konfuzius-Friedenspreis“ vergeben. Der taiwanische Ex-Vizepräsident Lien Chan soll die Auszeichnung für seinen Einsatz zur Aussöhnung zwischen China und Taiwan erhalten. Das erklärte der Organisator Tan Changliu der Nachrichtenagentur dpa. Tan zeigte sich überzeugt, dass der Preis mit der Zeit an Anerkennung gewinnen werde. „Er hat eine sehr starke Lebenskraft.“Norwegen sei nur ein kleines Land und eine Minderheit, wenn es um Freiheit oder Demokratie gehe, heißt es in einer Erklärung des Organisationskommitees. China hingegen sei „ein Symbol des Friedens“. Es müsse mit seinen 1,3 Milliarden Menschen „eine größere Stimme in Sachen Weltfrieden bekommen“.

(…)

Der Name des Preises lehnt sich ähnlich wie die chinesischen Konfuzius-Institute in der Welt an den chinesischen Philosophen und Staatsgelehrten an. Ähnlich wie die Konfuzius-Institute, die im staatlichen Auftrag aus Peking weltweit die chinesische Kultur und das Bild eines modernen Chinas verbreiten sollen, könnte auch dieser „Konfuzius-Friedenspreis“ weltweit Anerkennung finden, wurde in Kommentaren in staatlichen Zeitungen argumentiert.

(Quelle: tagesschau.de)

Diese Meldung hat mich inspiriert, dem Preiskomitee einen Offenen Brief zu schreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Freude und Frohlocken habe ich vernommen, dass es nun endlich mit dem Konfuzius-Preis des Himmlischen Friedens eine würdige Alternative zu jenem unseligen Preis gibt, den offenbar sowieso nur diejenigen bekommen, die ihn nicht verdienen, zum Beispiel Barack Obama.

Freilich hat mich ein wenig betrübt, dass Ihre erlesene Wahl auf Seine Exzellenz, den erlauchten Herrn Lien gefallen ist. Ohne dessen göttliche Verdienste im mindesten schmälern zu wollen, erlaube ich mir den untertänigsten Hinweis, dass es einen Mann gibt, der zwar nicht den pesthauchenden Friedensnobelpreis, wohl aber den gebenedeiten Konfuziuspreis verdient hat, weil er wie kein Zweiter den edlen und erhabenen Prinzipien folgt, die auch dem segensreichen Wirken der Kommunistischen Partei Chinas zugrundeliegen. Ich spreche von besagtem Präsidenten, dem himmlischen Barack Obama:

Barack Obama hat – getreu dem Prinzip „Überholen, ohne einzuholen“ gegen Wikileaks alle Maßnahmen vorbildlichster Planübererfüllung getroffen – Maßnahmen, die die der chinesischen Regierung weit übertreffen, die lediglich ihren Landsleuten den Zugang zu Wikileaks gesperrt hat; Maßnahmen, die selbst den Großen Vorsitzenden Mao erstaunt hätten:

Er hat allem Alten Denken den Kampf angesagt und ist dabei, allen stinkenden Erscheinunsformen westlicher Dekadenz – Unabhängigkeit der Justiz, Meinungsfreiheit, Freiheit der Wirtschaft – ein für allemal den Garaus zu machen.

Er säubert das Internet im globalen Maßstab von aufsässigen und konterrevolutionären Elementen, beginnend bei Julian Assange, getreu der Maxime des Großen Vorsitzenden Mao: „Bestrafe Einen, erziehe Millionen“.

Er folgt der unsterblichen Devise des Großen Vorsitzenden Mao: „Lasst hundert Blumen blühen – dann werft den Rasenmäher an!“

Als wahrer Nachfolger des Genossen Lenin setzt er den erhabenen Gedanken durch, dass jeder gute Kommunist auch ein guter Tschekist sein muss und erzieht die Vorstände ganzer Großkonzerne zu Tschekisten. Durch seine unermüdliche Erziehungsarbeit hat er es geschafft, nicht nur seine Kader, sondern sein ganzes Volk in der gerechten Forderung „Tod den Staatsfeinden“ zu vereinigen.

Getreu den Maximen des Großen Deng verschmilzt er Kapitalismus und Kommunismus zu einer harmonischen Einheit: Er hat Unternehmen wie Amazon, Visa, Master Card und einer Reihe weiterer Internet-Dienstleister die bürgerlich-reaktionäre Ideologie von der Freiheit der Wirtschaft ausgetrieben und sie dazu gebracht, die Erwartungen der US-Regierung beflissener, zuverlässiger und schneller zu erfüllen als jemals ein chinesisches Stahlkombinat die Vorgaben der Partei.

Und all dies tut er nicht nur im eigenen Land, nein, er setzt es im Weltmaßstab durch und verkörpert damit in seiner Person die Speerspitze der Weltrevolution. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Ihr Arm reicht nicht bis Norwegen, aber seiner reicht bis Schweden! Und in viele andere Länder!

O edles und vortreffliches Preiskomitee, gestatten Sie mir nichtswürdigem Wurm die Bitte, den Konfuzius-Preis dem einzigen Mann zu verleihen, der ihn wahrhaft verdient hat:

Ich verbleibe,

im tiefsten Bewusstsein meiner Kleinheit vor Eurem Lichte in den Staub sinkend,

mit neunfachem sozialistischem Kotau

Manfred Kleine-Hartlage

Die Erklärung von Julian Assange

[Leider habe ich nicht die Zeit, die Erklärung Julian Assanges in The Australian zu übersetzen. Auch wenn es bequemer ist, deutsche Texte zu lesen: Diesmal muss ich Euch bitten, mit einem englischen vorliebzunehmen.  Hervorhebungen in Fettdruck stammen von mir]

Don’t shoot messenger for revealing uncomfortable truths. WIKILEAKS deserves protection, not threats and attacks.

IN 1958 a young Rupert Murdoch, then owner and editor of Adelaide’s The News, wrote: „In the race between secrecy and truth, it seems inevitable that truth will always win.“

His observation perhaps reflected his father Keith Murdoch’s expose that Australian troops were being needlessly sacrificed by incompetent British commanders on the shores of Gallipoli. The British tried to shut him up but Keith Murdoch would not be silenced and his efforts led to the termination of the disastrous Gallipoli campaign.

Nearly a century later, WikiLeaks is also fearlessly publishing facts that need to be made public.

I grew up in a Queensland country town where people spoke their minds bluntly. They distrusted big government as something that could be corrupted if not watched carefully. The dark days of corruption in the Queensland government before the Fitzgerald inquiry are testimony to what happens when the politicians gag the media from reporting the truth.

These things have stayed with me. WikiLeaks was created around these core values. The idea, conceived in Australia, was to use internet technologies in new ways to report the truth.

WikiLeaks coined a new type of journalism: scientific journalism. We work with other media outlets to bring people the news, but also to prove it is true. Scientific journalism allows you to read a news story, then to click online to see the original document it is based on. That way you can judge for yourself: Is the story true? Did the journalist report it accurately?

Democratic societies need a strong media and WikiLeaks is part of that media. The media helps keep government honest. WikiLeaks has revealed some hard truths about the Iraq and Afghan wars, and broken stories about corporate corruption.

People have said I am anti-war: for the record, I am not. Sometimes nations need to go to war, and there are just wars. But there is nothing more wrong than a government lying to its people about those wars, then asking these same citizens to put their lives and their taxes on the line for those lies. If a war is justified, then tell the truth and the people will decide whether to support it.

If you have read any of the Afghan or Iraq war logs, any of the US embassy cables or any of the stories about the things WikiLeaks has reported, consider how important it is for all media to be able to report these things freely.

WikiLeaks is not the only publisher of the US embassy cables. Other media outlets, including Britain’s The Guardian, The New York Times, El Pais in Spain and Der Spiegel in Germany have published the same redacted cables.

Yet it is WikiLeaks, as the co-ordinator of these other groups, that has copped the most vicious attacks and accusations from the US government and its acolytes. I have been accused of treason, even though I am an Australian, not a US, citizen. There have been dozens of serious calls in the US for me to be „taken out“ by US special forces. Sarah Palin says I should be „hunted down like Osama bin Laden“, a Republican bill sits before the US Senate seeking to have me declared a „transnational threat“ and disposed of accordingly. An adviser to the Canadian Prime Minister’s office has called on national television for me to be assassinated. An American blogger has called for my 20-year-old son, here in Australia, to be kidnapped and harmed for no other reason than to get at me.

And Australians should observe with no pride the disgraceful pandering to these sentiments by Julia Gillard and her government. The powers of the Australian government appear to be fully at the disposal of the US as to whether to cancel my Australian passport, or to spy on or harass WikiLeaks supporters. The Australian Attorney-General is doing everything he can to help a US investigation clearly directed at framing Australian citizens and shipping them to the US.

Prime Minister Gillard and US Secretary of State Hillary Clinton have not had a word of criticism for the other media organisations. That is because The Guardian, The New York Times and Der Spiegel are old and large, while WikiLeaks is as yet young and small.

We are the underdogs. The Gillard government is trying to shoot the messenger because it doesn’t want the truth revealed, including information about its own diplomatic and political dealings.

Has there been any response from the Australian government to the numerous public threats of violence against me and other WikiLeaks personnel? One might have thought an Australian prime minister would be defending her citizens against such things, but there have only been wholly unsubstantiated claims of illegality. The Prime Minister and especially the Attorney-General are meant to carry out their duties with dignity and above the fray. Rest assured, these two mean to save their own skins. They will not.

Every time WikiLeaks publishes the truth about abuses committed by US agencies, Australian politicians chant a provably false chorus with the State Department: „You’ll risk lives! National security! You’ll endanger troops!“ Then they say there is nothing of importance in what WikiLeaks publishes. It can’t be both. Which is it?

It is neither. WikiLeaks has a four-year publishing history. During that time we have changed whole governments, but not a single person, as far as anyone is aware, has been harmed. But the US, with Australian government connivance, has killed thousands in the past few months alone.

US Secretary of Defence Robert Gates admitted in a letter to the US congress that no sensitive intelligence sources or methods had been compromised by the Afghan war logs disclosure. The Pentagon stated there was no evidence the WikiLeaks reports had led to anyone being harmed in Afghanistan. NATO in Kabul told CNN it couldn’t find a single person who needed protecting. The Australian Department of Defence said the same. No Australian troops or sources have been hurt by anything we have published.

But our publications have been far from unimportant. The US diplomatic cables reveal some startling facts:

► The US asked its diplomats to steal personal human material and information from UN officials and human rights groups, including DNA, fingerprints, iris scans, credit card numbers, internet passwords and ID photos, in violation of international treaties. Presumably Australian UN diplomats may be targeted, too.

► King Abdullah of Saudi Arabia asked the US to attack Iran.

► Officials in Jordan and Bahrain want Iran’s nuclear program stopped by any means available.

► Britain’s Iraq inquiry was fixed to protect „US interests“.

► Sweden is a covert member of NATO and US intelligence sharing is kept from parliament.

► The US is playing hardball to get other countries to take freed detainees from Guantanamo Bay. Barack Obama agreed to meet the Slovenian President only if Slovenia took a prisoner. Our Pacific neighbour Kiribati was offered millions of dollars to accept detainees.

In its landmark ruling in the Pentagon Papers case, the US Supreme Court said „only a free and unrestrained press can effectively expose deception in government“. The swirling storm around WikiLeaks today reinforces the need to defend the right of all media to reveal the truth.

Tschüss, Amazon!

Ich komme zur Zeit kaum zum Schreiben, aber es gibt einen Vorgang, auf den ich sofort reagieren muss:

Amazon hat den Zugang zu den auf seinen Servern gehosteten Wikileaks-Angeboten gesperrt und gibt damit offenkundig dem Druck der US-Regierung nach. Damit beteiligt Amazon sich an dem Kesseltreiben der Obama-Regierung gegen Wikileaks. Das Vorgehen folgt dem mittlerweile sattsam bekannten Muster, dass private Anbieter von Netzdiensten sich unter Missbrauch ihres privaten Status als verlängerter Arm einer in keiner westlichen Verfassung vorgesehenen staatlichen Zensur zu betätigen.

Wir können den totalitären Praktiken der US-Regierung von hier aus nicht Einhalt gebieten; aber ihren Komplizen die Bilanzen versauen – das können wir sehr wohl:

Wegen des Banns der von Wikileaks veröffentlichten geheimen US-Dokumente von seinen Servern hat die Linke zum Boykott des Internetkonzerns Amazon aufgerufen.

„Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür. Das ist für die Käufer eine gute Gelegenheit, Amazon zu zeigen, was sie von der Zensur gegen Wikileaks halten“, sagte Linke-Vizechefin Katja Kipping am Freitag und fügte hinzu: „Ich jedenfalls kaufe meine Geschenke ab sofort anderswo.“

Kipping sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass ein Weltkonzern einknicke, wenn ein Politiker eingreife und in vorauseilendem Gehorsam die Meinungsfreiheit einschränke. Wer garantiere, dass der Konzern nicht auch Bücher aus dem virtuellen Regal nehme, wenn sich irgendein Politiker auf den Schlips getreten fühle.

Wikileaks hatte die Dokumente über Amazon veröffentlicht, um einen möglichst schnellen Zugriff auf die Daten zu ermöglichen. Medienberichten zufolge hatte Amazon mit dem Bann auf Intervention von US-Senator Joe Lieberman reagiert. Dieser soll Amazon mit Boykott gedroht haben.

(Quelle: RP-online)

Wo die Linken Recht haben, haben sie Recht. Wenn die Manager von Amazon nicht von selbst auf die Idee kommen, dass es töricht sein könnte, sich ausgerechnet als Internet-Versandhaus an der Zensur eben dieses Internets zu beteiligen, dann müssen sie ihre Torheit eben in der Bilanz zu spüren bekommen.

Ich arbeite ab sofort nicht mehr mit Amazon zusammen und fordere alle Leser auf, dort nicht mehr einzukaufen (die Umstellung sämtlicher Links wird freilich einige Zeit in Anspruch nehmen). Wer Bücher über meine Seite kaufen möchte – und selbstverständlich bitte ich Euch, das auch weiterhin zu tun – kann dies über buecher.de tun:




Für andere Produkte (als Bücher) werde ich in den kommenden Tagen Links zu passenden Anbietern einstellen.

Hans Jürgen Krysmanski: "Hirten & Wölfe"

Rezension

Wer die Strukturen des globalistischen Regimes beschreiben will, tut gut daran, sich nicht nur mit solchen Autoren auseinanderzusetzen, die von seinem eigenen ideologischen Standpunkt ausgehen, in meinem Fall also von einem konservativen. Zu groß ist die Gefahr, wichtige Sachverhalte schon deshalb zu übersehen, weil die eigene ideologische Brille sie ausblendet.

Gerade dort, wo es um die Analyse vor Herrschaftsstrukturen geht, leisten linke Ideologien sowohl liberaler wie marxistischer Provenienz immer noch gute Dienste. Das globale System etwa von einem radikalliberalen bzw. libertären Standpunkt zu betrachten, schärft den Blick für die permanente und systematische Enteignung der Mittelschichten zugunsten großer Finanzoligopole durch ein inflationstreibendes Geldsystem, kombiniert mit ausufernder Staatsverschuldung. Dies war, trotz aller Kritik, eine Stärke von Oliver Janichs „Kapitalismus-Komplott“, das ich neulich rezensiert habe.

Ähnliches gilt für das Werk „Hirten & Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen“ des marxistischen Soziologen Hans-Jürgen Krysmanski, auf das ich schon vor einiger Zeit aufmerksam gemacht und das ich jetzt gelesen habe. Krysmanski kritisiert die Neigung der meisten linken Analytiker, Herrschaftsstrukturen rein abstrakt zu beschreiben und dabei die Tätigkeit konkreter Akteure auszublenden. (Ein Vorwurf übrigens, den auch ich mir gefallen lassen muss: Auch ich neige dazu, lediglich abstrakt zu analysieren, wie Herrschaft funktioniert und die Frage, wer herrscht, eher auszublenden.)

Von einem marxistischen Standpunkt ist es freilich ganz besonders inkonsequent, sich um die Frage zu drücken, wer eigentlich die herrschende Klasse ist. Krysmanskis Verdienst ist es, herauszuarbeiten, dass im Zentrum jenes verwirrenden Systems von politischen Eliten, Wissenschafts- und Medieneliten, Konzernen, Stiftungen, Think Tanks, Geheimdiensten und supranationalen Organisationen nicht einfach nichts ist. Dass es sich um ein Machtkartell handelt, ist – wenigstens im Prinzip – noch leicht zu durchschauen, aber nicht ohne weiteres, wem es dient. Krysmanski benennt als Zentrum dieses Systems die wenigen Tausend Superreichen (Menschen mit mehr als 1 Milliarde US-Dollar liquiden Vermögens) dieses Planeten. Deren Reichtum bedeutet nicht nur theoretisch enorme Macht, er wird auch genau in diesem Sinne eingesetzt.

Der Autor steht in der Tradition der amerikanischen Power Structure Research und beruft sich vor allem auf die Pionierarbeit von C.W. Mills und dessen 1956 erschienenes Werk „The Power Elite“ und auf William Domhoffs „Who Rules America“, das immer wieder aktualisiert wird. Im Zentrum politischer Entscheidungsprozesse in den Vereinigten Staaten stehen demnach der private Reichtum in Verbindung mit dem von ihm abhängigen Konzernen, die ihre Wirklichkeitsbeschreibung über die von ihnen dotierten Universitäten, Stiftungen und Think Tanks dem eigentlichen Entscheidungsprozess als Prämissen vorgeben, über Planungsgruppen wie den Council of Foreign Relations zu Strategien verdichten und über Lobbyisten und personelle Verflechtungen direkt in Washington in die gewünschte Politik umsetzen. Mit der offiziellen Beschreibung der Funktionsweise eines demokratischen Systems hat dies nichts zu tun. Formal funktioniert die Entscheidungsfindung im Rahmen der Verfassung, effektiv kann keine Entscheidung getroffen werden, die nicht wenigstens eine Fraktion der Plutokratie hinter sich hat.

Dass es innerhalb dieser Geldmachteliten verschiedene Fraktionen, ideologische Differenzen und auch handfeste Interessenkonflikte gibt, versteht sich; man darf sie sich also nicht einfach als geschlossenen Block vorstellen. Sie verfügen aber sehr wohl über die Macht, bestimmte Optionen auszuschließen (zum Beispiel den Isolationismus). Europäische Superreiche sind in dieser Hinsicht deutlich weniger organisiert, daher reicht die Macht des amerikanischen Establishments, seine Fähigkeit, die eigene Wirklichkeitsdefinition durchzusetzen, bis weit nach Europa. Zumal die amerikanischen Eliten es verstehen, Europäer zu kooptieren.

Krysmanski beschreibt die Struktur dieser Herrschaft, die er den Geldmachtkomplex nennt, als ein System konzentrischer Kreise:

  • Im Inneren die Klasse der Superreichen,
  • darum herum die von ihnen kontrollierten Konzerne mitsamt deren Funktionseliten, deren Aufgabe es ist, den Reichtum der Superreichen noch zu mehren und die dabei gerne auch selber reich werden dürfen (wenn auch nicht superreich: Der Aufstieg in die Milliardärssphäre gelingt nur in wenigen Ausnahmefällen),
  • darum herum die politischen Eliten, die durch Einflussnahmen aller Art bis hin zur direkten Korruption auf Linie gehalten werden und deren Aufgabe darin besteht, Massenloyalität zu besorgen und die Verantwortung für Missstände zu übernehmen, an denen sie in Wahrheit nichts ändern können, weil sie strukturell bedingt sind.
  • Den äußersten Ring bilden die Ideologieproduzenten – Medien, Unterhaltungsindustrie, Wissenschaft usw. -, die zum Teil ganz offiziell unter der Kontrolle der inneren Kreise arbeiten, zum Teil dadurch auf Linie gehalten werden, dass man die maßgeblichen Funktionsträger kauft, in der Wissenschaft zum Beispiel durch Drittmittelvergabe oder indem man Professoren einträgliche Nebentätigkeiten, Beraterverträge etc. zuschanzt.

Übrigens kommt es weder in der Politik noch in den Medien noch in der Wissenschaft darauf an, alle Akteure zu kaufen; lediglich auf einige strategisch plazierte Figuren kommt es an, der Rest ist Fußvolk.

Was ich als den „Neuen Adel“ beschrieben habe, ist unter diesem Gesichtspunkt ein Dienstadel – Krysmanski nennt sie „dienstbare Geister“, bis hinauf zu den Vorstandsvorsitzenden von Großkonzernen -, der dem wirklichen Souverän, den Superreichen, dient.

Mir leuchtet dieses Modell ein. Vor allem erklärt es, und zwar ohne auf die Denkfigur gigantischer Massenverschwörungen zurückzugreifen, warum ganze gesellschaftliche Teilsysteme offenkundig völlig anders funktionieren als die soziologischen und politikwissenschaftlichen Standardtheorien unterstellen.

Der Geldmachtkomplex rekrutiert sein Personal durch Kooptation, d.h. es ist praktisch unmöglich, an die Hebel der politischen Entscheidungsmacht oder der medialen und wissenschaftlichen Definitionsmacht zu gelangen, wenn man dem Komplex nicht genehm ist. Mit Leistung hat dies wenig zu tun, mit Loyalität, schützender Borniertheit oder Käuflichkeit umso mehr.

Zwei Schwächen sehe ich an dem Buch:

Zum einen handelt es sich um ein Kompilat aus verschiedenen Texten. Auch wenn Krysmanski sein Thema auf diese Weise unter verschiedenen Blickwinkeln analysiert, wiederholt sich doch Vieles (und zwar gerade das Grundlegende), der innere Zusammenhang der einzelnen Theoreme ist nicht immer klar, und eine Vertiefung einzelner Themen bleibt oft dort aus, wo man sie sich wünschen würde. Im Grunde fängt der Autor in jedem Kapitel wieder bei Null an.

Zum anderen machen sich die blinden Flecken der marxistischen Theorie störend bemerkbar: wenn er zum Beispiel zutreffend schreibt, dass die exzessive Staatsverschuldung praktisch sämtliche Steuerzahler in ein Verhältnis der Schuldknechtschaft zum Finanzkapital bringt, ohne aber die Frage zu stellen, ob die Funktion des Sozialstaats aus der Sicht des Geldmachtkomplexes nicht gerade darin bestehen könnte, diese Verschuldung zu provozieren; der Sozialstaat ist sakrosankt. Oder wenn er feststellt, dass die CIA während des Kalten Krieges linksliberale Künstler gefördert hat, während zugleich große Stiftungen die schwarze Bürgerrechtsbewegung unterstützten. Der Autor sieht darin vor allem einen PR-Trick, der den Westen im Kalten Krieg besser aussehen lassen sollte. Nun, das war es wahrscheinlich auch.

Nur sind solche liberalen Initiativen auch heute noch Teil der Politik des Geldmachtkomplexes. Gerade vom Standpunkt einer marxistischen Gesellschaftsauffassung müsste sich die Frage aufdrängen, ob die Zerstörung traditioneller Werte und Strukturen, die schon immer mit der kapitalistischen Produktionsweise verbunden war, womöglich gezielt als Herrschaftsinstrument eingesetzt wird.

Der Marxist Krysmanski und der Radikalliberale Janich haben zumindest dies gemeinsam, dass sie die jeweils konkurrierende Ideologie für die Schattenseiten dieses globalen Herrschaftssystems verantwortlich machen: Während bei Janich letztlich alles auf „Kommunismus“ zurückzuführen ist, macht Krysmanski den Neoliberalismus verantwortlich. Damit hat er zwar immer noch eher Recht als Janich, verfehlt aber wie er ein entscheidendes Merkmal dieses Systems.

Das Prinzip der Kooptation gilt ja nicht nur für Einzelpersonen, sondern für ganze politische Bewegungen. So kommt es, dass die drei klassischen Richtungen modernen politischen Denkens – also der Marxismus, der Liberalismus und der Konservatismus – in dieses System integriert werden konnten; der Letztere freilich nur in einer so entstellten Form, dass seine systeminternen (europäischen) Vertreter ohne Weiteres als Verräter erkennbar sind, während dies bei den beiden linken Ideologien nicht unbedingt auf den ersten Blick auffällt.

Wie auch immer, jede der drei Richtungen existiert sowohl in einer affirmativen und systemkonformen als auch in einer kritischen und systemoppositionellen Variante. Die Kooptation von Liberalen, Konservativen und Sozialisten in das System hinein bedeutet, dass auch schwerwiegende politische Differenzen zwischen diesen Fraktionen niemals zur Infragestellung des Herrschaftssystems als solchem führen können. So weit würde Krysmanski sicherlich noch mitgehen.

Ich behaupte nun aber, dass die merkwürdige Teilblindheit von Liberalen wie Marxisten damit zu tun hat, dass dieses Herrschaftssystem sich von früheren Formen autoritärer und totalitärer Herrschaft dadurch unterscheidet, das es nicht versucht, die Gesellschaft zu stabilisieren. Dass die bewusste Strukturzersetzung Teil des Herrschaftssystems ist, dass deswegen liberale und linke Ideologie aus dem Geldmachtkomplex heraus propagiert wird, ist eine Peinlichkeit, die systemkritische Vertreter beider Richtungen herunterzuspielen versuchen.

Das qualitativ Neue an diesem heraufziehenden System totaler Herrschaft besteht gerade darin, dass es sich Entwicklungen zunutze macht und sie aktiv vorantreibt, die von Liberalen wie von Sozialisten als „progressiv“ verstanden werden: Die Auflösung der Familie, die Entwertung der Religion, die Entgrenzung der Völker, die Entmachtung der Nationalstaaten. Was hier zersetzt wird, sind die Strukturen, die menschliche Solidarität ermöglichen. Im Grunde wird die ganze Idee zerstört, dass die Gesellschaft mehr sei als die Summe von Einzelnen, und dass der Einzelne sich daher mit einem gedachten Ganzen solidarisieren sollte. Die Idee wird dadurch zerstört, dass sie als Wirklichkeit nicht mehr erfahrbar ist.

Bezeichnenderweise werden Krysmanskis Gedanken dort besonders schwammig, wo er sich auf die Suche nach dem revolutionären Subjekt macht, dass die Herrschaft überwinden soll. Seine dialektische Prämisse, dass jede Gesellschaftsformation die sie überwindende revolutionäre Klasse hervorbringt, lässt ihm gar keine andere Wahl, als nach einer solchen Klasse Ausschau zu halten. Wie verzweifelt diese Suche sein muss, lässt sich daran ermessen, dass er Hardt/Negris „Empire“ zustimmend mit den Worten zitiert:

[Der] Wille, dagegen zu sein, bedarf in Wahrheit eines Körpers, der vollkommen unfähig ist, sich an ein familiäres Leben anzupassen, an Fabrikdisziplin, an die Regulierungen des traditionellen Sexuallebens.

Was da beschrieben wird, ist ein asozialer, solidaritätsunfähiger Mensch. Wer sich nicht einmal mit den eigenen Kindern solidarisiert, wird sich mit überhaupt niemandem solidarisieren, und nichts ist den Herrschenden bequemer als eine atomisierte Gesellschaft von Hedonisten. Genau dieser Typ Mensch ist aus genau diesem Grund das Leitbild des Systems, und eine Dialektik, die ihn zum Agenten der revolutionären Umwälzung umdeuten will, kann nur auf unseriösem Wunschdenken beruhen. Dieses globalistische System wird überhaupt nichts hervorbringen, schon gar kein revolutionäres Subjekt; es wird einfach die Zivilisation zerstören. Wenn Krysmanski dies anerkennen würde, müsste er freilich Schlüsse ziehen, die nach seinem Verständnis hochgradig „reaktionär“ wären.

Im Ganzen ist Krysmanskis Buch ungeachtet dieser Kritik ein hochinteressantes Werk. Es bietet einen theoretischen Rahmen, der als solcher überzeugt und nicht nur für Marxisten ausbaufähig ist; der Autor fordert seine Leser ausdrücklich dazu auf, die konkreten empirischen Forschungen in einem weltnetzbasierten gemeinsamen Erkenntnisprozess selber anzustellen und weist auf einer Reihe von Netzseiten hin, die hierbei gute Dienste leisten können (die meisten finden sich auch auf seiner Netzseite http://www.hjkrysmanski.de/, weswegen ich mir hier die Tipparbeit spare).

Die interessanteste Erkenntnis für mich war allerdings, dass sich zwischen den Kritikern des Globalsystems ein lagerübergreifender Konsens darüber abzuzeichnen beginnt, wie dieses System funktioniert.

Die Protokolle der Weisen von Greenwich

Ende 2008 hat Hannes Stein in Welt online einen Artikel über die Ideen von Walter Russell Mead geschrieben und ihn zusammen mit einem Interview veröffentlicht, das mir leider erst jetzt aufgefallen ist. Man kann an diesem Text erkennen, dass es keinerlei Verschwörungstheorien bedarf, um den Zusammenhang von angloamerikanischer Weltherrschaft, liberalem Globalismus und dem Untergang traditioneller Werte zu behaupten. Die Globalisten erzählen ganz offen, wie sie vorgehen, und wie ihr System funktioniert. Dass der Interviewer Stein nicht im Traum auf einen kritischen Einwand kommt, macht den Text noch bezeichnender:

Walter Russell Mead ist Mitglied des einflussreichen „Council on Foreign Relations“ in New York, einer Privatorganisation, die sich mit amerikanischer Außenpolitik beschäftigt. Sie gibt die renommierte Zeitschrift „Foreign Affairs“ heraus. In seinem Buch „God and Gold“ (2007) untersucht Mead, warum ausgerechnet Großbritannien und die USA – zwei englischsprachige Länder – hintereinander zu global agierenden Mächten aufstiegen und alle ihre Feinde besiegten. Seine Antwort: Briten wie Amerikaner haben ein Erfolgsprogramm, das Mead „Die Protokolle der Weisen von Greenwich“ nennt (eine sarkastische Anspielung auf die antisemitische Fälschung „Die Protokolle der Weisen von Zion“). (…)

WELT ONLINE: Kennt Obama die Protokolle der Weisen von Greenwich?

Mead: Ich glaube schon. Er versteht ganz instinktiv, welchen Platz Amerika in der Welt einnehmen muss.

WELT ONLINE: Vielleicht sollten Sie kurz erklären, was es mit den Protokollen der Weisen von Greenwich auf sich hat.

Mead: Die Protokolle der Weisen von Greenwich, so könnte man sagen, sind der geheime anglophone Plan zur Weltherrschaft, der garantiert hat, dass zunächst Großbritannien und dann die USA zur dominierenden Macht aufstiegen. (…)

WELT ONLINE: Was steht denn in den Protokollen der Weisen von Greenwich?

Mead: Es handelt sich um einen Fünf-Punkte-Plan, eigentlich ist es aber weniger ein Plan als eine Identität. Erster Punkt: Du sollst zuhause eine offene Gesellschaft im Sinne Karl Poppers haben. Diesen Punkt haben die Briten von den Holländern geklaut, die das System im 17. Jahrhundert erfanden. Als der Rest Europas sich in Religionskriegen zerfleischte, hieß es in den Niederlanden: Ihr könnt jede Konfession haben, solange ihr euch halbwegs ordentlich benehmt.

(…)

Stein verweist daraufhin eilfertig auf Baruch Spinoza, der in Amsterdam schreiben konnte.  „Offen“ in diesem Sinne ist die amerikanische Gesellschaft in der Tat: Einen Geistesriesen nimmt man dort mit Kusshand. „Offen“ für die Zuwanderung des Pöbels sollen gefälligst Andere sein.

Zweiter Punkt: Man lässt sich mit der Welt ein, man schickt seine Handelsschiffe rund um den Globus … und wird auf diese Weise unverschämt reich.

(…)

Der dritte Punkt der Protokolle von Greenwich: Man steckt seinen Reichtum in eine geopolitische Strategie. Das war die berühmte englische Politik der Balance der Mächte auf dem europäischen Kontinent …

WELT ONLINE: … die heute von den Amerikanern rund um die ganze Welt angewandt wird: Man unterstützt Koalitionen von schwächeren gegen die stärkeren Nationen.

(…)

Der schreibende Lakai scheint nicht zu bemerken, dass eine solche Strategie die Schürung von Kriegen impliziert, bei denen man – sofern das dann noch nötig ist – als Letzter auf dem Schlachtfeld erscheint, um das entscheidende Gewicht in die Waagschale zu werfen, wenn die Parteien ausgeblutet sind.

WELT ONLINE: Vierter Punkt?

Mead: Wenn man das globale Handelsimperium aufgebaut hat und die Seewege kontrolliert, setzt man sie als Element seiner nationalen Strategie ein. Dabei schließt man die anderen nicht aus seiner Einflusssphäre aus, wie es noch die Spanier und Portugiesen taten. Das Zauberwort der Briten hieß: Freihandel. Heute versuchen die Amerikaner, den aufsteigenden Mächten Indien und China einen Platz im internationalen System zu sichern. Sobald ein Land sich gegen das internationale System wendet, stellt es dann zu seinem Entsetzen fest, dass es längst ein Teil dieses Systems geworden ist.

Man schafft Abhängigkeiten.

WELT ONLINE: Fünftens?

Mead: Der fünfte Punkt ist der hinterhältig-teuflischste von allen: Man fördert rund um den Erdball liberale Institutionen. Von allen bösen Dingen, die wir anrichten, ist dies – fürchte ich – das Schlimmste. Wir fördern liberale Institutionen aus zwei Gründen: Weil das unserer Ideologie und weil es unseren Interessen entspricht. Wenn man eine globale Handelsmacht ist, dann braucht man Länder mit einem stabilen Eigentumsrecht und einem transparenten Rechtssystem – sonst können die Händler keine Verträge schließen. Wir exportieren die liberale Demokratie also aus purem Eigennutz, nicht aus sentimentalen Gründen. (…)

Man beachte die Akzentsetzung: Das Wort „Demokratie“ fällt ganz zum Schluss und ohne erkennbaren Bezug zum vorher Gesagten. Es geht darum „liberale Institutionen“ zu exportieren, damit der Handel floriert. Mit einer solchen Konzeption wäre es unvereinbar, Demokratie per se zu exportieren. Demokratie, also Selbstbestimmung – sofern man das dann noch so nennen will -, ist nur jenen Völkern zugedacht, die die liberale Ideologie verinnerlicht haben (oder aber in so enge Abhängigkeiten verstrickt sind, dass sie gar nicht anders können, als sich dem globalen System zu unterwerfen), und daher das Geschäft nicht stören werden.

Es ist durchaus kein Widerspruch, sondern liegt in der Logik dieser Strategie und Ideologie, dass zu den „liberalen Institutionen“, die man unterstützt, auch ein persisches Schah-Regime, eine saudische Kleptokratie oder ein chilenisches Militärregime gehören. Die Wünsche und Interessen der Völker sind unbeachtlich, sofern sie mit denen Amerikas kollidieren. Ein Saddam musste nicht weg, weil er ein Verbrecher, sondern weil er schlecht fürs Geschäft war.

Am besten funktioniert das System mit Menschen, die sich unter „Freiheit“ von vornherein nichts Anderes vorstellen können als die Freiheit des Marktes. Völker, Ideen und Kulturen, die damit nicht vereinbar sind, müssen weg.

Linker Antiglobalismus

Claus Wolfschlag hat in der „Sezession“ auf einen bemerkenswerten Artikel hingewiesen, der in dem Online-Magazin „Die Rote Fahne“ erschienen ist. Der Autor Stephan Steins geht unter dem Titel „Quo vadis Antifaschismus“ hart mit der Geistesarmut seiner antifaschistischen Genossen ins Gericht:

Die Krise der Linken (allgemein, nicht nur bezogen auf die sich so nennende Partei), bzw. jenes Spektrums, welches sich heute selbst als „links“ definiert, kommt vor allem in mangelndem Verständnis gegenüber der internationalen historischen Entwicklung zum Ausdruck.

Und weil es in dieser Szene an Analyse und Kritik mangelt, gerät u.a. auch der – von vielen sicher gut gemeinte – Antifaschismus dieses politischen Spektrums zur grotesken Farce. Eine Auseinandersetzung mit der heute real existierenden imperialen und faschistischen Bedrohung findet in der, von imperialen Desinformanten durchsetzten, subjektiven „Linken“ nicht statt. So greift man in der Frage des Antifaschismus auf historische Muster der 1920/30er Jahre als Projektion zurück, ohne dem Wesen nach zu verstehen, mit welcher Herausforderung im Kern man es in der Frage von faschistischer Gefahr und Antifaschismus zu tun hat.
Während man 1933 in Wiederaufführung inszeniert, stolziert der neue, imperiale HighTech-Faschismus ganz ungeniert durchs Hauptportal.

Ausgangspunkt der Argumentation ist eine Demonstration von Angehörigen der äußersten Rechten, die unter dem Motto „Mord bleibt Mord“ an den ungeklärten Tod von Rudolf Hess im Jahr 1987 erinnert. Nach Ansicht des Autors sprechen gewichtige Indizien dafür, dass Rudolf Hess tatsächlich, wie von den Demonstranten behauptet, ermordet worden ist.

Allein dass der Autor die Demonstranten „nationale Rechte“ nennt statt „Neonazis“ oder „Faschisten“ zeugt von einem ungewöhnlichen Maß an Fairness und Objektivität. Dabei geht es ihm freilich auch darum, die „nationale“ von der „imperialen“ Rechten abzugrenzen, zu der er das gesamte etablierte Parteienkartell rechnet, das die globalistische Ideologie verinnerlicht hat und den amerikanischen Imperialismus unterstützt. (Ich selbst würde diese „imperiale Rechte“ ja „globalistische Linke“ nennen, aber ich bin nicht kleinlich; deutlich ist, dass mit beiden Begriffen dasselbe gemeint ist.)

Auf den Demonstrationsaufruf der Rechten hin mobilisierte prompt die Linke:

Den Demonstrationsaufruf „Mord bleibt Mord!“ kontert das Aktionsbündnis (AAKA) mit der Losung: „Ohne Nazis und Rassisten leben, in Karlsruhe und anderswo!“
Bereits hier fällt auf, dass die Losung des Gegenbündnisses rein gar nichts mit Thema und Inhalt der Demonstration der nationalen Rechten zu tun hat. Statt einfach breitenwirksam der These von der Ermordung Rudolf Heß´ durch Fakten zu begegnen und die nationalen Rechten somit argumentativ zu entwaffnen, wird dem eigentlichen Thema völlig ausgewichen und sogar das Recht auf Demonstrationsfreiheit in Frage gestellt.

Nicht neu. Neu ist aber, dass ein Linker diesen reflexhaften „Antifaschismus“ kritisch hinterfragt:

Es wird höchste Zeit, dass Linke beginnen hinter die imperiale Matrix zu schauen und wieder wissenschaftliches und fundiertes Arbeiten zur Grundlage ihres Wirkens zu machen. Was sich da in den vergangenen Jahrzehnten als vermeintliche „Linke“ entwickelt hat, mutet mitunter eher wie ein systemtreuer Popanz zwischen Pisa-Studie und Spassgesellschaft an, denn als revolutionäres politisches Subjekt.
Die Identifikation des international organisierten Kapitals und des Imperiums bedeutet innerhalb der marxistischen Analyse und Kritik die Charakterisierung des kapitalistischen Entwicklungstandes. Dies ist relevant um verstehen zu können, mit welchen agierenden Strukturen und Subjekten – namentlich der imperialen Oligarchie – wir es in der Welt von heute konkret zu tun haben und welche geopolitischen Konsequenzen daraus erwachsen.

(…)

Es ist die imperiale Rechte, welche heute im globalen Maßstab, im Zuge des Ausbaus des Imperiums, konsequent humanistische, demokratische, emanzipatorische und soziale Rechte abbaut. Krieg, Massenmord, Konzentrationslager, Folter, (internationale) Strukturen und Organisationen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, Totalüberwachung, Armutspolitik und soziale Deklassierung sind jene Verbrechen im Klassenkampf, die wir in ihrer Summe dem Faschismus zuschreiben.
Dies alles beschert uns heute aber nicht etwa die nationale Rechte, sondern die imperiale Rechte – was zu begrifflicher Desorientierung bei vielen Zeitgenossen führt. Denn Faschismus à la ZDF-Historie und Hollywood besteht ja vor allem aus „braunen Uniformen, Ledermänteln und Judenfeindlichkeit“ und dies passt so gar nicht zu Parteien, die sich „christlich“, „sozial“, „demokratisch“ oder „grün“ nennen.

(…)
Ein solcher trivialer Hollywood-Antifaschismus, mag dieser auch noch so redlichen Absichten entsprungen sein, gerät zwangsläufig zur reinen Ablenkungsdebatte.

(…)

Für Linke kann es keine Option sein, historische Wahrheiten deswegen unterdrücken zu wollen, weil Neonazis diese für ihre politischen Ziele missbrauchen könnten. Die so denken, begreifen nicht, dass sie dem neuen Faschismus und Totalitarismus in der Konsequenz in die Hände spielen und dessen Geschäft erledigen.

Bezeichnend ist die Formulierung „Faschismus und Totalitarismus„. Dem Autor scheint bewusst zu sein, dass man den heraufziehenden neuen Typ globaler totalitärer Herrschaft nicht ohne weiteres mit dem traditionellen Begriff des „Faschismus“ beschreiben kann – ebenso wie der auf der Rechten in diesem Zusammenhang oft verwendete Begriff des „Kommunismus“ analytisch unbefriedigend ist.

Es wird interessant sein zu sehen, ob eine solche Position innerhalb der Linken an Boden gewinnen wird. In der Tat müsste selbstkritischen Linken allmählich auffallen, dass sie mit ihrem „Antifaschismus“ als die nützlichen Idioten genau der kapitalistischen und imperialistischen Kräfte agieren, die sie zu bekämpfen vorgeben.

"Rebuilding America's Defenses"

Das Papier „Rebuilding America’s Defenses. Strategy, Forces, and Resources for a New Century“ wurde im September 2000 von einer Gruppe einflussreicher Strategen aus dem Umfeld der sogenannten Neocons vorgelegt und enthielt einen umfangreichen Forderungskatalog zur amerikanischen Verteidigungspolitik. Diesem Papier kommt eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung der sicherheitspolitischen Konzeption der Regierung Bush zu. Gerade im Zusammenhang mit unserer jüngsten Debatte über den 11. September ist es daher der Mühe wert, es unter die Lupe zu nehmen.

Nachdem es den Westen im Kalten Krieg zum Sieg geführt hat, steht Amerika vor einer Chance und einer Herausforderung: Haben die Vereinigten Staaten die Vision, auf den Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte aufzubauen? Haben sie die Entschlossenheit, ein neues Jahrhundert zu gestalten, das amerikanischen Prinzipien und Interessen günstig ist?

Wir fordern ein Militär, das stark und bereit ist, sowohl gegenwärtige als auch künftige Herausforderungen anzunehmen: eine Außenpolitik, die kühn und zielstrebig amerikanische Prinzipien in der Welt fördert; und eine nationale Führung, die die globale Verantwortung der Vereinigten Staaten akzeptiert.

[S.2 der PDF-Datei]

Bereits diese wenigen, aber grundlegenden Sätze aus dem Statement of Principles des Projektes enthalten Leitideen, die so nur von amerikanischen Strategen formuliert werden können:

Erstens den Anspruch, das Jahrhundert zu gestalten, also der Welt ihren Stempel aufzudrücken; zweitens die Verknüpfung von „amerikanischen Interessen und Prinzipien“; drittens die Idee der „globalen Verantwortung“, also die Vorstellung, zur „Gestaltung“ der Welt nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet zu sein.

Man hat sich an die amerikanische Hegemonie schon derart gewöhnt, dass kaum noch einem auffällt, welche Ungeheuerlichkeit hier formuliert wird; denn selbstredend wird die Welt nicht danach gefragt, ob sie von den USA gestaltet werden will.

Interessant ist hier die auch im Folgenden häufig wiederholte Formulierung „amerikanische Interessen und Prinzipien“, die offenbar als miteinander verknüpft und einander bedingend aufgefasst werden. Darin drückt sich die von den politischen Eliten Amerikas verinnerlichte Vorstellung aus, dass dem amerikanischen Interesse am besten gedient ist, wenn auch amerikanische Prinzipien weltweit verbreitet werden, speziell also Marktwirtschaft und Demokratie; dass umgekehrt die Verfolgung amerikanischer Interessen sozusagen automatisch auch zur Verwirklichung dieser Prinzipien beiträgt.

Diese Ideologie – denn um eine solche handelt es sich – ist nicht von den Neocons erfunden worden. Sie lässt sich mindestens bis zu Wilsons Projekt zurückführen, „to make the world safe for democracy“, die den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg legitimierte, und sie stellt seitdem einen Grundzug der amerikanischen Außenpolitik dar, seit dem Zweiten Weltkrieg sogar den unangefochtenen Grundzug. Musste Roosevelt sich in den dreißiger Jahren noch mit einer isolationistischen Opposition herumschlagen, die sich aus der völlig zutreffenden Vorstellung speiste, das amerikanische Volk sei 1917 von einer Koalition aus Utopisten und Geschäftemachern in einen Weltkrieg hineingezogen worden, der mit seinen eigenen Interessen nichts zu tun gehabt habe, so spielt dieser Isolationismus seit Pearl Harbor keine Rolle mehr in der US-Außenpolitik.

Dies ist insofern ein erklärungsbedürftiges Phänomen, als der Isolationismus auch heute noch gerade unter konservativen Amerikanern populär ist. Er ist an sich die natürliche Option eines Volkes, das von seiner Regierung eigentlich nur in Ruhe gelassen werden möchte. Dass er trotzdem keine Rolle in der politischen Entscheidungsfindung spielt, zeigt an, wie stark die politischen Eliten sich gegenüber dem eigenen Volk verselbständigt haben.

Wenn ich von einer „Ideologie“ spreche, dann meine ich damit gerade nicht, dass es sich um ein bloß propagandistisches Deckmäntelchen für schnöde materielle Interessen handele. Das Sendungsbewusstsein, der geradezu weltrevolutionäre Anspruch der USA, ist eine politische Kraft aus eigenem Recht. Die Verbindung von Interessen und Prinzipien ist kein Widerspruch; beide bedingen einander.

Vor dem Hintergrund einer solchen Ideologie ist es dann auch konsequent, dass das Strategiepapier nicht etwa von Krisen- und Gefahrenszenarios ausgeht, amerikanische Sicherheitsinteressen also nicht ex negativo definiert. In anderen Ländern würde man Terrorismus, Piraterie, Rohstoffknappheit, Flüchtlingsströme und ähnliches mehr als Gefahren für die nationale Sicherheit einstufen und davon ausgehend die Sicherheitsstrategie entwicklen. Das Papier der Neocons definiert stattdessen positiv einen Zustand, der amerikanischen Sicherheitsinteressen am besten dient:

Momentan stehen die USA keinem globalen Rivalen gegenüber. Amerikas Gesamtstrategie sollte darauf abzielen, diese vorteilhafte Position zu bewahren und sie so weit wie möglich in die Zukunft zu verlängern. (…) [Dies] erfordert globale militärische Vorherrschaft sowohl jetzt als auch in der Zukunft.

[S.8]

Vier Voraussetzungen werden dafür ausgemacht:

  • die Unverwundbarkeit des eigenen Landes,
  • die Fähigkeit, mehrere (mindestens zwei) größere Kriege gleichzeitig zu führen und zu gewinnen,
  • die Fähigkeit, anschließend polizeiliche („constabulary“) Aufgaben zur Sicherung und Befriedung des Krisengebietes zu erfüllen,
  • die umfassende „Transformation“ der US-Streitkräfte, die sich an die Spitze der technologischen Revolution der Kriegführung stellen und damit einen uneinholbaren qualitativen Vorsprung vor jedem denkbaren Gegner sichern sollen.

Die überwältigende Überlegenheit der amerikanischen Streitkräfte soll dabei nicht nur potenzielle Gegner von vornherein abschrecken, sondern auch den Verbündeten die Sicherheit geben, dass die USA niemals durch Überdehnung ihrer Kräfte gezwungen sind, von ihren Sicherheitsgarantien Abstriche zu machen. Es geht also um die Sicherung von Gefolgschaft. Zu den Fähigkeiten, die die Autoren als essenziell ansehen, gehört ausdrücklich auch die Fähigkeit zum regime change.

Kurz gesagt, wird ein Zustand angestrebt, in dem Amerika in der Lage ist, praktisch jedem Land der Welt seinen Willen aufzuzwingen – von Kolossen wie China und Russland einmal abgesehen, und auch die sollen so weit wie möglich in die Schranken gewiesen werden.

Nach Ansicht der Autoren hat die Regierung Clinton die Verteidigungsfähigkeit des Landes sowohl finanziell als auch qualitativ so weit vernachlässigt, dass es nun, im Jahr 2000, erheblicher vor allem finanzieller Anstrengungen bedarf, den von ihnen gewünschten Zustand herbeizuführen und für die Zukunft zu sichern. Ihr Konzept sieht ein Zwei-Phasen-Modell vor: In der ersten Phase („transition“) geht es vor allem um quantitative Aufrüstung auf der Basis der vorhandenen Technologien, bei sachter Modifizierung der strategischen Konzepte, experimenteller Einführung neuer Ideen und intensiver Forschung an Innovationen, in einer zweiten Phase soll auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse und technischen Fähigkeiten ein qualitativer Sprung („transformation“) erfolgen.

In diesem Zusammenhang nun fällt der berüchtigte Satz

Der Prozess der Transformation wird sich wahrscheinlich lang hinziehen, sofern nicht ein katastrophales und beschleunigendes („catalyzing“) Ereignis stattfindet – wie etwa ein neues Pearl Harbor.

[S.63]

So ominös dieser Satz klingt, wenn man ihn vom 11.September her interpretiert, so wenig gibt doch der Kontext einen Hinweis darauf, das ein solches neues Pearl Harbor in diesem Papier als ein irgendwie hilfreiches oder gar wünschenswertes Ereignis beschrieben würde. Es ist nicht etwa so, dass diese Verzögerung der Transformation als problematisch dargestellt würde; das Papier suggeriert nicht, man befinde sich hier im Wettlauf mit der Zeit, und deshalb müsse die Transformation so weit wie möglich beschleunigt werden. Die lange Dauer der Veränderung wird einfach als ein Faktum konstatiert, das aber die vorgeschlagene Strategie nicht in Frage stellt.

Insofern lässt sich aus dem Papier nicht mehr herauslesen als das, was man ohnehin schon wusste, nämlich dass es innerhalb der Regierung Bush eine mächtige Fraktion gab, die von Anfang an auf eine ausgreifende, imperiale Außenpolitik drängte und zu diesem Zweck eine drastische Ausweitung des Militärbudgets forderte. Dass die Ereignisse des 11. September dieser Fraktion überwältigend starke Argumente lieferten, liegt auf der Hand – aber als smoking gun taugt das Papier nicht.

11. September

Eigentlich hatte ich nicht vor, mich noch länger mit der Frage zu beschäftigen, wer der Urheber der Anschläge vom 11.September 2001 war, und ob die amerikanische Regierung bzw. ihre Geheimdienste ihre Finger im Spiel hatten. Ich hatte lediglich das Buch von Oliver Janich rezensiert und im Zuge dieser Rezension, in der es hauptsächlich um ganz andere Dinge ging, unter anderem geschrieben, dass und warum die Argumente des Autors mich in diesem Punkt überzeugen – ohne dass das Thema mich an sich mehr interessieren würde als die Frage, ob Nero Rom oder Hitler den Reichstag angezündet hat.

Ich habe daher auch nicht vor, dem Thema in Zukunft große Aufmerksamkeit zu widmen. Da aber nun unter anderen zwei Kommentatoren, die hier vorher nie geschrieben haben, ein so ungewöhnliches Interesse an den Tag legen, die offizielle Version zu stützen, und einer sich sogar dazu verstiegen hat, an meinem Verstand zu zweifeln, werde ich mich nun doch ein wenig genauer damit beschäftigen – und dann werden wir sehen, wer hier nicht bei Verstand ist.

Das Problem, das Viele mit den sogenannten „Truthern“ haben, ist, dass die meisten von ihnen passionierte Verschwörungstheoretiker sind, auf die Wilhelm Buschs Vers zutrifft „Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut“. Sie suchen und finden einfach viel zu viele „Indizien“, von denen sich etliche bei näherem Hinsehen als irrelevant erweisen; das stimmt schon.

Es ist bloß kein Einwand gegen diejenigen Indizien, die relevant sind. Und ich muss mich ernsthaft wundern, dass Leute, die für sich in Anspruch nehmen, rational zu argumentieren (und gerade deshalb die „Truther“ ablehnen), nun ihrerseits zu einem völlig irrationalen Argument greifen, dessen Logik darauf hinausläuft, die Erde müsse eckig sein, wenn ein „Truther“ behaupte, sie sei rund.

Ich selbst bin alles andere als ein passionierter Verschwörungstheoretiker: Meine Passion ist die Ideologiekritik, nicht das Denken in Verschwörungen. Eine Verschwörung nehme ich nur dann an, wenn die Fakten mir praktisch keine andere Wahl lassen. Dies ist bei den Ereignissen des 11. September der Fall.

Ich habe dabei aus dem oben genannten Grund kein Interesse, mich in hunderten von Details zu verzetteln. Ich frage also nicht, welche Art Flugkörper ins Pentagon gekracht ist; ich interessiere mich nicht dafür, was an Bord der in Pennsylvania abgestürzten Maschine geschah bzw. was dort abgestürzt ist. Auch behaupte ich nicht, dass die Qaida nicht verstrickt gewesen sei.

Ich konzentriere mich auf eine einzige Frage:

Warum sind die Zwillingstürme und WTC 7 eingestürzt?

Es ist ganz und gar ungewöhnlich, dass Hochhäuser aufgrund eines Brandes einstürzen, noch dazu so vollständig in sich zusammensinken, wie dies am 11.9.2001 gleich dreimal geschah. Ich kann mich an keinen einzigen derartigen Fall erinnern, und ich bin nun auch schon seit fast vierzig Jahren Nachrichtenkonsument.

Wenn ich davon ausginge, dass jedes zehnte brennende Hochhaus einstürzt, dann wäre dies noch eine weit übertriebene Schätzung. Trotzdem will ich sie der weiteren Argumentation zugrunde legen. Des Weiteren lasse ich das Argument gelten, die Zwillingstürme seien architektonisch identisch, sodass ihr Einsturz nicht als unabhängig voneinander zu gelten habe, mithin statistisch betrachtet ein einziges Ereignis darstelle.

Unter diesen mehr als fairen Prämissen haben am 11. September zwei Ereignisse stattgefunden, deren Wahrscheinlichkeit bei jeweils zehn Prozent liegt. Da man die Wahrscheinlichkeiten miteinander multiplizieren muss, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl die Zwillingtürme als auch WTC 7 aufgrund eines dort stattfindenden Brandes zusammenstürzen, bei 1 Prozent. Anders ausgedrückt: Bei hundert Ereignissen dieser Art bleibt statistisch 99mal mindestens eines der Gebäude stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zusammenbruch aller drei Gebäude (zwei Ereignisse) aufgrund eines Brandes Zufall ist, die offizielle Version also zutrifft, liegt – statistische Details beiseitegelassen – im Bereich von 1 Prozent; die, dass die offizielle Version nicht zutrifft, demgemäß im Bereich von 99 Prozent.

Weiter: Alle drei Gebäude sind perfekt, geradezu bilderbuchmäßig vertikal und fast in freier Fallgeschwindigkeit genau so zusammengebrochen, wie es auch bei einer kontrollierten Sprengung der Fall gewesen wäre. Der Kommentator, der darauf hingewiesen hat, dass eine solche Sprengung wochenlanger intensiver Vorbereitungen bedarf, und der damit beweisen wollte, dass dergleichen im WTC schon wegen der Kompliziertheit der Vorarbeiten nicht möglich gewesen sei (darauf komme ich gleich), hat unfreiwillig einen entscheidenden Punkt berührt:

Wir sollen also glauben, dass ein Brand rein zufällig zu einem Ergebnis führt, das normalerweise nur aufgrund ausgeklügelter Berechnungen von Abrissingenieuren und aufgrund wochenlanger Vorbereitungen zustande kommt? Und das dreimal hintereinander? Die Wahrscheinlichkeit, dass dies Zufall ist, verflüchtigt sich, ausgehend von dem 1 Prozent, das wir schon ermittelt haben, in einen Bereich, in dem sonst die Wahrscheinlichkeit von Lottogewinnen angesiedelt ist.

Einer der Gründe, warum trotzdem immer noch Viele an die offizielle Version glauben, dürfte darin zu suchen sein, dass sie der Meinung sind, die Verminung eines Gebäudes, in dem täglich Tausende von Menschen arbeiten, sei so unglaublich kompliziert und bedürfe einer so hohen Anzahl an Mitwissern, dass schon deshalb jede derartige Verschwörung auffliegen müsse. Und die „Truther“-Szene mit ihrer Neigung, sich in irrelevanten Details zu verzetteln, statt ein plausibles Szenario zu entwickeln, wie es konkret gemacht worden sein könnte, hat wenig dazu beigetragen, dieses Argument – das klassische Kernargument gegen jegliche Verschwörungstheorie – für den vorliegenden Fall zu entkräften.

Spielen wir es also einmal durch: Wir sind ein Geheimdienst und wollen einen Wolkenkratzer verminen, ohne dass es jemand merkt.

Ein guter Geheimdienst verfügt über Firmen, die normalerweise völlig legale Geschäfte machen und über eine unverdächtige zivile Legende verfügen. Etwa Handwerksfirmen: Elektriker, Installateure, Maurer – was man eben so braucht, wenn man ein Gebäude zum Beispiel verwanzen will. Dass ein Geheimdienst hierzu fähig ist, können wir getrost als Selbstverständlichkeit unterstellen – und dabei im Kopf behalten: Wer ein Gebäude verwanzen kann, der kann es auch verminen. Jedenfalls scheitert dies nicht am fehlenden Zutritt.

Über unsere Beziehungen, die wir als Geheimdienst haben, sorgen wir dafür, dass unsere Firmen Reparatur- und Bauaufträge im WTC bekommen. (Und wenn unsere Beziehungen nicht ausreichen, dann kaufen wir eben Firmen, die solche Aufträge regelmäßig bekommen, und lassen dort unsere Agenten arbeiten.)

Unsere Agenten bekommen also ganz offiziell und mit einem Auftrag des WTC-Managements in der Tasche regelmäßig Zutritt zum WTC, passieren jede Kontrolle und jede Sicherheitsüberprüfung (Selbstredend haben wir ihnen eine Identität mit der weißesten Weste besorgt, die man sich nur denken kann.) und führen Werkzeuge, Kabel, Rohre, allerlei technische Geräte mit sich. Wenn wir dann immer dieselben Handwerker schicken, (was wir schon deshalb tun sollten, um die Zahl der Mitwisser gering zu halten), dann lässt sich der Wachmann irgendwann nicht einmal mehr den Ausweis zeigen, sondern sagt bloß noch „Hi Jimmy, how are you?“

Sprengsätze müssen nicht aussehen wie Sprengsätze, und als Geheimdienst werden wir nicht so naiv sein „explosive“ draufzuschreiben. Wir werden auch in der Lage sein, Sprengstoff so zu verpacken, dass er den Bombenspürhunden entgeht.

Unsere Jungs machen sich also ans Werk, stemmen hier eine Wand auf, verlegen dort ein Rohr, tauschen da einen Feuerlöscher aus und so weiter. Selbst wenn sie dabei ab und an mit merkwürdig aussehenden Gegenständen hantieren, schöpft niemand Verdacht.

Jetzt tritt nämlich der Hauptmann-von-Köpenick-Effekt ein: Menschen trauen dem Augenschein. Wer den Overall eines Installationsunternehmens trägt – nun, was soll der schon anderes sein als ein biederer Handwerker, der seiner Arbeit nachgeht? Man achtet nicht auf ihn! Niemand hat auf dem Radarschirm, dass jemand dreist genug sein könnte, womöglich über Monate hinweg am hellichten Tage, unter den Augen der Security und vor den Linsen der Überwachungskameras das Haus mit Sprengladungen zu spicken. Mit einem Anschlag rechnen die Leute an den Monitoren wohl, und sie achten auf Dinge, die darauf hindeuten, aber sie rechnen nicht damit, dass Leute, die auf Geheiß des Managements täglich ein und aus gehen, das Gebäude verminen. Es ist psychologisch praktisch unmöglich, dass irgendjemand etwas davon mitbekommt. (Und für den Fall, dass die Aktion doch vorzeitig auffliegt, bereiten wir als guter Geheimdienst „Spuren“ und „Beweise“ vor, die unwiderleglich darauf hindeuten, dass der Ku-Klux-Klan das Oklahoma-Attentat im größeren Stil wiederholen wollte, oder dass die Mafia ein großangelegtes Erpressungsmanöver im Sinn hatte – irgendetwas in dieser Art.)

Die beteiligten Agenten werden schweigen, erstens, weil wir ihnen ein paar Millionen Dollar versprochen haben, zweitens, weil sie sonst womöglich wegen versuchten Massenmordes dran sind, drittens, weil sie keinen fatalen „Unfall“ erleiden wollen. Ist das kompliziert? Nein. Ist es schwierig? Nicht für eine Organisation mit den Mitteln eines Geheimdienstes. Gibt es viele Mitwisser? Auch nicht.

Versteht mich richtig: Ich behaupte nicht, dass es sich genau so abgespielt haben muss. Aber Ihr könnt nicht behaupten, eine solche Operation sei nicht durchführbar.

Die Aufsteiger

„Anfang des Monats heiratete Chelsea Clinton (30) endlich ihren langjährigen Lebensgefährten – in Weiß. Hunderte unschuldiger Klopapierrollen wurden dafür geschlachtet, dafür war der Hochzeitskuchen aber auch glutenfrei und der Bräutigamvater (der samt der von ihm geschiedenen Bräutigammutter auf keinem einzigen Foto auftaucht) ein verurteilter Schwerverbrecher. Kein Zweifel, die Clintons heiraten nach oben.“

Editrix (Calamitas)

Wer kontrolliert Hollywood?

… fragt Deep Roots im Counterjihad und fährt fort:

Eine häufig geäußerte Antwort auf diese Frage wird gerne als “antisemitische Verschwörungstheorie” abgetan. Ich möchte dazu Joel Stein das Wort erteilen, der gleich im ersten Absatz seines am 19. Dezember 2008 in der „Los Angeles Times“ erschienenen Artikels Who runs Hollywood? C’mon die Amerikaner wegen ihrer Gutgläubigkeit gegenüber jüdischer PR verhöhnt:

In meinem Leben hat mich noch keine Umfrage so bestürzt. Nur 22% der Amerikaner glauben jetzt, “daß die Film- und Fernsehindustrie sehr von Juden betrieben wird“, im Gegensatz zu nahezu 50% im Jahr 1964. Die Anti-Defamation League, die die Umfrageergebnisse im letzten Monat veröffentlichte, sieht in diesen Zahlen einen Sieg gegen Stereotype. Tatsächlich zeigt sie nur, wie dumm Amerika geworden ist. Juden führen Hollywood total.

Wie zutiefst jüdisch ist Hollywood? Als die Studiobosse vor ein paar Wochen eine ganzseitige Anzeige in der „Los Angeles Time“ herausbrachten, in der sie forderten, daß die Screen Actors Guild [SAG, Schauspielergewerkschaft, d. Ü.] ihren Vertrag abschließt, war der offene Brief unterzeichnet von: Peter Chernin, Präsident von News Corp. (Jude), Brad Grey, Vorsitzender von Paramount Pictures (Jude), Robert Iger, Generaldirektor von Walt Disney Co. (Jude), Michael Lynton, Vorsitzender von Sony Pictures (Überraschung, holländischer Jude), Barry Meyer, Vorsitzender von Warner Bros. (Jude), Generaldirektor Leslie Moonves von CBS Corp. (so jüdisch, daß sein Großonkel der erste Premierminister von Israel war), MGM-Vorsitzender Harry Sloan (Jude) und Jeff Zucker, Generaldirektor von NBC Universal (mega-jüdisch). Wenn noch einer der Weinstein-Brüder unterzeichnet hätte, dann hätte diese Gruppe nicht nur die Macht, die ganze Filmproduktion stillzulegen, sondern auch noch ein Minyan zu bilden mit genug Fiji-Wasser zur Hand, um eine Mikvah zu füllen.

Die Person die sie in dieser Anzeige anschrien, war SAG-Präsident Alan Rosenberg (raten Sie mal). Die beißende Erwiderung auf diese Anzeige wurde von Entertainment-Superagent Ari Emanuel (Jude mit israelischen Eltern [und Bruder von Rahm Emanuel, dem Stabschef von Präsident Obama; d. Ü.]) in der „Huffington Post“ geschrieben, die Arianna Huffington gehört (keine Jüdin, und hat nie in Hollywood gearbeitet.)

Die Juden sind so dominant, daß ich die Branchenverzeichnisse durchstöbern mußte, um sechs Nichtjuden in hohen Positionen bei Unterhaltungsfirmen aufzutreiben. Als ich sie anrief, um mich mit ihnen über ihre unglaubliche Leistung zu unterhalten, weigerten sich fünf von ihnen, mit mir zu reden, anscheinend aus Angst, die Juden zu beleidigen. Der sechste, AMC-Präsident Charlie Collier, stellte sich als Jude heraus.

Als stolzer Jude möchte ich, daß Amerika weiß, was wir vollbracht haben. Ja, wir kontrollieren Hollywood. Ohne uns würden Sie den ganzen Tag zwischen „The 700 Club“ und „Davey and Goliath“ hin- und herschalten.

Der Stolz ist verständlich und berechtigt. Es ist schmeichelhaft, die Angehörigen der eigenen Gruppe in einem Metier erfolgreich zu sehen, das in besonderem Maße Intelligenz und Kreativität voraussetzt, und auch hier in Deutschland nährt sich das, was an Nationalstolz noch vorhanden ist, nicht zuletzt aus der Tatsache, dass deutsche Komponisten mindestens dreihundert Jahre lang die Musik für die ganze Welt geschrieben haben, und dass der Rang von Deutschen in der Philosophie dem der Alten Griechen gleichkommt. Der Abstieg Deutschlands lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass es immer weniger geistig kreative Bereiche gibt, in denen wir noch führend sind.

Freilich trifft die wahre Behauptung, dass Juden in der amerikanischen Filmindustrie führend sind, auf einen ganz anderen ideologischen Hintergrund und wirft daher ganz andere Probleme auf als die entsprechende Feststellung im Hinlick auf deutsche Künstler, Philosophen und Wissenschaftler. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, Beethoven und Bach als Agenten einer „deutschen Weltverschwörung“ zu betrachten, während es durchaus Menschen gibt, die zum Beispiel die Popmusik für eine ethnopolitisch motivierte jüdische Erfindung halten.

Dementsprechend dürften sich nur wenige Juden für Steins Idee begeistern, mit einer PR-Kampagne den Einfluss von Juden auf die amerikanische Unterhaltungsindustrie noch hervorzuheben:

Ich habe den ADL[Anti Defamation League]-Vorsitzenden Abe Foxman angerufen … . Er lehnte meinen ganzen Vorschlag ab und sagte, daß die Zahl der Leute, die glauben, daß die Juden Hollywood führen, immer noch zu hoch sei. Die Umfrage der ADL, betonte er, zeigte, daß 59 % der Amerikaner denken, daß die Führungsleute von Hollywood „die religiösen und moralischen Werte der meisten Amerikaner nicht teilen“ und daß 43 % denken, daß die Unterhaltungsindustrie eine organisierte Kampagne “zur Schwächung des Einflusses religiöser Werte in diesem Land” führen.

Das ist ein böswilliges Gerücht, sagte Foxman. „Es bedeutet, daß sie glauben, Juden würden sich Freitag morgens bei Canter’s Deli treffen, um zu entscheiden, was für die Juden am besten ist.“ (…)

„Das ist eine sehr gefährliche Phrase, ‘Juden kontrollieren Hollywood.’ Wahr ist, daß es eine Menge Juden in Hollywood gibt,“ sagte er. Statt „kontrollieren“ würde Foxman vorziehen, wenn die Leute sagen, daß viele Führungskräfte in der Industrie “zufällig Juden sind“, wie z. B. „alle acht großen Filmstudios werden von Männern geführt, die zufällig Juden sind.“

Aber Foxman sagte, daß er stolz sei auf die Errungenschaften amerikanischer Juden. „Ich denke, die Juden sind in der kreativen Industrie überproportional vertreten. Sie sind unter den Anwälten und wahrscheinlich in der Medizin hier ebenfalls überrepräsentiert,“ sagte er. Er meint, daß das nicht hieße, daß Juden pro-jüdische Filme machen, genausowenig, wie sie pro-jüdische Chirurgie betreiben.

Foxman sieht, und dies leider völlig realistisch, dass es in westlichen Gesellschaften eine latente Bereitschaft gibt, Juden jeglichen Erfolg zum Vorwurf zu machen und ihnen zu unterstellen, sie würden insgeheim jüdische Partikularinteressen verfolgen – während die Dominanz deutscher Komponisten und Philosophen oder auch die Geschmacksdiktatur italienischer und französischer (also katholischer) Modedesigner nie zu vergleichbaren Unterstellungen Anlass gab.

Wie gesagt: Diese Befürchtung ist alles andere als ein Hirngespinst, und die instinktive Reaktion „Am besten, man redet gar nicht darüber“ ist, wenn man fair ist (also bereit, sich in die Lage des Betroffenen zu versetzen), ohne Weiteres nachvollziehbar. Das bedeutet aber keineswegs, dass man sie sich zu Eigen machen müsste.

Deep Roots übersetzt und zitiert im selben Artikel weiter einen Text von Dennis Mangan:

Oliver Stone hatte in einem Interview mit der “Sunday Times of London” auf die Frage, warum es “einen solchen Fokus auf den Holocaust” gebe, geantwortet: “Wegen der jüdischen Dominanz der Medien”.

Abraham Foxman, der Direktor der Anti-Defamation League (ADL) [also derselbe Foxman, der oben seinen Stolz auf die starke Stellung von Juden in Hollywood geäußert hat, M.], sagte darauf: „Oliver Stone hat wieder einmal sein verschwörungstheoretisches Gesicht gezeigt mit seinen Kommentaren über die ‘jüdische Beherrschung der Medien’ und Kontrolle über die US-Außenpolitik. Seine Worte beschwören einige der stereotypischsten und verschwörerischsten Vorstellungen über ungebührliche jüdische Macht und Einfluß herauf.“

Das über ihn hereinbrechende Kesseltreiben zwang Stone zu einem Widerruf, der in Stil und Inhalt an entsprechende Selbsterniedrigungen in „sozialistischer Selbstkritik“ erinnert. Dabei hatte er kaum mehr als eine Selbstverständlichkeit geäußert:

Es ist doch nur naheliegend und nur menschlich, dass Filmproduzenten bei der Auswahl von Stoffen vor allem solche Geschichten für erzählenswert halten, die sie selber interessieren, und niemanden kann es überraschen, dass jüdischen Filmproduzenten das Thema „Holocaust“ wichtig ist; es wäre eher merkwürdig, wenn es anders wäre. Wer solche Zusammenhänge benennt und hinterfragt, muss deshalb noch lange nicht an eine jüdische Weltverschwörung glauben.

Womit wir bei der Kehrseite des Problems wären: Ja, es gibt weitverbreiteten Antisemitismus; ja, es gibt Menschen, denen jeder Vorwand recht ist, den Juden am Zeug zu flicken; ja, es wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um Juden geht; und nein, die Juden bilden sich das nicht ein.

Es kann aber in einer offenen Gesellschaft nicht sein, dass die Interessen und Ideologien, die ihrer Ideologie-Industrie zugrundeliegen, nicht benannt und offen diskutiert werden können. So versteht es sich von selbst, dass die Macht von Zeitungs- und Fernsehzaren (unter denen übrigens, anders als die antisemitische Legende will, nur sehr wenige Juden sind) kritisch beleuchtet wird. Dasselbe gilt für die Art, wie Regierungen und Interessengruppen, Werbekunden und PR-Unternehmen ihren Einfluss geltend machen. Dieselbe Art von Kritik muss auch Hollywood sich gefallen lassen.

Es stimmt einfach nicht, dass die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv – einem Volk, einer Nation, einer Religionsgemeinschaft – keinen Einfluss auf das eigene Weltbild und die eigenen Wertvorstellungen hätte. Amerikanische Juden vertreten tatsächlich andere Wertvorstellungen als der Durchschnittsamerikaner. Sie würden sonst nicht mit bis zu achtzig Prozent die Demokraten wählen.

Jene oben zitierten 59 % der Amerikaner, die denken,

daß die Führungsleute von Hollywood „die religiösen und moralischen Werte der meisten Amerikaner nicht teilen“,

dürften also durchaus richtig liegen. Selbstverständlich gibt es auch in Amerika Juden mit prononciert konservativen politischen Ansichten. Sie sind aber innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft deutlich in der Minderheit – einer Minderheit, deren Angehörige ich nicht ausgerechnet in Hollywood suchen würde.

Wenn die amerikanische Filmindustrie daher zunehmend Filme mit antiweißer, antiwestlicher und christenfeindlicher Tendenz hervorbringt (Ich verweise auf die Artikel „Avatar“ und „Die Entführung Jesu“), so besteht zwar kein unmittelbarer, wohl aber – vermittelt über ihre liberale politische Ideologie – ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der politischen Tendenz dieser Filme und der Tatsache, dass die Verantwortlichen Juden sind. Dies zu sagen, hat per se nichts mit Antisemitismus zu tun. Es ist schlicht die Wahrheit.

[Anm.: Der drittletzte Satz lautete ursprünglich: „…Zusammenhang zwischen der politischen Tendenz dieser Filme und dem jüdischen Glauben der Verantwortlichen.“ Diese Formulierung habe ich geändert, weil sie missverständlicherweise so aufgefasst werden kann, als hätte ich die Inhalte des jüdischen Glaubens mit linker Ideologie in kausale Verbindung bringen wollen. Dies war hier aber nicht gemeint.]

Guttenberg und die globalistischen Seilschaften

Judith hat in dem lesenswerten Artikel „Guttenberg, Afghanistan und ‚die Gesellschaft'“, in dem sie die Rhetorik des Verteidigungsministers aufspießt, ganz nebenbei noch einmal auf einen Zweiteiler in zeitgeist-online hingewiesen, der dort schon vor einem Jahr erschienen, aber nach wie vor aktuell ist. Am Beispiel Guttenberg wird dort, empirisch reich unterfüttert, herausgearbeitet, wie die Selbstrekrutierung der globalen Eliten funktioniert. Einige Kostproben:

Das Young Leaders Programm des American Council on Germany beschreibt seine Aufgabe wie folgt:
(…)„Das ACG greift [also] nach der nächsten Generation von Entscheidungs-Machern und Meinungs-Führern, indem er Konferenzen organisiert, um sie mit transatlantischen [ein Schlüsselwort für US-amerikanisch] Schlüsselthemen bekannt zu machen und sie in die Lage zu versetzen, ein Netzwerk von Kontakten über den Atlantik hinüber zu errichten. Die Amerikanisch-Deutschen-Junge-Führer-Konferenzen bringen ungefähr 50 Deutsche und Amerikaner zusammen und finden jährlich statt. Die erste Junge-Führer-Lern-Gruppe über die Zukunft Europas versammelte 37 junge Führer aus Westeuropa, Polen, Russland und den Vereinigten Staaten über 2 Jahre hinweg viermal.“

Das ungenierte, sorgfältige Heranzüchten von deutschen „Führern“ und „Meinungsmachern“ im Sinne US-amerikanischer neoliberaler und neokonservativer Interessen wäre an sich völlig unproblematisch, wenn es denn von den Medien transparent gemacht und in der Öffentlichkeit diskutiert würde. Dieser Vorgang wird jedoch entscheidend erschwert dadurch, dass zukünftige Medien-„Führer“ und Journalisten ja ebenfalls die Trainingsprogramme durchlaufen, und finanzkräftige Kooperationspartner wie die Bucerius-Stiftung (ZEIT-Herausgeber) sorgen dafür, dass das in Deutschland auch so bleibt.

Guttenberg kommt also neben seiner Herkunft aus altem, deutschen Adel noch aus einem anderen „Zuchtstall“, der ihn viel nachhaltiger geprägt hat, so steht zu fürchten. Wie zu lesen war, entspringt er einem sorgfältigen jahrelangen US-amerikanischen politischen Zöglingsprogramm für deutsche (und europäische) Eliten („Young Leaders“) und ist mittlerweile erfolgreich in einer „Leading Position“ implemetiert worden. Für Deutschland heißt es nach Merkel nun ein weiteres Mal: „Mission accomplished“.

Und dies ist ein anderer Aspekt der transatlantischen Elitenförderung: Während sich in Deutschland an den staatlichen Universitäten Studienanfänger oft in überbelegten Räumen zusammenquetschen müssen, wenn sie einen Studienplatz bekommen haben, so überlassen die Transatlantiker die verantwortungsvolle Aufgabe, bei geeigneten Nachwuchskräften das neoliberale Paradigma nachhaltig zu implementieren, längst nicht mehr allein dem Staat. An ultramodern eingerichteten Privatunis sorgen sie sich um die zukünftige supranationale englischsprachige Elite.

(…)

Dieser Eliten versichert man sich schon allein dadurch, dass sie ihre Privilegien nur innerhalb und durch dieses System besitzen

Es geht um ein Netzwerk, bei dem auch in Ländern mit „emerging markets“ entlang der gesamten „Lieferketten“ westliche neoliberale Praktiken des Business promotet werden. Die internationalen Konzerne können dadurch auf einen flexiblen Pool von englischsprachigen Führungskräften zurückgreifen, die alle über den gleichen Kamm geschoren wurden und sich im Idealfall keinem speziellen Wirtschaftsstandort mehr verbunden fühlen und gleichermaßen einem abgehobenen Elitedenken anhängen. Diese „Wirtschaftsexperten“ kann man dann bei Bedarf von oben in die „emerging markets“ einsetzen. Dieser Eliten versichert man sich schon allein dadurch, dass sie ihre Privilegien nur innerhalb und durch dieses System besitzen. Dies ist einerseits ein Machtvorteil für Konzerne und Finanzwelt, anderseits macht es das System aber auch anfällig, da es zu Korrekturen kaum mehr fähig ist.

Zum Artikel:
Teil I: Der Zögling
Teil II: Guttenberg, der „Junge Führer“ – die Atlantik Brücke und ihr Young-Leaders-Programm

Passend zum Thema auch mein Artikel: Der Neue Adel

Wer beschützt uns vor der NATO?

fragt Fjordman in seinem jüngsten Artikel, den Kairos übersetzt und im Counterjihad eingestellt hat. Ein Auszug:

„Die USA haben mindestens seit Woodrow Wilsons Lebzeiten versucht Europa und den Rest der Welt nach ihem Bild zu formen. Diese Politik beinhaltet das Niederreißen sozialer Stukturen und das Befördern von Masseneinwanderung aus der dritten Welt – das gleiche Programm, das die US- Eliten jahrzehntelang in Nordamerika vorangetrieben haben.

Einheimische Europäer müssen von ihren kulturellen Identitäten „geheilt“ werden. Die amerikanischen Eliten sind genauso daran beteiligt – vielleicht sogar noch stärker – wie ihre europäischen Amtskollegen innerhalb der EU und ihrer pro- arabischen Netzwerke.

Appeasement (s.o.) funktioniert nicht. In den guten alten Zeiten als die gebildeten Europäerr noch ihren Machiavelli lasen – und verstanden – wussten sie, dass beides, geliebt und gefürchtet werden, gut ist. Aber wenn man zwischen beiden Optionen wählen muss, dann ist es besser gefürchtet zu werden als geliebt. Wir können lange Zeit damit leben Feinde zu haben, so lange diese uns respektieren, allerdings geben wir ihnen derzeit keinen Grund das zu tun.

Die dümmlichen Politprojekte der westlichen Nationen in Irak und Afghanistan können nicht funktionieren; es ist einfach unmöglich „Demokratie“ zu exportieren, um islamische Stammeskulturen zurückzudrängen und es ist sinnlos das Leben junger Männer und wichtige Ressourcen bei diesem Versuch zu verschwenden, während das Gesetz der Scharia sich im Westen ausbreitet – ohne Gegenwehr und oft unter Beifall der westlichen Obrigkeit.“

Hier klicken, um den ganzen Artikel zu lesen.

Die Entführung Jesu auf dem Weg zur Apokalypse

Penelope Thornton hat drei Filme seziert: 2012, Legion, The Book of Eli.

Übersetzt und im Counterjihad veröffentlicht von Deep Roots:

„Man sagt uns wieder und wieder, daß unsere Zivilisation ein Fehlschlag sei und zusammenbrechen oder zerstört werden wird. Man sagt uns, daß es Zeit sei, daß sie verschwindet. Die Maya-Prophezeiung sagt uns, daß es unvermeidlich ist. Der Film „2012“ sagt uns, daß die neue Welt in Afrika beginnt. „Legion“ sagt uns, daß unsere Welt bis ins Mark verfault ist und nicht wert, gerettet zu werden. Das Christentum wird so dargestellt, als sei es in Selbstzerstörung begriffen. „The Book of Eli“ beschreibt eine Welt, die von der Technologie des Westens zerstört worden ist, soll heißen, von Weißen.

Die Guten sind in „2012“ ein schwarzer und ein indischer Wissenschaftler, und im „Book of Eli“ ein christusartiger schwarzer Mann. Der männliche weiße Hauptdarsteller in „2012“ ist ein verantwortungsloser, selbstsüchtiger, geschiedener Vater. Die Weißen in „Legion“ sind einheitlich böse. Die alte Dame ist ein Monster, das schwangere Mädchen eine Schlampe, und ihr Freund ist ein Nerd. Aber „The Book of Eli“  stellt weiße Männer als entweder böse oder untermenschlich dar. Viel schlimmer kann’s nicht mehr werden!  Ich bin nicht sicher, ob Hollywood die Weißen, und besonders die weißen Männer, beseitigen will, oder ob es sie nur ganz unten in den Haufen tun will.“

hier lesen: Die Entführung Jesu auf dem Weg zur Apokalypse « Counterjihad.

Beihilfe zum Selbstmord

Wie der New-York-Times-Kolumnist Thomas Friedman in praktisch jedem seiner Artikel Ratschläge gibt, die, wenn verwirklicht, zum Selbstmord der westlichen Welt führen müssen, beschreiben Fjordman und Dennis Mangan in zwei Artikeln, die Deep Roots zusammen mit etlichen Kommentaren übersetzt und im Counterjihad veröffentlicht hat: hier klicken.