Jürgen Elsässer: “Junge Freiheit”-Chef deckt Luckes Verrat an der AfD

Jürgen Elsässer hat heute in einem offenen Brief nicht nur die Haltung des AfD-Vorsitzenden Lucke, sondern auch des ihm sekundierenden JF-Chefredakteurs Dieter Stein zur Frage von Sanktionen gegen Russland scharf kritisiert:

Sehr geehrter Herr Stein,

warum decken Sie den Verrat von Bernd Lucke und anderer AfD-Europaabgeordneter an dem friedenspolitischen Grundsatzbeschluss des letzten AfD-Bundesparteitages in Erfurt? Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, dass sich die erdrückende Mehrheit dieses Parteitages nach vielstündiger Debatte GEGEN Russland-Sanktionen ausgesprochen hat – und diese Mehrheit sich jetzt verraten fühlt durch Abgeordnete, die im Europaparlament zusammen mit CDU/CSU, SPD und Grünen FÜR Russland-Sanktionen abgestimmt haben? Wäre es nicht Aufgabe einer oppositionellen Zeitung, wofür die “Junge Freiheit” bis heute vielen gilt, die Liquidierung einer Oppositionspartei wie der AfD durch ihre eigene Führungsspitze kritisch zu kommentieren – anstatt diejenigen, die auf diesen Verrat aufmerksam gemacht haben, mit Hohn und Spott verächtlich zu machen?

Sie schrieben gestern Abend:

(Auszug Stein) Es ist für mich einfach schleierhaft, weshalb sich die AfD kurz vor den Landtagswahlen in eine überflüssige, hysterische, schwachsinnige Debatte um den „Rußland-Kurs“ verwickeln läßt. (…) Insbesondere über Facebook formiert sich aber seit einigen Tagen ein sich hysterisch überschlagender und aus teilweise dubiosen Motiven gespeister Shitstorm, bei dem Fanatiker gar den Rücktritt des AfD-Chefs Lucke fordern, wenn nicht sofort, jetzt und gleich irgendwelche Korrekturen in der Haltung zu Rußland in der Ukrainefrage vorgenommen werden. Hauptverstärker und Schlüsselfigur bei diesem idiotischen Dauergebrüll ist Jürgen Elsässer, der übrigens selbst seit einiger Zeit AfD-Mitglied sein soll und sich als unabhängiger Kritiker aufspielt. (Auszug Stein Ende)

Finden Sie es förderlich für diese notwendige Diskussion, wenn Sie die vielen von Lucke jetzt enttäuschten AfD-Mitglieder als “Fanatiker” abqualifizieren, die eine “hysterische, schwachsinnige Debatte” führen und sich im “idiotischen Dauergebrüll” verlieren, nur weil sie fordern, dass Lucke nach diesem Vertrauensbruch zurücktreten muss?

Ich kann damit leben, dass Sie mich als “Hauptverstärker” dieses Proteststurmes sehen – tatsächlich sehe ich es als Aufgabe von COMPACT an, oppositionelle Stimmen für den Frieden, in der AfD wie in jeder anderen Partei, nach Kräften zu bündeln und zu befördern. Eine “Schlüsselfigur” kann ich aber schon deswegen nicht sein, weil ich – anders als Sie aus trüben Quellen fischend behaupten – kein AfD-Mitglied bin. Dass Sie mich im folgenden auch noch persönlich als “linksradikales Irrlicht” angreifen und auf meine Biographie anspielen, spricht Bände über die Schwäche Ihrer Sachargumente.

Leser von sowohl COMPACT wie Junge Freiheit haben sicher gemerkt, dass unsere Positionen in Bezug auf Ukraine/Russland weit auseinander gehen. Tatsächlich gehört COMPACT zur Fraktion der Putin-Versteher – wie die Altbundeskanzler Schmidt, Schröder und Kohl, wie Handelsblatt-Chef Gabor Steingart und der Unternehmer Wolfgang Grupp. Wir alle argumentieren im deutschen Interesse und nicht, wie Sie im Nachäffen der Mainstream-Propaganda unterstellen, aus “Servilität” gegenüber Russland.

Sehr geehrter Herr Stein, Europa befindet sich in diesem Sommer am Abgrund eines Krieges – die gefährlichste Situation seit der Kuba-Krise 1962, vielleicht sogar seit 1945. Warum Menschen, die wie Bernd Lucke und Sie einst als Kritiker der etablierten Politik angetreten sind, nun mit dem Berliner Establishment den Schulterschluss üben und mit der Forderung nach Sanktionen Öl in das Feuer gießen, das in der Ukraine lodert, verstehe ich nicht.  Wollen Sie die JF, will Herr Lucke die AfD zum Beiboot der CDU/CSU machen? Welchen Sinn sollte das haben?

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Die entscheidende Frage lautet:

Wollen Sie die JF, will Herr Lucke die AfD zum Beiboot der CDU/CSU machen?

Die korrekte Antwort lautet:

Ja.

Die Alternative für Deutschland ist alles, nur keine Alternative für Deutschland. Ihre Führung ist alles, nur keine Opposition. Selbst wenn sie diesen Anspruch erhöbe, wäre das Babyface von Bernd Lucke bereits ein überzeugendes Dementi.

Die AfD hatte aus der Sicht ihrer Führungsspitze nie einen anderen Sinn als den, das enorme Unzufriedenheitspotenzial in Deutschland in harmlosen Bahnen zu kanalisieren und zu neutralisieren. Ich sage dies mit Bedauern, weil ich weiß, dass sehr viele anständige und fähige Leute große Hoffnungen in diese Partei gesetzt haben und sich aus aufrichtigen patriotischen Beweggründen für sie aufreiben. Ich kann diese Menschen nur auffordern, sich ihrer politisch korrupten Parteiführung zu entledigen.

Ob die Verantwortlichen der Jungen Freiheit den Kurs der AfD aus lauterer Überzeugung, das heißt aus Mangel an politischem Urteilsvermögen unterstützen, kann ich nicht beurteilen. Es gilt aber in unseren gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen als offenes Geheimnis, dass die Aussicht, genauer: die bloß vermeintliche Chance auf gesellschaftliches Avancement, die Hoffnung auf Zugehörigkeit bzw. Rückkehr in den Kreis der politischen und gesellschaftlichen Eliten (und bestünde diese Rückkehr bloß in der gelegentlichen Teilnahme an einer so fragwürdigen Veranstaltung wie dem ARD-Presseclub) für die Verantwortlichen des Blattes ein starkes Motiv darstellt, eine eventuell vorhandene bessere politische Einsicht zu ignorieren.

4 Gedanken zu „Jürgen Elsässer: “Junge Freiheit”-Chef deckt Luckes Verrat an der AfD“

  1. Das Umfeld unseres Gesprächskreises hat darauf gesetzt, daß die AfD so etwas wie die FPÖ aus unserer niederbayerischen Nachbarschaft werden könnte. Das Unterschlüpfen der EU-Abgeordneten der AfD bei der britischen Regierungspartei hat schon für Irritationen gesorgt. Dann erklärt Lucke öffentlich im Fernsehen, daß Deutschland ein Einwanderungsland sei. Jetzt diese Abstimmung für Sanktionen gegen Russland, dann Inverviews von Lucke, daß Parteiübertritte auch von den Linken gern gesehen werden. Die Petry biedert sich in Sachsen sowohl der CDU wie den SED Nachfolgern an. Was soll man davon noch halten?
    http://rundertischdgf.wordpress.com/2014/08/22/und-was-stand-noch-in-der-leipziger-volkszeitung/

  2. Dann hat Ihr Gesprächskreis offensichtlich nicht besonders genau hingeschaut.
    Die AfD hat von Anfang an deutlich gemacht, dass sie keine rechte Partei sein will.
    Ihr das heute zum Vorwurf machen zu wollen ist sinnlos.

    Wenn man sich die Reaktionen von rechts auf die AfD vor Augen hält, versteht man auch warum rechts heutzutage in Deutschland keine Rolle mehr spielt und auf absehbare Zeit spielen wird.
    Erst setzt man auf eine Partei, die nicht rechts sein will und das auch offen kommuniziert. Aus Ignoranz? Aus Verzweiflung? Anschließend ist man ernsthaft wütend und enttäuscht, dass dort keine rechte Politik gemacht wird. Und am Ende kann man sich alles nur noch mit einer Verschwörung des Systems erklären.

  3. Inzwischen hat ja noch weitere bizarre Vorfälle rund um die JF gegeben. Es ist schade, daß Sie nicht mehr bloggen. Schade ist auch, daß die Kommentarspalte auch tot ist. Nichts gegen Deutschland kontrovers – die Sachen sind immer sehr tiefsinnig – ebenso Ihre Beiträge in der Sezession – ich sehne mich trotzdem nach knackigen Kommentaren zum Tagesgeschehen.

    Zur JF folgendes:
    1. da ich dauernd in der Anglosphäre lese – habe ich mich darüber gewundert, wie sich dort alle miteinander verkracht haben. Das das jetzt zu uns kommt – woran mag das liegen.
    2. Ob man bei der JF in den Kreis der Eliten zurückkommen will weiss ich nicht – es ist auch utopisch. Paul Gottfried sagte einmal in etwa, daß Buckley endlich auch zu Cocktailparties eingeladen werden wollte – und deshalb den Teufelspakt mit den Neocons eingegangen sei. Bei Dieter Stein könnte ich mir vorstellen, daß er endlich wieder in seine Peer Group zurückmöchte. Das ist ein Analogieschluss aus mir selbst: lange Zeit hinderte mich mein linksalternatives Sozialisationsmilieu daran wirklich rechts zu werden. Das waren die Leute mit denen ich groß geworden bin. Als ich biographietechnisch keinen Zugang mehr zu diesen hatte – begann erst die Entwöhnung, dann die ideologische Umstellung – schließlich Indifferenz – Nostalgie spüre ich nur, wenn ich The Big Lebowski sehe. Bei Stein vermute ich, daß er aus diesem BRD Bürgertum kommt. Leute die mit dem Gehirn mit der FAZ und der Springerpresse kurzgeschlossen sind: die bei Brandts Ostpolitik noch fluchtartig das Land verlassen wollten – weil das so in der WELT stand – aber 15 Jahre später sagten, Weizsäcker sei der Präsident um den uns die Welt beneide. Auch das stand bei Springer. Solche Leute haben mit Leuten Schwierigkeiten über die ihre Hausblätter schreiben, daß sie rechts sind, so wie Stein eben. Ich glaube Stein möchte entweder mit seinen Freunden und Verwandten bei Familiengeburtstagen, Weihnachten, Erstkommunionen und -konfirmationen sein, ohne das irgendein Controler, Marketingdepp oder Steuerberater die Nase rümpft und sagt: Iiii – Sie sind dieser Stein!… 🙁

  4. Es tut mir ja auch leid, aber ich habe mich seit Beginn des Jahres beruflich umorientiert; das war zwingend notwendig, aber ich habe dadurch weitaus weniger Zeit als vorher und stehe schon mit meinem Buch unter Zeitdruck. Theoretisch könnte ich noch ein paar Minuten täglich zum Kommentieren abzwacken, aber wenn man nicht die Möglichkeit hat, sich darauf wirklich zu konzentrieren, würde die Qualität leiden, und das möchte ich nicht – ich glaube, ich habe einen Ruf zu verlieren. Das soll nicht bis in alle Ewigkeit gelten: Wenn ich mich etabliert habe, sollte es möglich sein, wieder mehr zu schreiben. Aber im Moment geht es eben nicht.

    Was Stein, JF & Co. angeht, gebe ich Ihnen Recht. Vielleicht komme ich in den nächsten Wochen ja doch einmal dazu, das Elend des Konservatismus ausgiebig zu beleuchten.

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