Zur Dialektik des Liberalismus

In einigen meiner letzten Artikel („Die Liquidierung der Zivilisation“, „Armin Mohler: Gegen die Liberalen“, „Bei Nacht und Nebel“) habe ich die These vertreten, dass die Krise unserer Zivilisation unter anderem Ergebnis der Eigenlogik liberaler Ideologie ist. Für diese These habe ich in den dazugehörigen Kommentarsträngen heftige Gegenrede von Le Penseur geerntet. Le Penseur führte neben vielen anderen Argumenten an, die Politik einer sich liberal nenndenden Justizministerin, die soeben bei Nacht und Nebel das Meinungsstrafrecht verschärft, könne so wenig als Argument gegen den Liberalismus herhalten wie die Politik von Angela Merkel als Argument gegen das Christentum.

Heute komme ich endlich dazu, ausführlich zu antworten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der folgenden Überlegungen stelle ich meine Replik nicht als Kommentar, sondern als Beitrag ein:

Vielleicht sollt ich einmal noch deutlicher machen, worum es mir bei meiner Liberalismuskritik geht:

Ausgangspunkt ist für mich die Frage, wie es kommt, dass für unsere Gesellschaft die Frage nach ihrer eigenen Erhaltung und ihrer eigenen Zukunft bedeutungslos ist; warum sie systematisch ihre eigenen Grundlagen zerstört; warum nicht der sich rechtfertigen muss, der an der Zerstörung der Zivilisation arbeitet, sondern der, der sie erhalten will.

Eine Teilantwort lautet, dass die Frage, was die Gesellschaft zusammenhält, das Erstaunen darüber, dass sie zusammenhält, die typische Ausgangsfrage konservativen Denkens ist. Das heißt ja nicht, dass man gegen die Freiheit ist, sondern dass man sich bewusst ist, dass Freiheit nur auf der Basis einer sie ermöglichenden Ordnung möglich ist – und damit ist keineswegs nur die Rechtsordnung gemeint. Das Recht kann nur regeln, was einer nicht tun darf. Es kann (und darf) der Gesellschaft nicht die Normen und Werte vorschreiben, die durch Sozialisation verinnerlicht – oder eben nicht verinnerlicht – werden.

Patriotismus – um dieses Beispiel zu verwenden – kann man niemandem vorschreiben, und ein Volk kann auch mit ein paar ganz unpatriotischen Einzelnen gut leben. Es kann aber nicht überleben, wenn niemand mehr Patriot ist, wenn also niemand mehr sich fragt, was er für sein Land tun kann.

Diese Frage nach den strukturellen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen von Zivilisation (und damit nach den notwendigen Voraussetzungen von Freiheit) an den Anfang zu stellen, ist der Ausgangspunkt konservativen Denkens, und genau dadurch unterscheidet es sich von den liberalen und linken Ansätzen, die – explizit oder unausgesprochen – Rechte, Freiheiten und die Emanzipation von vorgefundenen Bindungen an den Anfang stellen und bestenfalls – wenn überhaupt – in einem zweiten Schritt fragen, wieviel Strukturzerstörung man sich praktisch leisten kann, ohne dass der Laden auseinanderfliegt.

Es geht nicht darum zu behaupten, linke oder liberale Ansätze seien a priori „falsch“ – denn keine Ideologie ist von vornherein so blöde, dass sie nicht irgendetwas Richtiges benennen könnte. Wie ich an anderer Stelle schon sagte: Jede Ideologie ist eine Brille, durch die man manches scharf fokussiert sieht, anderes überhaupt nicht.

Es geht darum, dass konservative Ansätze im oben skizzierten Sinne praktisch aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt sind, und dass deswegen das nötige Korrektiv fehlt, das lange Zeit verhindert hat, dass die gemeinsamen Grundannahmen linker und liberaler Ideologie zu Selbstverständlichkeiten werden konnten, die praktisch nicht mehr hinterfragt werden. Es ist diese Selbstverständlichkeit, die das Denken der Gesellschaft blockiert und sie in das Schema unangemessener Begriffe zur Beschreibung ihrer Wirklichkeit zwingt.

Liberale Ansätze werden praktisch nur noch vom marxistischen, marxistische Ansätze nur noch vom liberalen Standpunkt kritisiert. Was nicht kritisiert wird, obwohl es unsere Kultur zerstört, ist die kulturelle Selbstverständlichkeit, dass die Wirklichkeit auf der Basis normativer Gedankensysteme, letztlich vom Standpunkt der Utopie her, zu kritisieren und entsprechend solchen Systemen zu verändern sei.

Sie missverstehen meine Kritik, wenn Sie darauf abheben, dass unsere Gesellschaft doch gar nicht in einem strengen Sinne liberal sei, wenn man nur an die vielen Staatseingriffe, Sozialstaatlichkeit etc. denke, wie Sie das an anderer Stelle ausgeführt haben. Ich verweise nochmals auf meinen Artikel zur Liquidierung der Zivilisation: Nicht der Liberalismus allein ist die Grundlage der gesellschaftlich vorherrschenden Ideologie, sondern Marxismus und Liberalismus zusammen, mitsamt dem De-facto-Monopol der ihnen beiden zugrundeliegenden Metaideologie.

Dass den Liberalen die Welt zu marxistisch ist, ist daher kein Argument gegen meine These. Umgekehrt gilt nämlich, dass sie den Marxisten zu liberal ist (in ihrer Terminologie: zu neoliberal). Sozialismus und Liberalismus sind durchaus zwei unterschiedliche Utopien, das ja. Aber sie bilden die beiden Pole einer Skala des gesellschaftlich Akzeptablen, und sie definieren dadurch diese Skala. Chance auf Gehör hat nur, wer sich auf dieser Skala positioniert, nicht wer außerhalb von ihr steht. Die ganze Verleumdung von Konservativen als „rechtsradikal“, „fundamentalistisch“, „reaktionär“ usw. usw. würde niemandem einleuchten, wenn nicht die gesamte Begrifflichkeit, in der der öffentliche Diskurs strattfindet, durch Ideologien definiert würde, die auf emanzipatorischen bzw. utopistischen Grundannahmen basieren.

Und nun sagen Sie, lieber Le Penseur, Ihr Liberalismus sei aber der, der zwischen 1759 und 1968 als solcher gegolten habe. Das freut mich. Er spricht für Sie. Es interessiert mich bloß nicht. Ideologien sind nichts Statisches, sondern werden – entschuldigen Sie bitte mein Soziologenlatein – gesellschaftlich fortlaufend reproduziert und dabei verändert, und diese Veränderung folgt einer inneren Logik. Sie haben Frau L.-S. vorgeworfen, sie sei ja gar keine echte Liberale. Nun, diese Dame hat in den neunziger Jahren ihren Ministersessel zur Verfügung gestellt, weil sie den Großen Lauschangriff nicht mittragen wollte, also in Verfolgung eines geradezu klassisch liberalen Anliegens. Finden Sie es nicht etwas arrogant, ihr den Liberalismus abzusprechen? Wenn sie heute das Gesinnungsstrafrecht verschärft, so reagiert sie auf das Problem ethnischer Spannungen, ohne es freilich so zu nennen. Solche Spannungen können aus ihrer Sicht nur auf „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ beruhen. Würde sie zugeben, dass sie das unvermeidliche Ergebnis einer Politik sind, die verschiedene Völker durcheinander rührt, dann müsste sie zwei liberale Grunddogmen in Frage stellen oder doch wenigstens relativieren:

Erstens müsste sie anerkennen, dass die Verfolgung individueller Freiheitsrechte (das Tragen von Kopftüchern, die Orientierung an einem islamischen Wertesystem etc.), selbst wenn sie völlig legal sind, zu gesellschaftlichen Problemen führen können, die sich nicht „von selbst“ durch individuelle Handlungen über Marktmechanismen oder zivile Aushandlungsprozesse restabilisieren und reharmonisieren.

Zweitens müsste sie anerkennen, dass die individuelle Nutzenmaximierung, die auf dem geduldigen Papier der ökonomischen Fachbücher stets zur optimalen Allokation von Ressourcen führt (zum Beispiel durch freie Arbeitsmigration), in der sozialen Wirklichkeit zu ganz und gar suboptimalen Ergebnissen führen kann. Die Crux liegt darin, dass die Modelle der Ökonomen immer nur ceteris paribus, also unter sonst gleichbleibenden Umständen funktionieren, dass ihre Übertragung auf die Wirklichkeit aber gerade diese Umstände verändert (wenn zum Beispiel aufgrund der Migration die Kriminalität steigt).

Das Problem von Frau LS ist also, dass sie es mit Problemen zu tun hat, die sie in der Sprache ihrer eigenen Ideologie kaum benennen und analysieren, geschweige denn lösen kann. Um der Konsistenz ihrer Ideologie willen muss sie zu einer inadäquaten Problembeschreibung greifen und ethnische Spannungen auf „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ zurückführen, was in der Konsequenz darauf hinausläuft, den „Rassisten und Fremdenfeinden“ mit staatlicher Gewalt das Maul zu stopfen. So schlägt Liberalismus in Totalitarismus um – das ist die Dialektik des Liberalismus.

Halt, werden Sie jetzt sagen, Frau LS muss doch merken, dass mit diesem „Liberalismus“ etwas defekt ist, dass er sich auf diesem Wege selbst ad absurdum führt, und wenn sie eine richtige Liberale ist, so werden Sie sagen, dann wird sie doch lieber ihren gesunden Menschenverstand einschalten, statt aus bloßer Prinzipienreiterei ihren Liberalismus so weit auf die Spitze zu treiben, dass er seine eigenen Voraussetzungen untergräbt. Schließlich, so werden Sie zu Recht sagen, kann man jegliche Ideologie dadurch ad absurdum führen, dass man sie auf die Spitze treibt. Wohl wahr.

Das ist nun der Punkt, an dem es so wichtig ist, eine Ideologie nicht als theoretisches Ideensystem zu interpretieren, das als solches statisch wäre, sondern als ein in einer sozialen Bewegung objektiviertes Ideensystem.

Nehmen wir also an, Frau LS würde einem ebenso aufgeklärten und in der Wirklichkeit geerdeten Liberalismus anhängen wie Sie selbst.
Sie würde also ihren Parteifreunden mitteilen müssen: Liebe Parteifreunde, so sehr ich für ein Maximum an individueller Freiheit bin, hier müssen wir eine Ausnahmen von der Regel machen (Buuh!); es kann keine freie Arbeitsmigration geben (Buuuuuuh!); und eventuell werden wir unser ganzes Ideensystem korrigieren müssen (Buuuuuuuuuuuuuuuuu!).

Da wird die Dame schlechte Karten haben. Wer einer Ideologiegemeinschaft angehört, also zum Beispiel einer Partei, in der bestimmte Prämissen zum identitätsstiftenden Konsens gehören, wird es schwer haben, eine Position durchzusetzen, wonach die Konsequenzen aus diesen Prämissen ausnahmsweise einmal nicht gezogen werden sollen. (Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe Anfang der achtziger Jahre ein paarmal versucht, orthodox-marxistischen Jusos die Idee nahezubringen, dass die Sowjetunion womöglich nicht nur eine Friendensmacht sei. :D)

Ihr Liberalismus, Le Penseur, von dem Sie zu Recht sagen, dass er dem Liberalismus der Vor-68er-Epoche entspricht, ist gerade deshalb nicht der Liberalismus, weil wir das Jahr 2010 schreiben und der Liberalismus sich mittlerweile mit den von ihm selbt mitverschuldeten Problemen herumschlagen muss. Er steht jetzt als politische Bewegung vor der Wahl, seinen freiheitlichen Ansatz dadurch zu retten, dass er ihn in ein konservatives Paradigma einpasst (also von der Frage nach den Existenzbedingungen von Gesellschaft ausgeht) oder seinen dialektischen Umschlag in totalitäre Ideologie in Kauf zu nehmen. Es gibt kein Drittes.

Ob es politisch klug ist, dass ich gerade den Liberalismus aufs Korn nehme, steht auf einem anderen Blatt. Es spricht politisch zweifellos einiges dafür, gestützt auf den altliberalen Liberalismusbegriff den real existierenden Liberalismus zu attackieren. Nur geht es mir um Erkenntnis der Ursachen der Krise unserer Zivilisation, und vom Standpunkt dieses Erkenntnisinteresses wären taktische Rücksichtnahmen hochgradig störend.

12 Gedanken zu „Zur Dialektik des Liberalismus“

  1. Wenn ich auf eine Parallele aufmerksam machen darf, die mir auffällt (vielleicht hilft es beim Verständnis):
     
    Ich habe auch immer den Atheismus verteidigt, dem ich mich verpflichtet fühlte, einen „rechten“ Atheismus im Stile Fallacis („Ich bin Atheistin, Gott sei dank!). Es ist aber tatsächlich arrogant zu sagen, die ganzen LINKEN Atheisten (ist die eindeutige Mehrheit), die aus dem Atheismus die Beleibigkeit von Moralbegriffen, einen vulgären Hedonismus und eine ekelhafte Christenfeindlichkeit bei gleichzeitigem Hoffieren des Islams folgern, hätten quasi nur den Atheismus falsch verstanden.
     
    Die atheistische Realität wird von Leuten wie Dawkins und Schmidt Salomon geprägt. Natürlich kann man versuchen dagegen anzugehen und seine eigene Sichtweise durczusetzen. Aber man sollte sich nicht beleidigt fühlen, wenn Christen den linken Atheismus angreifen.
     
    So ähnlich scheint es mir mit LePenseurs „Liberalismus“ zu sein. Die gesellschaftliche Realität hat den Begriff neu bestimmt. Vielleicht bietet sich ja tatsächlich der Terminus „neoliberal“ gegen „altliberal“ an.

  2. @Manfred:

    Nun verstehe ich  Ihren Ansatz um einiges besser. Wenn das, was Sie über und gegen „Liberalismus“ sagen, von Ihnen quasi als „akademischer Denkprozeß“ gesehen wird, dann ist in der Tat einiges, ja vieles, daran richtig diagnostiziert.

    Nur — bei aller Wichtigkeit von Diagnosen: davon kann keiner leben! Es kommt letztlich nur auf die Therapie an, wenn man gesundend werden soll.

    Noch eines: wenn die Ideologiediskussion sich ausschließlich zwischen marxistischer Kritik am pöhsen („Neo-„)Liberalismus und liberaler Kritik am Marxismus bewegt, dann kann man diesen beiden daraus keinen Vorwurf machen — es sind schlicht und einfach die Konservativen, die es seit Jahrzehnten verabsäumt haben, im Diskurs mitzumischen! Und zwar aus dem nicht unverständlichen, aber recht ungeschickten Grund, daß ihnen „ideologische“ Diskussionen auf den Keks gehen und sie wegen ihrer letztlich unideologischen Einstellung sich dabei auch meist etwas hilflos fühlen. Nur ist dann dieses Abseitsstehen ein Zeichen von Schwäche, nicht von selbstbewußter Zurückhaltung, denke ich …

    … und genau dadurch unterscheidet es sich von den liberalen und linken Ansätzen, die – explizit oder unausgesprochen – Rechte, Freiheiten und die Emanzipation von vorgefundenen Bindungen an den Anfang stellen und bestenfalls – wenn überhaupt – in einem zweiten Schritt fragen, wieviel Strukturzerstörung man sich praktisch leisten kann, ohne dass der Laden auseinanderfliegt.

    Sorry, das sehe ich anders! Liberales Grundprinzip ist nicht „die Emanzipation von vorgefundenen Bindungen“, sondern die Erkenntnis, daß die vorgefundenen Bindungen nicht absolut gültig sind, sondern ihre relative Gültigkeit aus dem — selbst hingegen absolut gültigen — Nichtschädigungsprinzip und Freiheitsprinzip beziehen. D.h. nicht die Bindung an sich wird bestritten, sondern bloß der Grund, warum eine Bindung besteht, anders interpretiert: man ist eben (um bei Ihrem BEispiel zu bleiben) nicht einfach „patriotsch“, weil es halt so ist und immer so war, sondern, weil (und insoweit) man darin die Prinzipien der Nichtschädigung und Freiheit besser verwirklicht sieht, als in unpatriotischem Verhalten. Das heißt in Konsequenz, daß ein Liberaler eben nicht den (m.E. fürchterlichen) Satz „Right or wrong — my country!“ sagen wird, wohl aber ein lonservativer Patriot.

    Ideologien sind nichts Statisches, sondern werden – entschuldigen Sie bitte mein Soziologenlatein – gesellschaftlich fortlaufend reproduziert und dabei verändert, und diese Veränderung folgt einer inneren Logik.

    Oder auch äußeren Unlogik oder bloßen Scheinlogik. Natürlich ändern sich Ideologien im Lauf der Zeiten! Ein Konservativer Marke „Manfred“ wäre um 1750 vermutlich als Aufklärer schief angesehen, und um 1500 von der „legitimen Obrigkeit“ einfach aufgehängt worden.

    Ihr Liberalismus, Le Penseur, von dem Sie zu Recht sagen, dass er dem Liberalismus der Vor-68er-Epoche entspricht, ist gerade deshalb nicht der Liberalismus, weil wir das Jahr 2010 schreiben und der Liberalismus sich mittlerweile mit den von ihm selbt mitverschuldeten Problemen herumschlagen muss.

    1. nicht alles, was als Liberalismus bezeichnet wird, ist einer.
    2. nicht alle Probleme, mit denen sich ein (auch zutreffend als solcher bezeichneter) Liberalismus herumschlagen muß, sind „selbstverschuldet“. 1968 war und ist zwar (auch) ein Problem der Liberalen, aber es ist weit mehr „Schuld“ verknöcherter Adenauer-Konservativer als  der Liberalen,würde ich sagen!

    Er steht jetzt als politische Bewegung vor der Wahl, seinen freiheitlichen Ansatz dadurch zu retten, dass er ihn in ein konservatives Paradigma einpasst (also von der Frage nach den Existenzbedingungen von Gesellschaft ausgeht) oder seinen dialektischen Umschlag in totalitäre Ideologie in Kauf zu nehmen. Es gibt kein Drittes.

    Damit sprechen Sie mir durchaus aus dem Herzen. Nur finde ich: wenn man einen Verbündeten sucht (und daß Sie sich lieber mit dem Liberalen als mit dem Sozialisten verbünden wollen, will ich doch hoffen!), dann sollte man ihn nicht vorher abwatschen, sondern Gemeinsamkeiten herauszufinden versuchen. Und daß es gegenüber der linken Meinungsmonopol solche zr Genüge gibt, davon gehe ich eigentlich aus. Sie etwa nicht?

  3. Ich verstehe nun ihre Kritik am dem, was sich heute Liberalismus nennt besser. Aber es ist leider nicht ganz deutlich geworden, warum die ganze Entwicklung, die hauptsächlich von den 68ern angeworfen wurde, nun die Schuld des Altliberalismus (dem von vor den 60ern) gewesen seien soll.

  4. Es gibt einen schönen Aufsatz von Karl-Friedrich von Weizsäcker mit dem Titel „Das moralische Problem der Linken und das moralische Problem der Moral“. Darin beschäftige er sich u. a. mit der Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Linken im Zuge der 68er und ihrer Nachwehen. Obwohl die Entstehung dieses Artikels schon einige Jahrzehnte zurück liegt, wirft er meiner Meinung nach ein Schlaglicht auf das gegenwärtige Verhältnis von Liberalen und Linken zueinander. Ja mehr noch: er macht es auch plausibel, warum die moralischen Paradigmen der Liberalen zunehmend von linken Dogmen geprägt wurden. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: die gegenwärtige öffentliche Moral ist eindeutig links dominiert und umfasst praktisch unser gesamtes Leben, von der Integrationsdebatte bis zum Klimawandel.
    Die Frage ist, wie man sich aus einem derart allumfassenden Griff befreien kann. Die Lösung muss zwangsläufig die Axt an die Grundfesten unseres gegenwärtigen Wertesystems legen. Kosmetische Korrekturen da und dort werden wohl kaum als tragfähige Lösungen taugen.

  5. Nein, lieber Penseur.

    Der REALIST muß diskutieren, wie unsere EXISTENZIELLEN GEFAHREN, wie

    – Masseneinwanderung,
    – demographischer Selbstmord,
    – finanzieller Selbstmord (Staatsschuld),
    – sinkende Fähigkeit des Staates im Inneren und Äußeren den Frieden zu wahren,

    SICHER und EFFEKTIV abgewehrt werden können. Dazu fallen mir schnell einfache und funktionierende Ansätze ein. Die wären alle äußerst hart und sehr einschneidend und sicher nur mit äußerstem Druck durchsetzbar. Aber sie würden die Gefahren effektiv bewältigen.
    Wenn man (auch als Jurist) nun die Zweckmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit der Lösungsmittel prüft, so müßte man überlegen, ob es mildere Mittel bei gleicher Geeignetheit die Gefahren abzuwehren vorhanden sind.
    UND: Wenn es diese nicht gibt, so kann man nur dann ein milderes Mittel verwenden um den DEUTLICH ANZUSPRECHENDEN Preis, die EXISTENZIELLEN GEFAHREN entweder NICHT, kaum oder nur unsicher zu lösen.

    Die Konservativen, sofern sie Realisten sind, MÜSSEN im Diskurs schweigen! Keine der Lösungen ist dem öffentlichen Diskurs zugänglich.
    Alleine schon der (sehr libertäre) Vorschlag, den Sozialstaat wieder durch die Institution Familie zu ersetzen, der Familie also wieder einen Teil der Souveränität zurückzugeben, ist in der Bundesrepublik schlicht eine „Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“.

  6. Politik ist ein mieses Geschäft.
    In den nächsten Jahren könnten wirtschaftsliberale Themen (Sozialtransfers, Steuern, Technologiepolitik etc….. mehr dazu im ef-magazin) durchaus eine neue Bürgerbewegung antreiben. Klingt optimistisch, aber die Tea Party in den USA macht mir persönlich ein kleines Bischen Hoffnung.
    Gleichzeitig verstehe ich natürlich auch Manfreds grundsätzliche Kritik am Werterelativismus, wenn man den Liberalismus mal so nennen darf.
    Meine Frage: kann eine liberale Bürgerbewegung nicht doch auch positiv auf unsere Gesellschaft wirken, trotz der ideologischen Bedenken Manfreds?
    Ein Beispiel: die Piratenpartei fing mal anarcholiberal an, wurde schnell von den Linken übernommen und ist inzwischen tot. ABER: immerhin hat sie für einen Moment die Zensurpläne unserer Politiker für das Internet vehindert!
    Darf man nicht doch hin und wieder einen Pakt mit Mephisto schliessen, um Schlimmeres zu verhindern?
    Ich würde es begrüssen, wenn die Sozialausgaben, die ein Hauptantrieb der Verwahrlosung und anschliessenden Islamisierung sind, durch eine Liberale Revolte zurechtgestutzt würden.Das wär doch was!
     

  7. @Meyer:

    Keine der Lösungen ist dem öffentlichen Diskurs zugänglich.

    Glaube ich nicht! Sicher nicht alle, aber „keine“?

    @Manfred:

    Wie wäre es mit zwei Parteien, die getrennt marschieren, um vereint zu schlagen?

    Solange sie sich nicht gegenseitig schlagen, sondern gemeinsam die anderen — nichts dagegen! Zu bedenken ist nur, daß die in unseren „Demokratien“ unter dem Prätext, eine „Parteienzesplitterung“ vermeiden zu wollen, geschickt eingebauten Mindestprozentgrenzen natürlich zwei Parteien in der Anfangszeit massiv behindern können.

  8. Zu gunsten der Justizministerin LH lässt sich sagen, dass sie nicht die Urheberin des neuen Zensurgesetzes ist.  Betrieben wurde es vielmehr von ihrer sozialdemokratischen Vorgängerin BZ, und inzwischen hat es die Institutionen der EU durchlaufen und kann nur noch umgesetzt werden.
    Dass LH dies bei Nacht und Nebel tut, deutet, wie Manfred bereits anerkannt hat, immerhin auf ein schlechtes Gewissen hin.

  9. @ LePenseur

    Nun gut. Nicht alle Lösungsansätze zur Abwehr EXISTENZIELLER Gefahren sind in der Öffentlichkeit ansprechbar. – Ändert dieser kleine Unterschied nun etwas an dem grundsätzlichen Feststellung?

    Letztendlich vermisse ich eine Diskussion (die eben kaum führbar ist) über das wenigstens NOTWENDIGE Handeln (wenigstens exemplarisch) und für mich wird zuviel über Ismen aller Art diskutiert. Das ist doch nachrangig:
    Wenn eine Überlebensmaßnahme notwendig ist, so gibt es keinen Grund von Ihr abzusehen, nur weil sie nicht in ein Weltbild paßt, unabhängig ob dieses nun liberal ist oder christlich oder sozialistisch oder „wertkonservativ“.

    Folgerung:
    Selbstverständlich hat man von einem Weltbild und von einem politischen System SOFORT und KONSEQUENT abzusehen, wenn dieses in Kollision mit den NOTWENDIGEN EXISTENZIELLEN RETTUNGSMASSNAHMEN gerät – und zwar für immer und grundsätzlich. Es taugt nichts!

    Schluß:
    Ob der (echte oder Pseudo-)Liberalismus überhaupt ein politisch-systematisches Modell ist, das grundsätzlich in Frage kommt, sollte man also erst beantworten, wenn man festgestellt hat, daß keine der NOTWENDIGEN Maßnahmen mit dessen Grundsätzen des Liberalismus (oder was auch immer) kollidiert. Nicht eine allegemeine NÜTZLICHKEIT ist maßgebend, sondern die (vielleicht selkten bedeutsam werdende) NOTWENDIGKEIT.
    Damit wäre nämlich nicht der Beweis, daß die NOTWENDIGEN Maßnahmen falsch wären geführt, sondern daß der Liberalismus (oder welcher Ismus auch immer) in seinen Grundannahmen UNTAUGLICH ist das ÜBERLEBEN zu sichern, obwohl ihm sicher keiner seine NÜTZLICHKEIT, einen Wohlstand zu erzeugen, absprechen wird. Jeder Ismus, der sich durch seine Prinzipien den NOTWENDIGEN Maßnahmen entgegenstellt, ist damit zwingend denknotwendig aus dem „Pool“ der systematischen Ideen rauszunehmen.

    Wie jetzt in Subsumtion die Prinzipien des Liberalismus (oder eines sonstigen Ismusses) mit den notwendigen Überlebensmaßnahmen in Einklang zu bringen wären (und nicht umgekehrt), müßte also am Anfang einer geordneten Diskussion über Liberalismus, Sozialismus oder (Wert-, Religions-, National- oder Sonstwas-) Konservativismus stehen.

    Ein Ansatz zur Definition des Konservativismus könnte also lauten, daß alle notwendigen Maßnahmen zur Abwehr aller existenziellen Gefahren in Recht, Staat, Religion und Gesellschaft Vorrang vor allen nützlichen und nicht auf die Selbstbehauptung bezogenen haben müssen. Und das unter Beachtung der Natur des Menschen, der Menscheitsgeschichte und der (schwer) absehbaren Entwicklung.

  10. Auch wenn ich hier nicht mehr kommentieren darf, ich lese bei aller Kritik am Liberalismus (die auf mich übrigens nicht zutrifft: ich bin Patriot, für die Familie und erst recht massiv gegen nihilistischen Werterelativismus und den Islam und für den starken Rechtsstaat, der auch Migration kontrollieren darf) immer mal wieder gerne hier mit.
    Es ist richtig, dass der Liberalismus als politische Ordnungslehre nicht selber die notwendigen kulturellen Voraussetzungen zum Erhalt der Freiheit schaffen kann. Ich bin daher gespannt, ob sich hier auch mal mit dem Objektivismus auseinandergesetzt wird. Aber vlt. ist der ja zu unbedeutend- zumindest für europäische Konservative.
    Schönen Tag noch.
     

  11. Ein Konservativer oder Reaktionär macht einfach bei dem dämlichen Gesabbel nicht mit. Dieses ewige diskutieren, labern, um die Probleme herumkreisen von Freiheit reden..
    Freiheit hat man oder nicht. Und wer es nicht hat sollte sich mal überlegen ob er im inneren die Vorraussetzungen für Freiheit „fühlen und geniessen“ hat.
     
    Es wird immer ausgeblendet das manchmal Menschen nur seelische Probleme haben, und diese sie steuern.

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