Kinder an die Macht?

Wer kennt sie nicht: die Tüddeleltern, die ihrem Kind jeden Wunsch erfüllen, sofern es ihn nur laut, ausdauernd und schrill genug vorträgt; die ganz begeistert sind von der Lebensfreude ihres Sprösslings, wenn er andere Erwachsene mit irgendwelchen Gegenständen bewirft oder stundenlang im Restaurant auf und ab läuft; die sich nicht trauen, ihr Zweijähriges um halb acht ins Bett zu legen, weil man das Kind ja nicht in seiner Entfaltung stören darf; und die höchstens dann ausfallend werden, wenn ein geplagter Mitmensch zaghaft anfragt, ob das liebe Kleine nicht vielleicht …

Wer kennt sie nicht? Nun, Klaus Wowereit und seine rote Gurkentruppe zum Beispiel.

In Berlin soll nach dem Willen der SPD jeglicher Kinderlärm in Zukunft ohne Einschränkung erlaubt werden. Man darf Kitas in Wohnhäusern eröffnen, ohne für entsprechende Schalldämmung zu sorgen, und wer das Pech hat, eine Familie mit besagten Tüddeleltern zu Nachbarn zu haben, womöglich noch in der Wohnung über dem eigenen Kopf, hat juristisch auch dann keine Chance, wenn das liebe Kleine von morgens um sechs bis abends um elf hin und her durch die Wohnung trampelt und in unregelmäßigen Abständen Schreianfälle bekommt. So etwas gibt es nicht? O doch, Freunde, ich versichere Euch: So etwas gibt es! Und noch etwas versichere ich, und zwar aus Erfahrung: Drei Monate mit solchen Nachbarn, und Ihr seid reif für die Nervenheilanstalt!

Rein theoretisch müsste gerade bei den in Berlin regierenden roten Parteien, und ebenso bei den auf der Reservebank lümmelnden Grünen die Sensibilität für das Thema „Lärm“ ganz besonders groß sein, wimmelt es dort doch nur so von Gewerkschaftsfunktionären, die die gesundheitlichen Folgen von Dauerlärm auswendig herunterbeten können, und auch bei den Grünen – und ganz besonders dort! – wird niemand ernsthaft bestreiten, dass Lärm unter die Kategorie „Umweltverschmutzung“ fällt.

Nur zählt das plötzlich nicht mehr:

„Wir wollen nicht, dass Kinderlärm mit Autolärm oder Presslufthämmern gleichgesetzt wird“

„Ziel ist es, Kinderlärm zu privilegieren. Er ist unverzichtbar für die Entwicklung eines Kindes.“

Mit anderen Worten: Ob Lärm gesundheitsschädlich ist, ist keine medizinische Frage, sondern eine politische. Lärm, für den man nicht die bösen Kapitalisten verantwortlich machen kann, ist nicht gesundheitsschädlich und daher zu privilegieren.

Natürlich fördert es mitnichten die Entwicklung eines Kindes, wenn ihm jegliche Rücksichtslosigkeit gegenüber Erwachsenen erlaubt wird. Ich habe selber zwei Kinder großgezogen und musste ihnen klarmachen, dass es Situationen gibt, wo sie toben können und dürfen, soviel sie wollen, und Situationen, wo das eben nicht geht. Wer freilich zu feige ist, seine Kinder überhaupt zu erziehen, weil er unter dem Einfluss linker Ideologie glaubt, das sei irgendwie „repressiv“, dem muss eine solche Forderung unerträglich erscheinen. Es geht in diesem Zusammenhang auch nicht so sehr um die „Rechte“ von Kindern, sondern um die Pflicht von deren Eltern (oder wer auch immer die Verantwortung trägt), ein Minimum an Rücksicht gegenüber Mitmenschen zu üben.

Der interessanteste Aspekt an der Initiative der SPD freilich ist die Tatsache, dass die Opposition nicht widerspricht. Das wundert einen bei den Grünen so wenig wie bei der FDP. Bei der CDU allerdings, die immer noch den Anspruch erhebt, eine bürgerliche, womöglich sogar konservative Partei zu sein, passt das beflissene Abnicken dieser roten Unverschämtheit nicht zu dem Bild, das ihr klassischer Stammwähler von ihr haben soll; wohl aber passt es hervorragend zu dem in den letzten Jahren vorherrschend gewordenen Eindruck, dass die Union bereit ist, jeden linken Unfug zu schlucken, wenn es gilt, sich selbst als „modern“ und „liberal“, in jedem Falle aber zu verkaufen. (Die größte Angst des Mainstream-Konservativen ist bekanntlich die vor dem Vorwurf, rückständig zu sein, und seine Gegenstrategie lautet, sich gegen diesen Vorwurf zu immunisieren, indem er die Ideologie und das Programm derer übernimmt, die ihn erheben.)

Wie tief unsere Gesellschaft von linker Ideologie durchdrungen und wie weit daher ihre Infantilisierung fortgeschritten ist, erkennt man gerade an solch scheinbar unpolitischen Materien wie dieser hier. Linke Ideologie erklärt die Existenz sozialer Machtungleichgewichte zu etwas prinzipiell Bösem und rechtfertigt damit die Privilegierung der angeblich „Unterprivilegierten“.

Deswegen versucht die Linke stets denjenigen zu privilegieren, der in der schwächeren sozialen Position ist (oder es so darstellen kann), also Entwicklungsländer gegen Industrieländer, Frauen gegen Männer, Arme gegen Reiche, Palästinenser gegen Israelis, ethnisch-religiöse Minderheiten gegen Mehrheiten. Dasselbe tut sie aber auch in scheinbar ganz unpolitischen Bereichen: Die Interessen von Radfahrern etwa haben stets Vorrang vor denen von Autofahrern. Das Prinzip lautet, dass der Stärkere dafür bestraft werden muss, dass er das ist.

Und deswegen haben sich Erwachsene von Kindern tyrannisieren zu lassen, und ist der Vorwurf der „Kinderfeindlichkeit“ noch vernichtender als der der „Ausländerfeindlichkeit“. („Kinderfeindlich“ ist bereits, wer von Kindern bzw. deren Eltern Selbstverständlichkeiten einfordert, in derselben Weise, wie „ausländerfeindlich“ ist, wer die die vielzitierte „kulturelle Bereicherung“ beim besten Willen nicht als solche empfinden kann und dies auch sagt.)

Um sich diesem Verdacht gar nicht erst auszusetzen, beugt sich die CDU der Diktatur linker Ideologen.

7 Gedanken zu „Kinder an die Macht?“

  1. ich werde Ihre seite auf unserm mini-forum verlinken: sie scheint mir – auf den 1. blick – durchaus spannend und interessant: antikorrektionistisch, ohne gleich das kind mit dem bad auszuschütten und gleich wieder „rechtsrechts“ abzudriften…
     
    „liberal“ (???), individualistisch, denkautark…
     
    gratuliere!

  2. O danke! 😳 Ob man mich „liberal“ nennen kann, ist freilich eine Definitionsfrage; „konservativ“ trifft’s besser, weil ich der Auffassung bin, dass die Gesellschaft sich Liberalität nur so lange leisten kann, wie die Strukturen stabil sind, auf denen sie beruht.

  3. Die armen Kinder! Indem ihnen keinerlei Schranken gesetzt werden, wird ihnen ein unverzichtbarer Bestandteil in ihrer Entwicklung vorenthalten. Das koennte vielleich auch als Kindesmisshandlung gesehen werden?

  4. Ja, das ist in der Tat Kindesmisshandlung. Aber was zählt für gewisse Leute schon das wohl wirklicher Kinder, verglichen mit dem fiktiven Wohl ideologischer Retortenbabys?

  5. Ein weiterer Beweis für den Irrsinn linksideologischer Weltbetrachtung. Man meint, festgestellt zu haben, daß die Gesellschaft zu wenig „kinderfreundlich“ ist. Als stereotypes Argument erscheint hier stets der Rentner, der gegen Kinderlärm in der Nachbarschaft klagt.
    Abgesehen davon, daß dies ganz gewiß nicht der Normalfall oder auch nur häufig ist, stellt es eine völlige Verirrung dar, die Gesellschaft nun per Gesetz umerziehen zu wollen. Man kann sich natürlich wünschen, daß Kinder mit ihren Lebensäußerungen von allen Gesellschaftsgruppen positiver gesehen werden.
    Dies gesetzlich festzulegen, ist aber kontraproduktiv – wer nun dem grenzenlosen, weil erziehungsbefreiten Kinderlärm ausgesetzt ist und nichts unternehmen kann, wird wohl kaum zu gesteigerter Freude daran neigen.
    Außerdem fragt sich, wie das Gesetz vereinbar ist mit der gewerkschaftlichen Forderung der Erzieher nach „besserem Gesundheitsschutz“, der sich ganz speziell auf die hohe Lärmbelastung bezieht und den sie in lange Streiks erzwungen haben.
    Sicher ist die Wahrnehmung zu differenzieren: was für die einen Lärmbelastung und gesundheitsschädlich, hat für die anderen Musik in den Ohren zu sein…
     
     
     
     
     
     

  6. Es sollte mal lieber was zum Schutz der Betroffenen mit Kinderlärm unternommen werden. Die Herren Politiker wohnen garantiert nicht bei einer Kita, Spielplatz oder haben so tolle Nachbarn.

    Es geht einem echt auf den Geist, dass in Deutschland nur noch Familien mit Kindern was zählen.

    Uns steht auch der Bau einer Kita in nächster Nähe bevor im Wohngebiet. Ich hoffe, dass die Stadt noch richtig Ärger deswegen mit den Anwohnern bekommt. Auch unter SPD Regierung hier.

  7. An alle, die es vielleicht noch nicht mitbekommen haben: Man googele heute nur einmal unter „Kuckart Kinderlärm“. Leonhard Kuckart, Landesvorsitzender der Senioren – Union NRW hat in eklatantester Weise gegen das Gebot der Political Correctnes verstoßen, indem er sich gegen Kindergärten, Kitas und Spielplätze auch in reinen Wohngebieten ausgesprochen hat! Kurz zusammengefasst: Lärm bleibt Lärm, egal aus welcher Quelle, und auch Ältere haben das Recht auf Erholung, weshalb in einem Wohngebiet mit vielen älteren Menschen auch auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen ist.
    Wahrscheinlich ist es nur der Respekt vor dem Alter, der die CDU (noch?) davon abhält, Kuckart vor die Disziplinarkommission zu zitieren,damit er sein „Revoco!“ spreche.
    Ich selbst habe übrigens jahrelang über einem Kindergarten gewohnt und
    lange Zeit gut mit dem unvermeidlichen Kinderlärm leben können. Indes
    spürte man am eigenen Leib, wie das Ganze im Laufe der Zeit immer mehr aus den Fugen geriet. Ursache war ganz offensichtlich die mehr und mehr
    nachlassende Disziplin – ob dies nun eine Folge des Zeitgeistes und damit der Überforderung der Erzieherinnen oder deren Unvermögen war, sei
    einmal dahingestellt, vermutlich kam alles zusammen. Jedenfalls wurde es
    nach und nach unerträglich, so dass meine Familie schließlich – viel zu
    spät – die Konsequenzen zog und sich eine andere Bleibe suchte.
    Ich wünsche der gemeinsamen Aktion von Journaille und Gutmenschen jedweder politischer Couleur, die jetzt von allen Seiten auf Herrn Kuckart einprügeln, nur einmal für eine Woche unter solchen Bedingungen zu leben wie ich es damals tat.
    Im übrigen halte ich das, was da gerade abgeht für Nachwehen oder meinetwegen auch Wiederaufleben der sog. „antiautoritären Erziehung“.
    Die 68er sind eben noch lange nicht tot, nein, ihr (Un)Geist hat inzwischen auch die CDU infiziert.
    Und ob das Errichten von Kindergärten, Kitas u. ä. allerorten mit der Lizenz zum Dauerlärm wirklich dazu beiträgt, unser Land „kinderfreundlicher“ zu machen, darf ohnehin bezweifelt werden, denn den demographischen Selbstmord kann und wird das nicht aufhalten.

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