Zum Fall Wolfgang Clement

Warum eigentlich genießt Wolfgang Clement in seinem Streit mit der SPD so viel höhere Sympathien als seine Partei?

Jedenfalls nicht deshalb, weil er im Recht wäre. Es versteht sich doch von selbst, dass keine Partei, auch sonst keine Vereinigung, in ihren Reihen Mitglieder dulden muss, die sie schädigen. Wolfgang Clement hat in der heißen Phase des hessischen Wahlkampfes von der Wahl seiner eigenen Partei abgeraten. Wenn das keine Schädigung ist, was denn dann? 

Jeder Andere, vor allem jeder weniger Prominente, wäre bei gleicher Sachlage ohne weiteres aus der SPD, wie auch aus jeder anderen Partei ausgeschlossen worden. Wenn ein in Ehren ergrauter Politiker wie Clement nicht begreift, dass er mit seiner Rüge noch gut bedient war, dann bleibt mir nur die Frage, ob dieser Mangel an politischem Verstand womöglich eine Alterserscheinung ist.

Wohl gibt es ein Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit. Das impliziert aber kein Jedermann zustehendes Recht, Mitglied jeder beliebigen Vereinigung zu werden oder zu bleiben. (Anderenfalls müsste man auch einem wie mir das Recht zugestehen, Mitglied eines Moscheevereins zu werden, und den Moscheeverein verdonnern, mich zu dulden. Im Kreise aller billig und gerecht Denkenden besteht wohl Konsens, dass hier die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten wären.)

Es gibt auch das Grundrecht der Meinungsfreiheit, auf das gerade Clement sich gerne beruft. Es kann es ja auch ohne weiteres; nur kann er nicht unbedingt zugleich Mitglied der SPD sein. Ich bin auch ganz sicher, dass auch Wolfgang Clement ein weitaus weniger extensives, um nicht zu sagen exzessives Verständnis von Meinungsfreiheit bekundet hätte, wenn zum Beispiel Üppsi es gewagt hätte, ihm einen Landtagswahlkampf zu versauen.

Und trotzdem sympathisieren alle mit Clement – auch ich. Warum?

Weil das Zerwürfnis zwischen Clement und der SPD symptomatisch für deren rabiaten Linksschwenk ist und Clement seine Partei zur Kenntlichkeit entstellt hat:

Entstellt, weil der entstandene Eindruck falsch ist, er sei wegen „Rechtsabweichung“ gerügt worden; es ging nicht um Abweichung, sondern um Parteischädigung.

Zur Kenntlichkeit, weil die Behandlung Clements ein wenngleich ungeeigneter Beweis für eine vollkommen zutreffende These ist. Nämlich, dass in der SPD ein quasi stalinistischer Konformitätsdruck zugunsten linker Positionen herrscht. Der Stil der Juso-Intriganten der siebziger und achtziger Jahre, die unter „Politik“ den trickreich geführten innerparteilichen Flügelkampf verstanden, ist zum Leitbild der ganzen Partei geworden. Dass Politik dem Land dienen sollte … Land??? Was für ein Land?

Es setzt das Tüpfelchen aufs i, dass diese Partei, die so weit wie möglich nach links will und sich dabei selbstredend von der Agenda-Politik verabschiedet hat, ausgerechnet Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten macht, den Architekten dieser Politik. Niemand wird sich einbilden, dass die Sozialdemokraten sich an Steinmeiers inhaltlichen Vorstellungen orientieren wollen. Nein, nein: Außen soll „Schröder“ (alias Steinmeier) draufstehen, innen soll Nahles drin sein.

Die Üppsi-Lüge in XXL-Version.

Nicht, dass die Sozialdemokraten sich an Machiavelli orientieren, werfe ich ihnen vor. Machiavellismus ist so alt wie die Politik, und wer erfolgreich sein will, kommt nicht an ihm vorbei. Er kann sogar einen Zug von Größe haben, wenn er im Dienste einer Sache steht, die ihr historisches Recht hat – man denke an Konrad Adenauer und die Wiederbewaffnung.

Die Sorte Machiavellismus aber, die für die heutige SPD typisch ist, diese Verbindung von Pöstchengier und doktrinärer Borniertheit, von demokratischen Phrasen und praktizierter Volksverachtung, dieses doppelbödige „Wir lügen niemals, aber wenn wir lügen, dürfen wir das auch“, und das alles verbunden mit dem Anspruch, das schlachthin Gute zu verkörpern – das ist einfach das Letzte.

9 Gedanken zu „Zum Fall Wolfgang Clement“

  1. Die Sorte Machiavellismus aber, die für die heutige SPD typisch ist, diese Verbindung von Pöstchengier und doktrinärer Borniertheit, von demokratischen Phrasen und praktizierter Volksverachtung, dieses doppelbödige “Wir lügen niemals, aber wenn wir lügen, dürfen wir das auch”, und das alles verbunden mit dem Anspruch, das schlachthin Gute zu verkörpern – das ist einfach das Letzte.

    triffts absolut. Und man kann nur hoffen, daß diese SPD 2009 vom Wähler hart bestraft wird.

  2. Hallo Manfred,

    ich finde in Deinem Artikel sehr schön differenziert dargestellt, was mit Clement abgegangen ist. Meine Sympathien ihm gegenüber halten sich aber in Grenzen. Allein aus dem Grund, dass ich ihn als Person nicht wirklich kenne. Ich freu mich nur darüber, dass durch sein Verhalten, wie ach klar ausgedrückt, der „Konformitätsdruck zugunsten linker Positionen“ innerhalb der SPD noch mal in der Öffentlichkeit kenntlich gemacht wurde. Wenn die SPD eine bürgerliche Partei hätte sein wollen, dann hätte sie (oder zumindest einige aus dem „rechten“ Flügel des Seeheimer Kreises) eine Ypsilanti maßregeln müssen und dann hätte gegen Y ein Parteiausschlußverfahren angestrengt werden müssen. Für den sog. Querkopf, war mit der Adelung Y. als MP-Kandidation sowieso schon alles zu spät.
    Übrigens es ist doch interessant, dass Y., die sehr weit links denkt, den griechischen Adelsnamen ihres Ex-Mannes behält… Ein Hinweis, dass Linke nur gerne „Wesir an Stelle des Wesirs“ sein wollen…

  3. „Nämlich, dass in der SPD ein quasi stalinistischer Konformitätsdruck zugunsten linker Positionen herrscht.“

    Wenn da wirklich ein stalinistischer Druck herrschen würde, würde es in der SPD nicht ständig Zoff geben. Unter Stalin hats keinen Zoff gegeben.
    Im übrigen scheint mir der Seeheimer Kreis in der SPD doch ziemlich mächtig zu sein.

    Im übrigen: was wäre schon schlimm daran gewesen, wenn Ypsilanti mal 4 Jahre zusammen mit den Linken regiert hätte. Dann hätte sie zeigen können, was sie auf den Kasten hat. Ein Scheer als Wirtschaftsminister bedeutet nicht den Untergang des Abendlandes.
    Als hessischer Bürger hatte man immerhin noch die Wahl zwischen Linken und Konservativen. Ich hab als NRW-Bürger nur die Wahl zwischen 5 sozialdemokratischen Parteien (SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke). Der Rüttgers ist inzwischen ähnlich schlimm wie Bruder Johannes, dem er mit aller Macht nacheifert.

  4. hmmm.. die Bundestagswahl 2009 wird spannend:
    18% SPD + 18% Linke + 10% Grün = eine nette Koalitionsoption

    Ja, die Partei, die Partei, die hat imma Recht… die Linken sind Weltmeister darin, jede Kritik an sich im Keim zu ersticken.

  5. merkwürdigerweise sind die ganzen Linken in der SPD gar nicht so tieftraurig über den Weggang mehrer „Rechter“ und den Absturz in der Wählergunst.

    Besser ist es doch, als Splitterpartei unbedingt Recht zu behalten, die Volkspartei SPD war gestern.

  6. In der SED hiess das Demokratischer Zentralismus. Der Parteitag beschloss und die Genossen hatten die Ziele umzusetzen. Anders können Parteien nicht funktionieren. Wer nicht mehr mit einer Partei übereinstimmt, kann versuchen, die Politik zu verändern, er kann aber nicht andauernd querschiessen, dann sollte er die Partei verlassen oder die sich von ihm trennen.

  7. @Olaf61: leider, das Politik-Ideal in der BRD-West war mal anders.
    Volkspartei bedeutete, daß man viele verschiedene Gruppierungen unter einer Fahne versammelt, aber trotzdem die Unterschiede gelten lässt.

    In der West-SPD haben das nach 1968 vor allem die LehrerInnen versemmelt. Gerade in der Hessen-SPD sind diese Maoisten sehr stark.

    Anders, als in der DDR hat sich die alte BRD halt den spastischen Zuckungen des Zeitgeistes hingegeben.. das bedeutet auch, daß die SPD nicht in jedem Bundesland die gleiche Partei gewesen ist.

    Ein Beispiel – in Nordrhein-Westfalen (wo ich lebe), war die SPD immer eine Partei der Industrie – das heißt, eine Partei, die sowohl die Interessen der Industriearbeiter als auch der Industriellen Familienbetriebe (Krupp etc.) vertreten hat.

    In ihren besten Zeiten hat die SPD in NRW beides unter einen Hut gebracht – die Wirtschaft florierte und die Arbeiter haben gut verdient.

    es ist nicht mehr so.

  8. Du sagst es:

    Nein, nein: Außen soll “Schröder” (alias Steinmeier) draufstehen, innen soll Nahles drin sein.

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