James Sheehan: „Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden“

(Kurzrezension)

James Sheehan beschreibt „Europas langen Weg zum Frieden“ als einen Umweg: Der Zustand eines nach innen und außen weitgehend befriedeten Europa, den wir heute genießen, war nämlich vor 1914 schon einmal erreicht gewesen. Man ist sich heute dessen gar nicht mehr so bewusst, weil man ja weiß, was danach kam. Stefan Zweig hat in seinen Lebenserinnerungen („Die Welt von Gestern“) die Zeit vor 1914 „das Zeitalter der Sicherheit“ genannt.

 

Ich fasse Sheehans Argumentation zusammen:

 

Das Jahrhundert vom Wiener Kongress 1815 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das friedlichste in der Geschichte Europas gewesen; seit 1871 hatte es überhaupt keinen Krieg der Großmächte mehr gegeben, und die Abschaffung des Krieges überhaupt schien erstmals eine reale Möglichkeit zu sein.

 

Freilich war sie auch eine Notwendigkeit: Die hochtechnisierten Massenheere der europäischen Großmächte, das sahen hellsichtige Analytiker schon im 19. Jahrhundert, konnten den Krieg gegeneinander nur als totalen Krieg führen, der eine entsprechend umfassende Zerstörung hinterlassen würde.

 

Genau so kam es. Der Erste Weltkrieg vernichtete nicht nur Menschenleben, Staaten und Kapital. Er zerstörte die friedfertige Zivilität, die bis dahin die Völker Europas ausgezeichnet hatte. Die Gewaltideologien des Faschismus und des Kommunismus verhinderten die Rückkehr Europas zu einer rationalen und friedlichen Politik, die zumindest in den westlichen Staaten angestrebt wurde.

 

Dort erwuchs aus der apokalyptischen Erfahrung des Weltkriegs ein leidenschaftlicher Pazifismus, der die speziell vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr bagatellisieren zu können glaubte. Die daraus resultierende Appeasement-Politik ermöglichte Hitler erst die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs und die Zerstörung Europas.

 

Paradoxerweise war es gerade der Kalte Krieg, der zur Entmilitarisierung der europäischen Politik führte. Unter dem eisernen Panzer der Supermächte verloren die europäischen Staaten de facto die Fähigkeit zur autonomen Kriegführung und zugleich jedes Interesse daran.

 

Die westeuropäischen Staaten der Nachkriegszeit waren und sind zivile Staaten in dem Sinne, dass sie das Ziel maximalen Wohlstands für ihre Völker verfolgen und in Institutionen wie der EU in einem Maße zusammenarbeiten, das vor 1914 unvorstellbar gewesen wäre.

 

Sogar im Ostblock war das Maß an Repression in der Ära nach Stalin bei weitem nicht vergleichbar mit den Gewaltexzessen der Revolution und des Stalinismus, und so erscheint es wie der folgerichtige Abschluss dieser Entwicklung, dass Gorbatschow den sowjetischen Imperialismus kassierte, Osteuropa freigab und auf friedliche innere Reform setzte.

 

Wer freilich die zivile, ja pazifistische Disposition des heutigen Europa zum Modell machen und als solches dem amerikanischen „Militarismus“ polemisch entgegensetzen will, verkennt, dass Europa nach wie vor in einer hochgradig gefährlichen Welt existiert und auf eigene Gewaltanwendung nur deshalb verzichten kann, weil die USA nach wie vor zur Kriegführung fähig und gegebenenfalls auch bereit sind.

 

Europa, das hat sich spätestens beim Zerfall Jugoslawiens gezeigt, ist ein amerikanisches Protektorat, das unfähig ist, seine eigenen vitalen Interessen zu wahren, zumindest dann, wenn dazu die Anwendung militärischer Gewalt erforderlich ist.

 

Dies wird auch so bleiben, sofern Europa sich nicht zu einem Bundesstaat mit eigenem Militär und eigener Außenpolitik mausert. Ein solcher Staat wäre eine Supermacht; aber er wird nicht entstehen, weil es für die Europäer wesentlich bequemer ist, den Schutz Amerikas in Anspruch zu nehmen, an dem festzuhalten, was von der nationalen Souveränität noch übrig ist, und die Abhängigkeit von den USA als notwendiges Übel in Kauf zu nehmen.

 

Soweit Sheehan. Ich kann nicht behaupten, dass mir seine Schlussfolgerung gefällt, aber wenn ich einen größeren Betrag wetten müsste, würde ich seiner Prognose realistischerweise eine größere Chance auf Verwirklichung einräumen als meiner eigenen Hoffnung, dass Europa wieder lernt, seine eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und seine eigenen Interessen selbst zu vertreten.

 

Es ist nun einmal einfacher, auch bequemer, auch billiger, die eigene Sicherheit einem Anderen anzuvertrauen, und den Preis in Gestalt von Abhängigkeit zu bezahlen. Solange dieser Andere ein freundlicher Hegemon ist wie Amerika, der Europa seine Abhängigkeit nur gelegentlich und nur mäßig spüren lässt, mag das alles angehen.

 

Was aber, wenn Amerika sich zurückzieht? Was, wenn es zum unfreundlichen Hegemon wird? Was, wenn es den Preis erhöht? Was, wenn es nicht mehr stark genug ist, seine Protektorenrolle zu spielen?

28 Gedanken zu „James Sheehan: „Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden““

  1. Ist Amerika ein „guter Hegemon“? Leider gibt es Abhängigkeit von einer Großmacht nicht zum Nulltarif. Die US-amerikanischen Eliten sind, ebenso wie die europäischen, multikulturalistisch, universalistisch, expansiv und wirtschaftslibertär. Und der Preis dafür, sich seine Sicherheit vom US-Militärpotential garantieren zu lassen, ist seit dem Ende des Kalten Krieges insofern drastisch erhöht worden, als mittlerweile die Zerstörung der europäischen Nationen zugunsten einer Multiminderheiten-Gesellschaft in Kauf genommen wird.

    Ich für meinen Teil hätte mit einem vereinigten Europa, sogar mit dem bürokratischen Wasserkopf der EU, wesentlich weniger Schwierigkeiten, wenn denn deutlich würde, dass dieses Konstrukt tatsächlich den Interessen der europäischen Völker diente – natürlich auch dem deutschen als dessen größter Einzelnation, stärkster Wirtschaftsmacht und größtem Nettoeinzahler. Genügend gemeinsame Interessen hätten die europäischen Nationen schließlich: Sicherung der Rohstoffzufuhr für die eigenen Volkswirtschaften; kulturelle Selbstbehauptung gegen den imperialistischen Islam, Sicherung des inneren Friedens und Beförderung eines gesamteuropäischen Bewusstseins, das dann aber auch exklusiv zu sein hätte. Zur Zeit gibt es aber weder ein nationales noch ein paneuropäisches Wir-Gefühl, sondern nur ein propagandistisch befördertes, globalistisch-universalistisches, das aber ebenso künstlich ist, wie es offensichtlich an der Existenz einer Milliarde Moslems scheitert, die den Teufel tun werden, in einer „neuen Menschheit“ gleicher und konsumsüchtiger Massenmenschen aufzugehen. Der Islam ist noch 500 Jahre entfernt davon, reif dafür zu sein, und je mehr ich über diese Utopie lese, desto entschiedener lehne ich sie auch ab. Eine von oben her vereinigte Welt und eine unterschiedslose Menschheit, ohne nationales Zusammengehörigkeitsgefühl, ohne Solidarität, die den Näherverwandten mehr gilt als den Fremden oder gar den Feinden, ohne den Willen zur Bewahrung der reichen eigenen Kulturen, kann nicht im Sinne der Europäer sein.

    Tatsächlich aber hat sich die weit oberhalb jeglichem Realitätsbewusstsein operierende EU-Elite einem Konvergenzprojekt verschrieben, das – so wie die Dinge laufen – in einer irreversiblen Islamisierung des Kontinents enden wird. Die Utopien sowohl der antinationalen Linken als auch der globalisierten Großkonzerne greifen hier nahtlos ineinander, zum Schaden einer halben Milliarde Menschen. Doch sofern sie geglaubt haben, dass sie, ebenso wie sie ihre Eine-Welt-Propaganda den Europäern eintrichtern konnten, sie auch den Moslems würden eintrichtern können, haben sie sich fundamental geirrt. Sie glauben, im Katz-und-Maus-Spiel der westlichen gegen die islamischen Globalisten die Katze zu sein, sind aber in Wirklichkeit die Maus – denn die islamischen Eliten handeln durchaus im imperialen Interesse der gesamt-moslemischen Nation, während die westlichen Globalisten gegen ihre Völker und zu deren Nachteil herrschen.

    Und die treibenden Kräfte hinter diesem Projekt sitzen in den USA, und sie betrachten das schwache Europa als ihre Spielwiese. Die europäischen Linken, wie auch die in den USA, sind auf diesen Zug aufgesprungen, da sie sich vom „Ende der Nationen“ immer noch die Weltrevolution versprechen – zwar nicht mehr die bolschewistische, aber doch noch die ökologische oder die egalitaristische. Die einzige europäische Nation, der sich von dieser Utopie nicht anstecken ließ, ist Serbien – hier haben wir einen Grund für das permanente amerikanische Eingreifen auf dem Balkan, die sonst unerklärliche Begünstigung des djihadistischen Erzfeindes und die Zerstückelung eines europäischen Staates, die mit der Unabhängigkeit von „Kosova“ noch lange nicht abgeschlossen ist. Die europäischen Globalisten machen sich notgedrungen zum Komplizen dieses Verbrechens, denn ohne Zweifel wären sie selbst auch bald Zielscheibe, wenn sie sich dem widersetzen würden.

    Einen „guten Hegemon“ würde ich mir anders vorstellen, aber ich weiß, dass es in dieser Welt keine guten Hegemone gibt. Darum sollte Europa ganz schnell lernen, seine eigenen wahren Interessen zu verfolgen – auch mit militärischer Gewalt. Solange die „vereinigte Menschheit“ nicht realisierbar ist, ist das das Beste, was unseren nationen passieren kann. Dass ein „Europa der Vaterländer“ wirklich unweigerlich untergehen muss gegen die aufstrebenden Nationen Ostasiens, halte ich längst nicht für erwiesen – im 19. Jahrhundert hatten das kleine Großbritannien und das kleine Frankreich fast die ganze Welt unter sich aufgeteilt, während das schon damals riesige China international bedeutungslos war. Einen Untergang der europäischen Nationen mit Notwendigkeit vorherzusagen, wie es die EU-Eliten nach der irischen Ohrfeige allenthalben tun, ist ein historizistischer Hochmut. Welche Technologien, Strategien und Methoden in Zukunft die Welt verändern, kann man unmöglich schon heute völlig voraussehen. Den Untergang durch Überalterung, Kinderlosigkeit aufgrund kinderfeindlicher sozialer Bedingungen, Degeneration von Bildung und Befähigung, Auswanderung der noch Leistungsfähigen, Auspressung der Verbliebenen durch überhöhte und zum Feind transferierte Steuern, Behinderung von Kreativität und Einfallsreichtum und nicht zuletzt Überflutung mit kulturfremden, feindlich gesinnten islamischen Invasoren wird auch ein EU-zwangsvereinigtes Europa irgendwann erleiden, wenn es sich nicht bald grundlegend ändert.

  2. „Dass ein “Europa der Vaterländer” wirklich unweigerlich untergehen muss gegen die aufstrebenden Nationen Ostasiens, halte ich längst nicht für erwiesen – im 19. Jahrhundert hatten das kleine Großbritannien und das kleine Frankreich fast die ganze Welt unter sich aufgeteilt, während das schon damals riesige China international bedeutungslos war.“

    aufgrund des technologischen und militärischen Vorsprungs – ja, das war einmal so. Der Vorsprung ist aber längst hin. China befindet sich bereits auf der Überholspur, Japan hat in vielen Bereichen längst die Nase vorn und Indien wird folgen.

    Damit soll allerdings nicht die alberne Fiktion Europa unterstützt werden. Die Nationen Europas werden ganz einfach ärmer werden. In jeder Beziehung. Auch die US ist betroffen. Da hilft dann auch der von den linkshegemonialen „Eliten“ beschworene starke Staat nicht weiter. Den Takt geben dann andere vor, die es besser können. Damit sollte man sich abfinden. Nothing lasts forever. Auch der Kolonialismus und dessen Spätfolgen nicht.

  3. Umso wichtiger wäre es, unseren technologischen Vorsprung nicht leichtfertig an China zu verspielen. Das einzige, was die Chinesen erfunden haben, ist „Reverse Engineering“: Westliche Produkte zerlegen, um sie dann zum halben Preis nachbauen zu können. Aus lauter kurzfristiger Geldgier nehmen es die europäischen Produzenten in Kauf, sägen aber damit den Ast ab, auf dem sie sitzen. Die Japaner haben schon vor 10 Jahren daraus die Konsequenzen gezogen und lassen so gut wie nichts mehr in China produzieren. In vielem sollten wir uns an den Japanern ein Vorbild nehmen, wie man sich auch als alternde, kinderarme Gesellschaft kulturell behauptet. Hätten die Japaner ihre Grenzen für das internationale moslemische Lumpenproletariat geöffnet, wäre es mit Nippon ähnlich schnell vorbei wie mit Europa. Daraus kann man etwas lernen.

    Was ich nicht verstehe ist, inwiefern der Untergang Europas eine Spätfolge des Kolonialismus ist? So gut wie alles, was den bösen europäischen Nationen als Folge des Kolonialismus vor die Füße gekippt wird, ist in Wahrheit höchst hausgemachtes Versagen korrupter afrikanischer Kleptokraten und moslemischer Gewaltherrscher. Und aus der Tatsache, dass GB einst Kolonialherr Indiens (und damit Pakistans) war, müssten die Briten auch nicht ein Bleiberecht für alle möglichen Pakistani in GB konstruieren, wenn sie die Absicht hätten, auch in 50 Jahren noch da zu sein.

    Vielleicht würde sich der Niedergang Europas ohnehin vollziehen, einfach schon dadurch, dass wir das hier generierte Wissen nicht auf Dauer für uns behalten können und die Asiaten immer mehr Menschen haben als europäische Nationen. Doch zur Zeit wird Europa regelrecht abgewrackt und absichtlich viel schneller zerstört, als es von selbst passieren würde. Die Globalisierung zieht Kapital aus Europa ab und investiert es in China, Indien, Russland und Brasilien. Um ihren Wohlstand zu halten, müssen die Europäer sich immer ausschließlicher auf ihren Erwerb konzentrieren und haben immer weniger Zeit für Kinder. Große Teile des von ihnen erwirtschafteten Geldes werden ihnen als Steuern entzogen, dienen aber, entgegen ihrem eigentlichen Zweck, nicht ihren Nationen, sondern der Alimentierung weitgehend unproduktiver und sogar verbrecherischer Gruppierungen – nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Maghreb, in Afrika und in „Palästina“. Ohne diese Alimentierung könnten diese niemals so viele Kinder in die Welt setzen, denn ihre kargen Volkswirtschaften würden sie schlicht verhungern lassen. Grob gesagt, züchten und päppeln wir in diesem Gürtel die Menschen heran, die noch in diesem Jahrhundert Europa überrollen werden. Ist Europa todessehnsüchtig?

    Mein (politisch höchst unkorrekter) Rat: „Entwicklungshilfe“, „humanitäre Einsätze“, „Mittelmeer-Union“ und sogar Katastrophenhilfe sofort einstellen. Das würde die Bewohner der Elendsgürtel dieser Erde dazu zwingen, sich am eigenen Schopf aus ihrem selbstverschuldeten Elend zu ziehen. Dass das möglich ist, beweist das prosperierende Israel, das aus einer Wüste eine leistungsfähige Volkswirtschaft gemacht hat. Doch die bösartigen Unproduktiven dieses Planeten wollen lieber das gute Beispiel vom Erdboden tilgen, als die Lehre anzunehmen.

    P.S.: Ich habe Manfred versehentlich falsch zitiert. Statt von „guter Hegemon“ war in seiner Rezension von „freundlicher Hegemon“ die Rede.

  4. @ Thatcher,

    ich stimme Dir im Grundsatz zu und melde nur an zwei Punkten bezüglich Deines ersten Kommentars Widerspruch an:

    Zum einen glaube ich nicht, dass die amerikanische Serbienpolitik ideologisch motiviert ist. Ich vermute vielmehr, dass es mit dem hegemonialen Anspruch der USA schlicht unvereinbar war zu dulden, dass ein kleiner europäischer Staat wie Serbien Krieg auf eigene Rechnung führt und die Pax Americana stört. Vermutlich wollen sie auch das Kosovo als loyalen Verbündeten aufbauen. Dass von dieser Loyalität in zehn oder fünfzehn Jahren nicht mehr viel übrig sein wird, das wissen wir, aber nicht die Amerikaner. Die durchschauen nicht einmal Scientology – wie sollen die den Islam durchschauen? Das bedeutet aber, dass sie Serbien in Ruhe lassen werden, zumindest was territoriale Fragen angeht. Die Befürchtung, dass Serbien immer weiter zerpflückt werden könnte, teile ich nicht.

    Zum anderen bezweifle ich, dass ein einzelner europäischer Staat in der Lage wäre, seine eigene Sicherheit, und mit ihr die Europas, militärisch zu gewährleisten. (Ernsthaft kommen ja nur Deutschland, Frankreich und England für eine solche Großmachtrolle in Frage; das heißt aber, dass über die Hälfte des militärischen Potenzials Europas dafür nicht zur Verfügung steht, weil es an Kleinstaaten gebunden ist.) Was müsste eine solche Großmacht denn können? Sie müsste fähig sein, an jedem Punkt der europäischen Peripherie, speziell der islamischen Welt, eine lokale militärische Überlegenheit zu Lande, zu Wasser und in der Luft aufzubauen, und zwar auch im Vergleich zu so hochgerüsteten Staaten wie der Türkei, Iran und Pakistan. Sie müsste in der Lage sein, dort einen Landkrieg zu führen und dies nicht nur gegen reguläre Streitkräfte, sondern auch gegen Guerilleros und Terroristen. Heißt, sie bräuchte allermindestens eine halbe Million Mann, Flugzeugträger, eine große Flotte von Transportflugzeugen, Satellitenaufklärung, Stützpunkte, möglicherweise Atomwaffen. Ich bin kein Militärexperte, aber ich glaube, dass ich nicht verkehrt liege, wenn ich 150 bis 200 Milliarden Euro Militärausgaben pro Jahr als Untergrenze veranschlage, unterhalb derer von einer „Großmacht“ nicht ernsthaft die Rede sein kann.

    Ein Land wie Deutschland könnte sich das theoretisch leisten; aber kann man sich vorstellen, dass es das auch tatsächlich tut? (Mal abgesehen davon, was die übrigen Staaten Europas, z.B. Polen, wohl davon hielten, wenn wir ein 200-Milliarden-Rüstungsprogramm auflegen, den Zwei-plus-vier-Vertrag revidieren und den Atomwaffensperrvertrag kündigen würden?) Wenn überhaupt, kann eine solche Großmacht nur durch Zusammenlegung des Potenzials aller europäischen Staaten (zumindest aber der größeren) entstehen. Die typische EU-Lösung für solche Probleme, die in Gestalt der „EU-Eingreiftruppe“ auch schon versucht worden ist, lautet, gemeinsame Streitkräfte zu schaffen, aber keine gemeinsame Entscheidungsstruktur (die dann zwangsläufig, ob man sie so nennt oder nicht, eine Regierung sein müsste) – das heißt, man nimmt den Einzelstaaten Bewegungsfreiheit, indem man sie aneinander kettet, ohne sie aber zu gemeinsamem Handeln zu befähigen, weil sie alle in verschiedene Richtungen streben.

    Ein Europa der (miteinander solidarischen) Vaterländer müsste es trotzdem sein. Mir scheint – ebenso wie Dir – der tiefste Irrtum der EU-Politik tatsächlich darin zu liegen, dass man glaubt, Europa könne die Nationen ersetzen. Das kann es genau nicht. Ein „Europäertum“ als Kollektividentität kann es nur als ideologische Fiktion geben, die keinem normalen Menschen plausibel zu machen ist. Was hingegen den meisten Menschen einleuchtet, ist die Idee, dass die Völker Europas in den großen Fragen miteinander solidarisch sein sollten. Eine solche Idee setzt aber gerade voraus, dass die Nationen als primäre politische Einheiten erhalten bleiben. Eine Nation, die als solche nicht existiert, kann sich auch mit niemandem solidarisieren.

  5. Thatscher,

    mich wuerde interessieren, auf welcher Grundlage Du behauptest, dass die Bruesseler Eliteeuropaer von den USA aus gesteuert wuerden?

  6. @Manfred,
    @beer7:

    Um die letztere Frage zu beantworten, habe ich einen längeren Kommentar verfasst, in dem ich einige meiner Quellen per Link angebe. Da scheint aber der Spamfilter drauf reagiert zu haben. Könntest Du, Manfred, ihn trotzdem hier veröffentlichen? Wie soll man denn dem (meist zu Recht, aber oftmals auch schikanös erhobenen) Zitier-Zwang nachkommen, wenn alles weggeschluckt wird, wo mehr als 2 Links drin sind.

  7. Das ist eine heikle Frage, zu deren Beantwortung ich etwas weiter ausholen werde. Weder für Europa noch für de USA halte ich es für zutreffend, dass irgendein demokratisch gewählter Politiker noch fähig wäre, Einfluss auf bedeutende oder gar historische Vorgänge zu nehmen. Das schlimmste Beispiel ist wohl Deutschland: Im Bundestag sitzen Partei- statt Volksvertreter, die kaum Sachkenntnisse haben.

    Hier ein Panorama-Beitrag über den Informationsstand der Bundestagsabgeordneten über die EU-Verfassung aka EU-Reformvertrag:
    http://video.google.com/videoplay?docid=5237879946330399901&hl=de

    Und in der Regierung sieht es nicht besser aus. Im Gesundheitsministerium etwa haben sogar Angestellte von Pharmafirmen auf Planstellen gesessen und konnten dabei sogar an Gesetzentwürfen mitschreiben – natürlich gab es keinen Interessenkonflikt. Die Ressortleiterin macht nicht gerade den Eindruck, als könne sie die verwickelten Vorgänge intellektuell erfassen oder einen Ministeriumsangestellten, der auf der Lohnliste von Pharmafirmen steht, von vertrauenswürdigen Staatsdienern unterscheiden. Aber das scheint auch gar keine Tätigkeitsbeschreibung einer Ministerin mehr zu sein.

    http://www.zeit.de/2006/15/Lobby?page=all

    Da ich noch mehr solche Berichte kenne, habe ich keinen Grund anzunehmen, dass es sich in Ländern wie Österreich, Spanien oder Schweden sehr viel anders verhält. Doch genau diese abgeschlossene, qualitativ minderwertige Politikerkaste ist es, die das Personal zu den EU-Institutionen schicken. In den Brüsseler Bürokratiemaschinen grassiert folglich der Lobbyismus wie ein Pilz. Den Lobbyisten fällt es oft nicht einmal besonders schwer, gewichtigen Einfluss auf den Verordnungs-Tsunami zu nehmen, der täglich auf uns zurollt – und in dem oftmals Dinge von weit größerer Tragweite auf raffinierte Weise versteckt sind als nur solche, die die Krümmung von Gurken und Bananen betreffen.

    Follow the money trail and you will find the truth.

    Es reicht, sich den Haushalt der Europäischen Kommission anzuschauen – seit 12 Jahren ist dieser Haushalt nicht mehr vertragskonform, aber weder das EU-Parlament noch der EU-Rechnungshof haben Mittel in der Hand, um das Abfließen öffentlicher Millionengelder in „dunkle Kanäle“ zu verhindern. Daniel Hannan, britischer MdEP, hat einst gesagt, dass Italien selbst dann, wenn es ein einziger großer Olivenhain wäre, nicht so viele Oliven würde produzieren können, dass all die EU-Subventionen, die es für Oliven erhält, gerechtfertigt wären. Infolgedessen wird unter EU-Kritikern oft vom „olive belt“ gesprochen, der korruptionsanfällige Regionen im Süden Italiens von weniger korruptionsanfälligen im Norden trennt und der sich von Italien aus immer weiter nach Norden verschiebt, so dass die Korruption in weiten Teilen Mitteleuropas schon Einzug gehalten hat.

    Ich folgere aus solchen Einzelfällen, dass die wohlorganisierten Vertreter von geldstarken Firmen – seien sie nun „legal“ wie Konzerne oder „illegal“ wie die Mafia – die Politik im Stillen lenken. Hans-Herbert von Arnim etwa geht in seinen Büchern immer wieder solchen und ähnlichen Skandalen nach, doch erzielt er kaum eine Wirkung, da er wohl ein wenig zu sehr zum Poltern neigt. Allzu viel zu den Hintergründen gibt er auch nicht preis; das muss der Leser sich dann eben selbst zusammenreimen. Von Arnim ist auch kein verwirrter Spökenkieker, sondern Professor an der Bundeshochschule für Verwaltung, das ist DIE Eliteschule für den Beamtenstab der deutschen Ministerien. Deren Ressortchefs allerdings kommen aus dem Parteienmilieu und haben oftmals nicht einmal ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen.

    In Süditalien ist es seit Jahrzehnten gängige Praxis, dass auf den regulären Bürgermeisterposten nur Leute geduldet werden, die intellektuell nicht in der Lage sind, den Machenschaften der Mafia-Clans etwas entgegenzusetzen. Die Mafia ist nicht einfach eine Ansammlung verbrecherischer Familien, sie ist dort, wo die staatliche Macht nicht hinreicht, ein Quasistaat, dem die Einheimischen teilweise sogar mehr Vertrauen entgegenbringen als den regulären staatlichen Organisationen. Auf EU-Ebene scheinen sich mafiöse, lobbyistische und staatliche Strukturen unentwirrbar miteinander vermischt zu haben.

    Der allgegenwärtige Lobbyismus hätte aber nun nicht wirklich katastrophale Auswirkungen, wenn der Europäischen Kommission und den nationalen Ministerien Leute vorsäßen, die den Interessen ihrer Nationen und ihren Bürgern wirklich dienen wollten und dazu auch fähig wären, und die solche klandestinen Machenschaften unwirksam machen könnten. Doch was selbstverständlich sein sollte, wird immer wieder torpediert – ich denke hier insbesondere an die Ablösung der sehr kompetenten Bundeskanzler Erhard (1966) und Schmidt (1982). Erhard sprach einmal von „der Macht, die kein Gesicht hat“. Ob dieser geniale Wirtschaftsexperte und Staatsmann aus Frust über den Amtsverlust simplen Verschwörungstheorien aufgesessen war? Zumindest muss er geahnt haben, dass etwas sehr Mächtiges hinter den Kulissen vorgeht.

    In den USA gingen die Inhaber großer Firmenimperien um 1900 dazu über, sich zur Förderung ihrer Geschäfte der Strukturen der Freimaurerei zu bedienen. Die freimaurerischen Riten und Bekenntnisse waren für sie nicht Selbstzweck, sondern sie waren eher an der Verpflichtung der Logenbrüder interessiert, ihr Leben lang über die Dinge Stillschweigen zu bewahren, die ihnen in der Loge bekannt werden. Freilich bezeichnet die Vereinigte Großloge von London solche Logen, die primär geschäftlichen oder gar verbrecherischen Zielen dienen, als irregulär und gestattet ihnen nicht, sich der Grand Lodge anzuschließen, doch ihre Aktivitäten kann weder sie noch irgendeine Regierung unterbinden. Wenn irgendwo effektiv und lautlos große Räder gedreht werden können, dann in solchen Kreisen. Selbst wenn es Journalisten oder einer Staatsanwaltschaft gelingen sollte, darüber Dinge in Erfahrung zu bringen und sie öffentlich zu äußern, so würde ihren Berichten schon allein deshalb nicht geglaubt, weil die Informationen so ungeheuerlich sind und kaum glaubwürdige Zeugen aufzutreiben sein dürften. Das Prinzip heißt Arkandisziplin. Abgesehen davon wird auch niemand glauben, dass, wer sich in solchen Kreisen bewegt, vor bezahlten Mordkommandos sicher sei, falls er nicht exakt seine Rolle spielt. Fazit also: Die irregulären Strukturen haben hinter den regulären staatlichen und demokratisch legitimierten Strukturen eine Nebenmacht aufgebaut und können sie sich gefügig machen, ohne dass ihnen noch irgend jemand etwas anhaben könnte. Und an der Spitze beginnen sich reguläre und irreguläre Struktur immer mehr zu vermischen. Noch stärker als die EU dürften wohl die UNO, die WTO, der International Monetary Fund und andere internationale Organisationen davon betroffen sein. Bei der EU stört es uns nur eher, weil sie schon so bedeutsam für unser tägliches Leben geworden ist und sich anschickt, unsere Nationalstaaten zu usurpieren.

    Dass außer der Mafia und den Lobbyisten auch die Gruppierungen dieser irregulären Freimaurerei sich tief in die Architektur der Europäischen Union vorgearbeitet haben, ist mehr oder weniger ein offenes Geheimnis. Man kann dies an der Häufung freimaurerischer Symbole erkennen – vorausgesetzt, man kennt diese. Spökenkiekerei ist das jedenfalls nicht mehr; es ist einfach zu auffällig:

    * Die zwölf goldenen Sterne auf dem blauen Tuch der Europaflagge sind mitnichten ein christliches, sondern ein zutiefst freimaurerisches Symbol (die türkische Regierung war in den 70er Jahren über den Europarat an der „Flaggenfrage“ beteiligt und hat jeden auf einem christlichen Kreuz basierenden Entwurf abgelehnt – dass „ein Kranz von zwölf Sternen“ in der Apokalypse erwähnt wird, wissen selbst viele Christen nicht).

    * Die Flagge des neuen mafia-eigenen Zwergstaates „Kosovo“ sieht der Europaflagge symbolisch so ähnlich, dass auch dies Bände spricht.

    * Der „Internationale Karlspreis“ von Aachen, der grundsätzlich an Personen und Initiativen vergeben wird, die sich um „die Europäische Einigung“ besonders verdient gemacht haben, ist zu 100% ein freimaurerischer Preis – wer einmal die Verleihungszeremonie und die Gewänder und Ketten der daran Beteiligten gesehen hat, weiß das. Preisträger der letzten Jahre waren Angela Merkel, Javier Solana, Jean-Claude Juncker, Carlo Azeglio Ciampi, Valery Guiscard d’Estaing, der Euro.

    Der erste Träger dieses Preises war Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi, Präsident der Paneuropa-Bewegung und Visionär der Europäischen Union. Dessen programmatische Schrift „Praktischer Idealismus“ phantasiert ganz widerlich vom „paneurasisch-negroiden Mischvolk der Zukunft“, das „prinzipienlos“ und durch einen „geistigen Adel leicht steuerbar“ sei und überdies unausweichlich entstehen würde, so dass man der Entwicklung getrost etwas nachhelfen dürfe. Am derzeitigen – und erst recht dem für die Zukunft angestrebten – Zustand der Europäischen Union werden immer mehr Aspekte dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung sichtbar. Doch Coudenhove-Kalergi hat diese Ideen gar nicht selbst entwickelt, sondern lediglich (ursprünglich sicher positiver besetzte) Ideale der Freimaurerei aufgegriffen und zu einer politischen Vision weiterverarbeitet.

    Hier kann man Graf Coudenhove-Kalergis Buch herunterladen:

    Jetzt werden Manfred und Du, Beer7, sicher wieder hämisch über mich erfallen und schreiben „ja, alles klar, die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung, das kam doch letzte Woche schon mal irgendwo“, aber so ganz einfach sollte man es sich nicht machen. Tatsache ist, dass Gruppierungen wie die NPD, aber durchaus auch innerhalb der Linkspartei, von solchen Konspirationen durchaus ausgehen, um sie dann mit – ihren jeweiligen politischen Zielen zuträglichen – Lügen zu vermischen, von denen die, dass „dahinter die Juden“ stünden, die furchtbarste ist. Doch dass an diesen Theorien auch nicht ein Kern Wahrheit sein soll, wo sie von so grundverschiedenen Richtungen her behauptet werden, das vermag mir niemand mehr plausibel zu machen.

    Eine Tatsache ist auch, dass die Existenz solch großangelegter Konspirationen dadurch vor Aufdeckung geschützt wird, indem man ähnlich gelagerte, aber erlogene, und völlig irrsinnige „Verschwörungstheorien“ nebenher laufen lässt. Dafür sind nicht etwa die Konspiratoren verantwortlich; da gibt es Narren genug, die sich dem hingeben. Doch von Winston Churchill ist das Zitat überliefert:

    „Die Wahrheit ist ein so kostbares Gut, dass sie ständig von einem Kordon aus Lügen begleitet werden sollte.“

  8. Selbst ist der Mann. Statt der Links gebe ich Suchanweisungen, mit deren Hilfe jemand Interessierter narrensicher das Verlinkte finden kann. Den letzten, nicht umschreibbaren Link sollte WordPress akzeptieren.
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    Das ist eine heikle Frage, zu deren Beantwortung ich etwas weiter ausholen werde. Weder für Europa noch für de USA halte ich es für zutreffend, dass irgendein demokratisch gewählter Politiker noch fähig wäre, Einfluss auf bedeutende oder gar historische Vorgänge zu nehmen. Das schlimmste Beispiel ist wohl Deutschland: Im Bundestag sitzen Partei- statt Volksvertreter, die kaum Sachkenntnisse haben.

    Auf Google-Videos gibt es unter dem Titel „Panorama befragt Politiker zur EU-Verfassung“ einen Beitrag über den Informationsstand der Bundestagsabgeordneten über die EU-Verfassung aka EU-Reformvertrag. Auf diesen Bericht nimmt auch Prof. Dr. Schachtschneider in seiner Vortragsserie zum Thema EU-Verfassung Bezug.

    Und in der Regierung sieht es nicht besser aus. Im Gesundheitsministerium etwa haben sogar Angestellte von Pharmafirmen auf Planstellen gesessen und konnten dabei sogar an Gesetzentwürfen mitschreiben – natürlich gab es keinen Interessenkonflikt. Die Ressortleiterin macht nicht gerade den Eindruck, als könne sie die verwickelten Vorgänge intellektuell erfassen oder einen Ministeriumsangestellten, der auf der Lohnliste von Pharmafirmen steht, von vertrauenswürdigen Staatsdienern unterscheiden. Aber das scheint auch gar keine Tätigkeitsbeschreibung einer Ministerin mehr zu sein.

    Artikel in „Das Parlament“: „Wenn Vampire eine Blutbank leiten“

    Artikel in „Die Zeit“: „Patentierter Gewinn“: Wie die Pharmalobby die Politik beeinflusst

    Da ich noch mehr solche Berichte kenne, habe ich keinen Grund anzunehmen, dass es sich in Ländern wie Österreich, Spanien oder Schweden sehr viel anders verhält. Doch genau diese abgeschlossene, qualitativ minderwertige Politikerkaste ist es, die das Personal zu den EU-Institutionen schicken. In den Brüsseler Bürokratiemaschinen grassiert folglich der Lobbyismus wie ein Pilz. Den Lobbyisten fällt es oft nicht einmal besonders schwer, gewichtigen Einfluss auf den Verordnungs-Tsunami zu nehmen, der täglich auf uns zurollt – und in dem oftmals Dinge von weit größerer Tragweite auf raffinierte Weise versteckt sind als nur solche, die die Krümmung von Gurken und Bananen betreffen.

    Follow the money trail and you will find the truth.

    Es reicht, sich den Haushalt der Europäischen Kommission anzuschauen – seit 12 Jahren ist dieser Haushalt nicht mehr vertragskonform, aber weder das EU-Parlament noch der EU-Rechnungshof haben Mittel in der Hand, um das Abfließen öffentlicher Millionengelder in „dunkle Kanäle“ zu verhindern. Daniel Hannan, britischer MdEP, hat einst gesagt, dass Italien selbst dann, wenn es ein einziger großer Olivenhain wäre, nicht so viele Oliven würde produzieren können, dass all die EU-Subventionen, die es für Oliven erhält, gerechtfertigt wären. Infolgedessen wird unter EU-Kritikern oft vom „olive belt“ gesprochen, der korruptionsanfällige Regionen im Süden Italiens von weniger korruptionsanfälligen im Norden trennt und der sich von Italien aus immer weiter nach Norden verschiebt, so dass die Korruption in weiten Teilen Mitteleuropas schon Einzug gehalten hat.

    Ich folgere aus solchen Einzelfällen, dass die wohlorganisierten Vertreter von geldstarken Firmen – seien sie nun „legal“ wie Konzerne oder „illegal“ wie die Mafia – die Politik im Stillen lenken. Hans-Herbert von Arnim etwa geht in seinen Büchern immer wieder solchen und ähnlichen Skandalen nach, doch erzielt er kaum eine Wirkung, da er wohl ein wenig zu sehr zum Poltern neigt. Allzu viel zu den Hintergründen gibt er auch nicht preis; das muss der Leser sich dann eben selbst zusammenreimen. Von Arnim ist auch kein verwirrter Spökenkieker, sondern Professor an der Bundeshochschule für Verwaltung, das ist DIE Eliteschule für den Beamtenstab der deutschen Ministerien. Deren Ressortchefs allerdings kommen aus dem Parteienmilieu und haben oftmals nicht einmal ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen.

    In Süditalien ist es seit Jahrzehnten gängige Praxis, dass auf den regulären Bürgermeisterposten nur Leute geduldet werden, die intellektuell nicht in der Lage sind, den Machenschaften der Mafia-Clans etwas entgegenzusetzen. Die Mafia ist nicht einfach eine Ansammlung verbrecherischer Familien, sie ist dort, wo die staatliche Macht nicht hinreicht, ein Quasistaat, dem die Einheimischen teilweise sogar mehr Vertrauen entgegenbringen als den regulären staatlichen Organisationen. Auf EU-Ebene scheinen sich mafiöse, lobbyistische und staatliche Strukturen unentwirrbar miteinander vermischt zu haben.

    Der allgegenwärtige Lobbyismus hätte aber nun nicht wirklich katastrophale Auswirkungen, wenn der Europäischen Kommission und den nationalen Ministerien Leute vorsäßen, die den Interessen ihrer Nationen und ihren Bürgern wirklich dienen wollten und dazu auch fähig wären, und die solche klandestinen Machenschaften unwirksam machen könnten. Doch was selbstverständlich sein sollte, wird immer wieder torpediert – ich denke hier insbesondere an die Ablösung der sehr kompetenten Bundeskanzler Erhard (1966) und Schmidt (1982). Erhard sprach einmal von „der Macht, die kein Gesicht hat“. Ob dieser geniale Wirtschaftsexperte und Staatsmann aus Frust über den Amtsverlust simplen Verschwörungstheorien aufgesessen war? Zumindest muss er geahnt haben, dass etwas sehr Mächtiges hinter den Kulissen vorgeht.

    In den USA gingen die Inhaber großer Firmenimperien, wie z.B. die Rockefellers, um 1900 dazu über, sich zur Förderung ihrer Geschäfte der Strukturen der Freimaurerei zu bedienen. Die freimaurerischen Riten und Bekenntnisse waren für sie nicht Selbstzweck, sondern sie waren eher an der Verpflichtung der Logenbrüder interessiert, ihr Leben lang über die Dinge Stillschweigen zu bewahren, die ihnen in der Loge bekannt werden. Freilich bezeichnet die Vereinigte Großloge von London solche Logen, die primär geschäftlichen oder gar verbrecherischen Zielen dienen, als irregulär und gestattet ihnen nicht, sich der Grand Lodge anzuschließen, doch ihre Aktivitäten kann weder sie noch irgendeine Regierung unterbinden. Wenn irgendwo effektiv und lautlos große Räder gedreht werden können, dann in solchen Kreisen. Selbst wenn es Journalisten oder einer Staatsanwaltschaft gelingen sollte, darüber Dinge in Erfahrung zu bringen und sie öffentlich zu äußern, so würde ihren Berichten schon allein deshalb nicht geglaubt, weil die Informationen so ungeheuerlich sind und kaum glaubwürdige Zeugen aufzutreiben sein dürften. Das Prinzip heißt Arkandisziplin. Abgesehen davon wird auch niemand glauben, dass, wer sich in solchen Kreisen bewegt, vor bezahlten Mordkommandos sicher sei, falls er nicht exakt seine Rolle spielt. Fazit also: Die irregulären Strukturen haben hinter den regulären staatlichen und demokratisch legitimierten Strukturen eine Nebenmacht aufgebaut und können sie sich gefügig machen, ohne dass ihnen noch irgend jemand etwas anhaben könnte. Und an der Spitze beginnen sich reguläre und irreguläre Struktur immer mehr zu vermischen. Noch stärker als die EU dürften wohl die UNO, die WTO, der International Monetary Fund und andere internationale Organisationen davon betroffen sein. Bei der EU stört es uns nur eher, weil sie schon so bedeutsam für unser tägliches Leben geworden ist und sich anschickt, unsere Nationalstaaten zu usurpieren.

    Dass außer der Mafia und den Lobbyisten auch die Gruppierungen dieser irregulären Freimaurerei sich tief in die Architektur der Europäischen Union vorgearbeitet haben, ist mehr oder weniger ein offenes Geheimnis. Man kann dies an der Häufung freimaurerischer Symbole erkennen – vorausgesetzt, man kennt diese. Spökenkiekerei ist das jedenfalls nicht mehr; es ist einfach zu auffällig:

    * Die zwölf goldenen Sterne auf dem blauen Tuch der Europaflagge sind mitnichten ein christliches, sondern ein zutiefst freimaurerisches Symbol (die türkische Regierung war in den 70er Jahren über den Europarat an der „Flaggenfrage“ beteiligt und hat jeden auf einem christlichen Kreuz basierenden Entwurf abgelehnt – dass „ein Kranz von zwölf Sternen“ in der Apokalypse erwähnt wird, wissen selbst viele Christen nicht).

    * Die Flagge des neuen mafia-eigenen Zwergstaates „Kosovo“ sieht der Europaflagge symbolisch so ähnlich, dass auch dies Bände spricht.

    * Der „Internationale Karlspreis“ von Aachen, der grundsätzlich an Personen und Initiativen vergeben wird, die sich um „die Europäische Einigung“ besonders verdient gemacht haben, ist zu 100% ein freimaurerischer Preis – wer einmal die Verleihungszeremonie und die Gewänder und Ketten der daran Beteiligten gesehen hat, weiß das. Preisträger der letzten Jahre waren Angela Merkel, Javier Solana, Jean-Claude Juncker, Carlo Azeglio Ciampi, Valery Guiscard d’Estaing, der Euro.

    Der erste Träger dieses Preises war Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi, Präsident der Paneuropa-Bewegung und Visionär der Europäischen Union. Dessen programmatische Schrift „Praktischer Idealismus“ phantasiert ganz widerlich vom „paneurasisch-negroiden Mischvolk der Zukunft“, das „prinzipienlos“ und durch einen „geistigen Adel leicht steuerbar“ sei und überdies unausweichlich entstehen würde, so dass man der Entwicklung getrost etwas nachhelfen dürfe. Am derzeitigen – und erst recht dem für die Zukunft angestrebten – Zustand der Europäischen Union werden immer mehr Aspekte dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung sichtbar. Doch Coudenhove-Kalergi hat diese Ideen gar nicht selbst entwickelt, sondern lediglich (ursprünglich sicher positiver besetzte) Ideale der Freimaurerei aufgegriffen und zu einer politischen Vision weiterverarbeitet.

    Hier kann man Graf Coudenhove-Kalergis Buch herunterladen:
    [Link nicht mehr gültig, neu gugeln, M., 17.01.2011]

    Jetzt werden Manfred und Du, Beer7, sicher wieder hämisch über mich herfallen und schreiben „ja, alles klar, die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung, das kam doch letzte Woche schon mal irgendwo“, aber so ganz einfach sollte man es sich nicht machen. Tatsache ist, dass Gruppierungen wie die NPD, aber durchaus auch innerhalb der Linkspartei, von solchen Konspirationen durchaus ausgehen, um sie dann mit – ihren jeweiligen politischen Zielen zuträglichen – Lügen zu vermischen, von denen die, dass „dahinter die Juden“ stünden, die furchtbarste ist. Doch dass an diesen Theorien auch nicht ein Kern Wahrheit sein soll, wo sie von so grundverschiedenen Richtungen her behauptet werden, das vermag mir niemand mehr plausibel zu machen.

    Eine Tatsache ist auch, dass die Existenz solch großangelegter Konspirationen dadurch vor Aufdeckung geschützt wird, indem man ähnlich gelagerte, aber erlogene, und völlig irrsinnige „Verschwörungstheorien“ nebenher laufen lässt. Dafür sind nicht etwa die Konspiratoren verantwortlich; da gibt es Narren genug, die sich dem hingeben. Doch von Winston Churchill ist das Zitat überliefert:

    „Die Wahrheit ist ein so kostbares Gut, dass sie ständig von einem Kordon aus Lügen begleitet werden sollte.“

  9. In der Tat kann ich Dich nicht ernst nehmen, Thatcher. Ich nehme an, dass Du meinetwegen das juedische Element bei Deinen Verschwoerungstheorien heruntergespielt hast…

    Also, Du meinst,
    1) dass in Europa die Politik schon laengst im Dienst der Wirtschaft gemacht wird.
    2) Dass in den USA aber auch die Wirtschaft nicht mehr eigenstaendig ist, sondern von Illuminaten und Juden oder juedischen Illuminaten gelenkt wird.

  10. Ich habe leider gestern nicht hier hereingeschaut und Thatchers Kommentar deswegen erst jetzt gefunden und freigegeben. Sorry, aber ich fürchte, ich werde heute noch nicht zum Antworten kommen.

  11. Nein, Beer7, ich glaube in der Tat nicht, dass die Juden eine prominente Rolle bei der kapitalistischen Politiksteuerung spielen. Das konnte mir bisher niemand plausibel machen, und der Ansatz ist seit Hitler auch völlig diskreditiert. Die Behauptung, dass „die Juden“ kollektiv dahinterstehen, habe ich auch explizit als Lüge gekennzeichnet, und von Illuminaten war nie die Rede. Du musst meinen Kommentar schon ganz lesen!

    Wenn man akzeptiert, dass Juden Menschen wie Du und ich sind, dann sind zwei Annahmen ungerechtfertigt: a) dass „die Juden“ kollektiv für die ungute Entwicklung verantwortlich zu machen sind oder überproportional häufig daran beteiligt sind, aber auch b) dass alle Juden ohne Ausnahme ein ethisch vorbildliches Leben führen. Ich bin kein Anhänger von Kollektivschuldzuweisungen, weder gegen Juden noch gegen Deutsche oder Amerikaner oder sonst ein Volk. Wenn Mist gebaut wird (und die mafiöse bzw. masonische Politiksteuerung ist m.E. ein großer Mist), dann sind dafür stets Einzelpersonen verantwortlich (darunter sicherlich auch manche jüdische Einzelperson) und nicht die Familien oder das Volk, dem sie angehören.

  12. @ Thatcher:

    Ich hoffe doch, dass ich niemals „hämisch“ geworden bin; wenn doch, täte mir das leid. (Ein bisschen Sarkasmus gehört natürlich zur Würze.)

    @ beer7:

    Was immer man Thatcher vorwerfen kann, mangelnde Aufrichtigkeit gehört jedenfalls nicht dazu; ich bin sicher: Wenn er an eine jüdische Verschwörung glauben würde, hätte er es gesagt.

    @ Thatcher:

    Das ändert natürlich nichts daran, dass die Vorstellung einer Verschwörung der Freimaurer geistesgeschichtlich aufs engste mit dem Antisemitismus verbunden ist. So sehr, dass der Ausdruck „Juden und Freimaurer“ fast schon zum stehenden Begriff werden konnte. Der Antisemitismus, der an sich in allen christlichen (und erst recht islamischen) Gesellschaften zu Hause ist, konnte in der Moderne nur deshalb seine Sprengkraft entfalten, weil er sich auf eine Verschwörungstheorie stützte, und das heißt: auf eine Theorie, die sich der Falsifizierbarkeit prinzipiell entzieht und es dadurch ermöglicht, jemanden willkürlich zum Feind zu stempeln. Dass Du persönlich nicht an eine jüdische Verschwörung glaubst, ändert nichts daran, dass die Logik Deiner eigenen Argumentation es unmöglich macht, antisemitische (oder irgendwelche anderen) Verschwörungstheorien grundsätzlich anzugreifen. Ob „die Juden unser Unglück“ sind, wird dann zur Glaubenssache.

    Irgendwelche Indizien für die Existenz einer Verschwörung finden sich ja immer; wenn sich die Verschwörung dann trotzdem nicht beweisen lässt, dann liegt das, so der Zirkelschluss jeder Verschwörungstheorie, daran, dass es sich eben um eine Verschwörung handelt, der es gelingt, ihre Machenschaften geheim zu halten. Dass ausgerechnet Du solche Theorien für plausibel hältst, wundert ich insofern, als ich mich zu erinnern glaube, dass Du Mathematiker bist – die Zulassung eines ZIRKELSCHLUSSES muss doch Allem ins Gesicht schlagen, was Du in Deiner Ausbildung über Aussagenlogik gelernt hast! Das grundsätzliche Problem jeder Verschwörungstheorie ist, dass sie nur unter Missachtung aller rationalen Kriterien funktioniert, nach denen man wahre oder zumindest vertretbare Positionen von unwahren oder zumindest unplausiblen unterscheiden kann. Die Zulassung solcher Theorien in einem ernsthaften Diskurskontext würde dazu führen, dass die Gesellschaft in Anhänger konkurrierender Verschwörungstheorien zerfällt, die einander nicht mit Argumenten überzeugen können – nicht einmal theoretisch -, und denen daher nichts anderes übrigbleibt, als einander die Köpfe einzuhauen.

    Wenn man außerdem bedenkt, dass Verschwörungstheorien naturgemäß keine Aussagen über die Reichweite und den tatsächlichen Einfluss ihrer Lieblingsverschwörer machen können, dann ist es wiederum Glaubenssache, WELCHE Verschwörung man als dominant erachtet. Es gibt ja sehr viele Organisationen, deren Existenz bekannt ist, deren Interna aber im Dunkeln bleiben (und damit zur Spekulation reizen): Es gibt ja nicht nur die Freimaurer, es gibt auch das Opus Dei, Scientology und die Muslimbrüder; es gibt nicht nur religiöse Organisationen, sondern auch Geheimdienste; im Grunde kann man auch jedem Großkonzern eine Verschwörung andichten, oder auch „den“ Konzernen (Vielleicht verhalten sich Telekommunikationskonzerne deshalb so expansiv, weil sie die Welt-Telefonherrschaft anstreben und jeden Menschen überwachen wollen? Man sieht doch bei der Telekom, dass…- Schwupps, und schon haben wir eine neue Verschwörungstheorie), und schließlich gibt es ja auch die Camorra, die Triaden, überhaupt „die“ organisierte Kriminalität. Wenn wir nur die bekannten Organisationen auflisten, die für konspiratives Handeln bekannt sind bzw. in Frage kommen, dann kommen wir zu einer solchen Vielzahl von Akteuren, dass sie einander geradezu im Weg stehen MÜSSEN – wenn Alles Verschwörung ist, ist Nichts mehr Verschwörung. Dabei waren das nur die bekannten „Verschwörungen“. Aber die perfekte Verschwörung ist doch die, von deren Existenz niemand etwas ahnt. Gehen wir also ruhig – warum auch nicht? – von einigen tausend weiteren Verschwörungen aus, von denen noch nie jemand etwas gehört hat. Wenn wir uns auf Spurensuche begeben und ein wenig Zeit in die Internet-Recherche investieren, können wir bestimmt auch „beweisen“, dass fast alle Führungskräfte der Welt in „Wirklichkeit“ einem altkeltischen Druidenorden angehören, dessen wirtschaftliche Basis der Verkauf von Zaubertrank an Sportler ist (womit Doping erklärt wäre), und der die Wiedereinführung des Teutates-Kultes forciert. Teutates nämlich – die Götter waren bekanntlich Astronauten – ist in Wirklichkeit der Diktator des Sirius-Imperiums, das vor zehntausend Jahren… – und so weiter. Wenn die Regeln rationalen Argumentierens erst einmal außer Kraft gesetzt sind, ist jeder Irrwitz möglich.

    Theorien dieser Art machen also sozialwissenschaftliche Erkenntnis a priori unmöglich. Darüber hinaus beruhen sie auf der Fehlannahme, dass soziale Sachverhalte mithilfe einer linear-kausalen Logik zu erklären seien: Da gibt es bestimmte Absichten auf Seiten bestimmter Akteure, diese Absichten werden in Handlungen umgesetzt und diese Handlungen führen zu bestimmten Ergebnissen. Wenn man auf dieser Basis soziale Entwicklungen erklären, das heißt nach dem Prinzip „Cui bono?“ von den Ergebnissen auf den vermeintlichen Verursacher rückschließen will, verkennt man, dass die soziale Wirklichkeit ein nichtlineares System ist, das heißt ein System komplexer Wechselwirkungen.

    Bereits die Alltagserfahrung sollte einen stutzig machen. Wie oft ist denn das, was wir tun, wirklich unsere freie Absicht, wie oft unterliegen wir Handlungszwängen, die sich aus der sozialen Konstellation ergeben? Und wie oft erzielen wir nicht das gewünschte Ergebnis, weil andere Akteure unsere Absichten durchkreuzen, oder weil wir auf der Basis unvollständiger Information entschieden haben?

    Man glaube nicht, dass sich dies auf der gesellschaftlichen oder politischen Ebene wesentlich anders verhält. Jeder Akteur beeinflusst mit seinen Handlungen den Handlungsspielraum aller anderen. Jeder folgt seinen Interessen, und heraus kommt etwas, das keiner gewollt hat. Das Handeln gesellschaftlicher Großakteure (Staaten, Organisationen, Kirchen etc.) lässt sich normalerweise schlüssig aus der sozialen Konstellation erklären, in der sie tätig sind. Und das ist kein theoretisches Geschwätz; ich selbst habe in meinem Blog schon mehr als einmal gesellschaftliche Missstände als Ergebnis von sozialen Strukturen analysiert, z.B. das Verhalten der katholischen Kirche in meinem Raddatz-Essay, die fragwürdigen Ergebnisse der EU-Politik in meinem Eurabia-Essay, die Volksferne unserer Politiker in „Amerika, Du hast es besser“ oder die Existenz von Doping in Anlehnung an Bette/Schimank, „Die Dopingfalle“. Verschwörungstheorien basieren, ganz unabhängig von ihrer mangelnden Beweisbarkeit (bzw. Falsifizierbarkeit) auf Spekulationen über die Absichten von bestimmten Akteuren. Solche Absichten sind aber, selbst wenn man Gedanken lesen könnte, in aller Regel irrelevant, weil Akteure, die nicht das wollen, was sie aufgrund der gegebenen Konstellation tunlichst wollen sollten, in der Regel schnell aus dem Spiel sind.

    Was Verschwörungstheorien solchen empirisch gestützten Theorien zweifellos voraushaben, ist, dass sie dem, der daran glaubt, die Illusion von „Erkenntnis“ vermitteln. Da sie dazu tendieren, als „Erklärung für Alles“ zu taugen (im Zweifel ist die Verschwörung allmächtig), erklären sie in Wirklichkeit überhaupt nichts, verdrängen aber Theorien, die mit intellektueller Redlichkeit – und das heißt: im Wissen um die eigene Unvollkommenheit und Anfechtbarkeit – versuchen, wenigstens Teilaspekte der Wirklichkeit vernünftig zu interpretieren. Mehr ist einfach nicht drin, dazu ist die Wirklichkeit zu komplex! Die Verschwörungstheorie ist das intellektuelle Äquivalent zum Anlagebetrug: Sie verspricht einen phantastischen Gewinn, von dem eigentlich Jeder wissen muss, dass er niemals realisiert werden kann, und am Ende steht der, der sich darauf einlässt, mit leeren Händen da.

    (Und falls Du das Wirken der erwähnten Muslimbruderschaft als Gegenargument anführen möchtest, mit dem sich die Relevanz von Verschwörungen belegen ließe, so antworte ich schon einmal vorsorglich: Wenn es die Muslimbrüder nicht gäbe, würden irgendwelche anderen islamischen Organisationen ähnlich verfahren. Anders gesagt: Nicht die Muslimbrüder schaffen sich ihren Islam, sondern der Islam schafft sich seine Muslimbrüder. Deren Gefährlichkeit liegt auch nicht in ihren konspirativen Machenschaften begründet – die sooo konspirativ ja gar nicht sind, im Grunde sagen diese Leute ja ganz offen, was sie wollen und was sie tun, und betrügen nur die, die betrogen werden wollen. Sondern ihre Gefährlichkeit basiert darauf, dass sie 1,5 Milliarden Menschen im Hintergrund haben, die bereits ohne Indoktrination, einfach aufgrund ihrer islamisch geprägten Mentalität, einen permanenten Low-Intensity-Djihad führen, und in ihrer Mehrheit jederzeit für die eine oder andere Art der Unterstützung von härteren Formen des Djihad zu mobilisieren sind. Das Grauenerregend-faszinierende am Islam ist die Tatsache, dass hier ein soziales System perfekt und konsequent darauf programmiert ist, sich selbst zu verbreiten. Einer Verschwörung bedarf es gar nicht. Verglichen mit dem Propheten Mohammed war Ron Hubbard ein Waisenknabe.)

  13. Thatcher,

    ich bin natuerlich bereit, Dir zu glauben, dass die Juden in Deiner Verschwoerungstheorie keine besondere Rolle spielen.

    Fuer mein Teil glaube ich an „The law of unintended consequences“. In den verschiedenen Firmen, die ich bisher naeher kennengelernt habe und in unserer Schulpolitik ist das das herausstechende Merkmal. Entscheidungen – selbst wenn sie an sich richtig sind und aufgrund ausreichender Daten gefaellt wurden – haben immer Nebenwirkungen, die z.T nicht vorhergesehen wurden und die zusammen mit anderen Faktoren zu ueberraschenden Ergebnissen fuehren koennen.

  14. Pingback: Unsere eigenen Verschwoerung « Freunde der offenen Gesellschaft
  15. Und schon wird überhaupt nicht mehr zum Thema, sondern nur noch ad personam argumentiert. Ich kann in meiner derzeitigen Theorie, die sich vielleicht ein wenig zu sehr wie eine Verschwörungstheorie ausnimmt, keine Zirkelschlüsse erkennen. Als Mathematiker habe ich vor allem gelernt, unzutreffende Erklärungen von Sachverhalten als unzutreffend zu erkennen, und das, was immer wieder als Erklärung für die Zustände angeführt wird, kann nicht zutreffend sein. Die Öffentlichkeit wird tatsächlich durch die Medien (z.B. die EU hat eine eigene Abteilung für Medienlenkung; Frau Ferrero-Waldner habe ich in diesem Zusammenhang schon mehrfach zitiert) am Nasenring geführt und für dumm verkauft. Auch bewundernswert mutige Leute, die die Missstände anprangern (z.B. H.H.v. Arnim), würden sofort öffentlich niedergemacht, würden sie sich in Spekulationen ergehen, was wirklich die Ursache für all das ist. Trotzdem müssen für den Interessierten, der sich nicht damit abfindet, kaltschnäuzig belogen zu werden, andere, irgendwie befriedigendere Erklärungen her, und ich kann mir vorstellen, dass der Gedanke an Konspirationen durchaus weit verbreitet ist, nur eben effektiv tabuisiert – wie eben hier.

    Wer gegen öffentliche Denkverbote ist, muss doch das Verdunklungspotential dieser „Furcht vor der Verschwörungstheorie“ erkennen. Warum finden Konspirationen und Absprachen, illegitimer Druck auf Entscheidungsträger und Bestechung denn so erwiesenermaßen oft statt, und doch ist es eines der schlimmsten Tabus, darüber zu sprechen und überhaupt Vermutungen anzustellen, weil die Konsequenzen angeblich so schrecklich sind, z.B. das rationale Diskutieren dadurch unmöglich würde und sich irgendwann alle den Schädel einschlagen? Das klingt irgendwie wie die Frankfurter-Schule-Lehre, dass jegliche bürgerliche Erziehungstätigkeit verklemmte Protofaschisten hervorbringen soll.

    Die eine unterstellt mir, ohne einen konkreten Beleg oder ein Zitat anzugeben, ich würde „die Juden“ oder „die Illuminaten“ kollektiv der Lenkung der Welt bezichtigen und damit den Grundstein zu deren Vernichtung legen, der andere setzt ebenso grundlos voraus, dass ich gleich an einen finsteren Zirkel zentral von New York aus agierender Dunkelmänner gedacht hätte. Leute, lernt doch lesen. Das habe ich nicht geschrieben. Für viel wahrscheinlicher halte auch ich die dezentrale, jeweils interessegeleitete, Beeinflussung politischer Entscheidungsträger durch denjenigen, der die finanzielle Power zu so etwas hat – da kommen nicht allzu viele in Frage. Die „unintended consequences“ von so etwas können durchaus gravierend sein, doch würden sie, wenn das Gemeinwesen gut geführt ist, zuerst durchschaut und dann abgestellt werden. Was aber ins Auge stechen muss, ist doch, dass genau dies verhindert wird – indem demokratisch gewählte und fähige Volksvertreter immer mehr aus den Parteien und Ämtern herausgedrängt werden und es für am Gemeinwohl statt an der eigenen Macht Interessierte anscheinend keine Möglichkeit mehr gibt, eine Wirkung zu erzielen. Mich erinnern die Zustände in der deutschen Bundespolitik schon frappierend an Süditalien, wo bekanntlich die Mafia die Personalentscheidungen diktiert – üblicherweise nicht zentral, aber auch dezentral konsequent, flächendeckend und ergebnisorientiert.

    Wir leben in keiner ideal rationalen Welt, Manfred. Vielleicht kann man politische Vorgänge durch 100% rationale Debatten und streng wissenschaftliche Methodik zum großen Teil erfassen und beurteilen, doch wenn diese methodische Strenge dazu führt, dass eine ganze Klasse durchaus plausibilisierbarer Erklärungen systematisch diskreditiert wird, weil man die Konsequenzen fürchtet, dann findet sich die Politikwissenschaft mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit ab. Ich schreibe das ungern, weil auch in der Mathematik die Scharlatane und Amateure von außerhalb nicht unbekannt sind, die von ihrer eigenen Genialität überzeugt sind und „den Durchbruch“ geschafft zu haben glauben, und die sehr stark auf die Nerven gehen können. Und doch ändert das nichts an der Tatsache, dass die Mathematik in manchen Bereichen unzulänglich ist und auch bleiben wird. Gewisse Fragen und Probleme muss sie anderen Feldern überlassen, manchmal sogar dem Glauben. Warum sollte dies bei der Politikwissenschaft anders sein? Wird sie bei einer solchen Herangehensweise jemals erfassen können, was an Orten wie Davos, Doha oder Heiligendamm vor sich geht, was die Bilderberger zu besprechen haben, was z.B. zwischen Banco Ambrosiano, Vatikanbank und der irregulären Loge P2 stattfand oder weshalb in der sächsischen Staatsanwaltschaft immer wieder „zufällig“ Ermittlungsakten in einem speziellen Korruptionsfall verloren gingen – oder ist sie bereit, bei diesen Fragen andere als die gängigen Erklärungsmuster in Erwägung zu ziehen? Oder will man hier lieber gar nicht fragen?

    Ich habe meine Theorie „noch“ nicht selbst immunisiert, ich bin von ihr genausowenig endgültig und unwiderlegbar überzeugt wie andere. Aber ich glaube nicht, dass es der Debatte förderlich ist, auf Außenseitern herumzuhacken oder sie mit Schreckgespenstern davon, was alles passieren kann oder würde, wenn man sich mit „Konspirationstheorien“ auch nur im Ansatz befasst, zu exorzieren.

  16. Thatcher,

    lass‘ es uns noch einmal von vorn versuchen. Du meinst, dass die EU-Politik von den USA gesteuert wird und zwar mit dem Ziel, Europa zu schwaechen.

    Ist ein schwaches Europa wirklich im Interesse der USA?

  17. @ Thatcher:

    Wir haben diese Debatte jetzt schon mehrfach geführt, und ich halte meine Argumente für ausreichend. Ich habe jedenfalls keine Lust, mich zu wiederholen.

  18. @beer7:
    Ist ein schwaches Europa wirklich im Interesse der USA?
    Also: um das zu bejahen, muß man nun wirklich kein Verschwörungstheoretiker sein!

  19. Ich aber wiederhole mich: Manfred, Du erklärst gar nichts. Du laberst nur arrogant herum und gehst in Endlosschleife, wenn jemand Fragen stellt, die Dir nicht in Deinen wissenschaftlich sterilen Kram passen. Niemand, außer Dir selbst zur Beweihräucherung, braucht Deinen Blog.

  20. Thatcher: Manfred ist Freimaurer und hatte einen jüdischen Urgroßvater – deine Verschwörungstheorie ist somit bewiesen!
    Danke Thatcher!

    🙂

  21. „Niemand, außer Dir selbst zur Beweihräucherung, braucht Deinen Blog.“

    Na bitte, dann ist er doch wenigstens zu etwas nütze. 😀

  22. LePenseur,

    ich habe die Frage ja auch nicht als Fangfrage fuer Verschwoerungstheoretiker gestellt.

    Was mich betrifft, wuerde ich sie uebrigens verneinen.
    Gegenueber dem wirtschaftlich immer dominanteren China, einem Russland mit Grossmachtstraeumen und aggressiven Schurkenstaaten, sind die USA ist auf starke Partner in Europa angewiesen, eher in Form der Nationalstaaten als eines Staatenbunds.

  23. Pingback: James Sheehan: “Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden” « Manfreds politische Literatur
  24. Hallo Manfred,
     
    mir geht dieser Kommentarstrang nicht aus dem Kopf. Ich würde gerne, im Licht Deiner Wandlungen der letzten 17 Monate, noch mal Deine Meinung hierzu hören – und ob Du immer noch der Meinung bist, hier fair mit mir umgegangen zu sein.

  25. Ich habe mir den Kommentarstrang noch einmal in aller Ruhe durchgelesen, insbesondere (weil ich den Eindruck habe, dass Dich das besonders aufgebracht hat) den Teil, wo ich Dir vorgeworfen habe, Zirkelschlüsse zuzulassen. Nein, Du hast keine Zirkelschlüsse in Deine Theorie eingebaut. Ich hatte an dieser Stelle, ohne es zu merken, einfach allzu schwungvoll extrapoliert nach dem Motto: „Da eine Verschwörungstheorie normalerweise nicht bewiesen werden kann, bleibt ihren Verfechtern am Ende gar nichts anderes übrig, als die Nichtbeweisbarkeit der Theorie als Auswirkung der behaupteten Verschwörung zu erklären.“ Du selbst hast das allerdings nicht getan; falls es Dich gekränkt hat, dass ich es behauptet habe, bitte ich um Entschuldigung.

  26. Gut, damit ist dieser von mir als noch offene Rechnung empfundener Stret jetzt endlich aus der Welt.
     
    Ich gebe natürlich auch zu, dass Dein Blog – wenn nicht schon damals, so doch heute – zu mehr in der Lage ist als nur zum Selbstbeweihräuchern des Autors.
     
    Wenn ich etwas schreibe, dann ist es mir schon wichtig, dass es auch gelesen und verstanden wird, wie es gemeint war. Auf Nachfragen reagiere ich eigentlich immer, aber wenn man gar nicht mehr richtig liest, sondern sich nur noch anläßlich der Beiträge seine vorgefaßten Denkschemata bestätigt – dann bräuchte man gar keine Kommentarfunktion, dann könnte man gleich wortlos übereinander herfallen.
     
    Neue Erfahrungen und Erkenntnisse sind sehr hilfreich, eingefahrene, aber untauglich gewordene Denkschemata zu überwinden. (Wobei ich als Nichtlinker Wert auf die Bemerkung lege, dass die Eingefahrenheit per se kein Grund für die Überwindung ist.) Und bei Dir gibt es die Bereitschaft, diese Erfahrungen und Erkenntnisse zu machen. Das schätze ich hier.

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