Kurt Beck und die Schmuddelkinder

Scheinbar war es eine Überraschung, dass ausgerechnet Kurt Beck vor ein paar Tagen durchblicken ließ, die hessische SPD-Vorsitzende Y werde sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Ausgerechnet Beck, dem schon die Grünen zu weit links waren, um in Rheinland-Pfalz mit ihnen zu koalieren! Dieses Urgestein der konservativen SPD vergisst alle heiligen Eide, man werde niemals mit den Linken zusammengehen, und kündigt an, den Schmuddelkinderstatus der Linkspartei aufzuheben.

Die Empörung des politischen Gegners, aber auch der neutralen Kommentatoren ließ nicht auf sich warten: Wahlbetrug! Wortbruch! Ja, das ist es. Und zugleich ist es die einzig richtige Entscheidung.

Damit man mich richtig versteht: Ich bin gegen alle linken Parteien, auch gegen die SPD. Von deren Vorsitzenden kann ich aber nicht fairerweise erwarten, dass er meinen Standpunkt teilt.

Rein sachlich drängt sich eine Zusammenarbeit der beiden sozialistischen Parteien geradezu auf: Die SPD hat mit den Linken größere programmatische Schnittmengen als sie mit den Grünen jemals hatte, zumal die Linken bei der SPD abschreiben und die SPD sich ihnen beim letzten Parteitag deutlich angenähert hatte. Zudem besteht die Linkspartei im Westen überwiegend nicht aus linksradikalen Sektierern, sondern aus Gewerkschaftern und Ex-Sozialdemokraten – das ist Fleisch vom Fleische der SPD.

Und machtpolitisch hat Beck nicht die kleinste praktikable Alternative: Die Linke hat sich etabliert, daran wird sich nichts mehr ändern, und deswegen wird es für Rot-Grün nur noch in Ausnahmefällen reichen. Die Sozialdemokraten können also entweder mit den Linken zusammenarbeiten, oder ihre einzige Regierungsperspektive ist die Große Koalition, und das heißt: der Selbstverschleiß und der Verlust von noch mehr Wählern an die Linkspartei.

Vor einer solchen Situation stand die SPD schon einmal, als in den achtziger Jahren die Grünen aufkamen. Auch da wurden regelmäßig heilige Eide geschworen, niemals mit denen…

Und regelmäßig wurden sie gebrochen: In den achtziger Jahren in Hessen(!), 1989 in Berlin, 1995 in Nordrhein-Westfalen. Auch zugunsten der Linkspartei bzw. PDS ist die SPD schon einmal umgefallen: 1994 in Sachsen-Anhalt. In solchen Dingen ist die SPD also die Umfallerpartei par excellence. Es mag sein, dass es in Hessen Menschen gegeben hat, die die SPD wegen ihres Versprechens gewählt haben, nicht mit den Linken zusammenzugehen, und die wirklich geglaubt haben, diesmal würde die SPD aber nicht umfallen – pardon, aber solche Einfaltspinsel gehören betrogen!

Die SPD hat keine Wahl. Und der kaltschnäuzige Macchiavellismus, mit dem Beck aus dieser Erkenntnis die Konsequenzen zieht, sichert ihm meinen Respekt. Mehr noch: Er macht sich damit um die Republik verdient.

Was wäre denn, wenn die SPD sich dauerhaft in der Großen Koalition einrichten würde? Wenn die Erfahrungen der letzten beiden Jahre irgendetwas beweisen, dann doch dies: dass in einer Großen Koalition beide Partner an Profil und Mobilisierungsfähigkeit verlieren, dass beide sich auf die politische Mitte konzentrieren und in ihr präsent sein müssen; dass die CDU nicht rechts sein kann, wenn die SPD nicht links ist. Und dass dem Wähler dauerhaft die reale Chance verwehrt wird, die gerade amtierende Regierung abzulösen.

Orientiert sich die SPD dagegen auf ein Linksbündnis, dann lösen sich die verkrampften Blockaden, die gegenwärtig die Regierungsbildung in Hessen erschweren (und die deutschlandweit zum Dauerzustand würden, wenn die Linken weiterhin als Schmuddelkinder ausgegrenzt würden), und der Wähler bekommt wieder die Wahl zwischen Links und Rechts.

Bleibt nur ein Problem: Das Aufkommen der Linkspartei hat die politische Linke nicht etwa geschwächt, sondern gestärkt. Zum einen erreicht diese Partei Wähler, die sonst wahrscheinlich zuhause geblieben wären oder irgendwelche Protest-Splitterparteien gewählt hätten, zum anderen werden durch sie spezifisch linke Positionen in einer Klarheit und Prägnanz öffentlich artikuliert, die die SPD selbst sich gar nicht leisten könnte, von der sie aber profitiert, weil die öffentliche Meinung auch in der Mitte dadurch beeinflusst wird.

Statt sich darüber aufzuregen, täte die konservative Rechte gut daran, sich zu fragen, ob man von Lafontaines Erfolgsrezept nicht etwas lernen kann. Auf der politischen Rechten, etwa im christlich-konservativen oder nationalkonservativen Spektrum gibt es viele Wähler, die sich von der CDU so wenig vertreten fühlen wie linke Sozialdemokraten von der SPD, und mit Roland Koch haben sie eine ihrer letzten Identifikationsfiguren verloren. Wenn das bürgerliche Lager mit dem linken wieder gleichziehen und nebenbei verhindern will, dass rechte Protestwähler sich bei der NPD sammeln, dann sollte es das rechtskonservative Spektrum mit einer eigenen Partei bedienen. Entweder durch bundesweite Ausdehnung der CSU, oder, wenn die sich das nicht traut, durch Gründung einer neuen Partei. Die Preisfrage lautet: Wer macht den rechten Lafontaine?

11 Gedanken zu „Kurt Beck und die Schmuddelkinder“

  1. Stimmt schon, aber das ist ungefähr wie bei den Grünen der achtziger Jahre oder bei den Berliner WASG-Leuten noch vor einem Jahr. Diese Leute schießen sich über kurz oder lang selbst ab. Ich bezog mich auf die Masse der Mitglieder, und von denen haben die meisten einen sozialdemokratischen/gewerkschaftlichen Hintergrund. Im übrigen ist es erstaunlich, wie zähmend die Aussicht auf ein Zipfelchen politischer Macht selbst auf manche Linksradikalen wirkt. Man denke an Christian Ströbele oder die grünen „Regierungslinken“ der Schröder-Ära.

  2. Zudem besteht die Linkspartei im Westen überwiegend nicht aus linksradikalen Sektierern, sondern aus Gewerkschaftern und Ex-Sozialdemokraten – das ist Fleisch vom Fleische der SPD.

    Außer Christel Wegner, zum Beispiel. Oder der frühere hessische Spitzenkandidat (siehe auch dort). . Oder auch hier:

    Ziemlich viele Ausnahmen, oder?

  3. Fleisch vom Fleische der SPD ist das nicht. Jedenfalls nicht wirklich, lieber Manfred.

    Das sind Leute wie Diether Dehm, der bereits vor Jahrzehnten auf DKP Veranstaltungen tanzte, jedoch das falsche SPD Parteibuch hatte – aus taktischen Gründen, sprich die eigene Karriere und die Vergeblichkeit der Bemühungen der DKP. So auch der Politökonom Hickel, ein guter Freund des Ex-DKP-Präsidiumsmitglieds Huffschmid und wie dieser prominenter Vertreter des Stamokap, pardon politisch korrekt übersetzt „Keynesianismus“. Jetzt wo es endlich voran mit der Partei geht und das öffentliche und politische Bewusstsein keon kritisches Bewusstsein gegenüber dem Sozialismus und desssen Verbrechen mehr zeigt, bekennen sie endlich Farbe. Das war zu erwarten.

    Für diese Leute muss die reale Entwicklung der BRD doch das Paradies auf Erden sein. Insbesondere wenn man an die Zeit zurückdenkt, als das totalitäre System zusammenbrach. Da muss eine Welt für die zusammengebrochen sein. Keine Hoffnung auf den totalen Planstaat und die heiss begehrte prominente Position in demselben mehr. Huffschmid hat sich auch rasch zum Attac abgesetzt. Und jetzt auf einmal Riesenerfolge und eine reale Chance in Bälde an einer Bundesregierung beteiligt zu ein. Im Osten hat die SED bereits CDU und SED überflügelt, Wer hätte das gedacht.

    Neben den prominenten Dehms&Hickels gibt es noch unzählige weniger prominente Genossen, die endlich Farbe bekennen. Und zu deren „gewerkschaftlichen Hintergrund“ ist zu sagen, dass sie ihre extremistischen Positionen von Aussen in die Gewerkschaft hinein tragen. Ob man das einen „gewerkschaftlichen Hintergrund“ nenne soll – ehem.

    Mit diesem DKP Umfeld habe ich mich damals in der SPD lange genug herumschlagen müssen. Das nicht wirklich Fleisch vom Fleische der SPD, sondern Fremdkörper und die SPD sollte glücklich und zufrieden sein, endlich diese Leute losgeworden zu sein.

    Allzu viele sind es allerdings nicht, ansonsten würde der Westableger der „Linkspartei“ auch nicht so viele Posten mit (Ex-) DKP Leuten besetzen müssen. Das macht sie angreifbar, denn im Wertekosmos der Politically Correctness sind die DKP Leute die Bösen und die Leute, welche im Realsozialismus bestens dastanden sind die Guten. Stasisympathien liefern nur im Westen einen Grund für den Fraktionsausschluss. Im Osten dagegen haben diese Leute öffentliche Ämter inne. „Moral ist im Osten, was der sozialistischen Sache dient.“ – so steht es jedenfalls im Tagesspiegel geschrieben.

    Derart zieht man dann die Kampagnen auf. Wegner hat es schon getroffen. Die Partei wird von der tölpelhaften Kampagne nur profitieren. Sie hat es nämlich nunmehr noch leichter, im Westen Positionen mit genehmen Genossen zu besetzen. Ausserdem können sich die Gysi&Co derart ganz gut als Saubermänner profilieren. Gysi hat ja schon einige kerlige Sprüche über die Wegners geklopft. Der Kampf für den Erhalt unserer freiheitlichen Demokratie wird jedenfalls solange scheitern, solange man weiterhin die Gysi&Co und insbesondere deren antidemokratisches Wählerpotenzial verharmlost. Bei denen und weniger den kleinen Wegners muss die Axt primär angesetzt werden.

  4. Alles, was Du schreibst, ist zutreffend, bis auf die Schlussfolgerung, dass die marxistisch/kommunistische Grundierung vieler Linker einen wesentlichen Unterschied zur SPD ausmache. Die Führungsriege der heutigen SPD besteht mehrheitlich aus Leuten, die in den siebziger Jahren als Stamokaps oder Antirevisionisten, in jedem Falle aber als Marxisten eingestiegen sind. Und die waren nicht alle so zynisch oder so realistisch wie Schröder (Mitherausgeber der antirevisionistischen „Göttinger Thesen“), der so lange linke Sprüche klopfte, bis er sich das als Ministerpräsident nicht mehr leisten konnte und eine 180-Grad-Kehre hinlegte.

    Ein ähnliches Bild gibt es bei den Grünen, die fast alle aus irgendwelchen K-Sekten kamen.

    Ein großer Unterschied zur Linkspartei besteht da nicht, außer dass die Linken im Westen (aber nicht im letztlich entscheidenden Osten) ein paar Jahre Entwicklungsrückstand haben. Der Realitätsschock steht denen noch bevor, und er wird darin bestehen, dass sie genau wie Ex-Jusos bei der SPD und Ex-K-Gruppen-Leute bei den Grünen brutal vor die Alternative gestellt werden, entweder ihre Illusionen halbwegs realitätskompatibel zu machen oder sich von der CDU regieren zu lassen. Der Ausgang ist vorhersehbar.

    Dabei wird die Linkspartei ebensowenig wie bisher die SPD oder die Grünen Anstalten machen, die Diktatur des Proletariats zu installieren, eine Planwirtschaft zu errichten oder die Demokratie abzuschaffen. Es fehlt ihnen schlicht an einem Projekt; die Linke (insgesamt) weiß bestenfalls, wogegen sie ist, aber nicht, wofür sie sein soll.

    Das bedeutet NICHT, dass die Linkspartei nicht zu fürchten wäre; sie ist GENAUSO zu fürchten wie SPD und Grüne. Aber nicht, weil sie selber eine Diktatur errichten würde, sondern, weil sie die Verteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde paralysiert, speziell gegen den Islam. Damit meine ich sowohl die militärische Verteidigung als auch die Gewährleistung der inneren Sicherheit als auch die kulturelle Selbstbehauptung, also die Verteidigung der Dominanz des westlichen Wertesystems im Inneren. Dass sie uns in den Sumpf wirtschaftlicher Dauerstagnation führen werden, tut ein Übriges.

  5. zu Leuten wie Christel Wegner und Dieter Dehm kann ich nur sagen: ganz klar, die vertreten vollkommen ihre Ideologie.

    Aber den Gedankengang von Manfred finde ich richtig, wenn man unterscheidet zwischen einzelnen, unsympathischen Personen, und den Wählern, die diese Personen und Parteien wählen. Diese Wähler sind in der Mehrheit keine ideologisch verbohrten Apparatschiks, sondern einfach frustrierte, meistens auch schlecht informierte, Bürger.

    Ich behaupte einfach mal, dass viele Wähler die Linkspartei nicht wegen der DKP-Christel gewählt haben, sondern einfach aus einer Mischung aus Ressentiment und Protesthaltung.

    Die Idee, es von „rechts“ auch zu versuchen und damit die Unionsparteien programmatisch vor sich herzutreiben, wie’s die Linke mit der SPD macht , ist richtig, bisher aber immer gescheitert – (siehe die Schill-Partei, die REP’s und andere).

    Schön wäre es, wenn es doch noch gelingen könnte …

  6. Wobei sowohl die Reps als auch die Schill-Partei nicht daran gescheitert sind, dass die Wähler ihnen keine Chance gegeben hätten, sondern, dass sie sie nicht genutzt haben. Sie sind an sich selber gescheitert und an unzureichendem Personal. Schill hat sich unmöglich gemacht, und die Reps hatten sowieso nur Schönhuber. Ansonsten erinnere ich mich, dass sie hier in Berlin mal einen Spitzenkandidaten hatte, der in der Berliner Unterwelt den Spitznamen „Chinesen-Kalle“ führte. Tja – wer für Recht und Ordnung mit Chinesen-Kalle eintritt, hat zwangsläufig ein Glaubwürdigkeitsproblem.

  7. „Die Führungsriege der heutigen SPD besteht mehrheitlich aus Leuten, die in den siebziger Jahren als Stamokaps oder Antirevisionisten, in jedem Falle aber als Marxisten eingestiegen sind.“

    also ich gebe freigiebig ja zu, dass mein Denken von den 1960ern geprägt ist und ich deshalb zu einigen analytischen Fehlschlüssen neige. Dennoch, ist dir Ernst mit obiger Behauptung?

    Sicher, Schröder war ein antirevisionistischer und Benneter ein Stamokap Juso. Letzterer wurde allerdings einstmals aus der SPD und damit auch den Jusos ausgeschlossen. So wie viele andere Stamokap Jusos ebenso. Soll Frank-Walter Steinmeier etwa auch ein Marxist sein? Weiss er denn überhaupt, was die organische Zusammensetzung des Kapitals ist, bzw. bringt er überhaupt das geistige Rüstzeug zum Verständnis der Marxschen Wertlehre mit? Ich habe da so meine Zweifel. Und Kurt Beck – ein Ex-Stamokap-Juso? Meines Wissens kommt der doch aus der Christlichen Arbeiterjugend. Kann nicht die christliche Soziallehre Ursache seines neuerlichen Geschwurbels von der „sozialen Gerechtigkeit“ sein? Oder ist das herzerweichende soziale Geschwurbel nur eine Marketingsstrategie, welche einmal mehr nur der schieren Machtlüsternheit geschuldet ist?

    Anscheinend sind dir empirische Untersuchungen bekannt, die klar nachweisen, dass die Führungsriege der heutigen SPD mehrheitlich aus ehemaligen Marxisten aus den 1970er besteht, welche mir unbekannt sind.

  8. Das Wort „mehrheitlich“ heißt, dass es auch eine Minderheit gibt, zu der in der Tat auch Beck und Steinmeier gehören. Empirische Untersuchungen kenne ich nicht – meinetwegen kann es auch ein Verhältnis 50-50 sein. Mir fallen noch Olaf Scholz, Karsten Voigt und Heidi Wieczorek-Zeul auf Anhieb ein; im Übrigen habe ich noch fast jedesmal, wenn ich mich zufällig mit der Biographie von irgendwelchen SPD-Häuptlingen aus der Generation der 50-65jährigen auseinandergesetzt habe, festgestellt, dass sie ihre Karriere bei den Jusos begonnen haben; und die Zustände dort Anfang der achtziger Jahre kenne ich noch aus eigener Erfahrung.

    Es geht mir auch nicht um die genaue Quantifizierung (Wenn Dich das Wort „mehrheitlich“ stört, streiche es meinetwegen.), sondern darum, dass Leute mit marxistischer Biographie in der SPD nichts Ungewöhnliches sind.

  9. Habe gerade die Spätnachrichten im ZDF gesehen. Trotz der beschönigenden Darstellung hat mich, was ich über die konfuse SPD hörte, ungemein beunruhigt.

    Anscheinend findet in der SPD derzeit eine Art Putsch statt. Der Parteivorsitzende liegt angeblich mit ernster Grippe im Bett. (Nun gut, von mir aus könnte er auch die Pest haben.) Dass er aber nicht einmal per Telefon in die laufende Richtungsdebatte eingreifen kann, ist eher ungewöhnlich und erinnert mich an die Zeit um 1991, als ein anderer Parteivorsitzender einer roten Partei im Urlaub gerade unerreichbar war.

    Die Schlagzeilen über die SPD werden von linken Ideologen wie Nahles und Gabriel nach Belieben dominiert, und Steinmeier, der zu allem medientauglich beruhigend lächelt, spielt den Ahnungslosen, dürfte aber Bescheid wissen. Die Manöver mancher Beck-Kritiker erinnern derweil an preußische Rekruten (rin inne Kartoffeln, raus ausse Kartoffeln etc.), doch klar ist, dass vor allem die Glaubwürdigkeit von Partei“rechten“ dabei beschädigt wird.

    Diejenigen, die der Öffentlichkeit 40 Jahre lang weisgemacht haben, dass sie sich von den Klassenkampf-Parolen, der Pro-Vietcong-Agitation und der Mao-Begeisterung ihrer späten Jugend distanziert hätten, fechten in der Parteizentrale wohl gerade die Richtungskämpfe aus, die in der linken Soziologen-WG anno ’68 unerledigt geblieben sind. Die SPD hat mit „sozialer Demokratie“ gerade sehr wenig zu tun, nicht einmal mehr mit „demokratischem Sozialismus“ – falls das nicht in sich schon ein Widerspruch wäre. Wenn die „ehemaligen“ Mao-Verehrer sich tatsächlich durchsetzen, dann droht vielleicht die erneute Vereinigung mit der Linkspartei.

    Dieses erbärmliche Schauspiel stellt gleichzeitig eine Großchance für die angeblich konservativen Kräfte dar, die die jetzige Situation, wenn sie schon nicht wirklich so ist wie dargestellt, doch ohne weiteres so darstellen könnten, um ihren ohnehin längst ungeliebten Bündnispartner zu desavouieren, die Koalition mit dieser Begründung zu beenden und bei Neuwahlen einen Stimmengewinn einzufahren. Doch im Adenauerhaus schläft man wohl zur Stunde gerade. Wer weiß, vielleicht schläft man auch gar nicht?

  10. Die Union würde bei einer solchen Strategie ein schweres Risiko eingehen:

    Da die SPD auf keinen Fall von sich aus Neuwahlen zustimmen würde, müsste die Kanzkerin die Vertrauensfrage stellen und mit einem von der SPD abgelehnten Projekt verknüpfen. Da die SPD sich Neuwahlen im Moment nicht leisten kann, könnte die Versuchung übermächtig werden, Beck mit den Stimmen der Linkspartei zum Kanzler wählen zu lassen, um sich dann in zwei Jahren mit dem Amtsbonus im Rücken einer Wählerschaft zu stellen, die sich bis dahin vielleicht an die Linke gewöhnt hat.

    Nicht dass das für die SPD einfach wäre; aber wenn ich Angela Merkel wäre, würde ich es darauf erst ankommen lassen, wenn die innere Zerrüttung der SPD so weit fortgeschritten ist, dass ihre Fraktion auseinanderbricht, sie jedenfalls nicht mehr in der Lage ist, ein geschlossenes Votum für Beck zu garantieren.

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